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Wissenschaft als Emanzipation?

Eine Auseinandersetzung mit der Wissenschaftskonzeption der „Kritischen Theorie“

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Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Der Wissenschaftskonzeption der „kritischen Theorie“ der zu verändernden Gesellschaft (Horkheimer, Adorno, Marcuse, Habermas) wird im wesentlichen zugestimmt. Sie wird verteidigt insbesondere gegen ein Selbstverständnis der Geistes- und Sozialwissenschaften, das sich im Namen der „Freiheit von Forschung und Lehre“ auf einen Begriff „der“ interesse- bzw. wertfreien Wissenschaft zurückzieht. Andererseits will der Autor die genannte Konzeption ergänzen bzw. präzisieren: Zwar stellt die Einheit von Theorie und Praxis ein Postulat philosophischer Reflexion dar, letztere erweist aber auf ihrer höchsten Stufe das politisch interessierte Engagement und das wissenschaftliche Interesse an entdogmatisierender Reflexion jedes Engagements unter den Bedingungen menschlicher End-lichkeit als polar-entgegengesetzte, auseinandertretende Momente.

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Bibliography

  1. Vgl. H. Schelsky,Einsamkeit und Freiheit (Rohwohlts Deutsche Enzyklopädie, Hamburg 1963), bes. S. 284 ff. Eindeutiger als bei Schelsky kommt die philosophisch-antiphilosophische Pointe einer im „postideologischen“ Zeitalter sich abzeichnenden instinktanalogen Selbststabilisierung des Menschen durch die entfremdeten Systeme der Technik in den jüngsten Schriften von A. Gehlen heraus. Vgl. bs. „Über kulturelle Kristallisation“ (in: Studien zur Anthropologie u. Soziologie, Neuwied 1963, S. 311 ff.) und „Über kulturelle Evolution“ (in:Die Philosophie u. die Frage nach dem Fortschritt, 1964). Zur Kritik der Gehlenschen „Philosophie der Institutionen“ vgl. meine Rezension inPhilos. Rundschau, 10. Jg. (1962), S. 1–21.

  2. Vgl. die grundlegenden Aufsätze M. Horkheimers aus der Zeitschrift für Sozialforschung (1937 ff.), die jetzt wieder unter dem Titel „Kritische Theorie“ (Frankfurt/S. Fischer, 1968, 2. Bde.) erschienen sind.

  3. Noch im Ausblick der 4. Auflage seines Buches „Die skeptische Generation“ (Düsseldorf-Köln 1963, Sonderausgabe 1962) schrieb Schelsky: „Aber was sich auch ereignen mag, diese Generation wird nie revolutionär, in flammender kollektiver Leidenschaft auf die Dinge reagieren, ... Man wird sich auf keine Abenteuer einlassen, sondern immer auf die Karte der Sicherheit setzen, des minimalen Risikos, damit das mühselig und glücklich wieder Erreichte, der Wohlstand und das gute Gewissen, die gebilligte Demokratie und die private Zurückgezogenheit nicht wieder aufs Spiel gesetzt wird. In allem, was man so gern weltgeschichtliches Geschehen nennt, wird diese Jugendeine stille Generation werden ...“ (a.a.O. S. 381 f.).

  4. Vgl. St. Leibfried (Hrsg.),Wider die Untertanenfabrik. Handbuch zur Demokratisierung der Hochschule, Köln 1967.

  5. Vgl. z. B. die radikale Kritik der etablierten Wissenschaftskonzeption der britischen Universitäten durch P. Anderson in „New Left Rev.“,50 (1968), S. 3–57.

  6. In: H. Schelsky,Auf der Suche nach Wirklichkeit, Düsseldorf 1965, S. 456 ff; vgl. auch H. Schelsky;Einsamkeit und Freiheit, a.a.O., S. 299, wo von einer neuen „Selbstentfremdung des Menschen“, die darin liegt, „daß der Schöpfer sich in sein Werk, der Konstrukteur in seine Konstruktion verliert“, die Rede ist.

  7. So der Titel der 1967 erschienenen Übersetzung der „Eclipse of Reason“ (1947) von M. Horkheimer.

  8. Vgl. J. Habermas, Gegen einen positivistisch halbierten Rationalismus. In: Kölner Ztschr. f. Soziologie und Sozialpsychol. Bd.16 (1964).

