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BY 4.0 license Open Access Published by De Gruyter (A) June 15, 2021

Zu Ampelius

  • Carlo M. Lucarini EMAIL logo
From the journal Philologus

Georgio Hammerstaedt

Der Liber memorialis des Ampelius ist durch eine einzige Handschrift überliefert (Monac. Lat. 10383a), die C. Salmasius vor 1638 anfertigen ließ. Die beste Ausgabe wurde 1935 von Erwin Assmann vorgelegt, aber auch die später erschienenen müssen berücksichtigt werden.[1]

2,9: Sagittarius, Crotos, filius nutricis Musarum; que<m> Musae semper dilexerunt eo quod plausu et lusu sagittarum eas oblectaret.

Oblectaret ist eine Konjektur von Zink, dem Assmann und der jüngste Ampelius-Herausgeber, I. König, gefolgt sind. Der Monacensis bietet avocaret. Terzaghi hat <ad se> advocaret, Shackleton Bailey[2]allectaret konjiziert. Zinks Vermutung basiert auf Scholia in Germanicum 90,10–13 Breysig: Nigidius de Croto eadem dicit, sed non conversatum Musis, sed cum illae cantus chorosque celebrarent, hunc procul abditum repentino plausu ad pedem ferientem oblectasse canentes (= Nigidius Figulus fr. 97 Legrand). Angesichts der erheblichen Abweichungen zwischen dem Scholion und Ampelius sind wir allerdings keineswegs berechtigt, den Text des Ampelius zu emendieren, um ihn mit dem Scholion in Einklang zu bringen. Daher stellt sich die Frage, ob avocaret beibehalten werden kann. Schon 1906 hatte Ihm (ThlL II 1470, 6–25 s.v. avoco) einige Beispiele gesammelt, wo avoco aliquem „vergnügen“, „amüsieren“ bedeutet,[3] und ich frage mich, warum Assmann und nach ihm noch Terzaghi, Shackleton Bailey und König das ganz und gar einwandfreie eas avocaret geändert haben.[4] Vielleicht hatte die gemeinsame Quelle des Scholions und des Ampelius eine Form von oblectare; wenn Ampelius z. B. oblectaret vorfand, konnte er es in avocaret ändern, um eine bessere Klausel zu bekommen.[5] Es ist zu hoffen, dass avocaret nicht mehr beanstandet wird.

7,5: Hellesponticum [mare], fauce transmissum inter duas celeberrimas urbes, Seston Asiae, Abydon Europae; Tanaiticum, quo Asia alluitur.

Das sonst nirgends belegte mare Tanaiticum[6] bezeichnet offensichtlich das Azowsche Meer (Maeotis). Im Altertum wusste jeder, dass der Tanais (Don) die Küste des genannten Meeres in zwei Hälften teilt, von denen nur eine zu Asien gehört.[7] Ich glaube, dass Asia aus dem vorhergehenden Asiae entstanden ist. Wahrscheinlich schrieb Ampelius Scythia, vgl. Verg. georg. 3,349 (at non qua Scythiae gentes Maeotiaque unda); Ov. trist. 3,4,49 (Bosporos et Tanais superant Scythiaeque paludes); Luc. 2,641 (palus Scythici patiens Maeotia plaustri); Serv. Aen. 6,799 (MAEOTIA TELLUS: Scythia, cuius palus est Maeotis); vgl. auch Ampel. 6,9 (Tanais in Scy<thi>a).[8]

19,9: Cato Praetorius qui bello civili partes Pompei secutus mori maluit quam superstes esse rei <publicae> servienti.

Obwohl alle Herausgeber sich mit diesem Text abgefunden haben, erachte ich ihn für entstellt. Denn die res publica, die Cato nicht überleben wollte (superstes esse), war kein geknechteter Staat. Das Problem wurde schon von Shackleton Bailey in einem den jüngeren Herausgebern entgangenen Beitrag hervorgehoben:[9] Shackleton Bailey wollte servienti tilgen. Ich vermag einige Parallelen anzuführen, die für diese Lösung sprechen,[10] und ich halte sie für sehr verlockend. Jedoch stellt sich die Frage, woraus servienti entstehen konnte. Vielleicht schrieb Ampelius re publica serviente.[11]Respublica wurde oft r. p. geschrieben: wenn das p mit einem i verwechselt wurde,[12] dann konnte das Wort rei entstehen und infolgedessen der Dativ servienti.

