Grazer Philosophische Studien

Volume 9, 1979

Hubert Schleichert
Pages 131-144

Über Willensfreiheit und strafrechtliche Zurechnung

Frühere Strafrechte definierten Zurechnungsfähigkeit mit Hilfe der Willensfreiheit; gegenwärtig dient eine "Fäigkeit, gemäß einer Einsicht zu handeln" diesem Zwecke, Aber beide Begriffe ermöglichen keine praktizierbare Unterscheidung zwischen normalen Tätern und solchen, die straffrei bleiben sollen. Eine solche Unterscheidung ist nur unter dem Präventivstandpunkt möglich: Wer durch die üblichen Strafen nicht gebessert wird oder nicht gebessert werden muß (Schocktäter), soll diesen Strafen nicht unterworfen werden. Allenfalls muß er von der Gemeinschaft isoliert werden. Welcher Personenkreis hier in Frage kommt, kann nur empirisch festgestellt werden. Empirisch ist auch die Frage, ob nicht aus Abschreckungsgründen auch unzurechnungsfähige Täter zu bestrafen sind.