Deborah R. Coen 2018: Climate in Motion. Science, Empire, and the Problem of Scale. Chicago: The University of Chicago Press, geb., 464 S., US $ 40,00, ISBN: 978-0-22655-502-7.

James Rodger Fleming 2016: Inventing Atmospheric Science. Bjerknes, Rossby, Wexler, and the Foundations of Modern Meteorology. Cambridge, MA: The MIT Press, geb. 306 S., US $ 31,00, ISBN: 978-0-26203-394-7.

Kristine C. Harper 2017: Make it Rain. State Control of the Atmosphere in Twentieth-Century America. Chicago: The University of Chicago Press, brosch., 304 S., US $ 32,00, ISBN: 978-0-22643-737-8.

Matthias Heymann, Gabriele Gramelsberger, Martin Mahony (Hg.) 2017: Cultures of Prediction in Atmospheric and Climate Science. Epistemic and Cultural Shifts in Computer-based Modelling and Simulation. New York: Routledge, brosch., 256 S., £ 29,59. ISBN: 978-0-36715-229-1.

Peter Moore 2016: Das Wetter-Experiment. Von Himmelsbeobachtern und den Pionieren der Meteorologie. Hamburg: Mare, geb., 560 S., € 54,00, ISBN: 978-3-86648-237-1.

Anya Zilberstein 2016: A Temperate Empire. Making Climate Change in Early America. Oxford: Oxford University Press, geb., 264 S., US $ 55,00, ISBN: 978-0-19020-659-8.

Ungefähr 1 °C. Soviel sei die globale Durchschnittstemperatur durch menschliches Verhalten seit vorindustrieller Zeit bereits gestiegen. Der Weltklimarat hält fest, dass extremeres Wetter, steigende Meeresspiegel und ein schrumpfender Eisschild in der Arktis die Folgen davon seien (IPCC 2018: 6–7). Die Debatte über anthropogenen Klimawandel hat in den letzten zwanzig Jahren an Dringlichkeit zugenommen. Die Diskussion um Folgen von Wetterextremen, Klimaveränderung und -beeinflussung ist politisch, wirtschaftlich und gesellschaftlich hochaktuell. Neu ist sie hingegen nicht. Seit einigen Jahren interessiert sich sowohl die Wissenschafts- und Technikgeschichte wie auch die Wissenschaftsphilosophie und -soziologie für das Thema. Die wachsende Anzahl an Publikationen und Projekten in den Geistes- und Sozialwissenschaften, die sich mit Klima und Wetter auseinandersetzen, zeugt somit von einem Bedürfnis, die aktuellen Debatten historisch einzuordnen, philosophisch zu bewerten und soziologisch zu analysieren.Footnote 1

Doch die Entwicklung der Klima- und Atmosphärenwissenschaften ist so komplex, wie ihr Forschungsthema. Wie kann eine so vielschichtige Geschichte überhaupt erzählt werden? Die Publikationen der letzten Jahre zeigen, dass zumindest eine Vielzahl an Geschichten erzählt werden kann, die in ihrer Gesamtheit die Komplexität des Themas veranschaulichen. Ihre Ansätze sind enorm divers, sie reichen von der eher antiquierten Herangehensweise der Pioniergeschichte über Politikgeschichte bis hin zum neuen multidisziplinären Zugang. Die hier vorstellten Bücher gehören zu den jüngsten Veröffentlichungen und repräsentieren diese Methoden- und Geschichtenvielfalt. Gemeinsam umfassen sie einen Zeitraum, der von der Klimadiskussion der frühen Neuzeit bis zu den Klimamodellen der Gegenwart reicht. Alle reihen sich in ein relativ neues Feld der historischen Klimatologie ein. Dieses lässt sich grob in drei Kategorien unterteilen: Erstens die Klimageschichte, also die Rekonstruktion vergangener Wettersituationen und Klimaverhältnisse, die die Generation von Hubert Lamb, Emmanuel LeRoy Ladurie und Christian Pfister ab den 1960er Jahre etablierten; zweitens die Umweltgeschichte, die die Beziehung zwischen Gesellschaft und Klima, beziehungsweise Wetterereignisse studiert und seit den 1980er Jahren zu einem festen Bestandteil der Geschichtswissenschaft geworden ist; und drittens die Geschichte von Klimawissen, die sich mit einem wissenschafts- und technikhistorischen Ansatz mit der Entwicklung der Wetter- und Klimaforschung beschäftigt. Die hier präsentierten Bücher entstammen dieser letzten Kategorie. Was für die Klimageschichte von Anfang an Bestandteil der Forschungspraxis war – die Zusammenarbeit zwischen Geschichts- und Naturwissenschaft – wurde bis vor wenigen Jahren in den anderen Bereichen kaum praktiziert. Dass dies aber auch in der Wissenschafts- und Technikgeschichte immer mehr Akzeptanz findet, zeigen die Projekte und Publikationen der jüngeren Zeit, die über den Rand der Geschichtswissenschaft hinausreichen. „Klima“ ist dabei zu einem Forschungsgegenstand geworden, der Disziplinen vereint, die bisher getrennte Wege gingen.

