Abstract
ZusammenfassungBei den meisten Patienten, die heute erwartet an einer unheilbaren Krankheit versterben, wird vor ihrem Tod eine bewusste Entscheidung zum Therapieverzicht getroffen. Während dem Therapieverzicht auf Wunsch des Patienten ein wichtiger Stellenwert in der medizinethischen Diskussion zukommt, hat der Umgang mit Forderung nach „unangemessener“ Maximaltherapie bislang weniger Beachtung gefunden. In einer empirischen Studie zur Einbeziehung von Patienten in Entscheidungen zum Therapieverzicht konnten wir zeigen, dass etwa ein Drittel der Patienten auch bei infauster Prognose Lebenszeit durch Maximaltherapie gewinnen möchte. Diese Patienten wurden im Gegensatz zu Patienten mit palliativem Therapieziel häufig nicht in Entscheidungen zur Therapiebegrenzung einbezogen. Hier werden die ethischen Implikationen dieser Praxis untersucht und gefragt, ob ein Therapieverzicht am Lebensende auch gegen den Wunsch des Patienten ethisch zu rechtfertigen ist oder ob Ärzte dem Wunsch des Patienten nach Lebenszeitgewinn auch bei infauster Prognose durch Maximaltherapie nachkommen sollen. Vor dem Hintergrund der gängigen Konzepte zur Rechtfertigung eines einseitigen Therapieverzichts, die für sich genommen zu kurz greifen, wird ein alternatives Entscheidungsmodell vorgestellt, das vier bewertungsrelevante Kriterien vorsieht: die Wirksamkeit einer Maßnahme, die Autonomiefähigkeit des Patienten, die patientenseitige Nutzenbewertung und die Kosten für die Solidargemeinschaft. Je nachdem, welche Kriterien erfüllt sind, rechtfertigen sie eine Entscheidung zum Therapieverzicht oder eine Fortsetzung der Therapie entsprechend dem Patientenwillen.