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STELLUNGNAHMEN

Vanessa Albus, Roland W. Henke, Kirsten Meyer, Michael Quante, Ralf Stoecker und Thomas Grundmann/Thomas Nisters:
Vorschläge zur Verbesserung des Philosophieunterrichts

aus Heft 4/2014, S. 42-54

Ist die Situation wirklich so dramatisch, wie sie in diesem Bericht dargestellt ist?

Vanessa Albus: Ja, es besteht Handlungsbedarf.

Roland W. Henke: Ja, ich meine, Herr Martens hat die Situation zumindest für NRW, wo ich primär etwas sagen kann, insgesamt zutreffend beschrieben, und sie ist in der Tat nicht rosig für die Lehrerausbildung an den dortigen Philosophischen Instituten. Zwar wird jetzt nach und nach in der Masterphase für Lehramtskandidaten ein sogenanntes Praxissemester eingeführt, zu dessen Durchführung die universitären Fachinstitute mit den Schulen und den „Zentren für schulpraktische Lehrerausbildung“ (früher: Studienseminare) zusammenarbeiten. Damit ist zweifellos eine frühere Vorbereitung der Lehramtsstudierenden auf die Schulpraxis verknüpft; zugleich geschieht das aber auf Kosten der Fachinhalte, die in diesem Semester dann gar keine oder nur eine marginale Rolle spielen.

Erwähnenswert scheint mir auch das Ungleichgewicht im Hinblick auf Fachdidaktik und Lehrerausbildung zwischen Religionsunterricht auf der einen und Ethik- bzw. Philosophieunterricht auf der anderen Seite. In vielen Bundesländern konkurrieren Religions- und Ethik-/Philosophieunterricht um dieselbe Schülerklientel. Vergleicht man die Anzahl der Religions- mit der der Philosophiedidaktiker, so ist die Diskrepanz augenscheinlich: Fast jede theologische Fakultät hat mindestens eine fachdidaktische Professur, wovon die Philosophie weit entfernt ist. Dazu gibt es für Religionslehrer(innen) flächendeckend eine Vielzahl von Fortbildungsangeboten durch kirchliche Träger, dem für Philosophie- und Ethik-Lehrkräfte nichts Gleichwertiges entspricht. Hier wäre eine Annäherung der Kapazitäten mehr als wünschenswert, zumal die Tendenz zur Belegung des Faches Philosophie/Ethik zunimmt.

Allerdings glaube ich, dass sich die Lehrerausbildung nur dann durch die Einrichtung und Besetzung zusätzlicher Didaktikstellen verbessern wird, wenn das nicht auf Kosten der Fachausbildung geschieht. Es kommt vielmehr darauf an, dass die zukünftigen Philosophielehrer(innen) besonders in den Seminaren zu Fachinhalten die lebendige Auseinandersetzung mit philosophischen Problemen erleben – und dadurch erlernen; und das gelingt nicht durch zusätzliche Didaktikmodule, sondern eher durch eine Änderung der üblichen Seminarformate, zu der die Fachdidaktiker bei einer entsprechenden Stellung in den Instituten natürlich beitragen könnten.

Ralf Stoecker: Es stimmt, dass die Lehramtsausbildung lange Zeit ein Schattendasein in der akademischen Philosophie geführt hat. Seit einigen Jahren ändert sich dies aber. Der philosophische Schulunterricht und die Belange der Fachdidaktik stehen derzeit in beiden großen Fachgesellschaften (DGPhil und GAP) auf der Tagesordnung, und auch der Bericht in der Information Philosophie zeigt, dass ein Umdenken in Gang gekommen ist.

Ich vermute, dass zwei Entwicklungen erheblich dazu beigetragen haben: erstens der Druck in Akkreditierungsverfahren, auch in der Fachdidaktik forschungsbasierte Lehre vorweisen zu können, und zweitens das gewachsene Interesse an der Philosophie in der Öffentlichkeit durch deren mediale Präsenz und durch die verschiedenen bioethischen Debatten. Insofern bin ich guter Hoffnung, dass wir uns bereits auf dem Weg zu einer immer besseren philosophischen Lehramtsausbildung befinden.

Michael Quante: Wer sich in wichtigen Angelegenheiten Gehör verschaffen will, muss zuspitzen. Dies tut der vorliegende Bericht, und zwar in vielen, aber nicht in allen Bereichen völlig zu Recht. Bei einer detaillierteren Betrachtung ist zu unterscheiden zwischen 1.1 der gegenwärtigen und 1.2 der absehbaren Situation an Schulen sowie 2.1 der aktuellen und 2.2 der absehbaren künftigen Lage an den Hochschulen.

zu 1.1 In NRW, ich beschränke mich aufgrund der großen Vielfalt in den Bundesländern hierauf, wird Oberstufen-Philosophieunterricht seit vielen Jahren von ausgebildeten Lehrkräften unterrichtet. In der Sekundarstufe I sieht es anders aus: Dort wird erst an ungefähr zwei von drei Schulen „Praktische Philosophie“ (= Philosophie für die Sekundarstufe I) angeboten, und dies – vor allem an Hauptschulen – nicht selten fachfremd. Dafür sind hauptsächlich die nicht einstellenden Schulen und Behörden verantwortlich, die bei Neueinstellungen sehr selten die Nebenfachfakultas Praktische Philosophie nachfragen.

zu 1.2 Die Weiterentwicklung der Oberstufenphilosophie an den Schulen mit qualifizierten Lehrkräften scheint nicht bedroht. Für die Sek. I ist ein Umdenken seitens der Behörden erforderlich, soll das Plädoyer für Werte bildenden Unterrichts keine Sonntagspredigt bleiben. Immerhin: Eine Neuorientierung zeichnet sich im Bereich der Grundschulen ab, für die aus dem Landtag politisch gewichtige Aufforderungen zur Etablierung eines Fachs Philosophieren zu vernehmen sind. Solche Signale dürfen die Hochschulen keinesfalls überhören!