39,2: Mettius Suffetius ... et iussu Tulli Hostili religatus ad currum et in adversa actis equis laceratus est.

Wie konnte die berühmte Hinrichtung des Mett(i)us mit einem einzigen Wagen stattfinden? Man schreibe ad currus, vgl. Liv. 1,28,10 (duabus admotis quadrigis, in currus earum distentum inligant Mettium; deinde in diversum iter equi concitati, lacerum in utroque curru corpus); Flor. 1,3,8 (Mettum Fufetium religatum inter duos currus pernicibus equis distrahit).

42,1: Sylla indignatus continuo ad exercitum perrexit et eum urbi admovit et in patriam ingressus Capitolium occupavit; quo terrore victus senatus Mario totique factioni eius interdixit.

Die erwartete Bedeutung des letzten Satzes wäre: „Dadurch in Schrecken versetzt, ächtete der Senat den Marius und seine gesamte Anhängerschaft“ (König). Aber kann interdicere „ächten“ bedeuten? Für diesen absoluten Gebrauch des Verbs verweisen die Lexika auf einige Stellen, die m. E. keine Beweiskraft besitzen.[13] Caes. Gall. 6,13,7: quibus ita est interdictum, hi numero impiorum ac sceleratorum habentur. Hier bezieht sich ita est interdictum auf sacrificiis interdicunt des § 6, sodass von einem absoluten Gebrauch von interdico keine Rede sein kann. Ebensowenig Beweiskraft hat Cic. dom. 82: quod de omnibus, etiam quibus damnatis interdictum est, scriptum est in legibus. Denn das unmittelbar vorausgehende ubi enim tuleras ut mihi aqua et igni interdiceretur? macht die interdictio klar.

Wie man sieht, ist ein absoluter Gebrauch von interdicere nicht beweisbar; ich sehe auch keinen Grund, an eine Eigentümlichkeit der Sprache des Ampelius oder des Lateins der Kaiserzeit zu denken. Denn interdico kommt auch bei den Prosaikern der Kaiserzeit oft vor, aber nie mit einer absoluten Konstruktion.[14] Das Ereignis, auf das Ampelius Bezug nimmt, ist auch anderweitig bekannt,[15] aber ich vermag keine Quelle zu nennen, die uns klarmachte, um welche Sorte von interdictio es ginge.[16] Wahrscheinlich dachte Ampelius an eine allgemeine Acht und schrieb eius <aqua et igni> interdixit.[17]

45: Der Titel des Kapitels ist ausgefallen. Salmasius wollte <De variis cladibus populi Romani> ergänzen, Assmann <Quibus bellis in ipsa Italia pugnatum est>. Assmann (praef. XXV–XXVI) hat zweifelsohne Recht, wenn er annimmt, dass der Titel mit quibus bellis anfangen musste, aber die Worte in ipsa Italia pugnatum est werden m. E. dem Stoff des Kapitels nicht gerecht. Ampelius erwähnt hier nur Porsenna, die clades Gallica des Jahres 390, Pyrrhus, Hannibal, die Kimbern, Spartacus und jedesmal wird ausdrücklich gesagt, dass Rom selbst bedroht wurde.[18] Andere berühmte Kriege, die in Italien gekämpft wurden,[19] werden hingegen nicht namhaft gemacht. Daher glaube ich, dass der Titel <Quibus bellis ipsa Roma periclitata est> (oder etwas Ähnliches) lauten sollte.[20]

Danksagung

Ich bedanke mich bei Herrn Dr. Felix Meister (Köln) für die freundliche Unterstützung.

Online erschienen: 2021-06-15
Erschienen im Druck: 2021-06-07

© 2021 Carlo M. Lucarini, publiziert von Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Dieses Werk ist lizensiert unter einer Creative Commons Namensnennung 4.0 International Lizenz.

Downloaded on 19.4.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/phil-2020-0133/html
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