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Publicly Available Published by De Gruyter Oldenbourg August 14, 2021

Das Boxen der politischen Moderne – Eine gesellschaftstheoretische Reflexion

The boxing of political modernity – a social theoretical reflection

  • Tobias Arenz
From the journal Sport und Gesellschaft

Zusammenfassung

Der Beitrag befasst sich mit der Sinnsuche und -differenzierung des Boxens als einem Element der normativen Ordnung des modernen Sports. Auf der Basis einer gesellschaftstheoretischen Analyse wird das moderne Boxen vom traditionellen Duellwesen unterschieden, um die spezifische Modernität des Boxens herauszuarbeiten. Die Modernität des modernen Boxens liegt in der politischen Vermitteltheit seiner sozialen Verhältnisse, die durch eine triadische Konstellation des Vergleichs gleicher Leistungen charakterisiert sind. Demgegenüber gilt das Duell als Ausdruck einer Gesellschaftsformation, die im Medium der Ehre an soziale Ungleichheit gebunden ist. Die Selbstunterscheidung vom klassischen Duell wird in der Quasi-Verfassung des modernen Boxens, den Queensberry Rules, konstitutionalisiert. Die Queensberry Rules spannen den kategorialen Raum des modernen Boxens auf, innerhalb dessen die Genese des Boxens normativ vermittelt ist.

Summary

This article deals with the search for meaning and the differentiation of boxing as an element of the normative order of modern sport. On the basis of a social theoretical analysis, the article distinguishes boxing from traditional dueling in order to work out the specific modernity of boxing. The modernity of modern boxing consists in the political mediation of its social relations, which are characterized by a triadic constellation involving a comparison of equal performances. The duel, by contrast, is considered an expression of a societal formation that is bound to social inequality in the medium of honor. The differentiation of boxing from the classical duel is constitutionalized in the quasi-constitution of modern boxing, the Queensberry Rules. The Queensberry Rules open up the categorial space of modern boxing, within which the genesis of boxing is normatively mediated.

1 Einleitung

Der Kampfsport befindet sich „in einer (kaum erforschten) Phase der Sinnsuche und -differenzierung“ (Kuhn et al. 2011: 1). Diese Suche und Differenzierung seines Sinns ist für die Sportwissenschaft sowohl in empirischer als auch theoretischer Hinsicht von Interesse: Man kann sich dafür interessieren, das empirische Wissen über neue Kampfsportphänomene wie z. B. die Mixed Martial Arts zu erweitern. Wie funktionieren die Mixed Martial Arts (Kraft, Schlagtechniken, Fairness etc.)? Welche spezifischen Erfahrungen macht ein Mixed-Martial-ArtsKämpfer im Unterschied zu einem Boxer? Man kann sich aber auch dafür interessieren, wie derartiges empirisches Wissen dazu dienen kann, die Theoriebildung voranzubringen. Wie verhält sich der Wandel des Kampfsports zu Theorien des modernen Sports?