Obwohl jedes Buch für sich stehen kann, lohnt sich in mancher Hinsicht die kombinierte Lektüre. Dies gilt besonders in den Fällen, in denen die Werke thematisch relativ nah und zeitlich ergänzend sind, wie bei Anya Zilbersteins Untersuchung der (vermeintlich) anthropogenen Klimaveränderungen im Nordostamerika des 18. und 19. Jahrhunderts, Deborah Coens Arbeit über die enge Beziehung zwischen der habsburgischen Klimatologie und der Reichsbildung sowie Kristine Harpers Analyse der Wetterkontrolle in den USA zur Zeit des Kalten Krieges. Alle drei Autorinnen legen den Schwerpunkt auf die politische Dimension von Wetter- und Klimaforschung. Ähnlich komplementär verhält es sich mit Peter Moores Geschichte der britischen Meteorologie im 19. Jahrhundert und James Flemings Unterfangen, die Entwicklung der Meteorologie hin zu einer umfassenderen Wissenschaft der Atmosphäre in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts nachzuzeichnen. Beide verfolgen einen biographischen Ansatz und entwickeln anhand ausgewählter Akteure eine Geschichte des Wandels von den Anfängen der (viktorianischen) Meteorologie bis zur Ausgestaltung einer Disziplin namens „Atmosphärenwissenschaft“ in der Mitte des letzten Jahrhunderts. An diesem Punkt eroberten Computermodelle die Wettervorhersage und Klimaforschung, was das Thema des Sammelbandes zu den wissenschaftlichen Vorhersagekulturen – „Cultures of Prediction“ – ist. Der einzige Sammelband in dieser Besprechung legt sich weder personell noch geographisch fest, sondern stellt Instrumente, Forschungspraxis und Institutionen der computerbasierten Umweltforschung ins Zentrum. Der Band unterscheidet sich nicht nur hinsichtlich des übergeordneten Ansatzes von den vier Monographien, sondern auch durch die disziplinäre Heterogenität der Autorinnen und Autoren. Da sich die sechs Neuerscheinungen auf diese Weise gut ergänzen, macht es Sinn, sie in dieser Reihenfolge genauer zu betrachten.

