Abstract
ZusammenfassungIn den letzten Jahren wird intensiv darüber diskutiert, ob und in welcher Weise das Gewissen im Kontext der Apotheke zu schützen ist. Der Status quo in Deutschland und Österreich sieht keine gesetzliche Regelung für dieses Problem vor. Der ethische Rahmen für eine Bewältigungsstrategie im Umgang mit dem Problem der Gewissensfreiheit in der Apotheke wird deutlich gemacht. Unter Anwendung des rechtsethischen Verhältnismäßigkeitsprinzips wird das Problem mit Berücksichtigung des deutschen und österreichischen Verfassungsrechts sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention auf individueller, korporativer und gesellschaftlicher Ebene analysiert. Auf individueller Ebene sind die berechtigten Interessen und Güter des Apothekers einerseits und der Patientin andererseits durch eine grundrechtliche Verhältnismäßigkeitsprüfung zu einem schonenden Ausgleich zu bringen. Auf korporativer Ebene legitimiert das auf der Religions- und Weltanschauungsfreiheit basierende Selbstbestimmungsrecht die ideologisch profilierte Apotheke als Organisation und kann in der Binnenbeziehung der Apotheke einen Loyalitätskonflikt verursachen. Auf gesellschaftlicher Ebene stehen vier Optionen der proaktiven rechtspolitischen Gestaltung der Gewissensproblematik zur Verfügung: sozialstaatlich, libertär, professionsbezogen und kommunitär. Wie Konflikte auf individueller oder korporativer Ebene gelöst werden können, hängt von den Optionen ab, die auf gesellschaftlicher Ebene gewählt werden. Für den Fall einer Änderung des Status quo wird für zwei Lösungsansätze argumentiert: a) die Einführung einer qualifizierten Gewissensklausel für Apotheker (mit Beratungs-, Verweis-, Notfall- und Verständigungspflicht); b) die auf einen Kompromiss zwischen ideologisch profilierter pharmazeutischer Korporation (Apotheke oder Apothekervereinigung) und Sozialstaat abzielende „weiche“ kommunitäre Option. Beide Ansätze werden einem schonenden Ausgleich berechtigter Güter gerecht.