Abstract
Welche Beschränkungen sollten sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler bei der Entscheidung auferlegen, wen sie als Vortragende zu universitären Veranstaltungen einladen? Und von welchen Überlegungen sollten sie sich dabei leiten lassen? Gibt es Personen, die für einen Auftritt an der Universität schlechthin ungeeignet sind? Wenn ja, aufgrund welcher Eigenschaften oder aus welchen anderen Gründen?
Wir argumentieren zunächst, dass jüngere Kontroversen über die Einladung politisch exponierter Sprecher zu akademischen Veranstaltungen den Blick auf diese universitätspolitischen Fragen eher verstellt haben, insoweit sie als Streit um die Rede- und um die Wissenschaftsfreiheit geführt wurden (1.). Im Anschluss erörtern wir die radikal liberale Auffassung, nach der sich Einladungsverbote überhaupt nicht begründen lassen (2.). Häufiger wird heute vertreten, dass es durchaus kategorische Ausschlussgründe gebe: Einige Debattenteilnehmerinnen ziehen die rote Linie dort, wo bestimmte politischen Positionen vertreten werden, insbesondere solche, in denen Rassismus oder andere Arten gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit zum Ausdruck kommen (3.). Andere ziehen die rote Linie dort, wo zu erwarten ist, dass der Inhalt eines Vortrags Zuhörende psychisch stark belastet (4.). Wir werden in kritischer Auseinandersetzung mit diesen Auffassungen eine tugendbezogene Antwort auf die Titelfrage vorschlagen (5.). Sie läuft darauf hinaus, dass man sich für eine Einladung an die Universität nicht durch bestimmte Meinungen oder durch bestimmte Wirkungen disqualifiziert, sondern durch einen Mangel an intellektueller Redlichkeit.