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Zwei Fallstudien zur Prüfung des Falsifikationismus

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Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie Aims and scope Submit manuscript

Summary

Die Überprüfung des Falsifikationismus kann im Lichte einer neuen Methodologie anhand wissenschaftsgeschichtlicher Beispiele erfolgen. Um 1640 wurde das Fallgesetz nicht aufgrund seines empirischen Gehalts, sondern aufgrund seiner logischen Beziehungen zu metaphysischen Annahmen als ernstzunehmende Hypothese betrachtet, die es empirisch zu prüfen galt; ferner wurde eine Falsifikation für die Verwerfung der horror-vacui-Theorie weder als hinreichend noch als notwendig angesehen. Diese wissenschaftsgeschichtlichen Tatsachen sind mit Hilfe der Methodologie der Forschungsprogramme, nicht aber mit Hilfe des Popperschen Falsifikationismus, rational interpretierbar und bestätigen damit die methodologische Kritik, die in den letzten Jahren am Wissenschafts- und Fortschrittskriterium Poppers geübt worden ist.

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Literatur-Verzeichnis

  1. A. J. Ayer, Language, Truth and Logic, London171967, Introduction S. 5–16. Daß auch diese Formulierung noch zu weit ist, zeigt u.a. Church im Journal of Symbolic Logic 14, 1949, S. 52f. Die neueste Fassung des Sinnkriteriums, die formal gegen alle bisherigen Einwände abgesichert sein soll, liefern Yourgrau und Works, Eine neue, formalisierte Fassung des Verifikationsprinzips, in: Ratio 10, 1968, S. 45–52.

  2. Vgl. z. B. Carnap: „Thus the meaning of a sentence is in a certain sense identical with the way we dertermine its truth or falsehood; and a sentence has a meaning only if such a determination is possible“ (Testability and Meaning, New Haven 1954, S. 420).

  3. Vgl. z. B. K. R. Popper, Science: Conjectures and Refutations, in: Conjectures and Refutations, London41972, S. 57f.; Truth, Rationality, and the Growth of Knowledge, ibid. S. 218f., 236f. Besonders instruktiv ist Poppers Auseinandersetzung mit Carnap in: Demarcation between Science and Metaphysics, ibid. S. 253–292, vor allem S. 286f.; zur formalen Darstellung vgl. das zweite Addendum zu Conjectures and Refutations (Probability and the Severity of Tests), ibid. S. 388–390. Die Unterscheidung zwischen Wahrscheinlichkeit (im Sinne des Wahrscheinlichkeitskalküls) und Bewährungsgrad von Theorien wird bereits in Logik der Forschung (Tübingen41971, S. 215f. Anm.+3) als einer der entscheidenden Gedanken des Falsifikationismus bezeichnet.

  4. Die Entscheidung über Basissätze impliziert die Entscheidung darüber, welche Theorien als so unproblematisch angesehen werden können, daß die Phänomene mit ihrer Hilfe interpretiert werden dürfen. Vgl. dazu K. R. Popper, Logik der Forschung, a.a. O. S. 71–76; Conjectures and Refutations, a.a. O. (1. Addendum) S. 387f.

  5. Zum Prüfbarkeitsgrad vgl. Kap. VI der Logik der Forschung. Metaphysische Aussagen sind für Popper nicht sinnlos; in Abschnitt 11 der Logik der Forschung (a.a. O. S. 28) bezeichnet er einige von ihnen als „typische Hypostasierungen von methodologischen Regeln“; auch erkennt er an, daß nicht wenige metaphysische Gedankengänge (u. a. der spekulative Atomismus!) die Wissenschaft „gefördert“ haben (ibid. S. 13), und hält es für möglich, daß sie in falsifizierbare Form gebracht werden (ibid. S. 222f.; zu „metaphysischen Forschungsprogrammen“ vgl. das letzte Kapitel des „Postscript“ zur Logik der Forschung). Später hat Popper metaphysische Sätze sogar für rational kritisierbar gehalten, insofern stets entschieden werden kann, ob metaphysische Theorien gegebene Probleme adäquat lösen oder nicht (vgl. Conjectures and Refutations, a.a.O. S. 193–200 („The problem of the irrefutability of philosophical Theories“) bes. S. 198); daß philosophische Probleme stets auf wissenschaftliche Problemstellungen bezogen sind, versucht er anhand zweier historischer Fallstudien (Platons Ideenlehre, Kants Erkenntnistheorie) nachzuweisen (vgl. The Nature of Philosophical Problems and their Roots in Science, in: Conjectures and Refutations, a.a.O. S. 66–96). Vgl. ferner seinen Aufsatz „Über die Möglichkeit der Erfahrungswissenschaft und der Metaphysik“, in: Ratio 2, 1957/58, S. 1–16 und I. Lakatos, Popper zum Abgrenzungs- und Induktionsproblem, in: Neue Aspekte der Wissenschaftstheorie, ed. H. Lenk, Braunschweig 1971, S. 75–110.