Das Ziel dieses Textes besteht darin, ein vermeintlich altes Kampfsportphänomen, das moderne Boxen, in einem neuen gesellschaftstheoretischen Entwurf, der Theorie Mediale Moderne (vgl. Böckelmann et al. 2013), auf dessen Sinn zu befragen. Die Grundannahme dieser Gesellschaftstheorie besteht darin, dass die moderne Gesellschaft durch medial vermittelte Verhältnisse charakterisiert ist. Ihre Prozesse (Kommunikationen, Handlungen, Tätigkeiten, Leben etc.) haben immer schon einen bestimmten historisch-kulturell verankerten Sinn, der sowohl von Sporler*innen als auch von Sportwissenschaftler*innen in Erfahrung gebracht wird. Die moderne Gesellschaft ist ein Spiel des Auflösens und Hervorbringens sozialer Formen, das immer (normativ) situiert ist in jenem Bedeutungsraum, den die moderne Gesellschaft selbst als solchen, in vielfältigen system- oder feldspezifischen Weisen (z.B. Sport und Wissenschaft), deklariert (hat). Die Deklarationen der Menschen- und Bürgerrechte haben die moderne Gesellschaft politisch unter dem Titel der bürgerlichen Gesellschaft konstituiert, und seit dem leben wir als Bürger*innen mit gleichen Rechten in der politischen Moderne.[1] Die politische Moderne kennt keine natürlichen, unmittelbaren Sozialverhältnisse, wohl aber Strategien und Taktiken der „Naturalisierung des Sozialen – seine Verwandlung in etwas Faktisches“ (Menke 2015a: 10). Der normative Anspruch der politischen Moderne besteht also darin, soziale Beziehungen, die sich zu sozialen Funktionssystemen schließen können, im Medium einer spezifischen Sinnhaftigkeit hervorzubringen. Das Theorem der politischen Moderne steht für die These, dass sich in allen sozialen Systemen der Gesellschaft ein Bedeutungswandel vollzogen hat, wonach kein Begriff seinen „überkommenen Sinn“ (ebd.: 17) behalten kann. Diese These trifft auch für diejenigen Phänomene zu, die wir im Bedeutungsraum der politischen Moderne mit dem Begriff des modernen Sports bezeichnen. Man kann die Elemente des modernen Sports, zu denen auch ein Begriff des modernen Boxens gehört, nicht aus der „Kontinuität der Formeln“ (ebd.) erschließen, sondern allein ausgehend von der „kategorialen Grenze Vormoderne / Moderne“ (Schürmann 2016: 28). Mit der Bindung dieser kategorialen Grenze an die Deklarationen der Menschen- und Bürgerrechte haben alle sozialen Beziehungen in der politischen Moderne, das Boxen eingeschlossen, den historischen Sinn, die Gleichheit verpflichtender Ansprüche zu schützen und zu ermöglichen. Die politische Moderne kann jedoch nicht ausschließen, dass solche Ansprüche zu faktischen Willenshandlungen und Fähigkeiten gemacht werden, die ihre sozialen Ermöglichungsbedingungen ausblenden. Damit dient die politische Moderne in diesem Text als ein Prinzip der Ansprechbarkeit von sozialen Verhältnissen, das die grundlegende Ambivalenz ihrer Sinnsuche und -differenzierung betont. Die politische Moderne ist folglich nicht in erster Linie ein Name für ein spezifische historische Epoche, sondern ein gesellschaftstheoretisches Konzept. Dieses gesellschaftstheoretische Konzept ist eng mit der geschichtlichen Beschreibung sozialer Verhältnisse verknüpft. Es dient der reflexiven Artikulation eines immer schon in Gebrauch genommenen gesellschaftstheoretischen Sinns geschichtlicher Begriffe, der an ihrer Rückseite „wie Kaugummi klebt“ (Marchart 2013: 449). Der Anspruch besteht also darin, die politische Modernität des modernen Boxens durch die Lektüre geeigneter Texte zu artikulieren. Dabei geht es nicht um historische Angemessenheit im Sinne einer vermeintlich vollständigen Zuordnung von historischen Ereignissen und politischen Motiven, sondern um eine stark selektive Skizze der historischen Entwicklung des modernen Boxens. Das wesentliche Ziel besteht darin, den Sinn des modernen Boxens als Ausdruck einer radikalen Transformation zu bestimmen: Das moderne Boxen hat das Band zu seiner Vorgeschichte, dem Duell, zerschnitten, ohne zugleich eine einseitige Geschichte des Fortschritts zu begründen.