Politisierung von Wetter und Klima

Im Nordamerika des 18. Jahrhunderts waren die Siedlungsbemühungen bis in die nordöstlichsten Zipfel des Kontinents im vollen Gange. Doch die klimatischen Bedingungen in jenen Küstenregionen waren hart. Angesichts der extrem kalten Winter und sehr feuchten Sommer gaben viele Europäer ihre Siedlungspläne auf. Das Klima drohte den Ruf dieser britischen Kolonien zu ruinieren, und die politische und wirtschaftliche Elite der Region sah das Siedlungsprojekt gefährdet. Wie ging man mit dieser Herausforderung um? In „A Temperate Empire“ greift Anya Zilberstein mit dieser Frage die politische Dimension von Klimarisiken und eine frühe Diskussion um anthropogenen Klimawandel auf. Basierend auf reichem Quellenmaterial rollt sie den Fall der beiden Siedlungsregionen Nova Scotia an der Atlantikküste des heutigen Kanadas und das südlich daran angrenzende New England, heute Teil der USA, auf. Ihr Hauptinteresse gilt dabei den Beamten, Großgrundbesitzern, Kaufleuten und Ministern – kurzum, allen die ein politisches oder wirtschaftliches Interesse am Wachstum der Kolonien hatten, und die Zilberstein unter dem Begriff „lokale Eliten“ zusammenfasst. Die Kolonialisierung zeigte, dass die bisherige relativ starre Zuschreibung von Klimazonen anhand der Breitengrade nicht adäquat war. Angesichts der Tatsache, dass New England und Nova Scotia auf ähnlichen Breitengraden wie Südfrankreich liegen, half dieses antike Klimaverständnis nicht mehr weiter. Während also die sich als untauglich erweisenden Klimatheorien an Glaubwürdigkeit verloren, wurde die empirische Datenanalyse immer wichtiger. Im zweiten Teil des Buches liegt der Schwerpunkt auf der (wirtschafts-)politischen Ebene dieses Klimawissens. Zilberstein geht hier der Frage nach, wie dieses Wissen verwendet wurde, um die Kolonialisierung voranzutreiben. Sie identifiziert dabei drei unterschiedliche argumentative Strategien der politischen Akteure, um Siedler trotz des harschen Klimas zu überzeugen sich dort niederzulassen, beziehungsweise zu bleiben: sie behaupteten entweder schlicht, das Klima sei in Wahrheit gar nicht so unwirtlich („extreme climate-deniers“), es werde gerade milder, oder es würde in naher Zukunft dank intensiver Landwirtschaft milder werden. Insofern verbuchten die lokalen Eliten eine gefühlte Klimaverbesserung Ende des 18. Jahrhunderts als Erfolg der Landwirtschaft. Dieses vielleicht stärkste Kapitel des Buches zeigt, wie Bevölkerungs- und Wirtschaftswachstum mit einem Diskurs über Klimawandel in Verbindung gebracht wurde – wenn auch unter ganz anderen Vorzeichen als zwei Jahrhunderte später.

In einem Aufsatz von 2015 hatten Jean-Baptiste Fressoz und Fabien Locher bereits darauf hingewiesen, dass sich unter der Existenzbedrohung nordamerikanischer Kolonien der Klimabegriff selber gewandelt hat, weg vom rein geographischen hin zu einem umfassenderen Verständnis, das nicht nur die geographische Lage, sondern auch die Luftfeuchtigkeit, Temperatur und Beschaffenheit der Luft an einem bestimmten Ort miteinbezieht (Fressoz & Locher 2015). Franz Mauelshagen führt daher die Kolonialisierung als einen Grund dafür an, weshalb „Klima“ im 18. Jahrhundert als Begriff in der Praxis bedeutungslos, damit frei für eine Neubesetzung wurde und somit den Weg für eine neue Disziplin der „Klimatologie“ ebnete (Mauelshagen 2016). Zilberstein liefert für diese Argumente ein anschauliches Beispiel, indem sie auf die lokale Ebene zweier Koloniegebiete hineinzoomt und die Entstehung dessen aufzeigt, was sie „early climate science“ (S. 11) nennt. Damit leistet sie einen wichtigen Beitrag zum Verständnis der Beziehung zwischen Kolonialisierung und Klimatologie, der sich in jüngster Zeit mehrere Neuerscheinungen widmeten (zum Beispiel Lehmann 2017; Mahony & Endfield 2017; Morgan 2018; O’Gorman et al. 2016). Gleichzeitig zeigt „A Temperate Empire“, dass eine Diskussion um menschgemachten Klimawandel nicht erst im späten 19. Jahrhundert aufkam, sondern auf lokaler Ebene bereits viel früher politisch verhandelt wurde.