  6. J. W. N. Watkins, Between analytical and empirical, in: Philosophy 32, 1957, S. 112–131; ders., Confirmable and influential metaphysics, in: Mind 67, 1958, S. 344–365. Watkins diskutiert ferner u. a. die kombinierten All- und Existenzsätze und kritisiert Popper mit dem Hinweis, daß (hypostasierte) methodologische Regeln keine logischen Beziehungen zu empirischen Sätzen haben können. Kritisch dazu R. Puccetti, Are metaphysical statements confirmable, in: The British Journal for the Philosophy of Science 13, 1962/63, S. 52f.

  7. J. Agassi, The Nature of Scientific Problems and their Roots in Metaphysics, in: The critical approach to science and philosophy (Festschrift Popper), ed. M. Bunge, London 1964, S. 189–211. Der hier dargestellte Ansatz leitet auch Agassis umfangreichere Studie Towards an Historiography of Science, 1963. Insbesondere vermag er die historisch feststellbare Koordination von Problemen in bestimmten Zeitabschnitten zu erklären. Noch weiter geht M. W. Wartofsky, Metaphysics as heuristic for science, in: Boston Studies in the Philosophy of Science III ed. D. Davidson et al., Dordrecht 1967, S. 123–173; sein Ziel ist nicht die Beschreibung der heuristischen Funktion der Metaphysik für Wissenschaft, sondern der Nachweis, daß diese Funktion notwendig ist, und die Erklärung, warum sie besteht. Vgl. zu dieser Diskussion ferner die Beiträge von M. Wilson, Metaphysics, fiction, and scientific inquiry, in: Akten des XIV. Internationalen Kongresses für Philosophie, Bd. III, Wien 1969, S. 147–153; M. Martin, Ontological variance and scientific objectivity, in: The British Journal for the Philosophy of Science 23, 1972, S. 266–274; J. Leptin, Contextual Falsification and Scientific Methodology, in: Philosophy of Science 39, 1972, S. 476–490.

  8. J. O. Wisdom, Methods of Refutation in Metaphysics, in: Boston Studies in the Philosophy of Science IV, 1969, S. 523–537; ders., Scientific Theory: Empirical Content, Ontology and Weltanschauung, in: Philosophy and Phenomenological Research XXXIII, 1972, S. 62–77. Es ist zu beachten, daß Wisdom die eingebettete Ontologie nicht als ein unabhängiges Axiom versteht; sonst könnte der empirische Gehalt nicht unabhängig von seiner Ontologie falsifiziert werden.

  9. I. Lakatos, Criticism and the methodology of scientific research programmes, in: Proceedings of the Aristotelian Society 69, 1968–69, S. 149–186; ders., Falsification and the methodology of scientific research programmes, in: Criticism and the growth of knowledge, ed. I. Lakatos and A. Musgrave, London 1970, S. 91–196. Auch Lakatos charakterisiert mit Hilfe des Terminus „empirischer Gehalt“ die Wissenschaftlichkeit von Theorien, aber anders als Popper: wissenschaftlich sind diejenigen Theorien, zu denen Vorgänger existieren, im Vergleich mit denen sie mehr bestätigte Aussagen herzuleiten erlauben. Angenommen, T und T′ seien Theorien derart, daß T′ alles erklärt, was T erklärt, und zusätzlich eine unbeschränkte Existenzaussage herzuleiten gestattet, deren Verifikation gelingt, dann hat nach Lakatos T′ mehr, nach Popper denselben empirischen Gehalt wie T. Außerdem scheint Lakatos diese Bedingung nur für hinreichend, nicht auch für norwendig zu halten, d. h. sie ist jedenfalls nicht als Abgrenzungskriterium verwendbar.

  10. Th. Kuhn, Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen, Frankfurt 1969; ders., Logic of Discovery or Psychology of Research? in: Criticism and the growth of knowledge, a.a. O. S. 1–23. Der letztgenannte Aufsatz ist eine Auseinandersetzung mit Popper; die Diskussion des Fortschrittskriteriums erfolgt in Abschnitt 3.

  11. Vgl. P. K. Feyerabend, Wie wird man ein braver Empirist? Ein Aufruf zur Toleranz in der Erkenntnistheorie, in: Erkenntnisprobleme der Naturwissenschaften, hrg. v. L. Krüger, Köln 1970, S. 302ff.; hier versteht Feyerabend seine Auffassung noch als Ausarbeitung Popperscher Thesen, ähnlich wie bereits in seinen Bemerkungen zum Instrumentalismus, vgl. seine Arbeit Realism and Instrumentalism: Comments on the Logic of factual support, in: The Critical Approach to Science and Philosophy, a.a.O. S. 280–308. Sein pluralistisches Konzept wendet er dann auch kritisch gegen Kuhn in Consolations for the Specialist, in: Criticism and the Growth of Knowledege, a.a.O. S. 197–230. Spätere Arbeiten dagegen demonstrieren seine Wandlung vom pluralistischen zum anarchistischen Methodologen, etwa Philosophy of Science: A subject with a great past, in: Minnesota Studies in the Philosophy of Science V, ed. R. H. Stuewer, 1970, S. 172–183, und Against Method: Outline of an Anarchistic Theory of Knowledge, ibid. IV, ed. Radner/Winkour, 1970, S. 17–131.