zu 2.1 Die Vermutung Martens’, die Lehramtsausbildung an den Hochschulen habe mit Geringschätzung, seitens der Fachphilosophen und mancher Universitätsleitungen, zu kämpfen, beruht sicher auch auf persönlichen Erfahrungen, ist aber auch nach meinem Eindruck ein trotz mehrjährigen Engagements der Deutschen Gesellschaft für Philosophie immer noch zu überwindendes Hindernis. Doch mittlerweile erkennen viele die unter Nachhaltigkeitsgesichtpunkten bei den ‚Kleinen’ beginnende Nachwuchsförderung als notwendig an. Ein daraus erwachsender gezielter Blick auf die Situation an den Schulen und auf die gültigen Lehrpläne ist allerdings im Fach bisher eher noch selten zu finden.

Mit Blick auf den künftigen Bedarf an Philosophielehrkräften für die Oberstufe bieten die Hochschule genügend Studienplätze an. An einigen Hochschulen gibt es auch Lehramtstudiengänge für die Sek. I, aber diese scheinen wenig attraktiv zu sein, denn die Anzahl der Sek.-I-Studierenden ist eher niedrig. Hier täte werbende Aufklärung not. Didaktik-Stellen, insbesondere Professuren, sind an den Hochschulen nach wie vor Mangelware. Diese zu geringe Professionalisierungsrate in der Lehrerausbildung ist ein klarer Beleg für Martens’ These von der sich im Handeln niederschlagenden Geringschätzung der Lehramtsausbildung an Philosophischen Instituten. Hier sind, auch von Seiten der DGPhil, weitere Anstrengungen unerlässlich.

zu 2.2 In NRW wird die Lehrerausbildung künftig durch die Einführung des Praxissemesters ab 2015 zu einer Verbesserung der Lehramtsausbildung auch für Philosophie führen, weil die Hochschulen jetzt verantwortlich sind. Sie müssen sich also mit den Gegebenheiten an den Schulen befassen. Lehramtsstudierende werden von dieser Neuerung jedoch nur dann nachhaltig profitieren, wenn ihr „forschendes Lernen“ für alle Beteiligten gewinnbringend arrangiert wird. Die beteiligten Institutionen müssen sich dazu auf Augenhöhe begegnen und ernsthaft kooperationswillig sein. Hier sind noch viele Hürden zu überwinden. Gerade die beabsichtigte stärkere Verzahnung von Schule und Hochschule lässt die Einrichtung von Didaktik-Professuren an den entsprechenden Instituten alternativlos werden. Derzeit zeichnen sich hier bundesweit jedoch gegenläufige Tendenzen ab: Einerseits werden entsprechende Stellen eingerichtet oder wiederbesetzt, andererseits ist Kahlschlag oder auch die verdeckte Umwidmung zugunsten anderer Qualifikationsziele zu beklagen.

Kirsten Meyer: Häufig unterrichten tatsächlich Lehrer, die nicht Philosophie studiert, sondern lediglich eine Fortbildung besucht haben. Das trifft in Berlin z. B. stark auf das Fach Ethik zu. Diese Situation ist allerdings nicht den Universitäten anzulasten. Eine Ursache ist die Einstellungspolitik: Wenn ein Mathematiklehrer geht, wird ein neuer eingestellt – fehlt ein Ethiklehrer, wird jemand fortgebildet. Dabei ist es für das Fach Ethik ebenso abwegig, dass sich die nötigen Fähigkeiten, dieses Fach zu unterrichten, im Rahmen einer kurzen Fortbildung vermitteln lassen.

Herr Martens bemängelt, dass die Institute für Philosophie in der Regel wenig Interesse daran zeigen, sich in der Lehramtsausbildung zu engagieren. Sie bilden seiner Meinung nach lieber Master-Studierende (ohne Lehramt) aus, weil das für die Dozenten interessanter sei. Ich bin mir unsicher, was die Motivlage angeht, kann mich aber dem Appell anschließen, sich an der Lehramtsausbildung zu beteiligen. Ich denke auch nicht, dass das den eigenen Interessen der Dozenten zuwiderläuft. Denn gut ausgebildete Studierende des Lehramts stehen den Studierenden, die einen anderen Berufswunsch haben, fachlich in nichts nach.

In einer Hinsicht sollten die Lehramtsstudierenden sogar besonders motiviert sein. Für sie ist es absehbar, dass sie sich ihr gesamtes Berufsleben lang philosophischen Fragen widmen werden. Mit Ausnahme der Studierenden, die nach ihrem Masterabschluss dauerhaft an der Hochschule unterkommen, gilt das für viele Absolventen der Philosophie nicht in diesem Maße.

Thomas Grundmann/Thomas Nisters: Ekkehard Martens kritisiert in seinem Interview vor allem die folgenden fünf Aspekte der Ausbildung von Philosophielehrern an deutschen Hochschulen:

(1) die Hochschullehrer bevorzugen die Ausbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses und vernachlässigen die spezifische Ausbildung der kommenden Philosophielehrer; damit tragen sie indirekt dazu bei, dass ihre zukünftigen Studierenden mangelhafte Studienvoraussetzungen mitbringen;

(2) das Philosophiestudium ist zu stark spezialisiert und vernachlässigt Überblicksveranstaltungen;

(3) es gibt zu wenig Didaktik-Stellen mit Forschungskompetenz in der Philosophie;

(4) die Praxisorientierung und Interdisziplinarität kommen im Philosophiestudium zu kurz;

(5) das Philosophiestudium sollte stärker anwendungsorientiert und weniger historisierend und analytisch sein.