Mit „Climate in Motion“ von Deborah Coen empfiehlt sich hier eine passende Ergänzung. Coen analysiert den politischen Charakter der Klimaforschung im Habsburgerreich des 19. Jahrhunderts und erweitert somit den räumlichen Blick von Nordamerika auf Zentraleuropa. Das Habsburgerreich umfasste in jener Zeit eine Fläche, die fast doppelt so groß wie das heutige Deutschland war und bestand aus mehreren unterschiedlichen Nationen. Coen stellt die These auf, dass die habsburgische Idee von „unity in diversity“ eine große Rolle beim Nachdenken über das Klima spielte. In Julius von Hanns Föhntheorie von 1866 sieht die Autorin den Beginn einer „dynamischen Klimatologie“, die von einem neuen Verständnis von Klima ausgeht. Klima galt von da an nicht mehr als statisch und regional begrenzt wie noch im 18. Jahrhundert, sondern als Phänomen, das auf unterschiedlichen räumlichen Maßstäben interagiert. Lokale klimatische Unterschiede rückten in den Kontext von großräumigen Mustern. Da die Heterogenität des Reiches Bestandteil der habsburgischen Identität war, sei es den dortigen Wissenschaftlern leichtgefallen, über verschiedene räumliche (und zeitliche) Skalen nachzudenken. Aus diesem Grund seien habsburgische Klimatologen, wie zum Beispiel Julius von Hann, schneller als etwa ihre britischen Kollegen bereit gewesen, Klima als komplexes Phänomen mit unterschiedlichen Maßstäben zu betrachten. Dies erkläre, weshalb es hauptsächlich österreichische Klimatologen gewesen seien, die die Vorstellung einer mehrskaligen, dynamischen Klimatologie entworfen hätten. Coen zeigt somit, die starke Verknüpfung von der Geschichte der Klimatologie an die Reichs- und Identitätspolitik und konstatiert, dass deren Entwicklung eng an die Fähigkeit gekoppelt sei, verschiedene Maßstäbe miteinander in Einklang zu bringen. Ob Klima als homogenes Phänomen oder als bunte Landkarte unterschiedlicher regionaler Klimata dargestellt wurde, sei, so Coen, also immer eine politische Entscheidung gewesen.

Die Rolle des Staates bei der Generierung von Atmosphärenwissen untersucht auch Kristine Harper in „Make it Rain“. Darin widmet sie sich der Geschichte der Wetterbeeinflussung in den USA. Zu diesem Thema liegen bereits einige historische Beiträge vor, auf denen Harper aufbauen konnte. Das letzte umfassende Buch dazu erschien 2010 und verfolgte einen kultur- und wissenschaftshistorischen Ansatz: Mit James Rodger Flemings Geschichte der Wetterbeeinflussung seit der frühen Neuzeit bis zum Geoengineering ist bereits ein großes Feld in der Historiographie abgesteckt worden (Fleming 2010). Harper platziert daher ihren Fokus auf der politischen Seite der jüngeren Geschichte, fasst Wetterbeeinflussung explizit als „political agent“ auf und untersucht, wie genau der US-Staat versucht hat die Technik der Wetterbeeinflussung zu kontrollieren. Sie zeichnet nach, wie die entsprechende Forschung aus den Händen der Wissenschaftler in die des Staates kam. Folglich, so das Argument, florierte die Wetterbeeinflussung nur solange, wie sie den Bedürfnissen der Regierung entsprach.

In der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts verdrängten moderne wissenschaftliche Methoden der Wetterbeeinflussung die Ideen aus dem 19. Jahrhundert, als noch die Vorstellung vorherrschte, man könne beispielsweise mit großen Explosionen Regen auslösen. Prominentester Akteur in diesem Prozess war Irving Langmuir (1881–1957), Nobelpreisträger für Chemie und einer der schillerndsten Figuren in der Geschichte der Wetterbeeinflussung. 1946 entdeckte er zusammen mit Vincent Schaefer (1906–1993) im General Electric Laboratorium das Prinzip, dass eine unterkühlte Wolke durch das Beifügen von Trockeneis ausregnet. Neben dieser schon oft beschriebenen Geburtsstunde der Wolkenimpfung zeigt Harper jedoch im weiteren Verlauf aufschlussreich, welche Position Langmuir zwischen euphorischen Kongressmitgliedern und den skeptischen Meteorologen des US Weather Bureaus einnahm. Seine Arbeiten werden so ausführlich wie kaum zuvor diskutiert, was auf eine intensive Archivarbeit und Quellenauswertung schließen lässt. Des Weiteren geht Harper der Frage nach, wie Gesetzgeber auf Bundes- und Staatenebene in den 1950er Jahren versuchten, die Meteorologen für die Ziele der nationalen Sicherheit zu gewinnen und dafür die Wetterbeeinflussung aus den Labors herauszuholen. Dabei gelingt es ihr, die enge Beziehung zwischen Wissenschaft, Staat und Militär während des Kalten Krieges differenziert darzustellen. In der Annahme, Technik und Wissenschaft würden die großen Probleme der Menschheit lösen, profitierte auch die Wetterbeeinflussung in den 1960er und 1970er Jahren von riesigen Finanzschüben der US-Regierung. Mehrere staatliche Programme offenbaren, wie die US-Bürokratie diese Forschung und Technik annektierte, um damit nicht nur wirtschaftliche, sondern auch militärstrategische Ziele zu verfolgen. Mit „Make it Rain“ ist es Harper gelungen, die bereits oft erzählte Geschichte der künstlichen US-Wetterbeeinflussung noch um einen substantiellen Beitrag zu bereichern.