  12. Vgl. I. Lakatos, Falsification and the methodology of research programmes, a.a.O. S. 121: „‘Falsification’ in the sense of naive falsificationism (corrobated counterevidence) is not a sufficient condition for eliminating a specific theory ... Nor is ‘falsification’ in the naive sense necessary for falsification in the sophisticated sense: a progressive problem-shift does not have to be interspersed with ‘refutations’“. Wie diese Stelle zeigt, verwendet Lakatos auch den Popperschen Terminus „Falsifikation“ weiter (ähnlich wie „empirischer Gehalt“), aber in anderer Bedeutung — ein überflüssiges und mißverständliches Verfahren. Denn die Falsifikation „in the sophisticated sense“ ist nichts weiter als die Ablösung einer alten durch eine neue Theorie und hat fast nichts mehr mit der Falsifikation „in the naive sense“ gemein.

  13. Hinweise auf historische Beispiele finden sich zuweilen schon bei Popper. Immerhin besagt das zweite Motto (Lord Acton) der „Logik der Forschung“: „Nichts tut dem Mann der Wissenschaft mehr not, als etwas über ihre Geschichte zu wissen ...“; und der Gesichtspunkt des Erkenntnisfortschritts, den Popper gegenüber den logischen Empiristen in den Vordergrund gerückt hatte, mußte über kurz oder lang zu wissenschaftshistorischen Analysen führen. Dennoch ist die Logik der Forschung selbst ein ganz unhistorisches Buch, denn sie befaßt sich überwiegend mit dem Wissenschaftskriterium und den damit verbundenen Problemen, fast gar nicht mit den Bedingungen der Falsifikation. Dagegen steht in den „Conjectures and Refutations“ das Fortschrittskriterium im Mittelpunkt. Daher gibt es hier zahlreiche historische Anspielungen. Ihre Verwendung wird jedoch ihrerseits methodisch noch nicht reflektiert, ähnlich wie auch bei Feyerabend, der u.a. schreibt: „What we must do, is to replace the beautiful but useless formal castles in the air (sc. der Wissenschaftstheorie) by a detailed study of primary sources in the history of science. This is the material to be analyzed, and this is the material from which philosophical problems should arise“ (Philosophy of Science: A subject with a great past, a.a. O. S. 183) — so als sei wissenschaftshistorische Analyse ohne methodologischen Rahmen möglich. Aber damit wird der empiristische Standpunkt hinsichtlich „reiner“ Daten, den Popper und Feyerabend gerade zu überwinden glaubten, auf metamethodologischer Stufe reproduziert. In letzter Zeit hat es jedoch einige Versuche gegeben, die Beziehungen zwischen Wissenschaftsmethodologie und Wissenschaftsgeschichtsschreibung zu klären, etwa E. McMullin, The history and philosophy of science. A taxonomy, in: Minnesota Studies in the Philosophy of Science V, 1970, S. 12–67; H. Feigl, Beyond peaceful coexistence, ibid. S. 3–11; J. J. C. Smart, Science, History and Methodology, in: The British Journal for the Philosophy of Science 23, 1972, S. 266–274; G. Buchdahl, History of Science and Criteria of Choice, in: Minnesota Studies in the Philosophy of Science V, 1970, S. 204–229; vor allem aber I. Lakatos, History of Science and its Rational Reconstructions, in: Boston Studies in the Philosophy of Science VIII, 1971, S. 91–122, und die Kommentare von Kuhn (Notes on Lakatos, ibid. S. 137–146) und R. J. Hall (Can we use the history of science to decide between competing methodologies? ibid. S. 151–159).

  14. Wie bereits angedeutet, hat es auf logischer, epistemologischer und historischer Ebene eine intensive Diskussion zwischen Vertretern verschiedener Methodologien gegeben; aber, soweit ich sehe, hat Lakatos in „History of Science ...“ (a.a.O.) als erster explizit gefordert, Bedingungen zu spezifizieren, unter denen eine Methodologie aufgegeben werden muß. Die Spezifikation solcher Bedingungen erfordert dann auch die ausdrückliche Angabe der zu benutzenden Prüfungskriterien. In der Selbstanwendung der Prüfungskriterien scheint Lakatos allerdings keine prinzipielle Schwierigkeit zu sehen, auch wenn er es für vorteilhaft hält, sie zu vermeiden (History of Science ... a.a. O. S. 116).

  15. Auf diese Schwierigkeit hat Hall (Can we use ... a.a. O) aufmerksam gemacht; Lakatos behauptet in seiner Antwort (Replies to Critics, ibid. S. 179 ff.) zu Unrecht, daß Hall sein metamethodologisches Prüfungskriterium simplifiziert hat, vgl. folgende Formulierungen aus „History of Science ...“: „In the light of better rational reconstructions of science one can always reconstruct more of actual great science as rational“ (S. 117); „Thus progress in the theory of scientific rationality is marked .... by the reconstruction of a growing bulk of value-impregnated history as rational“ (S. 118). Ferner besteht eine Unklarheit in der Parallelisierung von wissenschaftlichen und methodologischen (historiographischen) Forschungsprogrammen: Lakatos vergleicht Methodologien (z. B. den Falsifikationismus) einerseits mit Theorien innerhalb eines wissenschaftlichen Forschungsprogrammes (daraus folgt auch das metamethodologische Prüfungskriterium), bezeichnet sie aber andererseits selbst als Forschungsprogramme, was an einen Vergleich mit der Abfolge von ganzen Forschungsprogrammen (nicht einzelner Theorien innerhalb eines Forschungsprogrammes) denken läßt. Im ersten Falle müßte ein umfassendes metamethodologisches Forschungsprogramm angegeben werden können, das die Folge der einzelnen Methodologien leitet; im zweiten Fall müßten einzelne (methodologische) Hypothesen existieren, deren Folge Progressivität oder Regressivität einzelner Methodologien bestimmen. Weder das eine noch das andere ist bei Lakatos deutlich zu erkennen.

