Abstract
Der Aufsatz will nachweisen, dass Husserls Denken in der Tat eine Erledigung des Cartesianismus darstellt. Es wird gezeigt, dass Husserls Denken eine ganz andere Auffassung der Wahrnehmung und der Evidenz als Descartes zugrunde liegt. Denn – im Vorgriff auf eine Einsicht, die gegenwärtig in der analytischen Philosophie vertreten wird – meint Husserl, eine Wahrnehmung oder Evidenz könne nur aufgrund anderer Wahrnehmungen oder Evidenzen bezweifelt werden. Deshalb setzt jede solche Bezweifelung das Vertrauen in die Wahrnehmung oder Evidenz voraus und kann nicht die Wahrnehmung oder Evidenz als solche betreffen, sondern lediglich ihre einzelnen Fälle. Demzufolge ist die phänomenologische Reduktion nicht eine Art methodischer Zweifel, und das Husserlsche cogito hat nicht dieselbe Bedeutung wie das Cartesianische cogito. All das beruht auf einer Auffassung der Wirklichkeit, deren Kern in der Identifikation von Wirklichkeit und Erfahrbarkeit liegt, die aber keine Reduktion der Dinge auf das Bewusstsein impliziert