Die Rolle der „großen Männer“

Einen traditionelleren Zugang wählten Peter Moore und James R. Fleming. Ihre Bücher gehen der Entstehung der modernen Meteorologie im 19. Jahrhundert (Moore), beziehungsweise der Atmosphärenwissenschaften im 20. Jahrhundert (Fleming) nach und rollen das Thema anhand von „Pionieren“ auf. Mit über 500 Seiten ist Peter Moore dabei ein sehr umfassendes Werk gelungen. Im Zentrum steht die Zeit zwischen 1800 und 1870, als der Begriff der „Atmosphäre“ in Gebrauch kam, und damit den des „Himmels“ ablöste. Diesen sprachlichen Wandel deutet Moore als Zeichen dafür, dass ein neuer wissenschaftlicher Bereich entstand: Luft als studierbares Kompositum von Wasserstoff, Sauerstoff und Stickstoff. Moore versteht die Geschichte der Meteorologie als „ein Experiment über mehrere Generationen hinweg“. Mit Blick auf den angloamerikanischen Raum porträtiert er eine große Anzahl von Personen, die traditionell als Pioniere der Disziplin gelten, wie beispielsweise Francis Beaufort (1774–1857) mit seiner Windskala, die bis heute in Anwendung ist, den Landschaftsmaler John Constable (1776–1837), der für seine Wolkenbilder berühmt wurde, Luke Howard (1772–1864), der 1802 das erste umfassende Klassifizierungssystem für Wolken veröffentlichte, oder William C. Redfield (1789–1857) und James Pollard Espy (1785–1860), die sich in den 1830er Jahren öffentlich und bis über den Atlantik hinweg darum stritten, wer die korrekte Wirbelsturmtheorie entwickelt habe. Robert FitzRoy (1805–1865) ist schließlich der größte Teil des Buches gewidmet. Für den britischen Kapitän spielte Wetter schon immer eine existentielle Rolle. Er entwarf neuartige „synoptische“ Seewetterkarten, auf deren Basis er ab Ende 1859 Sturmwarnungen per Telegraf verbreiten ließ. Nach seinem Suizid 1865 wurden diese allerdings wegen ihrer mangelnden Zuverlässigkeit umgehend eingestellt.

Obwohl sich „Das Wetter-Experiment“ an Akteuren orientiert, die bereits im gängigen Narrativ als Pioniere der Meteorologiegeschichte gelten, fächert Peter Moore ein facettenreiches Panorama der Meteorologie im 19. Jahrhundert auf, das im Grunde weit über eine reine Akteursgeschichte hinausgeht. Er macht deutlich, wie sehr die Entwicklung der Meteorologie im 19. Jahrhundert mit den Bedürfnissen der Schifffahrt und der Entwicklung von Techniken wie Telegraphie, Windrose und Wetterkarten verbunden war. Als Vorgeschichte zu Flemings „Inventing Atmospheric Science“ eignet es sich daher hervorragend.

James Flemings „Inventing Atmospheric Science“ setzt wenige Jahrzehnte nach FitzRoys Suizid ein und versteht die Zeit zwischen 1900 und 1960 als „more exciting than the century before“ (S. 216). Denn in dieser Zeit hätten neue grundlegende Konzepte, Methoden und Technologien die Meteorologie zur Atmosphärenwissenschaft geformt. Um dies zu belegen, arbeitete Fleming neues Quellenmaterial auf und verspricht selbstbewusst „big picture history“ (S. 3). „Atmosphärenwissenschaft“ definiert er dabei als Sammelbegriff für die interdisziplinäre Erforschung von Aufbau, Struktur und Dynamik der Erdatmosphäre. Die Protagonisten in Flemings Narrativ sind Vilhelm Bjerknes (1862–1951), Carl-Gustav Rossby (1898–1957) und Harry Wexler (1911–1962), die jeweils Mentoren, beziehungsweise Studenten voneinander waren. Damit bilden sie zu den Akteuren im „Das Wetter-Experiment“ drei weitere Wissenschaftlergenerationen ab. Auch sie kennt man bereits als Pioniere der Meteorologiegeschichte.

