Zusammenfassung
Der Begriff Kontingenz avancierte seit Mitte der 1990er Jahre zu einer Art Leitbegriff der Sozialwissenschaften und erreichte vor allem in Form der postmarxistischen These von der „Grundlosigkeit des Sozialen“ axiomatischen Status in linker Politik- und Sozialtheorie. Dass es vor allem mal explizit, mal latent dezisionistische Theorieprogramme waren, die dem Kontingenzbegriff zu erneuter Popularität verhalfen, ist die ideenhistorische Grundsituation, die im vorliegenden Beitrag als Problem gestellt wird und folgende Frage provozierte: sind die historisch gleichzeitigen Renaissancen von Kontingenz- und Dezisionsbegriff zufällig oder verweisen die Begriffe von Grund auf aufeinander und bilden ein notwendiges Verhältnis? Zunächst soll hierfür augezeigt werden, dass die Semantik des Kontingenzbegriffs durchaus vielschichtig ist und je nach theoretischem Kontext variiert. Zwei Extremformen werden dabei separiert. Eine dieser Extremformen des Begriffs, die gegenwärtig häufig gebrauchte, wird in einem zweiten Schritt als dem Dezisionismus entsprechende Kontingenz ausgewiesen. Zu guter Letzt wird diskutiert, warum dezisionistische Argumentationsketten für Theorien mit progressivem Anspruch überhaupt problematisch sind.
Abstract
From the mid-1990’s on, contingency developed into one of the leading key concepts of the social science and achieved an axiomatic status in leftist political and social theory, first and foremost through the central postmarxist thesis of the “Lack of Foundations in the Social”. That the Renaissance of contingency is embedded in the historical parallel rise of decisionistic theories, which helped make the concept popular again, is the historical situation from where the argument in the article starts and which provoked the following research question: are the historical parallel renaissances of contingency and decision based theories coincidental or is their logical relation necessary? The goal of the first chapter is to outline the semantic complexity of contingency and its context-dependent varieties. Two extremes of the concept will be separated from each other. One of those extremes, today’s popular one, will be identified as decisionisms corresponding contingency. The discussion of why decisionistic arguments are a problem within theories with progressive intentions, will conclude the article.
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