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Protowissenschaft Und Rekonstruktion

Protoscience and reconstruction

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Journal for General Philosophy of Science Aims and scope Submit manuscript

Summary

A central concept of the constructivist philosophy of science is the term ‘protoscience’. From an orthodox point of view, protosciences are bound to give the so called ‘measurement-theoretical Apriori’ (‘meßtheoretisches Apriori’) for a science. Protophysics for example (operationally) defines the quantities ‘length’, ‘time’, and ‘mass’. Thereby it yields some basic physical laws, which usually are regarded as “laws of nature”, but in fact follow already from the definitions of the basic quantities.

The attempt to establish other protodisciplines than protophysics is traditionally regarded as not very promising, because other sciences do not like physics build their main theories on certain basic quantities. Nevertheless such enterprises like “protochemistry”, “protobiology” and “protopsychology” recently appeared on the scene. Does this mark a breakthrough in constructivist philosophy of science or is this multiplication of protosciences no more than a promotion strategy?

In the article it is shown that the orthodox definition of ‘protoscience’ is in fact far to narrow. An alternative definition is proposed which on one hand preserves the classic tasks of protophysics but on the other hand allows for other protosciences as equally useful enterprises.

A central concept within the complex topic “protoscience” is the one of ‘reconstruction’. It can be shown that there is a certain ambiguity in the use of this critical concept. Therefore the article ends with a reconstruction of the term ‘reconstruction’.

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Anmerkungen

  1. Den vorläufigen Höhepunkt dieser Entwicklung stellt die Tagung „Technische und theoretische Voraussetzungen der Wissenschaften” dar, die vom 7. bis 9.4.1994 in Leipzig stattfand. Dort wurden erstmals Vorträge zu allen Protodisziplinen (von der Protologik bis zur Protosoziologie) gehalten. Sie finden sich dokumentiert in Eva Jelden (Hrg.): „Prototheorien - Praxis und Erkenntnis?”, Leipzig 1995. Auch der vorliegende Beitrag war ursprünglich in der Absicht angefertigt worden, ihn auf der Leipziger Tagung vorzutragen (worauf der Autor dann aber zugunsten eines Vortrags über eine andere Fragestellung verzichtet hat).

  2. Auch auf der schon erwähnten Leipziger Tagung wurde diese Auseinandersetzung nicht geführt. Es wurde stattdessen unwidersprochen hingenommen, daß mehr als einmal die pauschale Forderung erhoben wurde, die neuen Protodisziplinen sollten sich „an der Protophysik orientieren”.

  3. Das griechische Wort ‚protos’ bedeutet wörtlich ‚der erste’.

  4. Siehe Paul Lorenzen, „Das Begründungsproblem der Geometrie als Wissenschaft der räumlichen Ordnung”: Philosophia Naturalis, 1961, Band 6, Heft 4, S.415–431.

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  5. Siehe hierzu z.B. Peter Janich/Holm Tetens, „Protophysik. Eine Einführung”: Philosophia Naturalis, 1985, Band 22, Heft 4, S.8., wo Protophysik geradezu definiert wird über die Aufgabe, Gerätefunktionsnormen zu explizieren: „Die Protophysik nun expliziert Gerätefunktionsnormen, die der Herstellung von Meßgeräten orientierend zugrundeliegen”.

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  6. Siehe Paul Lorenzen, „Geometrie als meßtheoretisches Apriori der Physik”: Physik und Didaktik, 1980, 4, S.291–299.

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  7. Siehe Peter Janich, „Die Protophysik der Zeit”, Mannheim 1969.

  8. Siehe Bruno Thüring, „Die Gravitation und die philosophischen Grundlagen der Physik”, Berlin 1967.

  9. Auch die Wahrscheinlichkeitstheorie wird von Lorenzen ab und an zur Protophysik gezählt (siehe etwa seinen Aufsatz „Die drei mathematischen Grunddisziplinen der Physik”, abgedruckt in Paul Lorenzen, „Theorie der technischen und politischen Vernunft”, Stuttgart 1978). Welche Größen im Einzelnen zu den Grundgrößen und damit zu den Gegenständen der Protophysik zu rechnen sind, ist unter den Protophysikern noch umstritten.