  16. Es ist genau diese Möglichkeit, die McMullin (The History and Philosophy of Science ...a.a.O.) unberücksichtigt läßt, wenn er nach einer ausführlichen Klassifikation der verschiedenen denkbaren Beziehungen zwischen Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte zu der Auffassung gelangt, daß die deskriptive Beschreibung der Wissenschaftsgeschichte normative methodologische Behauptungen allenfalls illustrieren kann, aber keine empirische Basis bildet. Bereits seine grundlegende Unterscheidung zwischen externer (normativer) und interner (deskriptiver) Wissenschaftstheorie mit ganz verschiedenen Verfahrensweisen ist, abgesehen vom ungewönlichen Gebrauch der Termini „extern“ und „intern“, inadäquat.

  17. Vgl. dazu M. Clagett, The Science of Mechanics in the Middle Ages, Madison 1959; A. Maier, Die Vorläufer Galileis im 14. Jahrhundert, Rom 1949; ferner E. A. Moody, Laws of Motion in Medieval Physics, in: The Scientific Monthly 72, 1951, S. 18–23; A. Hermann, Die Entdeckung des Fallgesetzes und Galileis wissenschaftliche Methode, in: M. Rechenpfennige (Hrsg.), Aufsätze zur Wissenschaftsgeschichte, München 1968, S. 151–165; W. A. Wallace, Mechanics from Bradwardine to Galileo, in: Journal of History of Ideas 32, 1971, S. 15–28; E. J. Dijksterhuis, The Origin of Classical Mechanics from Aristotle to Newton, in: M. Clagett (ed.), Critical Problems in the History of Science, Madison 1959, S. 163–184.

  18. Giovanni Battista Baliani, De motu naturali gravium solidorum, Genua 1638; Johannes Marcus Marci, De proportione motus seu regula sphygmia ad celeritatem et tarditatem pulsuum ex illius motu ponderibus geometricis librato absque errore metiendam, Prag 1639; Evangelista Torricelli, De motu gravium naturaliter descendentium et proiectorum libri duo, Florenz 1644 (in: ders., Opere, ed. G. Loria, G. Vassura, Faenza 1914–44, vol. 2); Marin Mersenne, Harmonie universelle, Paris 1636, Bd. II; P. Gassendi, De proportione quo gravia decidentia accelerantur, Paris 1645.

  19. Vgl. die oben Anm. 17 genannte Literatur passim.

  20. Vgl. z. B. A. C. Crombie, Robert Grosseteste and the Origins of Experimental Science, Oxford 1953; R. Dugas, Mechanics in the Seventeenth Century, Neuchatel 1958, S. 22ff.

  21. Vgl. dazu etwa E. Grant, Aristotle, Philoponus, Avempace and Galileo's Pisan dynamics, in: Centaurus 11, 1965, S. 79–95; D. J. Fitzgerald, The problem of the projectile again, in: Proceedings in the American Catholic Philosophical Association 1964, S. 186–201.