Obwohl Martens mit den Punkten (1)-(3) durchaus etwas Richtiges darüber sagt, wie schlecht es um die Philosophielehrerausbildung an den Universitäten in Deutschland lange Zeit bestellt war, hat sich inzwischen (auch durch die Einführung der Bachelor/ Master-Studiengänge) bereits vieles zum Besseren entwickelt. Zum Teil erscheint uns seine Kritik also als überholt. So gibt es inzwischen sehr viel mehr Überblicksveranstaltungen als etwa noch vor 10 Jahren. Andere Dinge (wie z. B. die inzwischen verstärkte Einrichtung forschungsfähiger Didaktikprofessuren) sind derzeit im Umbruch. Am Philosophischen Seminar der Universität zu Köln, wie an den meisten Hochschulen des Landes NRW, ist das Lehramtsstudium der Philosophie (Sekundarstufe II) und der Praktischen Philosophie (Sekundarstufe I) seit 2003 so eingerichtet, dass eine hochprofessionelle Ausbildung gewährleistet ist. Neben ein breites historisches und systematisches Curriculum treten bereits im Studium fachdidaktische Studienanteile. Das Team der Lehrenden im Bereich Fachdidaktik am Philosophischen Seminar der Universität zu Köln gewährleistet eine zugleich praxisbezogene als auch theoretisch fundierte Ausbildung. Das Seminar ist mit Schulen im Umland vernetzt; und durch Kooperationsprojekte ist eine frühe Tuchfühlung mit dem späteren Arbeitsfeld „Schule“ gesichert. Regelmäßig finden fachdidaktische Kolloquien statt, an denen Hochschullehrer, abgeordnete Lehrer/innen, Fachleíter/innen, Lehrer/innen aus dem Schuldienst sowie Studierende teilnehmen. Mangelnde Studienvoraussetzungen, die durchaus festzustellen sind, beruhen in der Regel nicht auf schlechtem Philosophieunterricht. Generelle Defizite in den Studienvoraussetzungen dürften eher in anderen Bereichen zu verorten sein: mangelnde Fähigkeiten der schriftsprachlichen Ausdrucksfähigkeit in der Muttersprache und im Englischen; mangelnde Fähigkeiten, lateinische oder griechische Texte wenigstens unter Zuhilfenahme einer Übersetzung gegenzulesen usw.

Als problematisch sehen wir die fortgeschrittene Aushöhlung fachspezifischer Studienanteile in den neuen Studiengängen an, vor allem im Master of Education. Hier bleibt mit einem gesetzlich fixierten Studienfachanteil von 30 Leistungspunkten (Gymnasium / Gesamtschule) bzw. 21 Leistungspunkten (Haupt- Real- Gesamtschule), aus dem zudem noch die Fachdidaktik zu bedienen ist, wenig Raum für vertiefende fachliche Studien.

Martens Plädoyer für eine stärkere Praxis- und Anwendungsorientierung sowie mehr Interdisziplinarität in der Lehrerausbildung (seine Punkte (4) und (5)) sehen wir als problematisch an. Angewandte Philosophie ohne solide systematische (und historische) Grundlagen wird orientierungslos. Obwohl die Philosophie ihre gesellschaftspolitische und lebenspraktische Rolle ernst nehmen sollte, so sehen wir doch die zunehmende Tendenz zu einer Philosophie, die sich im Mitreden in vielfältigen Anwendungskontexten verliert, als eher bedenklich an.

Wie beurteilen Sie die fachliche Qualität der Lehrerinnen und Lehrer, die ihr Studium an Ihrer Universität abgeschlossen haben?

Michael Quante: Martens’ Klage, es würden philosophische Spezialisten ausgebildet, die nicht über die an Schulen erforderliche Breite des Wissens und Könnens verfügten, trifft einen wichtigen Punkt. Spezialisierungen als punktuelle Vertiefungen sind sinnvoll, werden aber dann zum Problem, wenn sie nicht eingebettet sind in Lehr-Lern-Arrangements, die breitere fachphilosophische Orientierungen ermöglichen. Hierfür sind unsere neuen Studiengänge leider nur sehr begrenzt geeignet. Aus diesem Grunde müssen wir im Fach darüber nachdenken, wie und ab wann wir eine für den Lehrerberuf spezifische Ausbildung anbieten. Es kann jedenfalls nicht sein, dass in fachdidaktischen Veranstaltungen des Masterstudiums nicht selten zusätzliche fachwissenschaftliche Grundlegungen erforderlich sind.

Kirsten Meyer: Wer an der Humboldt-Universität ein Bachelor- und Masterstudium in unserem Lehramtsstudiengang „Philosophie/ Ethik“ absolviert hat, ist meines Erachtens fachlich gut ausgebildet. Natürlich gibt es immer Potential für Verbesserungen auf Seiten der Lehre, und auch von einigen Studierenden würde man noch mehr erwarten. Grundsätzlich denke ich, dass wir auf einem sehr guten Weg sind.

Ich möchte aber betonen, dass die fachlichen Inhalte des Studiums in Zukunft nicht beschnitten werden sollten (etwa zugunsten der unterrichtlichen Praxis oder der erziehungswissenschaftlichen Teile des Studiums). Das ist keine Forderung, die sich an Philosophen richtet, die mit mir in dieser Hinsicht einer Meinung sein dürften – sondern eher an die Bildungspolitik.

Ralf Stoecker: Ich bin in der glücklichen Position, über zwei Universitäten berichten zu können, weil ich gerade von Potsdam nach Bielefeld gewechselt bin. An der Universität Potsdam ist seit gut zehn Jahren die Lehramtsausbildung im Fach Lebensgestaltung-Ethik-Religionskunde (LER) angesiedelt, nachdem sich in der fachwissenschaftlichen Begleitung des schon älteren Schulversuchs herausgestellt hatte, wie wichtig eine fundierte fachliche und fachdidaktische Ausbildung der Lehrkräfte für das Gelingen des neuen Schulfachs ist. Der interdisziplinäre Studiengang an der Uni Potsdam hat dann Maßstäbe für eine erfolgreiche Integration fachwissenschaftlicher und fachdidaktischer Studienelemente gesetzt. Die fachliche Qualifikation der LER-Absolventinnen und -Absolventen ist hoch.