  10. Zeitweise hat Lorenzen entsprechend für die Protophysik den Terminus ‚Metrologie’ benutzt (siehe Paul Lorenzen und Oswald Schwemmer, „Konstruktive, Logik, Ethik und Wissenschaftstheorie”, Mannheim u.a. 19752, S 224ff).

  11. Hieraus ließe sich sogar eine noch weitergehende Spezifizierung des Wortes ‚Protowissenschaft’ herleiten, nämlich dann, wenn man in der Definition explizit berücksichtigt, daß Meßgerätefunktionsnormen explizierende Theorien trivialerweise idealwissenschaftliche Theorien sein müssen, die - zumindest nach einem geläufigen Verständnis von ‚Idealwissenschaft’ - immer sogenannte „Homogenitätsprinzipien” benützen (siehe hierzu die beiden Einträge ‚Homogenitätsprinzip’ und ‚Ideation’ in Jürgen Mittelstraß (Hrg.), „Enzyklopädie Philosophie und Wissenschaftstheorie”, Bd. 2, Mannheim u.a. 1984).

  12. Für die Chemie gilt, daß sie, auch wenn sie nicht auf Physik reduzierbar ist, jedenfalls, was die verwendeten Meßgrößen angeht, relativ zur Physik nichts wesentlich Neues zu bieten hat. Auch für die Psychologie erhält man unter Zugrundelegung eines solchen Verständnisses bloß die eher langweilige Titelvergabe „Protopsychologie” für die Konstruktion von Testverfahren für Intelligenz, Konzentration, Kreativität etc., die zudem eher in Anwendungs-denn in Theoriebezogener Hinsicht Verwendung finden.

  13. Zwar wird das Wort ‚Protophysik’ bereits 1927 von Friedrich R. Lipsius zur Bezeichnung des Dinglerschen Ansatzes gebraucht, Dingler selbst hat diese Bezeichnung jedoch nicht verwendet. Siehe Friedrich R. Lipsius „Wahrheit und Irrtum der Relativätstheorie”, Tübingen 1927.

  14. Siehe Paul Lorenzen, „Einführung in die operative Logik und Mathematik”, Berlin u.a. 1955.

  15. Siehe Paul Lorenzen, „Protologik. Ein Beitrag zum Begründungsproblem der Logik”: Kant-Studien, 1955-56, Band 47, Heft 4, S. 350–358.

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  16. Das ist diejenige Theorie, die heute auch unter den Namen ‚modelltheoretische Semantik’ bzw. ‚Modelltheorie’ bekannt ist. Zum von Lorenzen kritisierten Folgerungsbegriff siehe z.B. Alfred Tarski, „Über den Begriff der logischen Folgerung”: Act. Congr. Phil. Sci. (Paris), 1936, Band 7, 1–11.

  17. Der 1958 auf dem internationalen Kongress für Philosophie in Venedig gehaltene Vortrag „Logik und Agon” bringt erstmals dialogische Elemente in die Protologik ein (siehe Paul Lorenzen, „Logik und Agon”: Atti del XII Congresso Internazionale de Filosofia, 1960, Bd.4, S. 187–194). Der 1959 in Warschau gehaltende Vortrag „Ein dialogisches Konstruktivitätskriterium” markiert dann endgültig den Übergang von der „operativen” zur dialogischen Logik (siehe Paul Lorenzen, „Ein dialogisches Konstruktivitätskriterium”: Infinitistic Methods, 1961, 193–200.).

  18. Siehe Carl Friedrich Gethmann, „Protologik. Untersuchungen zur formalen Pragmatik von Begründungsdiskursen”, Frankfurt a. M.1979.

  19. Zu den einschlägigen Monographien zu rechnen sind neben Gethmanns Buch auch Peter Zahn, „Ein argumentativer Weg zur Logik”, Darmstadt 1982 und (in Teilen) Dirk Hartmann, „Konstruktive Fragelogik. Vom Elementarsatz zur Logik von Frage und Antwort”, Mannheim u.a. 1990. Die Diskussionsbände sind: Carl Friedrich Gethmann (Hrg.), „Logik und Pragmatik. Zur Rechtfertigung logischer Sprachregeln”, Frankfurt a. M. 1982, und Carl Friedrich Gethmann (Hrg.), „Theorie des wissenschaftlichen Argumentierens”, Frankfurt a. M. 1980.

