Anders als in einem Großteil der häuslichen Versorgungsszenarien besteht in dem geschilderten Fall die zentrale Herausforderung nicht in den über Jahre fortdauernden, mit häuslicher Pflegesituation verbundenen, Belastungen für alle Beteiligten (vgl. z. B. Seidlein et al. 2019), sondern vielmehr in der Akuität, die den Betroffenen kaum Zeit für eine Auseinandersetzung mit den veränderten Umständen lässt. Es zeigt sich eindrücklich die Komplexität häuslicher Versorgungsarrangements im Spannungsfeld zwischen den sich im Krankheitsverlauf schnell ändernden Bedürfnissen der zahlreichen Involvierten und den rigiden Rahmenbedingungen des Sozialversicherungsapparates. Vor diesem Hintergrund ist es positiv hervorzuheben, dass trotz des rasanten Verlaufes ein Versorgungsarrangement zustande gebracht werden konnte, das die Pflege und Begleitung am Lebensende zu Hause ermöglichte und damit dem Wunsch des Patienten entsprach. Ob und inwiefern dieser Wunsch den Bedürfnissen der Ehefrau als primärer Pflegeperson entgegenstand, geht aus der Schilderung nicht hervor. In diesem Zusammenhang ist es wichtig, sich zu vergegenwärtigen, dass die Wahrnehmung, dem Umfeld – insbesondere den pflegenden Angehörigen – zur Last zu fallen, ausschlaggebend für einen geäußerten Todeswunsch sein kann. Die Nächsten von der Last befreien zu wollen, als welche der*die Patient*in bzw. Pflegebedürftige sich bewertet, stellt ein zentrales Motiv von Todeswünschen dar (Gudat et al. 2019). Dabei können dieser Selbsteinschätzung unterschiedliche „Grade von Gewissheit“ (vermutlich oder wissentlich) zugrunde liegen, die auf dem Erleben des*der Betroffenen im Alltag basieren (z. B. implizit wahrgenommener versus explizit geäußerter Stress der Angehörigen). Die Sorge um Andere, die eine übergebührliche Last tragen müssen, ist – zusätzlich zu dem Leiden unter dem eigenen körperlichen Zustand (u. a. durch den Verlust der Selbstständigkeit des bisher sehr aktiven Herrn M. sowie durch die belastenden Symptome) – stets mit zu bedenken, auch wenn sie im Fall nur kurz Erwähnung findet. Hier wird deutlich, dass eine Überbetonung individueller Autonomie im Kontext geäußerter Sterbe- bzw. Todeswünsche die Gefahr der oberflächlichen Betrachtung und Simplifizierung birgt und damit einen Zugang zur eigentlichen Problemanalyse und -lösung verhindert. Oberstes Gebot sollte daher nicht sein, diesem Wunsch gemäß dem Primat der Patientenautonomie Folge zu leisten, sondern den immensen Einfluss von Beziehungen auf Autonomie anzuerkennen und die Äußerung in jedem Fall zuvorderst als eine Aufforderung zum Dialog zu verstehen (Gomez-Virseda et al. 2020). Der sich durch die gesamte Falldarstellung ziehende rote Faden der multilateralen Kommunikationsprozesse zeugt von den umfassenden Bemühungen der Teams, familiäre Dynamiken verstehen zu wollen, alle Perspektiven systematisch einzubeziehen und so auch der „relationalen Autonomie“ gerecht zu werden.

Es wird darüber hinaus sehr deutlich, dass es auch bei einer vorbildlichen Zusammenarbeit zwischen allen Sektoren und Professionen im Bemühen um eine Erleichterung von der Symptomlast sowie unter Ausschöpfen aller therapeutischen Optionen zu Situationen kommen kann, die für Patient*innen unerträglich sind. Eben in solchen Fallkonstellationen kann die medizinisch wirksame und rechtlich zulässige gezielte Sedierung als Ultima Ratio indiziert sein (Ostgathe et al. 2021). Sofern ihre Vor- und Nachteile umfassend reflektiert und abgewogen wurden und die Sedierung sowohl in der Vorbereitung als auch der Durchführung den Standards der Sorgfaltspflicht (z. B. hinsichtlich Kommunikation, Assessment der Sedierungstiefe, Dosistitrierung) entspricht, kann sie deshalb als Ausdruck der Fürsorge für den Patienten verstanden werden.

Der*die Fallgeber*in lässt in seiner*ihrer Darstellung offen, wie die Involvierten in dem konkreten Fall das Vorgehen erlebt haben, resp. ob auch hier die geschilderte, allgemeine Skepsis gegenüber der gezielten Sedierung eine Rolle gespielt hat. In jedem Fall kann und muss dieser durch die Vermittlung von Wissen begegnet werden, da sie zumeist auf einer Angst vor unrechtmäßigem Handeln und möglicher Strafverfolgung beruht. Zudem hilft die konsequente Berücksichtigung der einschlägigen Handlungsempfehlungen in der Praxis einerseits, den*die Patient*in und die Intention der Linderung ihrer*seiner Symptome im Fokus zu behalten, und stellt andererseits Transparenz her, sodass damit zugleich dem Dammbruchargument begegnet werden kann.