Der Verweis auf LER zeigt allerdings auch, dass wir nicht den Fehler machen sollten, nur auf die klassische (Oberstufen-)Philosophie an der Schule zu schauen. Es gibt viele verschiedene Lehramtsstudiengänge, in denen wesentlich philosophische Inhalte vermittelt werden, die einerseits ganz eigene didaktische Herausforderungen mit sich bringen, andererseits zugleich Chancen liefern, Philosophie interdisziplinär zu vernetzen. Außer LER zählen dazu z. B. „Ethik“ in Berlin, EPG in Baden-Württemberg, und die Alternativfächer zum Religionsunterricht (wie z.B. „Praktische Philosophie“ in NRW).

Hinzu kommt, dass sich auch weitere Felder auftun, auf denen philosophischer Vermittlungsbedarf besteht, dem wir in unseren Studiengängen Rechnung tragen sollten. Ein prominentes Beispiel ist die medizinische Ethik. Ähnlich wie Lehrer lernen müssen, Philosophie in die Schulklassen zu tragen, müssen Medizinethikerinnen in der Lage sein, Philosophie in interdisziplinären Behandlungsteams zu vermitteln. Dazu sollten wir sie befähigen. Kurz, ich glaube, dass sich die philosophische Lehre insgesamt stärker daran orientieren muss, den Studierenden die Fähigkeit zu vermitteln, Philosophie nach außen zu tragen.

Meine jetzige Universität, Bielefeld, hat dies schon früh erkannt und praktiziert. Seit den 1990er Jahren bietet sie beispielsweise Intensivkurse im philosophischen Lesen und Schreiben an, die zum großen Teil von Professorinnen und Professoren durchgeführt werden. Dahinter steht die Idee, dass die Kompetenz, die unsere Studierenden erwerben sollen, fachliches Wissen mit der Fähigkeit verbindet, dieses anzuwenden und zu kommunizieren (im Schulunterricht wie auch in anderen Tätigkeitsfeldern), und dass es deshalb die Aufgabe aller Lehrenden ist, diese Kompetenz zu vermitteln, nicht nur der (in Bielefeld sehr engagierten) Fachdidaktiker. Ich teile diese Idee und bin deshalb sehr zuversichtlich, dass unsere Lehramtsabsolventinnen und -absolventen hochqualifiziert an die Schulen gehen.

Thomas Grundmann/Thomas Nisters: Wir sehen uns nicht als die richtigen Adressaten dieser Frage. Dazu sollten die Zentren für Lehrerbildung, die Schulen und vor allem die Schülerinnen und Schüler befragt werden.

Roland W. Henke: Ich halte die fachliche Qualität der Lehramtsabschlüsse an der Bonner Universität, wo ich jahrzehntelang den Vorsitz in den Prüfungskommissionen für Erste Staatsprüfungen innehatte, für gut, allerdings in den letzten Jahren schon für rückläufig, was vermutlich auch etwas mit der Generation Internet zu tun hat. Durch die demnächst steigenden Anteile an Fachdidaktik und die Einführung des Praxissemesters wird sie sich voraussichtlich weiter verschlechtern.

Dass den Studierenden oftmals elementares Überblickswissen fehle, wie Herr Martens beklagt, ist sicher richtig; aber ich weiß nicht, ob das wirklich so ein Problem ist oder ob das früher anders war: Wer in einem Spezialgebiet gut ausgebildet ist und das wissenschaftliche Arbeiten und Philosophieren gelernt hat, der wird auch in der Lage sein, sich später, etwa im Referendariat oder als fest angestellte Lehrkraft, in andere Gebiete selbstständig einzuarbeiten. Außer der methodischen Kompetenz zur Einarbeitung in neue Stoffgebiete ist aber zugleich die Motivation nötig, das auch tun zu wollen. Und da beobachte ich auch, dass viele heutige Absolventen den Beruf der Philosophielehrkraft eher als einen Brotberuf ansehen und – mit Schiller zu reden – keine wirklichen „philosophischen Köpfe“, sondern eher Methodenmanager zur Texterschließung sind, denen es an Begeisterung und Interesse für philosophische Probleme fehlt.

Vanessa Albus: Von der fachlichen Qualität unserer Absolventen lässt sich nicht gleich auf eine gute Unterrichtsqualität in der Region schließen. Wie Martens zu Recht hervorhebt, wird Philosophie auf der Sekundarstufe I häufig von fachfremden Lehrkräften erteilt, die freilich in Zusatzkursen und Fortbildungen kaum ein ganzes Studium nachholen können und folglich nicht qualifiziert sind. Zu bedenken ist außerdem, dass selbst sehr gut ausgebildete Absolventen nach dem Referendariat nicht in den Schuldienst eingestellt werden können.

Martens bemängelt im vorliegenden Bericht jedoch nicht nur den fachfremd erteilten Philosophieunterricht, sondern auch die fachliche Qualität der Lehramtsabsolventen. Mit Blick auf die Studiengänge der UDE lässt sich festhalten, dass die von Martens geforderten eigenen Studiengänge für die Lehrerausbildung bereits eingerichtet sind, wenngleich der Anteil der fachphilosophischen Lehrveranstaltungen im Lehramt für die Haupt-, Real- und Gesamtschule in der Tat niedriger ist als der für die Studierenden im Gymnasialbereich. Es gibt zudem regelmäßig angebotene Einführungsveranstaltungen, in denen systematisch Überblickswissen vermittelt wird. Vorbild sind bereits, wie Martens fordert, amerikanische Studiengangskonzepte. Der dadurch entstandene Mehraufwand im Prüfungs- und Verwaltungsbereich wird jedoch hier nur unzureichend abgefedert und geht mit einer steigenden Belastung der Lehrenden einher.