  20. D.h. die Gemeinsamkeiten der Protodisziplinen sollen sich nicht - wie im Beispiel ‚Formale Logik’, ‚Seinslogik’, ‚Logik der Forschung’ - mehr oder weniger in der Verwendung des Wortes ‚Proto’ erschöpfen.

  21. Darüber dürfte wohl Einverständnis bestehen, daß man es als schlagendes Argument für die mangelnde Adäquatheit eines Neuvorschlags bezüglich der Verwendung des Wortes ‚Protophysik’ ansähe, wenn sich aus diesem ergäbe, daß sich die Protophysiker bislang nur mit irrelevanten Fragestellungen abgegeben haben.

  22. D.h., daß z.B. die Klärung des Theoriebegriffs, obwohl dem Treiben von Physik ganz offenbar methodisch vorgängig, kein Teil der Protophysik ist.

  23. Entsprechend obliegt die Klärung der „allgemeineren” methodischen Grundlagenfragen der „Allgemeinen Wissenschaftstheorie”.

  24. Seit Hilbert (siehe David Hilbert, „Grundlagen der Geometrie”, Leipzig 1899) haben die meisten Geometer aus der Not eine Tugend gemacht und verstehen ihre Theorie von vornherein nur noch als ein uninterpretiertes, formales System, wozu sich jeder, der will, seine „Modelle” selbst suchen mag.

  25. Das Wort ‚Protogeometrie’ wird wieder zuerst von Paul Lorenzen verwendet, und zwar in seinem bereits in anderem Zusammenhang erwähnten, 1977 an der Universität Erlangen gehaltenen Vortrag „Die drei mathematischen Grunddisziplinen der Physik”. Noch 1975 wird hingegen nur von einer „Vor-Geometrie als Basis der Geometrie” gesprochen (siehe Paul Lorenzen und Oswald Schwemmer, „Konstruktive Logik, Ethik und Wissenschaftstheorie”, Mannheim u.a. 19752, S.225).

  26. Es ist wichtig zu sehen, daß dies tatsächlich eine andere Verwendung des Wortes ‚Prototheorie’ ist: Prototheorien im zuerst geschilderten Sinne ermöglichen die Definition von Grundbegriffen weiterer Theorien, d.h. die definierten Begriffe selbst und die mit ihnen formulierten Sätze gehören schon den zu rekonstruierenden Theorien und nicht mehr den (im ersten Sinne verstandenen) Prototheorien an. Prototheorien im zweiten Sinne beinhalten hingegen diejenigen Sätze einer (empirischen) Theorie, welche bereits aus der mit Hilfe von Prototheorien im ersten Sinne erfolgten Einführung der Grundbegriffe analytisch folgen, und damit die Grundbegriffe schon enthalten. Sie beinhalten hingegen gerade nicht (außer selbstverständlich als Lehnsätze) die eigentlichen Sätze der Prototheorien im ersten Sinne.

  27. Gewöhnlich ist man sich darüber einig, daß der Impulserhaltungssatz noch zur Protophysik zu rechnen ist. Hugo Dingler und Bruno Thüring gehen sogar soweit, auch noch das Gravitationsgesetz in das prototheoretische Apriori der Physik einzusch ließen. Siehe hierzu etwa Hugo Dingler, „Aufbau der exakten Fundamentalwissenschaft”, München 1967 und Bruno Thüring, „Die Gravitation und die philosophischen Grundlagen der Physik”, Berlin 1967.

  28. So der Titel eines Artikels von Holm Tetens. Siehe Holm Tetens, „Rationale Dynamik”: Philosophia Naturalis, 1985, Band 22, Heft 4, S. 61–86.

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  29. Am ehesten wäre wohl ein neuer Terminus für den aus der Definition der Grundbegriffe folgenden apriorischen Teil einer im Ganzen empirischen Theorie angebracht.

  30. Diese Darstellung ist selbstverständlich stark vereinfacht, da sie suggeriert, daß die jeweils zu rekonstruierenden Wissenschaften bzw. Theorien und Terminologien als wohlunterschiedene Gegenstände schon vor der Rekonstruktion abgreuzbar sind. Tatsächlich ist es aber gerade eines der die Rekonstruktionsbemühungen mit motivierenden Probleme, daß zunächst oftmals gar nicht klar ist, was überhaupt der Gegenstandsbereich und Anspruch einer bestimmmten Wissenschaft bzw. Theorie ist bzw. sein soll, welche Sätze und Termini tatsächlich einschlägig sind, und auf welche verzichtet werden könnte bzw. sollte usw.