Das Boxen ist ein spielerisches Element dieser politischen Form der modernen Gesellschaft, dessen Sinn im Medium des modernen Sports gesucht und gestaltet wird. Was aber ist das Medium des modernen Sports? Wie werden menschliche Handlungen als ‚boxerische‘ Tätigkeiten (und z.B. nicht als Gewaltakte) in Erfahrung gebracht? Inwiefern ist Boxen ein politischer Prozess der Gesellschaft, der zugleich nicht vor Naturalisierungen geschützt ist? Die Theorie des medialen Sports macht diesbezüglich den Vorschlag, den Sportsgeist (Schürmann 2017) als Medium des modernen Sports zu bestimmen, in dem sich die moderne Bedeutung des Boxens herausgebildet hat:[2] Ohne Sportsgeist, kein modernes Boxen. In seiner phänomenologischen Erscheinung ist das Boxen ein Beispiel des Sozialen, das die gesellschaftliche Vermitteltheit (Rechtsgleichheit) besonders deutlich infrage stellt. Das Boxen ist – gesellschaftstheoretisch betrachtet – in seiner Vermittlungsweise ambivalent und gerade deshalb ein typisches Produkt der politischen Moderne. Es fordert geradezu dazu auf, das sportliche Prinzip der Vermitteltheit, den Sportsgeist, für eine moralische Verpflichtung zu halten, dem sich der Einzelne unterwerfen oder nicht unterwerfen kann. Das Boxen ist scheinbar ein Residuum, das der modernen Gesellschaft die Lächerlichkeit ihrer normativen Prinzipientreue vor Augen führt. Im Boxen soll es um die Anerkennung von Personen gleicher Rechte und damit um den Schutz vor Gewalt (im Sinne der Aufhebung des Personenstatus) gehen; was man aber doch – besonders deutlich wohl im Schwergewichtsboxen – sehen könne, „ist kein Kinderspiel, […] sondern da prügeln sie dir die Birne weich […]“ (Wacquant 2003: 56). Die Boxhalle ist, so eine typische Deutung, einer der letzten Orte unserer Gesellschaft, der intersubjektive Gewalt auf legalem Weg ermöglicht bzw. systematisch fordert. Wieso aber kann sich das Boxen in einer Gesellschaft halten, die auf die Gleichheit der Rechte statt auf das Recht des Stärkeren setzt?

Für die Beantwortung dieser Frage gilt es, das Boxen als eine historische Form des modernen Sports anzusprechen, deren Analyse notwendig durch eine Gesellschaftstheorie bestimmt ist. Dass eine wissenschaftliche Beschreibung der historischen Entwicklung des modernen Boxens nicht ohne gesellschaftstheoretische Rahmung auskommen kann, ist der zentrale methodologische Ausgangspunkt der Gesellschaftstheorie Mediale Moderne (Schürmann 2016).[3] Die Ausgangslage besteht darin, dass sowohl der eigene Durchgang durch die geschichtlichen Beschreibungen des modernen Boxens gesellschaftstheoretisch formatiert ist, wie auch in den geschichtlichen Beschreibungen selbst eine Gesellschaftstheorie „mitläuft“ (Marchart 2013: 189). Mit dieser Annahme geht man „sogar noch weiter“ als Luhmann, dem großen Meisterdenker der soziologischen Gesellschaftstheorie, der „bloß“ den Einschluss der Soziologie in die Gesellschaft postuliert hatte (ebd.). Die hier durchzuführende Analyse folgt der Prämisse, die moderne Gesellschaft als politische und nicht als technologische oder ökonomische Moderne anzusprechen. Dieser Prämisse zu folgen hat den methodischen Vorteil, die Moderne (einfacher) an eine Epochengrenze binden zu können.

Eine These, die es in diesem Kontext zu entfalten gilt, lautet, dass die Geschichte des modernen Boxens in London beginnt. Das Boxen gewinnt seine typisch moderne Form in den berühmten Queensberry Rules (1867), die das Boxen von seiner Vorgeschichte, dem neuzeitlichen Faustkampf, in dem sich noch Spuren des vormodernen Duellwesens finden, unterscheidet. Die Queensberry Rules sind keine einfachen Regeln, sondern die Quasi-Verfassung des modernen Boxens. Die Bindung der Vermitteltheit an den „Rechtsgrund“ (Schürmann 2001: 264) des Boxens wird, in Abgrenzung zu Baratellas Theorie des Boxens, nicht im Sinne einer Regulierung, sondern einer Konstitutionalisierung des Boxens verstanden. Die besondere Qualität der Queensberry Rules liegt darin, dem Boxen die normative Form eines sportlichen Leistungsvergleichs gegeben zu haben. Und dieser Leistungsvergleich ist die Verfahrensform des medialen Sportsgeistes, in dem die boxerischen Beziehungen vermittelt sind. Seitdem ist das Boxen ein Element des modernen (Welt-)Sports, der auf die „Universalisierung des Leistungsvergleichs“ (Stichweh 1995: 23, o.H.) zielt. Die Sinnsuche und -differenzierung des Boxens betrifft folglich die Frage nach dem Verständnis der Universalisierung des Leistungsvergleichs.

