Naturen im Kopf. Aristoteles' Seelenlehre als Gegenentwurf zu Descartes' Auffassung des Mentalen
Abstract
Im ersten Teil(Abschnitte 2 und 3) rekapituliere ich einige grundlegende Bestimmungen des Dualismus von Natur und Geist, wie er auf Rene Descartes' Philosophie im 17. Jahrhundert zurückgeht. Damit soll nicht nur die bis heute anhaltende berechtigte Kritiken diesem Dualismus, sondern auch ihre unverkennbare Wirkungslosigkeit besser verständlich werden. Der bis in die Gegenwart reichende Einfluß der Natur-Geist-Entgegensetzung läßt vermuten, daß auch die Kritik noch in seinem Bann steht. In dieser Situation empfiehlt es sich, Abstand durch eine Besinnung auf die vorangehende aristotelische Naturauffassung zu gewinnen. Deshalb stelle ich im zweiten Teil (Abschnitt 4) eine Interpretation von Aristoteles' Seelenlehre vor, die als Alternative oder zur Reformierung des cartesischen Dualismus geeignet ist. Dabei beschränke ich mich auf die mentalen Naturrepräsentationen, da ich ihnen den größten Stellenwert für Descartes' heutige Relevanz beimesse. Diese thematische Eingrenzung erlaubt es, mit der Seelenlehre auf Aristoteles' Naturbegriff zu rekurrieren, ohne die für ihn typische Opposition zum Begriff der Technik berücksichtigen zu müssen. Zur Begründung der modernen Naturwissenschaft war und ist die Ablehnung der antiken Kontrastierung von Natur und Technik unverzichtbar. Daß aber trotz der Legitimität dieser Zurückweisung zahlreiche Gründe für den aristotelischen Naturbegriff sprechen, geht auch auf seinen immer noch fruchtbaren anticartesischen Gehalt zurück.