Zusammenfassung
Moderne Gerechtigkeitstheorien stellen sich in ihrem Ursprung als Antwort auf die bestehenden Ungleichheiten dar. Auffällig ist dabei, dass dieser erste Impuls sich auflöst, sobald die Philosophen mit der Erarbeitung von Theorien beginnen. Es scheint, als ob die ungerechte Wirklichkeit nur der Motivation dient, aber jeglichen relevanten Inhalts für die theoretische Reflexion entbehrt. Ist eine Vorstellung von Gerechtigkeit möglich, die in ihrer theoretischen Elaborierung dem Initialmoment des empfundenen Unrechts treu bleibt und die das Gefühl der Empörung nicht aus den Augen verliert? Sie ist möglich, sofern wir zwischen Ungleichheit und Ungerechtigkeit zu unterscheiden wissen, sofern wir die anamnetische Vernunft anrufen und die Theorie der Gerechtigkeit als eine Abhandlung der Ungerechtigkeit verstehen.
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