Führt möglicherweise die Dominanz der analytischen Philosophie an den Hochschulen zu einer hinsichtlich des Unterrichtes etwas einseitigen Ausbildung der künftigen Lehrer(innen)?

Kirsten Meyer: Nein, das denke ich nicht. Herr Martens bemängelt, dass die Studierenden kein elementares Überblickswissen haben. Er meint, dies hänge unter anderem damit zusammen, dass die Philosophie-Dozenten ein derartiges Wissen oft als Zumutung einer „Popularphilosophie“ ablehnen. Meiner Meinung nach trifft das aber gerade auf diejenigen, die sich eher der analytischen Philosophie zuordnen würden, nicht zu. Wir haben an der Humboldt-Universität eine verpflichtende Vorlesung „Einführung in die Philosophie“, dazu Einführungsvorlesungen in zentrale Bereiche der praktischen und theoretischen Philosophie. Die Dozenten bieten solche Vorlesungen sehr gerne an – weil sie die philosophische Herausforderung, eine klare und anhand der systematischen Fragen strukturierte Einführung in zentrale Gebiete der Philosophie zu geben, selbst als intellektuell sehr bereichernd ansehen.

Generell halte ich nicht viel von einer Betonung des vermeintlichen Unterschieds zwischen „analytischer“ und „nicht-analytischer“ Philosophie. Aber falls erstere ein besonders großes Bemühen um Klarheit und Verständlichkeit auszeichnet, und falls es darum geht, die systematischen Fragen in den Vordergrund zu rücken und sich auf die argumentative Auseinandersetzung mit diesen Fragen zu konzentrieren – dann sind all dies Dinge, die dem Lehramtsstudium sehr zuträglich sind. Die Studierenden sollen ja in die Lage versetzt werden, sich selbst philosophierend mit diesen Fragen zu beschäftigen. Sie sollten ihren Schülerinnen und Schülern später nicht „die Philosophie“, sondern „das Philosophieren“ beibringen, und dazu müssen sie selbst philosophieren können.

Das wichtigste scheint mir jedoch, bei den Studierenden eine Begeisterung für die Philosophie zu wecken, die sie dann an ihre Schülerinnen und Schüler weitergeben werden. Herr Martens befürchtet offenbar, dass die primär analytisch orientierten Lehrer den Schülern den Eindruck vermitteln, die Philosophie beschränke sich darauf, nur Begriffe und Argumente zu analysieren. Die Folge sei oft Desinteresse. Ich denke jedoch, dass dies nichts mit einer primär analytischen Orientierung zu tun hat. Die Analyse von Argumenten ist kein Selbstzweck, sondern dient der Beantwortung philosophischer Fragen. Wer an diesen Fragen kein Interesse hat, sollte nicht Philosophie unterrichten. Ein etwaiges Desinteresse wäre sehr bedauerlich, ich sehe aber nicht, warum es aus einer vermeintlichen Dominanz der analytischen Philosophie resultieren sollte.

Wichtig scheint mir dennoch: Das Interesse der Fachphilosophen an bestimmten philosophischen Fragen sollte sich nicht allein anderen Fachphilosophen vermitteln lassen. Gerade die universitäre Lehre ist daher für die Dozenten ein guter Test dafür, ob sich der Kontakt zur Lebenswelt noch halten lässt.

Thomas Grundmann/Thomas Nisters: Ob die analytische Philosophie an deutschen Hochschulen tatsächlich so dominant ist, wie Martens nahe legt, ist gar nicht so klar. In Köln etwa ergänzen sich historische und analytisch-systematische Schwerpunkte in Forschung und Lehre. Allerdings bedient Martens in seiner Kritik an der analytischen Ausbildung ein ebenso altbackenes wie leider auch grob verzerrendes Vorurteil gegen die analytische Philosophie, das in der Populärliteratur auch von Autoren wie Richard David Precht immer wieder beschworen wird. Die analytische Philosophie von heute besteht schon lange nicht mehr nur in einer sterilen Analyse von Argumenten und Bedeutungsanalysen von Ausdrücken, wie sie vielleicht die traditionelle Sprachanalyse der 50er und 60er Jahre des 20. Jahrhunderts vertreten hat. Analytische Philosophie heute empfiehlt einen genauen, kritisch-argumentativen und wissenschaftlichen Umgang mit philosophischen Sachfragen und Problemen. Eine solche Einstellung zur Philosophie hat nichts mit einer philosophischen Schule zu tun, sie war auch die Einstellung der großen klassischen Philosophen wie Aristoteles, Thomas von Aquin oder Kant, und wir können nicht sehen, was dagegen sprechen sollte, Philosophie in diesem Sinne in noch stärkerem Umfang auch an Schulen zu lehren.

Roland W Henke: Früher wurde an vielen Hochschulen, neben den antiken Klassikern, fast nur Kant gelehrt, das führte auch zu einer einseitigen Ausbildung der Lehrer(innen), wieso soll da die Dominanz der analytischen Philosophie an den Hochschulen, so sie überhaupt vorhanden ist, in besonderer Weise schaden? Sieht man sich das gegenwärtige Themenangebot der Vorlesungen und Seminare an den Philosophischen Instituten an, so hat es gegenüber meiner Studienzeit in den 70er Jahren erheblich zugenommen, und die Themen spannen eine weite Palette auf, Tierethik, Fragen nach Freundschaft, Geld usw. kommen vor. Will sagen: An einem thematisch einseitigen oder anwendungsfernen Themenkatalog der Universitätsinstitute liegt es nicht, dass einige Philosophie- und Ethiklehrkräfte keinen rechten Zugriff auf philosophische Probleme haben und ihren Unterricht primär durch die – im besten Fall methodisch geschickt arrangierte – Erarbeitung von kanonischen Texten bestreiten.