  9. Vgl. J. Habermas,Technik und Wissenschaft als „Ideologie“ (Frankfurt a.M. / Edition Suhrkamp 287, 1968).

    Google Scholar 

  10. Vgl. dazu insbesondere die unter dem Titel, „Holzwege“ (Frankfurt 1950) erschienenen Aufsätze M. Heideggers.

  11. Vgl. H. Marcuse,One-Dimensional Man. Studies in the Ideology of Advanced Industrial Society (Boston, Mass./Beacon Press, 1964, dtsch. Übers. Neuwied u. Berlin / Luchterhand 1967).

  12. J. Habermas,Technik und Wissenschaft als Ideologie, a.a.O.

  13. Vgl. M. Heidegger,Die Frage nach der Technik, in:Vorträge und Aufsätze, Pfullingen 1954, S. 13–44.

  14. Vgl. auch J. Habermas, a.a.O. S. 53.

  15. Eine ältere Inspirationsquelle für die antitechnologische bzw. antiszientifische Wendung Marcuses (ebenso wie E. Blochs und anderer Neomarxisten) ist freilich der aus der jüdisch-christlichen Mystik bei Schelling und Marx überlieferte Topos von der „Resurrektion der gefallenen Natur“ (vgl. Habermas, a.a.O. s. 55).

  16. Vgl. hierzu besonders: J. Habermas (Hrsg.), „Antworten auf Marcuse“ (Frankfurt a. M. / Ed. Suhrkamp 263, 1968) und „Die Linke antwortet Jürgen Habermas“ (Frankfurt a.M. / Europ. Verlagsanstalt 1968).

  17. So z. B. in den berühmten Sätzen am Ende des Aufsatzes „Zur Kritik der Hegelschen Rechtsphilosophie von 1843“: „Die Emanzipation des Deutschen ist die Emanzipation des Menschen. Der Kopf dieser Emanzipation ist die Philosophie, ihr Herz das Proletariat. Die Philosophie kann sich nicht verwirklichen ohne die Aufhebung des Proletariats, das Proletariat kann sich nicht aufheben ohne die Verwirklichung der Philosophie“ (Zitat nach Karl Marx,Die Frühschriften, hrsg. v. S. Landshut, Stuttgart/Kröner 1953, S. 224).

  18. Vgl. die programmatische Frankfurter Antrittsvorlesung „Erkenntnis und Interesse“ vom 28.6. 1965 (jetzt abgedruckt in „Technik und Wissenschaft als ‘Ideologie’“, S. 146 ff) sowie die Ausführung dieses Programms in dem Buch gleichen Titels (Frankfurt a.M. / Suhrkamp 1968).

  19. Vgl. für eine parallele Bemühung meine Aufsätze: „Die Entfaltung der ‘sprachanalytischen’ Philosophie und das Problem der ‘Geisteswissenschaften’“ (Philos. Jb., 72, 1965, S. 239–289; engl. Übersetzung „Analytic Philosophy of Language and the ‘Geisteswissenschaften’“, in:Foundations of Language, Suppl. Series, Vol. 5, Dordrecht 1967) und „Szientistik, Hermeneutik, Ideologiekritik: Entwurf einer Wissenschaftslehre in erkenntnis-anthropologischer Sicht“ (Wiener Jb. f. Philos., I, 1968, S. 15–45; Kurzfassung in „Man and World“, I, 1968). Für eine zusammenfassende Darstellung dieser Thesen als eines „dialektisch-hermeneutischen Ansatzes“ vgl. den 2. Bd. von G. Radnitzky,Contemporary Schools of Metascience (Göteborg 1968).

  20. Habermas, „Erkenntnis und Interesse“ (Antrittsvorlesung), a.a.O., S. 157.

  21. ebda. S. 168.

  22. Vgl. H.-G. Gadamer,Wahrheit und Methode;2 Tübingen 1965, Teil II.

  23. Habermas,Technik und Wissenschaft als Ideologie, a.a.O., S. 158.

  24. Vgl. besonders Habermas,Arbeit und Interaktion ..., a.a.O., S. 9 ff.

  25. Daß die kommunikative Praxis sogar für die Konstitution der logischen Partikel und somit für die Geltung der Operationen der formalen Logik als transzendentale Basis vorausgesetzt wird, hat P. Lorenzen in seiner „Protologik“ gezeigt. Vgl. P. Lorenzen,Methodisches Denken (Frankfurt a.M. / Suhrkamp 1968, S. 81 ff.).

