Von der res gesta
zur narratio rerum gestarum
Anmerkungen zu Methoden und Hilfswissenschaften
des mittelalterlichen Geschichtsschreibers
Hans- Werner Goetz
„Geschichte ist die geistige Form, in der sich eine Kultur über ihre Vergangenheit Rechenschaft gibt" - so definierte Johan Huizinga „Geschichte" (') und betonte damit zu Recht, daß die „Geschichte", oder besser : das Geschichtsbild, zeitgebunden und wandelbar ist, eine Erkenntnis, die dazu verleitet hat, unter „Geschichte" überhaupt nur noch die im Bewußtsein der Gegenwart verarbeitete Vergangenheit zu verstehen. Tatsächlich ist der Begriff mehrschichtig, nämlich auf Vergangenheit und Gegenwart bezogen, begreift „Geschichte" — wie schon bei Huizinga — gerade den Zusammenhang zwischen Vergangenheit und Gegenwart (2), zwischen dem Geschehen (als Ereigniszusammenhang) (3) und dessen zeitgenössischer Reflexion in Form darstellender Geschichtsschreibung (4), zwischen den res gestae und der narratio rerum gestarum (5). Die vermittelnde Brücke zwischen beiden Polen bildet die Geschichtswissenschaft (bzw. die Geschichtsschreibung als Vorgang), die die überlieferten Fakten in einen Kausalzusammenhang
(1) Johan Huizinga, Wege der Kulturgeschichte, München 1930, S. 86.
(2) Vgl. Jörn Rüsen, Historik und Didaktik, in Geschichtswissenschaft. Didaktik — Forschung - Theorie, hg. v. Erich Kosthorst. Göttingen 1977, S. 48 : „Geschichte ist derjenige Zusammenhang zwischen Vergangenheit und Gegenwart, den handelnde Individuen und Gruppen reflektieren müssen, wenn sie ihr Handeln sinnhaft in einer Zukunftsperspektive orientieren wollen".
(3) Vgl. Johann Gustav Droysen, Historik, München 1937 (ND. 1974), S. 6 : Geschichte als „die Summe dessen, was im Lauf der Zeit geschehen ist, soweit irgend unser Wissen davon reicht".
(4) Vgl. Karl-Georg Faber, Theorie der Geschichtswissenschaft, München "1978, S. 23 : „Es wird unterschieden der reale (oder auch materiale) Begriff der Geschichte, der den Gegenstand unserer Wissenschaft, nämlich gewesenes Geschehen, meint, von dem theoretischen (oder formalen) Begriff, der die Beschäftigung, den Umgang mit diesem Gegenstand umschreibt".
(5) Vgl. ebd.