Michael Quante: Analytisch klares Denken kann niemandem schaden, auch Philosophielehrern nicht. Jede Verengung aber, die durch die Dominanz von philosophischen Strömungen und Trends ausgeübt wird, ist schädlich. Welche dieser Dominanzen man anklagt, hängt dabei sehr von dem eigenen Standort und den eigenen philosophischen Positionen ab. Auf einer allgemeinen Ebene ist dieser Punkt berechtigt, aber wenn man genauer hinschaut, werden die Gemengelagen sofort komplexer. Gegen die Homogenisierung von philosophischen Standorten, die von manchen Kollegen als Antwort auf den Exzellenzdruck betrieben werden, ist aber die Warnung vor „einseitiger Diät“ sicher berechtigt – vor allem mit Blick auf die Lehrerausbildung.

Ralf Stoecker: Ich finde, man sollte die Verständigung über einen besseren Schulunterricht nicht mit den ideologischen Debatten des letzten Jahrhunderts befrachten. Die Unterscheidung zwischen „analytischer Philosophie“ und anderen Philosophien ist notorisch schlecht explizierbar, sie hat außerdem in weiten Teilen der Philosophie nie eine große Rolle gespielt (z. B. weder in der Ethik, insbesondere der angewandten Ethik, noch in der Geschichte der Philosophie) und sie ist zudem längst überholt, weil sich mittlerweile (vor allem international) die Standards argumentativer Klarheit und Stringenz durchgesetzt haben, während die thematischen Prüderien („Worüber man nicht reden kann …“) weitgehend verschwunden sind. Deshalb muss man sich auch keine Sorgen machen, dass entsprechend ausgebildete Lehrkräfte wichtige philosophische Themen aus dem Schulunterricht aussparen würden.

Wichtig ist es allerdings, dass in der Schule philosophiert wird, und zwar so, wie es dem aktuellen Stand der Wissenschaft entspricht. Philosophielehrerinnen und -lehrer müssen gut im Philosophieren sein und nicht nur darin, über das Philosophieren anderer Bescheid zu wissen. Also müssen wir sie auch darin ausbilden, so zu philosophieren, wie wir es für fachlich richtig halten, was angesichts der Unterschiede in der philosophischen Landschaft bedeuten kann, dass beispielsweise Lehrerinnen in Bielefeld anders ausgebildet werden als in Freiburg.

Vanessa Albus: In der Philosophiedidaktik besteht zu Recht der Konsens, dass im schulischen Unterricht methodenpluralistisch zu verfahren ist, denn nur so lässt sich das Philosophieren in seiner ganzen Breite sachadäquat vermitteln. Dieser Anspruch ist inzwischen auch curricular verankert.

Eine Konsequenz aus dem Methodenpluralismuspostulat besteht in der universitären Lehrerausbildung darin, dass den Studierenden eine systematische Methodenschulung aller philosophischen Denkrichtungen ermöglicht werden muss. Dies kann entweder forschungsbasiert oder verschult geschehen. An größeren, personell vielfältig ausgestatteten Philosophischen Instituten ist eine forschungsbasierte und professionelle Methodenschulung problemlos leistbar. Fraglich aber ist, ob und wie methodenpluralistische Ziele in der Lehrerbildung an personell sehr kleinen oder einseitig besetzten Instituten erreichbar sind. Unter dem Signum der Einheit von Forschung und Lehre käme es hier zu einer inakzeptablen Verkürzung der Kompetenzvermittlung, unter der die Studierenden zu leiden hätten, weil sie als zukünftige Lehrkräfte nicht ausreichend gebildet wären, um den philosophiedidaktischen und curricularen Anforderungen im vollen Umfang zu genügen. Einen Ausweg stellt in diesen Fällen zunächst nur die verschulte Methodenvermittlung am universitären Lernort dar. Vorbehalte und Bedenken, Methoden des Philosophierens in der Lehre reflektiert anzuwenden, die man in der Forschung gar nicht vertritt, sind grundsätzlich gerechtfertigt und führen in letzter Konsequenz deutlich vor Augen, dass zukünftig bei Stellenbesetzungen nicht philosophische Zunft- und Schulbildungen anzustreben sind, sondern im Gegenteil eine institutionalisierte Methodenvielfalt in den Focus geraten sollte.

Die notwendige Kompetenzvermittlung sollte aber, wie von Martens richtig angemahnt wird, den Blick auf die Inhalte nicht versperren. Dies betrifft sowohl die Vermittlung von Inhalten am schulischen als auch am universitären Lernort. Die Lehrpläne und die Auswahl von Texten im Zuge des Zentralabiturs sind Werke von Behörden, die neue Forschungsergebnisse nicht hinreichend zur Kenntnis nehmen. Zur besseren Orientierung bedarf es hier einer Mitwirkung von Fachdidaktikern und Fachphilosophen. Reflektierte Kanonbildungsprozesse am schulischen Lernort hätten zudem auch Auswirkungen auf die Selektion von Inhalten im Studium. Von Lehramtstudierenden wird oft bemängelt, dass die Texte, die sie im Laufe des Studiums läsen, sich nicht als Unterrichtsmedium eigneten und umgedreht ihnen die Texte in den Schulbüchern oder Materialsammlungen für den Philosophieunterricht weitgehend fremd seien.

Was kann zudem getan werden, um die Lehrerausbildung an den Universitäten zu verbessern?