2 Gesellschaftstheoretische Grundlagen

Den Blick auf die geschichtliche Form des Boxens zu lenken, ist die Folge einer gesellschaftstheoretischen Prämisse, die sich auch die Theorie Mediale Moderne zu eigen macht. Dieser Prämisse zufolge liegt die Modernität der modernen Gesellschaft nicht in ihren Merkmalen, sondern in den Beobachtungsformen, die sie benutzt, um Kommunikationen der Sinnsuche und -differenzierung zu strukturieren (Luhmann 1997: 165). Im Anschluss an George Spencer Brown hatte Niklas Luhmann Formen als eine zweiseitige Differenz bestimmt, deren eine Seite kommunikativ bezeichnet wird, während die andere Seite im Dunkeln bleibt. Modern sind Formen, wenn sie im Modus der Kontingenz formuliert sind, d.h. das Oszillieren zwischen der bezeichneten und unbezeichneten Seite gewährleisten (Luhmann 1992: 47). Für die Theorie der modernen Gesellschaft schien es daher notwendig zu sein, nicht mit festen Merkmalen oder unmittelbaren Tatsachen, sondern mit kontingenten Beobachtungsformen zu rechnen. In diesem Sinne gilt das Boxen gesellschaftstheoretisch als eine Beobachtungsform, die sich durch viele wechselnde Differenzen hindurch reproduziert (u. a. Amateur-/Berufsboxen).

2.1 Die Form des Beobachtens

‚Boxen‘ ist eine gesellschaftstheoretisch imprägnierte Beobachtungsform, die Differenzen in die Welt setzt. Handlungen als boxerische Tätigkeiten zu beobachten bzw. anzusprechen, heißt zunächst, diese Handlungen im Bedeutungsraum der Moderne zu verorten. Methodisch muss man dann sagen, dass es außerhalb der Moderne kein Boxen gibt, wohl aber Phänomene, die so ähnlich aussehen (wie z.B. das Duell oder der frühneuzeitliche Faustkampf). Solche Phänomene werden formtheoretisch als Nicht-Boxen bezeichnet, und man kann in den geschichtlichen Beschreibungen des Boxens nachvollziehen, dass man nicht über Boxen reden kann, ohne eine solche Grenze zu markieren. Ein Symptom dieser Grenzziehungen ist u.a. die Vielzahl an Namen, die man in den Beschreibungen für die Bezeichnung jener Zweikampfform findet (bare-knuckle fighting, pugilism, prizefighting, boxing usw.). Luhmann hatte diese formtheoretische Annahme an die gesellschaftstheoretische These gebunden, wonach alle Funktionssysteme der modernen (Welt-)Gesellschaft über die Fähigkeit verfügen, zwischen Selbst (System) und Anderem (Nicht-System) zu unterscheiden. Neben dieser Fähigkeit, eine Grenze zur Umwelt zu ziehen, verfügen gesellschaftliche Funktionssysteme mit der Codierung über eine zweite, wesentliche Differenzierungsmöglichkeit (System und Umwelt).

