Abstract
Dem phänomenologischen Philosophieren liegt ein spezifisches Verständnis
von Freiheit zugrunde, an dem sich eine negative und eine
positive Seite unterscheiden lassen. Negativ ist die phänomenologische
Freiheit die Freiheit von philosophischen Vorurteilen, positiv eine Freiheit
zum philosophischen Neuanfang. Sie benennt die Fähigkeit, sich in
einer Erfahrungssituation auf das für diese Situation Wesentliche einzulassen,
dieses philosophisch zu erfassen und entsprechend zu handeln.
Aufgrund dieser Kontinuität im Phänomen der Freiheit selbst
lässt sich die phänomenologische Freiheit weder allein als negative,
noch allein als positive Freiheit verstehen, noch lässt sie sich Theorie
oder Praxis zuordnen. Ihr Gebrauch ist zwar ein Tun, das mit der Kritik
gegenüber bestehenden Theoriebildungen anhebt. Aber dieses Tun verfolgt
kein vorgegebenes Ziel, sondern besteht darin, eine theoretische
Tätigkeit zu beginnen, die durch den Anspruch der Phänomenologie auf
deskriptives Wissen lediglich umrissen ist. Phänomenologische Freiheit
ist demnach Freiheit auch und gerade gegenüber den epistemischen und
praktischen Voraussetzungen des eigenen Handelns und so erst jene
radikale Zuwendung zu den Sachen, wie sich in der Phänomenologie
realisieren soll. Mit dieser Bestimmung soll nicht geleugnet werden,
dass Freiheit primär ein Gegenstand der praktischen Philosophie ist.
Aber in einer phänomenologischen Bestimmung von Freiheit muss
auch dies sich aus dem Phänomen selbst ergeben. ...