Roland W. Henke: Die Seminare müssten weitaus stärker als bisher die Studierenden zu einer eigenständigen und nachhaltigen Auseinandersetzung mit den behandelten Themen bzw. Texten führen. Auch der Anwendungsbezug der erarbeiteten philosophischen Positionen müsste verdeutlicht und die Studierenden zu eigenen argumentativen Urteilen über sie angeleitet werden. Für all das sollte die Dozentin/der Dozent in seinem fachlichen Zugriff ein Modell geben. Bis heute sind ja die sog. Referate-Seminare keine Seltenheit, obwohl eigentlich alle wissen, dass ihr Lerneffekt ziemlich gering ist.

Das gilt übrigens auch für Aufgabenstellungen zu Modulprüfungen: Statt eine allgemeine Essay-Frage zu stellen, zu der die Studierenden auswendig Gelerntes aus der Sekundärliteratur zu Papier bringen, könnte man mit Teilaufgaben zu mehreren Anforderungs-bereichen arbeiten, wie die angehenden Lehrer(innen) sie im Referendariat zu stellen lernen. Zu all dem müssten hochschuldidaktische Fortbildungen für (neue) Dozenten Pflicht werden, denn i. d. R. hat ein Hochschuldozent ja keine didaktische Ausbildung.

Thomas Grundmann/Thomas Nisters: Mittelfristig würden wir uns wünschen, dass ein ausgewogeneres Verhältnis zwischen Bildungswissenschaften, Fachdidaktik und Fachwissenschaft wieder hergestellt wird, indem vor allem die Fachwissenschaft wieder ein stärkeres Gewicht erhält. Zudem würden wir es begrüßen, wenn die fachlichen Inhalte stärker auf die Anforderungen der späteren Arbeit an der Schule abgestimmt würden. Dazu sollte sicher auch zählen, dass die zukünftigen Lehrerinnen und Lehrer lernen, Interesse für philosophische Probleme zu wecken, die Fähigkeit zur eigenständigen kritischen Auseinandersetzung mit diesen Problemen und Lösungsansätzen zu vermitteln und auch die außerphilosophische individuelle und gesellschaftliche Realität in den Unterricht mit einzubeziehen.

Kirsten Meyer: Das wichtigste sind die Dozenten, die in der universitären Lehrerausbildung tätig sind, und damit meine ich keineswegs nur die Fachdidaktiker, sondern vor allem die Fachphilosophen. Sie müssen in ihrer eigenen Lehre eben die Dinge verkörpern, die auch einen guten Lehrer oder eine gute Lehrerin in der Schule später auszeichnen, vor allem eine Begeisterung für die Sache, fachliche Qualifikation und Klarheit. Was also getan werden kann: Gute Kolleginnen und Kollegen einstellen und dabei den Fähigkeiten in der Lehre viel Gewicht geben. Für die Fachdidaktiker ist meines Erachtens eine enge Zusammenarbeit mit den Kolleginnen und Kollegen aus der Fachwissenschaft wichtig, um z. B. Anregungen geben zu können, welche Seminare für die Studierenden des Lehramts inhaltlich besonders geeignet sind.

Außerdem sollte meines Erachtens großer Wert auf die Förderung argumentativer Kompetenzen gelegt werden – dazu eignen sich auch eigens dafür eingerichtete Kurse. Ich habe nicht die Befürchtung, dass dies auf Kosten der Inhalte geht, wenn gleichzeitig bei den Studierenden ein genuines Interesse an philosophischen Fragen geweckt und ein solides Überblickswissen vermittelt wird.

Michael Quante: Ekkehard Martens ist nach seiner Lehrtätigkeit an der Hochschule wieder Lehrer an einer Schule. Institutionell müssen wir vor allem die Möglichkeit, dass Hochschullehrer auch während ihrer Aufgaben in der Lehrerausbildung an der Uni den Blick für die ‚Endabnehmer’ ihrer Tätigkeit schärfen, schaffen. Dazu sind noch einige bürokratische Hindernisse zu beseitigen. Wenn hier ein Um- oder Weiterdenken erfolgte, ließe sich ein anderer Vorschlag von Martens effektiver realisieren: die Beteiligung der Fachphilosophen (durch ihre Fachgesellschaft) und Fachdidaktiker an der Entwicklung von Lehrplänen.

Vanessa Albus: Die Situation der institutionalisierten Philosophiedidaktik ist desolat. Es mangelt eindeutig an Fachdidaktikstellen mit Forschungskapazität. An 54% der Universitäten in Deutschland wird die Philosophiedidaktik von Lehraufträgen bedient. Es bleibt zu hoffen, dass die Fachphilosophen den Wert der Philosophiedidaktik sachadäquat einschätzen, damit zukünftig Philosophiedidaktikstellen nicht mit Fachphilosophen besetzt werden und zusätzlich notfalls auf dem Weg der Umwidmung von Lehrstühlen philosophiedidaktische Forschungskapazitäten geschaffen und die Institutionalisierung dieser Disziplin voran getrieben werden kann. Birnbacher appelliert jüngst in einem Interview mit der Zeitschrift für Didaktik der Philosophie und Ethik (2/2014) sehr überzeugend an die Pflicht der akademischen Philosophie, der Gesellschaft etwas von ihrem Wissen und Können zurückzugeben. Dazu braucht sie gut ausgebildete, philosophiedidaktisch geschulte Lehrkräfte. Die in einen Text mündende Initiative der Deutschen Gesellschaft für Philosophie unter der Federführung von Quante zur Verbesserung der Philosophielehrerausbildung ist grundsätzlich zu begrüßen und mit der Hoffnung verbunden, ein Umdenken über den Wert der Philosophiedidaktik in die Wege zu leiten.