Vilhelm Bjerknes entwickelte in den 1890er Jahren den Ehrgeiz, Meteorologie auf Beobachtung und Theorie zu stützen. 1904 veröffentlichte der norwegische Physiker sein dynamisches Atmosphärenmodell, das auf rein physikalischen und mathematischen Gesetzen beruht. Dieses Modell bildete die Grundlage der späteren numerischen Wettervorhersagemodelle. Bjerknes war lange international aktiv und gründete schließlich in Norwegen die Bergen Schule für Meteorologie. Der schwedische Meteorologe Carl-Gustav Rossby war dort einer seiner Schüler. Er brachte die Methoden der dynamischen Meteorologie von der Bergen Schule in die USA, wo er während des Zweiten Weltkriegs Luftfahrtkadetten für die Flugwettervorhersage ausbildete. Harry Wexler wiederum war Rossbys Student, bei dem er 1939 promoviert wurde. Während der Kriegsjahre stieg er zum Leiter der Forschungsabteilung des US Weather Bureaus auf und war daran beteiligt, die neuen Techniken wie Radar, Raketen, digitale Computer und Satelliten als Forschungsinstrumente in die Arbeit des Bureaus einzubeziehen. Diese drei Geschichten sind sprachlich wie narrativ nah an einer Heldengeschichte – ein Vorwurf, der sich „Inventing Atmospheric Science“ bereits mehrfach zugezogen hat.Footnote 2 Allerdings nimmt das Buch gegen Ende doch noch eine weitere Perspektive auf und analysiert die Transformation von der Meteorologie in eine Atmosphärenwissenschaft. In den 1950er Jahren starben Bjerknes, Rossby und Langmuir, und mit ihnen die alte Meteorologengeneration. Die staatliche Finanzierung von Atmosphärenforschung wuchs stark an, wie auch Harper in „Make it Rain“ zeigt. Umweltthemen wie Luftverschmutzung, Wetterbeeinflussung und Fallout rückten ins Bewusstsein, was zur Politisierung der Atmosphärenerforschung beitrug. Bis 1960 hatte sich hier ein neues komplexes Feld entwickelt, das als „Atmosphärenwissenschaft“ in Flemings Definition eine enorm breite Forschungspalette umfasste, inklusive numerischer Wettervorhersage, Atmosphärenchemie, Wolkenphysik, globaler Klimamodelle, Satellitenmeteorologie, Paläoklimatologie, Bioklimatologie und anderem mehr.

Trend zum multidisziplinären Zugang

Neben diesen wichtigen und bereichernden Monographien aus der Wissenschafts- und Technikgeschichte zeichnet sich ein neuer Trend ab, wie die historische Klimatologie angegangen wird. In jüngster Zeit entstanden gleich mehrere Sammelbände, die sich durch eine multidisziplinäre und internationale Autorenschaft auszeichnen. Im „Palgrave Handbook of Climate History“ beteiligten sich beispielsweise 52 Autorinnen und Autoren aus den Natur- und Geisteswissenschaften daran, auf über 600 Seiten ein Überblickswerk über die diversen Ansätze von der Klima- bis zur Wissensgeschichte zu geben (White et al. 2018). Elisabeth A. Lloyd und Eric Winsberg versammelten in ihrem 500-seitigen Sammelband zur Klimamodellierung fast drei Dutzend Beitragende aus der Philosophie, Geschichte, Geographie, Meteorologie, Klimaforschung und -modellierung, um dem wichtigsten Instrument der modernen Klimawissenschaften – der Computermodellierung – eine umfassende, hauptsächlich philosophische Analyse zu widmen (Lloyd & Winsberg 2018). Der multidisziplinäre Ansatz erscheint plausibel, ist doch die Klimawissenschaft per se ein höchst multi- und interdisziplinäres Feld.