  26. Diesem Verdacht ist die Konzeption der „kritischen Theorie“ in der positivistischen und auch in der im Sinne Poppers kritizistischen Begründung der Sozialwissenschaften ausgesetzt. Vgl. die im Anschluß an die auf der Tübinger Tagung der Deutschen Gesellschaft für Soziologie (Oktober 1961) gehaltenen Referate von Th. W. Adorno und K. R. Popper zwischen J. Habermas und H. Albert ausgetragenen Kontroverse: 1. Habermas, Analytische Wissenschaftstheorie und Dialektik, in: Max Horkheimers (Hrsg.)Zeugnisse, Th. W. Adorno zum 60. Geburtstag, Frankfurt a.M. 1963; 2. Albert,Der Mythos der totalen Vernunft, in: Kölner Ztschr. f. Soziol. und Sozialpsychol. Bd. 16 (1964); 3. Habermas,Gegen einen positivistisch-halbierten Rationalismus, ebda.; 4. Albert,Im Rücken des Positivismus?, ebda. Bd. 17 (1965).

  27. Habermas, a.a.O., S. 158.

  28. Vgl. H. Skjervheim,Objectivism and the Study of Man, Oslo 1959.

  29. A. V. Cicourel,Method and Measurement in Sociology, Glencoe 1964. Dazu J. Habermas,Zur Logik der Sozialwissenschaften, Beiheft 5 d. Philos. Rdsch., Tübingen 1967, III, 6,2.

  30. Vgl. besonders die Arbeiten von K. Popper, C. G. Hempel und Oppenheim und Th. Abel sowie meine Kritik der letzteren in „Die Entfaltung der ‘sprachanalytischen’ Philosophie und das Problem der ‘Geisteswissenschaften’“, a.a.O. Für eine eingehende, kritische Würdigung der neopositivistischen Erklärungstheorie vgl. neuerdings G. Radnitzky: Contemporary Schools of Metascience, a.a.O., Bd. I, S. 146 ff.

  31. Vgl. zum folgenden auch Kl. Mollenhauer,Erziehung und Emanzipation, München 1968, Einleitung.

  32. Vgl. hierzu J. Habermas,Verwissenschaftlichte Politik und öffentliche Meinung. In:Technik und Wissenschaft als ‘Ideologie’, a.a.O., S. 120 ff.

  33. Vgl. K. Steinbuch,Falsch programmiert, Stuttgart 1968, S. 104.

  34. Der letzte Ausfatz von H. Albert (Sozialwissenschaft und politische Praxis, in:Arch. f. Rechts- und Sozialphilos. (1968 LIV/2), S. 247 ff.) zeigt m. E. das Dilemma eines Wissenschaftstheoretikers, der den Begriff wertfreier „Science“ nicht überschreiten und doch zugleich eine kritisch-emanzipatorische Funktion der Wissenschaft bejahen möchte (vgl. bes. S. 273).

  35. Vgl. J. Habermas,Verwissenschaftlichte Politik und öffentliche Meinung, a.a.O. S. 143 ff.

  36. Dies hat zuerst Ch. S. Peirce erkannt. Vgl. meine„Einführung“ in Peirce, Schriften I (Frankfurt a.M. / Suhrkamp 1967) S. 105 ff.

  37. K. Popper,The open society and its enemies, London 1945, Vol. II, p. 131 ff. Dazu meine Kritik in: „Sprache und Reflexion“ (in: Akten d. XIV. Internationalen Kongresses für Philosophie, Wien: 2.–9. September 1968, Bd. III, Wien/Herder 1969, S. 417 ff.).

  38. Vgl. besonders Kap. 9 des Buches von Habermas.

  39. Die von Habermas postulierte Identität von Erkenntnis und Interesse, von Reflexion und praktischem Engagement setzt, wie mir scheint, die von Marx geforderte „Verwirklichung der Philosophie“, welche zugleich ihre „Aufhebung“ sein würde, schon voraus, statt sie als ein „regulatives Prinzip“ zu betrachten, dem — unbeschadet seiner Geltung — „nichts Empirisches korrespondieren kann“ (Kant) — Vgl. hierzu auch meinen Aufsatz „Reflexion und materielle Praxis: zur erkenntnisanthropologischen Begründung der Dialektik zwischen Hegel und Marx“ (in:Hegelstudien, Beiheft 1, S. 151–166).

  40. Vgl. hierzu meine Kritik an „Arnold Gehlens Philosophie der Institutionen“ (Philos. Rdsch. 10. Jahrg. 1962, S. 1–21).

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Vortrag anläßlich der Kieler Universitätstage 1969 unter dem Leitthema „Aufgaben der Universität heute und in der Zukunft“.

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Apel, KO. Wissenschaft als Emanzipation?. Zeitschrift für Allgemeine Wissenschaftstheorie 1, 173–195 (1970). https://doi.org/10.1007/BF01801725

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