Luhmann hat diese gesellschafstheoretische Reflexion einer formlogischen Prämisse an einer Vielzahl gesellschaftlicher Funktionssysteme erprobt. Der moderne Sport gehörte weder zu seinem sozial-, noch zu seinem gesellschaftstheoretischen Interesse. Allerdings hat die Theorie des modernen Sports Luhmanns Impulse aufgegriffen, und zwar sowohl im Sinne ihrer Weiterschreibung als auch ihrer Zurückweisung (exempl.: Alkemeyer 1997; Bette 1989; Bette und Schimank 1995; Böckelmann et al. 2013; Schimank 1988; Stichweh 1990, 1995; Werron 2010a). Was nicht bestritten wird, ist der von Luhmann stark gemachte differenztheoretische Ansatz der Gesellschaftstheorie, demzufolge die Theorie der modernen Gesellschaft auf Differenz und nicht auf Identität gründet. Das Differenzierungsprinzip ist die zentrale Figur klassischer Theorien der Modernität, wie man sie bei Tönnies, Durkheim, Simmel und Weber findet (Berger 1988: 225). Was hingegen infrage steht, ist ihr „springender Punkt“ (Schürmann 2018: 158) – die Darstellungsweise der notwendigen Verwiesenheit auf das Andere. Luhmann (2002) hatte diesbezüglich mit der von Spencer-Brown entliehenen Figur des re-entry auf den Faktor Zeit gesetzt, insofern die doppelte Verwiesenheit des Systems sowohl auf das Nicht-System als auch auf die Umwelt im Nacheinander der Selektionen aufgelöst werde (ebd: 139). Daher habe man in erster Linie die geschichtliche Evolution eines sozialen Phänomens zu untersuchen, wobei man in nahezu allen großen Funktionssystemen der modernen Weltgesellschaft mit kontingenten Formen der Selbstbeobachtung rechnen müsse. Innerhalb dieser Selbstbeobachtungen ermögliche die Systemtheorie die komplexitätsadäquateste Version einer Selbstbeobachtung, indem diese Theorie in der Lage ist, die Abstraktheit ihrer Differenzierungen zu steigern.[4]

Dass der moderne Sport sowohl eine Grenze gegenüber dem Nichtsport als auch zwischen sportlichen und unsportlichen Handlungen zieht, konfrontiert die Theorie des modernen Sports – ‚nach‘ Luhmann – mit einem Paradoxieproblem: Wenn zwischen sportlichen und unsportlichen Handlungen unterschieden wird, muss die Differenz zu allem Nichtsportlichen immer unbegriffen vorausgesetzt werden; sie ist der blinde Fleck der Beobachtung (un-)sportlicher Handlungen. Um diesen blinden Fleck begreifen zu können, muss der Beobachter auf eine andere Beobachtungsebene wechseln, die sogenannte Beobachtungsebene zweiter Ordnung. Auf dieser Beobachtungsebene sieht man die Dinge nicht besser oder klarer, wohl aber erscheint es möglich, die Kontingenz aller Beobachtung systematisch in Rechnung zu stellen. Denn wer sich für die blinden Flecken anderer Beobachter interessiert, hat sich der Notwendigkeit eigener blinder Flecken bewusst zu sein. Wenn es also in der Analyse des modernen Boxens darum geht, die Differenz von Boxen/Nicht-Boxen aufzuklären, ist das keine Aussage dazu, wie es wirklich ist bzw. wie es sich wirklich historisch zugetragen hat, sondern eine gesellschaftstheoretische Reflexion, die auch anders, d.h. im Rahmen einer anderen Gesellschaftstheorie und mit Bezug auf andere Texte vollzogen werden könnte. Dass der Blick auf die Differenz von Boxen und Duell fällt, trägt der politischen Umstellung vom Recht des Stärkeren auf Rechtsgleichheit Rechnung und versucht diese Umstellung in einer sportspezifischen Hinsicht nachzuzeichnen. Die Fokussierung des politischen Mediums der Rechtsgleichheit ist im Vergleich zur Systemtheorie der Weltgesellschaft ein Verzicht auf Abstraktheit. Das Anliegen lautet nicht, die Modernität des Boxens im Rahmen einer vermeintlich parteilosen Weltgesellschaftstheorie zu reflektieren, sondern gezielt vom Standpunkt der politischen Moderne. Politisch ist die moderne Gesellschaft, weil und insofern sie sich im Zuge der bürgerlichen Revolutionen des 18. Jahrhunderts auf einen Grund gestellt hat, der von den Bürger*innen selbst erklärt und gestaltet wird. Dieser politische Grund der modernen Gesellschaft wird nicht nur durch die normative Ordnung des Rechts, sondern auch durch andere normative Ordnungen wie derjenigen der Erziehung oder des Sports geschützt. Mit der normativen Verfasstheit dieser Ordnungen – der olympische Sport nimmt in seiner Verfassung, der olympischen Charta, explizit auf die politische Menschenrechtsbewegung Bezug – sind diese Ordnungen in der politischen Moderne situiert.