Der letzte hier vorgestellte Band reiht sich in diesen Trend ein und soll im Folgenden stellvertretend für diesen neuen, multidisziplinären Zugang näher diskutiert werden. „Cultures of Prediction“ wurde von Matthias Heymann, Gabriele Gramelsberger und Martin Mahony herausgegeben, die selbst aus der Wissenschaftsgeschichte, -philosophie und der Geographie stammen. Das Buch enthält Beiträge von weiteren 13 Autorinnen und Autoren aus der Geschichte, Philosophie, Meteorologie, Ozeanographie, den Medienwissenschaften sowie den Klima- und Umweltwissenschaften. Das übergeordnete Ziel ist die Untersuchung von Vorhersagekulturen in den Umweltwissenschaften, insbesondere der Atmosphärenwissenschaften.Footnote 3 Es ist eine Stärke des Sammelbandes, dass die Autorengruppe nicht nur aus unterschiedlichen disziplinären Kulturen stammt, sondern auch in und über verschiedene Länder forscht. Hier konzentriert sich eine enorme Breite an Zugängen, die eine Monographie nicht leisten kann.

Wie nicht zuletzt FitzRoys Sturmwarnungen zeigten, war der Wunsch nach Vorhersagen kein neues Phänomen im 20. Jahrhundert. Während des Kalten Krieges entstand jedoch ein starkes politisches Bedürfnis nach Vorhersagen, die auf wissenschaftlicher Grundlage basierten. Seit den 1940er Jahren half die digitale Computertechnologie komplexe Systeme wie die Umwelt zu simulieren und kam so diesem Bedürfnis nach. Infolgedessen entstand mehr Wissen über die Zukunft als je zuvor. Dies beeinflusste die Praxis und die Werte innerhalb der Wissenschaften und hatte auch entscheidende Auswirkungen über die Forschung hinaus. Der Sammelband untersucht das Wesen, die Wirkung und die Geschichte dieser Vorhersagekulturen am Beispiel der Atmosphärenwissenschaften. Die sehr heterogenen Beträge werden verbunden durch das Interesse am historischen Kontext, also an der Geschichtlichkeit von Vorhersagekulturen.

Der erste Teil des Buches vehandelt hauptsächlich deren Entwicklung innerhalb der Klima- und Atmosphärenwissenschaften und untersucht die Entstehung globaler Klimamodelle, während der zweite Teil sich vor allem der Frage widmet, wie numerische Simulation konkret verwendet und mit ihren Resultaten umgegangen wurde. Dabei erfahren wir, dass Computermodelle zunächst als heuristische Instrumente dienten, um damit das globale Klimasystem besser zu verstehen. Seit den 1960er Jahren zunehmend für die Vorhersage verwendet, galten Klimamodelle schließlich ab den 1970er Jahren als einzig akzeptierte Methode, um zukünftige Klimaveränderungen vorherzusagen. Mit dieser „epistemischen Autorität“ marginalisierten sie alternative Methoden, wie das Studium vergangener Klimata. Im Folgenden werden zwei Beiträge aus dem Band herausgegriffen und exemplarisch besprochen.

Den Prozess der Marginalisierung alternativer Klimavorhersagen analysiert Janet Martin-Nielsen eindrücklich in ihrem Aufsatz zum Konflikt zwischen Hubert Horace Lamb (1913–1997) und dem britischen Meteorological Office. Der britische Meteorologe und Klimatologe Lamb fand Ende der 1950er Jahre im Archiv seines Arbeitgebers, dem Meteorological Office, alte Wettertagebücher, Karten, Kalender und quantitative Datenreihen, die teilweise Jahrhunderte zurückreichten. Anhand dieser Daten stellte er atmosphärische Zirkulationsprozesse bis in die 1760er Jahre auf einheitlichen Karten dar und erkannte dabei bisher unbekannte Muster in den langfristigen globalen Prozessen. Doch zu diesem Zeitpunkt befand sich die Forschungskultur am Meteorological Office bereits stark im Umbruch: Es verbreitete sich das neue Verständnis eines dynamischen Klimas, das am besten anhand von numerische Computermodellen berechnet werden könne. Historische Klimadaten galten nicht mehr als verlässliche Grundlage für Vorhersagen. Lambs historische Klimatologie verlor die Unterstützung seines Vorgesetzten, dem Leiter des Meteorological Office John Mason (1923–2015), der nun hauptsächlich in numerische Modelle für die Wettervorhersage und Klimasimulation investierte. Dieser Mentalitätswandel bewog Lamb 1971 schließlich das Office zu verlassen. Doch wie sein weiterer Berufsweg zeigt, war die historische Klimatologie zwar marginalisiert, aber keineswegs völlig verschwunden: Ab 1972 baute er das Climate Research Unit an der University of East Anglia auf, um dort seine Arbeit fortzusetzen.

