Abstract
ZusammenfassungIm Zentrum der vorliegenden Arbeit steht das anthropometrische Forschungsprogramm der Konstitutionslehre während des Ersten Weltkrieges und die davon angestoßenen Reihenuntersuchungen der Internisten Theodor Brugsch, Hermann Rautmann und Max Berliner, deren Vorstöße in die Variabilitätsstatistik sowie die anschließende konstitutionspathologische Debatte um die Definition einer körperlichen Norm.Um der Konstitutionslehre eine Datengrundlage für den „Normkörper“ zu schaffen, unternahm im Umfeld des Ersten Weltkrieges eine Reihe junger deutscher Internisten umfassende anthropometrische Studien und nutzte dabei die Gelegenheit, die ihnen der Krieg zu Reihenuntersuchungen an Soldaten bot, ohne vorher über Messmethoden, Vergleichs- und Auswertungsmöglichkeiten zu reflektieren. Dies änderte sich jedoch in der Folgezeit und führte nicht nur zu einem starken Zuwachs an methodischer sondern auch an mathematisch-statistischer Kompetenz. Zudem problematisierte das konstitutionspathologische Projekt den Normbegriff, was in der intensiven Normdebatte der 1920er Jahre mündete. Damit stellen die wenigen Jahre nach Ende des Ersten Weltkriegs bis 1922 für die Konstitutionslehre nicht nur einen Drehpunkt hinsichtlich des reflektierten Methodengebrauchs dar, sondern leiteten auch eine Neuausrichtung ihrer Forschungsfragen ein: weg vom „Normkörper“ hin zur Individualität.