  22. Vgl. A. Koyré, Etudes Galiléennes Bd. III (1939) (Galilée et la loi d'inertie); R. S. Westfall, Galileo and the New Science of Mechanics, in: ders., Force in Newton's Physics, London/New York 1971, S. 1–55; A. Gabbey, Force and Inertia in Seventeenth Century Dynamics, in: Studies in History and Philosophy of Science 2, 1971/72, S. 1–67. Neuerdings wird der Galileische Trägheitsbegriff wieder sehr intensiv diskutiert; in den jüngsten Arbeiten wird, m. E. zu Unrecht, versucht, Galilei bereits den gradlinigen Trägheitsbegriff zuzuschreiben, vgl. J. A. Coffa, Galileo's Concept of Inertia, in: Physis 10, 1968, S. 261–281, vor allem aber zahlreiche Abhandlungen von Stillman Drake: Galileo and the Law of Inertia, in: American Journal of Physics 32, 1964, S. 601–608 (dazu kritisch J. Losee, Drake, Galileo and the Law of Inertia, ibid. 34, 1966, S. 430–432); Semicircular Fall in the „Dialogue“, in: Physis 10, 1968, S. 89–100; The question of circular inertia, ibid. S. 282–298; Galileo Studies, Ann Arbor 1970, Kap. 12, 13. Aber Galilei verwendet den zirkulären Trägheitsbegriff nicht nur wiederholt im Zusammenhang mit dem genannten Gedankenexperiment (Le Opere di Galileo Galilei. Ristampa della Edizione Nazionale, Florenz 1929–1939, VIII S. 215), sondern auch für gravitationsfreie Bewegungen; so behauptet er, daß die Fallbewegung eines vom Mast eines fahrendes Schiffes fallenden Steines aus der senkrecht gerichteten Gravitationsbewegung und der zirkulären Horizontalbewegung zusammengesetzt werden müsse (Opere a.a.O. VII S. 174f.), und daß ein Beobachter außerhalb der Erde einen von einem Turm senkrecht herabfallenden Stein sich auf einer Kreisbahn bewegen sehen würde, weil der Stein einen zirkulären Bewegungsimpuls von der rotierenden Erde erhält (Opere a.a.O. VII S. 191); auch den Planeten wird eine kreisförmige, gleichförmige und unendliche Bewegung zugeschrieben (Opere a.a.O. VII S. 43, 56). Nur im Zusammenhang mit der (in seinen Augen gewaltsamen) Projektilbewegung spricht Galilei von gradliniger Trägheitsbewegung, weil ihre parabolische Bahn mathematisch nur dann konstruiert werden kann, wenn ihre horizontale Bewegungskomponente gradlinig gleichförmig ist (Opere a.a.O. VII S. 218, 220, 225). Aber ein bisher zu wenig beachteter Abschnitt aus den Discorsi zeigt, daß Galilei die Annahme gradliniger Trägheitsbewegung in Projektilbewegungen als Approximation versteht, die deshalb erlaubt ist, weil die Länge der Bewegungsbahn im Verhältnis zum Erdumfang so klein ist, daß ihre Krümmung vernachlässigt werden darf (Opere a.a.O. VIII S. 274f.); diese Annahme ist also eine mathematisch vernünftige Simplifikation, physikalisch gesehen bleibt aber die Horizontalbewegung zirkulär.

  23. Opere a.a.O. VII S. 43.

  24. Opere a.a.O. IV S. 68, VIII S. 329, 333, vor allem aber S. 330, wo es heißt: Sind K1, K2 Körper mit den Gewichten g1, g2 und den Geschwindigkeiten v1, v2, so gilt (i) falls g1, v2 kleiner sind als g2 bzw. v1, so daß aber g2:g1 kleiner ist als v1:v2, so ist der momento von K1 größer als der von K2; (ii) falls g1:g2=v2:v1, so sind beide momenti gleich. Aus den Voraussetzungen von (i) folgt nun offenbar g2·v2 kleiner g1·v1, aus denen von (ii) g1·v1=g2·v2, d.h. „momento“ wird hier im Sinne von g·v verstanden, kommt also dem, was wir heute „Impuls“ (m·v) nennen, am nächsten.

  25. Opere a.a.O. VII S. 56, 44; VIII S. 118, 198. Die weitergehende Frage nach den physikalischen Ursachen der Fallbeschleunigung wurde daher bekanntlich von Galilei als vorläufig unbeantwortbar zurückgewiesen (Opere a.a.O. VII S. 260f.; VIII S. 202f.).

  26. Setzt man konstante Bahnbeschleunigung voraus, so kann v=ds/dt in b=dv/dt eingesetzt werden (Vektoreigenschaft von v braucht nicht beachtet zu werden); es folgt b=d2s/dt2 und damit die Integration v=∫(t)=∫b(t)dt=b∫dt=bt+c1 und daher s=f(t)=∫vdt=∫(bt+c1) dt=∫btdt+∫c1dt=b ∫tdt+c1∫dt=1/2bt2+c1·t+c2. Die Integrationskonstanten c1, c2 sind physikalisch Anfangsgeschwindigkeit v0 bzw. Anfangsort s0; so folgt auf rein mathematischem Weg s=1/2bt2+v0t+s0. Im 17. Jahrhundert und auch davor pflegte man die Beschleunigung geometrisch durch ein Dreieck (vgl. unten Fig. 1) darzustellen, wobei AB die Zeitstrecke, AC die Geschwindigkeitskurve bezeichnen soll. Das Anwachsen der Geschwindigkeit zeigt der zunehmende Rauminhalt der Figuren ADD′, DD′EE′, EE′FF′ usw. Der durchlaufene Weg wird also in der Tat geometrisch durch den unter bzw. neben der Geschwindigkeitskurve liegenden Rauminhalt bestimmt, d.h. ist das Integral der Weg-Zeit-Funktion. Die Hilfslinien machen unmittelbar deutlich, daß der Rauminhalt pro Zeiteinheit im Verhältnis der ungeraden Zahlen wächst, d.h. daß die durchlaufenen Strecken sich verhalten wie die Quadrate der Zeiten.