Computermodelle haben nicht nur andere Ansätze der Klimatologie verdrängt, gleichzeitig haben sie auch den Fokus auf globale Maßstäbe verstärkt. Doch je komplexer die Modelle werden, desto grösser werden auch die Unsicherheiten. Der Hauptgrund dafür liegt im Prozess der sogenannten Parametrisierung: Klimamodelle haben eine Maschengröße von zwischen 5 und 300 Kilometern. Eine Wolke beispielsweise hat aber höchstens einen Durchmesser von einem Kilometer. Sie fällt somit im wahrsten Sinne des Wortes durch die Maschen. Deshalb müssen sie, basierend auf bestimmten Parametern, rechnerisch dargestellt, also quasi von Hand in die Modelle hineingerechnet werden. Hélène Guillemot untersucht in ihrem Beitrag anhand eines ausgewählten Modells und basierend auf Interviews mit Modellentwicklern, wie diese bei der Parametrisierung genau vorgehen und wie sie selber darüber denken. Dabei stellt sich heraus, dass unter den Modellentwicklern keine Einigkeit darüber herrscht, wie am besten parametrisiert werden soll. Folglich werden Wolken je nach Entwicklungsgruppe unterschiedlich dargestellt. Es besteht somit kein einheitliches Verständnis über die Rolle, die Verwendung und die Grenzen von Klimamodellen. Dieses hängt vielmehr von der Vorhersagekultur der jeweiligen Institution ab, an der das Modell entwickelt wird.

Fazit

Die Meteorologie sei „eine der ältesten Erdwissenschaften“, schrieben Stefano Casati und Marco Ciardi vor zwanzig Jahren. Sie bedauerten, dass ihre Geschichte dennoch vernachlässigt würde, böte sie doch ein reiches Feld für historische Arbeiten (Casati & Ciardi 1998: 564, 571). Die hier vorgestellten Bücher zeigen, dass sich seither viel verändert hat.Footnote 4 In der Wissenschafts- und Technikgeschichte wächst das Interesse nicht nur an der Entwicklung der Meteorologie, sondern auch der Klimaforschung, die neben den Atmosphärenwissenschaften, auch die Ozeanographie, die Biologie, die Glaziologie und die Klimamodellierung umfasst und damit ein noch komplexeres Feld als die Meteorologie ist. Diese Breite bilden die hier besprochenen Bücher repräsentativ ab. Zusammenfassend kann festgestellt werden, dass ein geographischer Fokus zwar noch immer tendenziell auf dem angloamerikanischen Raum und Skandinavien liegt, wie es das traditionelle Narrativ der Meteorologiegeschichte vorgab. Doch der Blick weitet sich aus auf die Entwicklungen in anderen europäischen Ländern. Neben den heute eher verstaubt wirkenden hagiografischen Zugang treten inzwischen Arbeiten über Institutionalisierungsprozesse, die Rolle von Instrumenten sowie den politischen und kulturellen Kontext. Sammelbände und Co-Autorenschaften über die Geschichtswissenschaft hinaus entwickeln sich zudem als neuster Zugang, um die Komplexität des Themas zu unterstreichen und ihm möglicherweise auch besser gerecht zu werden. Weitere Buchveröffentlichungen zum Thema sind bereits zu erwarten, was angesichts der Relevanz der Klimawissenschaften und deren Forschungsergebnisse für unsere Gesellschaft auch wünschenswert erscheint.Footnote 5 Für die Zukunft wäre es zudem erfreulich, wenn der geographische Raum dabei noch weiter ausgedehnt würde. So sind bisher erst wenige Arbeiten zur Entwicklung von Klimawissen außerhalb des europäischen und US-Raums entstanden.Footnote 6 Als weiterer bisher kaum beachteter Aspekt sei die Entwicklung der interdisziplinären Zusammenarbeit innerhalb der Klimaforschung genannt. Die Geschichte der Wetter‑, Klima- und Atmosphärenwissenschaften ist somit noch längst nicht fertig geschrieben.