Gegenüber der von Descartes verteidigten libertas indifferentiae bevorzugt Leibniz die auf die Stoa zurückgehende Auffassung der Freiheit als vernünftige Spontaneität. Sie ist bei den vernunftbegabten Geschöpfen ein Abbild der göttlichen Freiheit. In ihr offenbart sich die Vollkommenheit des Willens in der Fülle der vernünftigen Bestimmtheit. Aber der den verworrenen Eindrücken der Sinne unterworfene menschliche Wille erhebt sich nur in dem Maße zur Freiheit, wie er den Ideen, die unseren Geist erleuchten, Aufmerksamkeit schenkt. Diese Anstrengung der Aufmerksamkeit, welche bei Malebranche durch (...) die göttliche Erleuchtung hervorgerufen wird, ist bei Leibniz der Ausdruck einer Spontaneität, die nur in Übereinstimmung mit der allgemeinen Ordnung unter den Substanzen tätig sein kann. Wenn es auch das Vorrecht der Geister oder vernunftbegabten Seelen ist, sich durch die Reflexion dem Einfluß der Sinneseindrücke zu entziehen und in diesem Maße „durch eine Art privaten Wunders" dem Determinismus der Naturgesetze, die nur untergeordnete Regeln sind, zu entgehen, so bleibt die Ausübung dieser Freiheit trotzdem in der allgemeinen Vorherbestimm ung als dem Ausdruck der höchsten Weisheit eingeschlossen. Dieser Konflikt zwischen der Freiheit und der Vorherbestimmung kann bei Leibniz in der Betrachtung des unendlichen Fortschritts des Reiches der Geister seine Lösung finden. Als korrelative Entsprechung dieses Fortschritts kann die asymptotische Abnahme des Leidens der Verdammten betrachtet werden. (shrink)