  27. Auch Galilei leitet (zu Beginn des 3. Tages der Discorsi) zunächst rein mathematisch einen Satz her, der dem Fallgesetz äquivalent ist: (+) Sei K gleichförmig beschleunigt und lege die Strecke s1 von t0 bis t1 zurück (v0=0 in t0, v1=a≠0 in t1); sei K andererseits gleichförmig bewegt und durchlaufe s1 mit v2=a/2 in der Zeit t2 dann gilt t2=t1-t0. Beweis (anhand geometrischer Darstellung, vgl. oben Fig. 2 und 3): Nach Voraussetzung: IABC=IDEFG; 1/2AC=DG=EF; nun ist IABC=1/2 AC · AB; IDEFG=DE · FE=DE·1/2AC; es folgt 1/2AC · AB=1/2AC·DE, also AB=DE. (+) ist nun dem Fallgesetz äquivalent, denn es ist nach (+) s1=v2·t2=1/2v1·t2; b=v1/t1-t0=v1/t2, mithin v1=bt2, also s1=1/2v1 · t2=1/2bt2t2=1/2bt 22 . Erst dann wird empirisch behauptet und nachgewiesen, daß beim freien Fall die durchmessenen Räume dem Quadrat der Zeiten proportional sind. Den Übergang zur empirischen Argumentation dokumentiert folgende Stelle: „Für jetzt verlangt unser Autor nicht mehr, als daß wir einsehen, wie er einige Eigenschaften der beschleunigten Bewegung untersucht und erläutert, so daß die Momente seiner Geschwindigkeit stets anwachsen jenem einfachsten Gesetz gemäß (mathematische Argumentation) ...; sollte sich zeigen, daß die später zu besprechenden Erscheinungen (sc. der freie Fall) mit der Bewegung der beschleunigt fallenden Körper übereinstimmen, so werden wir annehmen dürfen, daß unsere Definition den Fall der schweren Körper umfaßt (empirische Annahme) (Opere a.a.O. VIII S. 220).

  28. Vgl. A. Koyré, An Experiment in Measurement, in: Proceedings of the American Philosophical Society 97, 1953, S. 222–237 (jetzt in: ders., Metaphysics and Measurement, London 1968, S. 89–117).

  29. Zu Baliani und seinem Verhältnis zu Galilei vgl. z.B. S. Moscovici, L'experience du mouvement. Jean-Baptiste Baliani, disciple et critique de Galilée. Paris 1967, Vgl. ferner die ausführliche Studie von A. Koyré, A Documentary History of the Problem of Fall. From Kepler to Newton. Philadelphia 1955, und H. Schimank, Pendelversuche und Fallversuche in Bologna. in: Sonne steh still. 400 Jahre Galileo Galilei, ed. E. Brüche, Mosbach 1964, S. 82–97.

  30. Die Stellung von Descartes ist allerdings zwiespältig. Beeckman hatte schon vor 1620 vorgeschlagen, Trägheit und Erdattraktion als Ursachen der Fallbeschleunigung anzusehen und war sogar zu Aussagen gekommen, die dem Fallgesetz nahezu äquivalent sind (der Text aus seinem Journal ist zugänglich in: Descartes, Œuvres, ed. Adam/Tannery Bd. X S. 58). Die Kalkulation der Fallzeit hatte er dem jungen Descartes als Problem vorgelegt, der in seinen Cogitationes privatae stolz von seiner Lösung berichtet (Œuvres X S. 219). Aber der Attraktionsbegriff, den er hier im Anschluß an Beeckman noch verwendet, ist zehn Jahre später (1629) bereits vollständig eliminiert; Descartes bevorzugt von da an eine Lösung, die praktisch derjenigen Benedettis gleichkommt (vgl. seinen Brief an Mersenne vom 13. 11. 1629, Œuvres I S. 71 mit einer Fassung des Impetusbegriffes wie in J. Baptistae Benedicti Diversarum Speculationum Mathematicarum et Physicarum liber, Turin 1585, in: Disputationes de quibusdam placitis Aristotelis Cap. XXIV S. 184). Zwar fordert er in seiner bekannten Galilei-Kritik von 1638 (Brief an Mersenne vom 11. 10. 1638, Œuvres II S. 380), über Galilei hinauszugehen, hat aber selbst niemals präzise Antworten auf die Frage nach der Ursache der Fallbeschleunigung gegeben (vgl. dazu A. Koyré, Etudes Galiléennes a.a. O. S. 127ff.).

  31. Petri Gassendi Opera Omnia, Lyon 1658 (Nachdruck. Suttgart 1964), Bd. III 489 b 2 ff.

  32. Opera Omnia a.a.O. III 494b.

  33. Opera Omnia a.a. O. I 378a 2, 390a 2.

  34. Zu Beeckman vgl. Journal tenue de I. Beeckman I (1613/14) S. 24, 253, 256; III (1634) S. 369. Gassendi entwirft ein interessantes Gedankenexperiment, das offenbar die Situation der Kräftefreiheit verdeutlichen sollte: er stellt sich vor, Gott überführe abgesehen von einem Stein das gesamte Weltall für eine gewisse Zeit ins Nichts, und folgert, daß der Stein dann in seinem Bewegungszustand (Ruhe oder gleichförmige Bewegung) verbleiben wird, vgl. Op. om. a.a.O. III 494b, 495b 1; I 349b 2f., 354b 2f. Dazu B. Rochot, Beeckman, Gassendi et le principe d'inertie, in: Archives Internationales d'Histoire de Sciences 1952, S. 282–289; A. Pav, Gassendi's Statement of Inertia, in: Isis 57, 1966, S. 26–34; J. T. Clark, Pierre Gassendi and the Physics of Galileo, in: Isis 54, 1963, S. 352–369.

