Abstract
Das Leben tritt in Hegels Phänomenologie des Geistes an einem äußerst bedeutenden „Wendungspunkt“ auf, an dem das Bewusstsein sich als Selbstbewusstsein erfasst und mithin den Begriff des Geistes gewinnt. Das Leben ist die letzte Gegenstandsform, die dem Bewusstsein gegenüberliegt, bevor es sich selbst als seinen Gegenstand erfasst. Durch diese Schwellenposition wird die Figur des Lebendigen zu einem besonderem Reflexionsmedium für die Struktur des Geistigen: Der Geist tritt im Medium des Lebens in Gestalten eines Noch nicht und des Schon da auf, die ihm eine besondere Erkennbarkeit verleihen. Dieser Artikel zielt vor diesem Hintergrund darauf, die strukturelle Homologie (I) ebenso wie die strukturelle Differenz (II) von Leben und Geist herauszuarbeiten. Mein besonderes Interesse gilt dabei der Frage (III), inwiefern der Geist, sofern sein Begriff an genau diesem Wendungspunkte gewonnen wird, etwas Lebendiges bleibt, so sehr er vielleicht auch die Gestalt des Bewusstseinsgegenstandes „Leben“ überschreiten muss.