Zusammenfassung
‘Jennys Lied’, seine Entstehung und Rezeption werden im Rekurs auf den vieldiskutierten Romanschluß als ironische Kontrafraktur des klassisch-romantischen Kunstkonzepts erschlossen. Dessen geschichtsphilosophische Prognose widerrufend, stellt der Roman Kunst und Kunstrezeption ins Zeichen einer irreversiblen Entfremdung von ‘Natur’ und rückt damit zugleich seine Gesellschaftskritik in eine universale kulturkritische Perspektive ein.
Abstract
In view of the controversial ending of the novel, ‘Jennys Lied’, its origin and reception reveal themselves to be an ironical comment on the classical-romantic ideal of art. Rejecting Schiller’s optimistic philosophy of history the novel proclaims man’s irreversible alienation from nature, thereby implying in its social criticism a universal cultural criticism.
Literatur
Vgl. Lieselotte Voss, Literarische Präfiguration dargestellter Wirklichkeit bei Fontane. Zur Zitatstruktur seines Werks, München 1985, 309
Frederick Betz, “‘Wo sich Herz zum Herzen find’t’. The Question of Authorship and Source of the Song and Sub-Title in Fontane’s ‘Frau Jenny Treibel”, GQ 49 (1976), 312–317
Norbert Mecklenburg, “Einsichten und Blindheiten. Fragmente einer nichtkanonischen Fontane-Lektüre”, in: Theodor Fontane, Sonderband Text + Kritik, hrsg. Heinz Ludwig Arnold, München 1989, 148–162, hier: 150-152.
Vgl. z.B. Ingrid Mittenzwei, Die Sprache als Thema. Untersuchungen zu Fontanes Gesellschaftsromanen, Bad Homburg 1970, 156
Dieter Kafitz, “Die Kritik am Bildungsbürgertum in Fontanes ‘Frau Jenny Treibel’”, ZfdPh 92 (1973), Sonderheft, 74–101
Hartmut Reinhardt, “Die Wahrheit des Sentimentalen. Bemerkungen zu zwei Romanschlüssen bei Theodor Fontane: ‘Frau Jenny Treibel’ und ‘Effi Briest’”, WW 29 (1979), 318–326. -Walter Müller-Seidel (Anm. 6) konstruiert eine Opposition zwischen “Sentiment” und “Kritik”, um Schmidts Reflexionen vor dem Vorwurf der Sentimentalität zu retten mit dem Argument, sie antizipierten eine Versöhnung von “Kritik und Sentiment” (319). Die hier im weiteren vorgeschlagene Deutung geht vom genauen Gegenteil aus, sieht nämlich zwischen “Sentiment” und “Kritik” keine Opposition walten, sondern versteht die “Kritik” (die Negation bildungs-wie besitzbürgerlicher Werte im Namen der “Natur”) als Resultat des “Sentiments”, genauer: als Resultat einer “sentimentalischen” (das heißt hier: die Entfremdung des modernen Menschen von “Natur” reflektierenden) Weltwahrnehmung.
Hugo Aust, “Anstößige Versöhnung? Zum Begriff der Versöhnung in Fontanes ‘Frau Jenny Treibel’”, ZfdPh 92 (1973), Sonderheft, 101–126, v.a. 120. -Mecklenburg, “Einsichten und Blindheiten” (Anm. 7), 151 f.
Richard Brinkmann, Theodor Fontane. Über die Verbindlichkeit des Unverbindlichen, 2. Aufl. Tübingen 1977, 189.
Vgl. Friedrich Schiller, Über naive und sentimentalische Dichtung, Sämtliche Werke, hrsg. Gerhard Fricke und Herbert G. Göpfert, 8. Aufl., München 1989, V, 694–780, hier: 695.
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Im wesentlichen unveränderter, um Anmerkungen ergänzter Habilitationsvortrag, gehalten an der Philosophischen Fakultät der Christian-Albrechts-Universität Kiel am 28. 11. 1990.
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Lohmeier, AM. “…cs ist ein wirkliches Lied.” Theodor Fontanes Roman Frau Jenny Treibel als Selbstreflexion von Kunst und Kunstrezeption in der Gesellschaft der Gründerjahre. Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 68, 238–250 (1994). https://doi.org/10.1007/BF03396244
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DOI: https://doi.org/10.1007/BF03396244