  35. Gassendi Opera Omnia a.a.O. III 496b 2f., 497a 1.

  36. Gassendi Opera Omnia a.a.O. III 564aff. Drei Jahre zuvor, im ersten Brief De Motu, hatte sich Gassendi noch von einem Scheinproblem irreführen lassen: das Gleichgewicht von Attraktion und Bewegungskraft, das ein nach oben geschleudertes Projektil am obersten Punkt seiner Bewegungsbahn erreicht, schien ihm keine hinreichende Ursache für die folgende Fallbeschleunigung zu sein; er nahm daher an, daß eine zweite Ursache zur Fallbewegung beiträgt (die Luft) (Op. Om. a.a.O. III 491a, 497af.). Später erkannte er dann, daß er das Trägheitsprinzip nicht berücksichtigt hatte, und korrigierte seine Erklärung. Die Entwicklung eines neuen Kraftbegriffes — als richtige Folgerung aus dem Trägheitsprinzip — war eine entscheidende wissenschaftsgeschichtliche Leistung Gassendis. Auch Descartes war bekanntlich zu dieser Zeit im Besitz des Trägheitssatzes (vgl. Principia Philosophica Pars Sec. Art. XXXVII, XXXIX, Œuvres a.a.O. VIII (i) S. 62f.); aber seine Fassung des Kraftbegriffes blieb der in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts verbreiteten Auffassung verhaftet, daß Kraft diejenige Eigenschaft eines Körpers ist, die es ihm erlaubt, den Widerstand (genauer die „Widerstandskraft“) anderer Körper zu überwinden: Bewegungskraft ist definiert als Produkt aus Größe (extensio) und Geschwindigkeit und ist ein Maß nicht für die Änderung des Bewegungszustandes, sondern für die Fähigkeit eines Körpers, auf andere zu wirken, ein Kriterium also für das dynamische Übergewicht eines Körpers über andere Körper (vgl. Œuvres VIII (i) S. 67); dazu mit weiteren Belegen A. Gabbey, Force and Inertia ..., a.a.O.; R. J. Blackwell, Descartes' Laws of Motion, in: Isis 57, 1966, S. 220–234.

  37. „Raum“ definiert Aristoteles als Grenze des umschließenden gegen den umschlossenen Körper (z.B. De cael. IV 3, 310b 7).

  38. Diese Phänomene wurden bereits von antiken Autoren wie Philon und Heron im Zusammenhang mit der Vakuumshypothese untersucht. Hauptstelle ist die theoretische Einleitung zum ersten Buch von Herons Pneumatica (vgl. Heronis Alexandrini opera quae supersunt omnia I, rec. W. Schmidt, Leipzig 1899, S. 1–31). Dazu vgl. A. G. Drachmann, Ktesibios, Philon and Heron. A Study in Ancient Pneumatics, Acta Historica Scientiarum Naturalium et Medicinalium 4, Kopenhagen 1948; M. Boas, Hero's Pneumatica: A Study of its Transmission and Influence, in: Isis 40, 1949, S. 38–48. Die Autorin beschreibt u.a. die Diskussion dieser Phänomene in Mittelalter und früher Neuzeit. Dazu auch W. Schmidt, Heron v. Alexandrien im 17. Jahrhundert, in: Abhandlungen zur Geschichte der Mathematik 8, 1898, S. 197–214. Zum Vakuumbegriff in der Scholastik K. Lasswitz, Geschichte der Atomistik vom Mittelalter bis Newton, Hamburg/Leipzig 1890, I S. 201–208. Der Ausdruck „horror vacui“ wurde vermutlich von Johannes Canonicus zum erstenmal verwendet.

  39. Die Existenz eines Vakuums wird von Beeckman bereits 1614 angenommen (Journal I S. 36) und 1618 in seiner Doktorthese an der Universität Caen verteidigt.

  40. Die Äthertheorie wurde natürlich von Descartes verfochten, ebenso von Etienne Noël, seinem Lehrer in La Flèche; Roberval und Pecquet dagegen hielten die Luft über dem Quecksilber nur für verdünnt und schrieben das Fallen der Quecksilbersäule der außerordentlichen Elastizität der Luft zu. Eine ausführliche Diskussion dieser Argumente geben Pascal (Expériences nouvelles touchant le vuide, Paris 1647) und Gassendi (De nupero grandiusculi coacervative inanis ope hydrargyri experimento, Op. Om. a.a.O. I 203b 2–211b 1). Über die unterschiedlichen Interpretationen informiert genauer C. Webster, The Discovery of Boyle's Law and the Concept of the Elasticity of Air in the Seventeenth Century, in: Archive for History of Exact Sciences 2, 1962–1966, S. 441–502.

  41. Dieser Bericht erschien zusammen mit einem Brief Pascals 1648 in Paris unter dem Titel „Recit de la grande expérience de l'equilibrie des liqueurs projectée par le sieur Blaise Pascal pour l'accomplissement du Traicté qu'il a promis dans son Abbrégé touchant le Vuide et faite par le sieur Florin Perier en une des plus hautes montagnes d'Auvergne“. Auch Gassendi nahm natürlich sofort Stellung (Op. Om. a.a.O. I 211b 2–214b 1), vgl. dazu B. Rochot, Comment Gassendi interprétait l'experience du Puy de Dôme, in: Revue d'Histoire des Sciences 16, 1963, S. 53–76.