Ralf Stoecker: Das Bewusstsein dafür sollte geschärft werden, dass die Lehramtsausbildung eine genuine Aufgabe der philosophischen Institute ist, an der sich alle Lehrenden beteiligen müssen. Zugleich sollte innerhalb der Institute die Fachdidaktik personell verstärkt und aufgewertet werden. Beides zusammen würde es ermöglichen, neue gemeinsame Veranstaltungsformen zu entwickeln, die immer wieder Brücken zwischen der fachlichen Ausbildung und der zukünftigen Tätigkeit in der Schule schlagen, so dass die Studierenden unmittelbar erfahren, wie das Philosophieren an der Uni und der Unterricht in der Schule zusammenhängen. Ein Fehler wäre es hingegen, die Lehramtsausbildung stärker vom fachwissenschaftlichen Studium abzulösen. Die Schüler haben ein Recht darauf, dass ihre Lehrkräfte ihr Studium in einem Umfeld absolviert haben, in dem auch philosophische Forschung stattfindet.

Dass die Lehramtsausbildung Aufgabe aller Lehrenden ist, nimmt der Fachdidaktik wie gesagt nichts von ihrer Bedeutung. Deshalb sollte es für hochqualifizierte Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler eine transparente Karriereoption in der Fachdidaktik geben. Dem steht derzeit entgegen, dass es für eine Tätigkeit in der Fachdidaktik einerseits sehr wichtig ist, schulische Erfahrungen zu sammeln, die akademische Laufbahn andererseits aber wenige Anreize setzt, den sicheren Lehrerberuf nach ein paar Jahren wieder zu verlassen. Daran müsste sich dringend etwas ändern.

Ist an Ihrer Hochschule in dieser Hinsicht etwas geplant?

Vanessa Albus: Nein, für die Philosophiedidaktik ist institutionell nur eine Mittelbaustelle mit sehr hohem Lehrdeputat und großen Anteilen in der akademischen Selbstverwaltung vorgesehen. Seit kurzem gibt es außerdem zwei Lehraufträge. Qualifikationsstellen zur Förderung des philosophiedidaktischen Nachwuchses sind nicht vorhanden.

Ralf Stocker: Wir entwickeln derzeit verschiedene Maßnahmen zur stärkeren Verschränkung von fachlicher und fachdidaktischer Ausbildung. Ein Beispiel sind Tandemseminare, die ein fachwissenschaftliches Seminar mit einem thematisch korrespondierenden Fachdidaktikseminar verbinden (im Wintersemester 2014/15 zum Thema „Globale Gerechtigkeit“). Außerdem haben wir die Kooperation mit den Philosophielehrkräften an den Schulen der Region intensiviert, u. a. durch die jährliche Veranstaltung von themengebundenen Fachtagen an der Uni, auf denen wir eine inhaltliche Fortbildung mit verschiedenen Formen des fachdidaktischen Austauschs verbinden. Diese „Philosophischen Fachtage“ finden in Kooperation mit der Schulbehörde statt.

Thomas Grundmann/Thomas Nisters: Das Philosophische Seminar der Universität zu Köln nimmt die Ausbildung von Lehrerinnen und Lehrern traditionell außerordentlich ernst. Das Team der Lehrenden konnte in den letzten Jahren personell deutlich aufgestockt werden. Um diesen Prozess zu konsolidieren, ist die Berufung eines Juniorprofessors (W 1) mit tenure track für 2015 in Vorbereitung.

Kirsten Meyer: Wir haben gerade unseren Bachelorstudiengang Philosophie/Ethik reformiert. Neuerungen sind z. B. der Methodenkurs „Schreiben und Argumentieren“ sowie Module mit Seminaren, die für Lehramtsstudierende besonders einschlägig sind. Als Nächstes wird der Lehramtsmaster reformiert – was vor allem auf das neue Lehrerbildungsgesetz in Berlin zurückgeht. Wir bemühen uns dafür zu sorgen, dass dessen Vorgaben nicht auf Kosten der Qualität der fachlichen Ausbildung gehen.

Michael Quante: Münster möchte gerade im Bereich des Philosophierens von Kindern einschlägige Forschungsaktivitäten entfalten, die z. B. fruchtbar werden sollen für das Philosophieren in der Grundschule.

Roland W. Henke: Es gibt in Bonn einen hochschuldidaktischen Arbeitskreis und die Initiative einiger Dozenten aus dem Mittelbau, sich bei der Planung und Durchführung ihrer Seminarveranstaltungen beraten zu lassen. Zudem werden einzelne Seminarveranstaltungen als besonders geeignet für Lehramtskandidaten deklariert und thematisch und methodisch entsprechend gestaltet.

Die Autorinnen und Autoren unserer Stellungnahme vertreten Universitäten, die eine hohe Zahl von Ethik- und Philosophielehrerinnen und -lehrern ausbilden:

Vanessa Albus ist Privatdozentin und OStR’in für Didaktik der Philosophie sn der Universität Duisburg-Essen und dort für die Studienberatung der Lehramtsstudiengänge zuständig. Thomas Grundmann ist Professor für Erkenntnistheorie, Wissenschaftsphilosophie und Logik an der Universität zu Köln sowie Vizepräsident der Gesellschaft für analytische Philosophie, Roland W. Henke ist Lehrbeauftragter für Philosophiedidaktik/Hochschuldidaktik der Philosophie an der Uni Bonn und Fachleiter für Philosophie am dortigen Zentrum für schulpraktische Lehrerausbildung. Kirsten Meyer ist Professorin für Praktische Philosophie und Didaktik der Philosophie am Institut für Philosophie der Humboldt-Universität zu Berlin. Thomas Nisters ist apl. Professor für Praktische Philosophie und ihre Didaktik sowie Koordinator der Didaktik für Philosophie am Philosophischen Seminar der Universität zu Köln. Michael Quante ist Professor für Philosophie mit dem Schwerpunkt Ethik und Praktische Philosophie an der Universität Münster und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Philosophie. Rolf Stoecker ist Professor für Praktische Philosophie an der Universität Bielefeld.