  31. Der Begriff der Rekonstruktion wird in dieser Bedeutung meines Wissens zuerst von Rudolf Carnap 1928 in seinem Buch „Der logische Aufbau der Welt” gebraucht (siehe Rudolf Carnap, „Der logische Aufbau der Welt”, Wien 1928‚ S143), und zwar im Sinne der Rekonstruktion von Termini. Im Vorwort zur zweiten Auflage 1961 schreibt Carnap: „Das Hauptproblem betrifft die Möglichkeit der rationalen Nachkonstruktion von Begriffen aller Erkenntnisgebiete … Unter rationaler Nachkonstruktion ist hier das Aufsuchen neuer Bestimmungen für alte Begriffe verstanden. Die alten Begriffe sind gewöhnlich nicht durch überlegte Formung, sondern durch spontane Entwicklung mehr oder weniger unbewußt enstanden. Die neuen Bestimmungen sollen den alten in Klarheit und Exaktheit überlegen sein und sich vor allem besser in ein systematisches Begriffsgebäude einfügen.

  32. Obwohl Rekonstruktionen innerhalb der konstruktiven Wissenschaftstheorie eine so große Rolle spielen, wird der Rekonstruktionsbegriff selbst dort seltsamerweise bislang kaum thematisiert. Als einzige Veröffentlichung, die sich (im Rahmen der Rekonstruktion der Wissenschaftsgeschichte) explizit der Klärung des Rekonstruktionsbegriffes widmet, ist dem Autor bekannt: Jürgen Mittelstraß, „Rationale Rekonstruktion der Wissenschaftsgeschichte”, in Peter Janich (Hrg.), „Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsforschung”, München 1981.

  33. D.h. aus der Einführung der Grundbegriffe sollen sich die Axiome analytisch ergeben.

  34. Selbstverständlich nur im Falle des Gelingens der terminologischen Rekonstruktion: So ist ja etwa bislang eine rekonstruktive Begründung der sog. „transfiniten Mengenlehre” nicht gelungen und wahrscheinlich ist eine solche Rekonstruktion - wie leider mit Gründen zu vermuten ist - auch gar nicht leistbar.

  35. Ansonsten gilt selbstverständlich all das, was schon im Zusammenhang mit bereits axiomatisiert vorliegenden Theorien gesagt wurde (die axiomatisierte Theorie soll konsistent sein etc.).

  36. Gewöhnlich unterscheidet man bei (naturwissenschaftlichen, empirischen) Theorien den „Theoriekern” mit den „Fundamentalgesetzen” von den übrigen, weniger wichtigen Sätzen. Der Erhalt des Theoriekerns bildet im historischen Wandel das Identitätskriterium für Theorien: Wird der Kern verändert, so spricht man nicht mehr von „derselben” Theorie. Für eine Rekonstruktion dieser (auf Lakatos und Dingler zurückgehenden) Unterscheidungen siehe Dirk Hartmann, „Naturwissenschaftliche Theorien”, Mannheim u.a.1993, 3.3. Dort wird insbesondere erläutert, wie es möglich ist, die Auszeichnung bestimmter Gesetze als „fundamental” mit Gründen, also nicht willkürlich, vorzunehmen. Auf dem Hintergrund dieser Unterscheidungen läßt sich die Forderung jedenfalls für die Rekonstruktion naturwissenschaftlicher Theorien etwas liberaler so formulieren, daß man sich bei der Theorienrekonstruktion die Konservierung wenigstens der Fundamentalgesetze explizit zum Ziel machen soll.

  37. Dieses „Rekonstruktionsprinzip” entspricht dem hermeneutischen Prinzip, jeden systematischen Text möglichst so zu interpretieren, daß sich eine nachvollziehbare, konsistente und zustimmungsfähige Argumentation ergibt. Tatsächlich läßt sich die methodische Interpretation eines Textes ja auch durchaus als eine „Textrekonstruktion” verstehen.

  38. Siehe insbesondere Wolfgang Stegmüller, „Rationale Rekonstruktion von Wissenschaft und ihrem Wandel”, Stuttgart 1979.

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Hartmann, D. Protowissenschaft Und Rekonstruktion. Zeitschrift für Allgemeine Wissenschaftstheorie 27, 55–69 (1996). https://doi.org/10.1007/BF02310671

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