  42. Ausführliche Darstellungen der Geschichte dieser Probleme finden sich bei C. de Waard, L'expérience barométrique. Ses antécédents et ses explications. Thouars 1936; W. E. K. Middleton, The History of the Barometer, Baltimore 1964.

  43. Opere a.a.O. VIII S. 59ff.

  44. Vgl. I. Beeckman, Journal I S. 46f., 79, 200; Descartes Œuvres I S. 205–208; Mersenne in Correspondence du M. Mersenne. ed. P. Tannery et C. de Waard, Paris 1933, II S. 282f.; Balianis Briefe in Galilei, Opere a.a.O. XIV S. 124–130 und 157–160.

  45. Nach Torricellis Auffassung ist die Herstellung eines Vakuums ohne jeden natürlichen Widerstand möglich; der beobachtbare Widerstand in den Quecksilber- und Wasserexperimenten ist eine Wirkung des Drucks und der Elastizität der Luft; vgl. Opere a.a.O. III S. 186ff. Dazu W. E. K. Middleton, The place of Torricelli in the history of the barometer, in: Isis 54, 1963, S. 11–28. Eine interessante wissenschaftstheoretische Fallstudie speziell zu Torricellis Vorgehen gibt M. Bunge, Scientific Research, Berlin ... 1967, Bd. II S. 328–335.

  46. In Torricellis ausgedehnter Korrespondenz werden die Experimente nach Abschluß des Briefwechsels mit Ricci nicht mehr erwähnt. In der Dekade nach Torricellis Tod scheint es nur zwei Anspielungen in den in Italien publizierten Büchern zu geben (de Waard a.a.O. S. 130), und erst 19 Jahre nach der Ausführung erscheint anonym die erste öffentlichte Beschreibung seines Experimentes ((C. Dati) Lettere a Fialeti di Timauro Antiate Della vera storia della Cicloide, della famosissima esperienza dell' argento vivo, 24 Gennaio 1662, Florenz 1663). Ein reiselustiger Franzose namens Balthasar de Monconys, der Torricelli Anfang November 1646 in Florenz besucht, läßt sich in allerlei wissenschaftlichen Fragen unterrichten, erfährt jedoch nichts über das Quecksilberexperiment (vgl. Journal des voyages de M. de Monconys, Lyon21677, I S. 115).

  47. Zu den philologischen Gründen dafür, daß Du Verdus in der Tat nicht mehr geschrieben hat, als erhalten ist, vgl. Middleton, History of the Barometer a.a.O. S. 35. Mersenne hatte sich gleich nach Erhalt des Briefes nach Florenz aufgemacht und dort noch im Oktober 1644 das Experiment gesehen, sich jedoch nach seiner Rückkehr im Sommer 1645 zusammen mit Chanut vergebens um eine Wiederholung bemüht. Torricellis Erklärung gegenüber blieb er skeptisch (vgl. seinen Bericht in Novarum observationum physico-mathematicarum libri, Paris 1647, III S. 216f.). Die Entwicklung in Frankreich beschreibt im Detail J. Thirion, Pascal, L'horreur du vide et la pression atmosphérique, in: Revue des questions scientifiques (3e sér.) 12, 1907, S. 383–450; 13, 1908, S. 149–251; 14, 1909, S. 149–201.

  48. Vgl. Descartes, Brief an Mersenne vom 13. 12. 1647 Œuvres a.a.O. V S. 99); Gassendi, De novo circa inane experimento, in: Animadversiones in Decimum librum Diogenis Laertii (nicht enthalten in der Gesamtausgabe Lyon 1658), Paris31675, I 223b 2–234a 1 (auf Ende 1647 zu datieren); B. Pascal, Brief vom 15. 11. 1647 an seinen Schwager Perier (Œuvres de Blaise Pascal, ed. L. Brunschwicg, ... Paris 1904–1914, II S. 153–162).

  49. In seinem oben Anm. 48 zitierten Brief erhebt allerdings Pascal Anspruch auf die Originalität des Entwurfes, ebenso später in einem Brief an Ribeyre in Clermont vom 12. 7. 1651 (Œuvres de Blaise Pascal a.a.O. II S. 478–495). Aber wie seine Schwester Jacqueline in einem Brief an seine zweite Schwester Mme Perier berichtet (Œuvres a.a.O. II S. 43–48), hatte Descartes, seit langem ein Anhänger der Luftdruckhypothese, ihn am 23. und 24. 9. 1647 besucht und ihm vermutlich das Experiment vorgeschlagen, wie er es Mersenne gegenüber wenig später behauptet (13. 12. 1647, Œuvres de Descartes a.a.O. V S. 99). Diese „Pascal'sche Frage“ wurde vor allem gestellt von F. Matthieu, Pascal et l'expérience du Puy-de-Dôme, in: La Revue de Paris 13, 1906, S. 565–589, 772–794, 179–206; 14, 1907, S. 176–224, 347–378, 835–876 (gegen den Plagiatsvorwurf Thirion a.a.O.).

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Detel, W. Zwei Fallstudien zur Prüfung des Falsifikationismus. Zeitschrift für Allgemeine Wissenschaftstheorie 5, 226–246 (1974). https://doi.org/10.1007/BF01801737

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