Die gesellschaftstheoretische Annahme einer solchen Situiertheit steht für einen Umgang mit der Paradoxie der doppelten Verwiesenheit, der den Sinn des Sports notwendig an sein Anderes im Hier und Jetzt bindet. Der moderne Sport gilt als ein politischer Ausdruck des Prinzips der Rechtsgleichheit und als solcher muss er sich von dem unterscheiden, was dieses Prinzip nicht realisiert. Im Falle des modernen Boxens ist dies die Differenz zum vormodernen Duellwesen, das im Medium eines grundlegend anderen gesellschaftlichen Prinzips vermittelt ist. Paradox an dieser Verwiesenheit des Boxens auf das Duellwesen ist die Tatsache, dass sich das Boxen vom Duell abgrenzt, sich zugleich aber niemals ganz vom Duell lösen kann. Das moderne Boxen ist der beständige Kampf um die angemessene Realisierungsform des Prinzips der Rechtsgleichheit, der im Kontext der politischen Moderne niemals zu einem Ende kommen kann.

2.2 Exkurs: Der Weltsport und sein Publikum

Die Systemtheorie ist ein „Glücksfall“ (Scheier 2016: 9) für die Theorie des modernen Sports, weil sie ein Bewusstsein für das Paradoxieproblem des modernen Sports geschaffen hat. In Der Weltsport und sein Publikum hat Tobias Werron (2010a) im Kontext dieses Paradoxieproblems vorgeschlagen, den Begriff des Publikums vom Rand ins Zentrum der Theorie des modernen Sports zu rücken. Im Sinne eines öffentlichen Gedächtnisses diene das Publikum dazu, einen globalen Vergleichshorizont zu konstituieren, der die sportlichen Leistungskommunikationen von Bielefeld bis New York ordnet (Werron 2010a: 14). Erst der moderne Sport verfüge über die „historische Fähigkeit“ (ebd.: 58), einen lokal und zeitlich beschränkten Leistungsvergleich in einen unbeschränkten Leistungsvergleich einzubetten. Indem das Sportpublikum in seiner engen Bindung an Presse und Telegraphie sportliche Wettkämpfe auf ihr Vorher und Nachher, Hier und Dort, beobachte, entstünden mit Legenden, Statistiken, Rekorden, Datenbanken usw. „neue Modi öffentlicher Selbstbeobachtung“ (ebd.: 427), die den modernen Wettkampfsport als Weltsport adressieren. Der Publikumsbegriff löst das Referenzproblem des modernen Sports, indem er vor allem das zeitliche Nacheinander bestimmter Leistungsvergleiche und ihrer unbestimmten Vergleichsmöglichkeiten erklären kann (ebd.: 66f.). Die notwendige Verwiesenheit auf das Andere wird in Werrons Theorie des modernen Sports ganz im Sinne Luhmanns durch den Einbau des Faktors Zeit gelöst: Im Beobachtungsraster einer Theorie sozialer Systeme erscheint „Zeit [als] der Auflöser des Zirkels“ (Luhmann 2002: 109).

Mit der „vermeintlichen“ (vgl. Bette 2011) Aufwertung des Publikumsbegriffs hat Werron einen sportinternen Beitrag zur Umstellung von einer dyadischen auf eine triadische Sozialtheorie geleistet. Nicht Zwei, sondern Drei ist die strukturbildende Zahl, von der ausgehend sich die Genese sozialer Ordnungen nachvollziehen lässt. Nicht Wettkampfgegner (Ego) und Wettkampfgegner (Alter) bilden die Grundstruktur des sportlichen Leistungsvergleichs, von dem ausgehend Werron die Globalisierung des modernen Sports rekonstruiert. Vielmehr ist die Konstellation von Wettkampfgegner (Ego), Wettkampfgegner (Alter) und Publikum (Tertius) der logische Grund, der die operative Schließung des modernen Weltsportsystems ermöglicht. In dieser Grundkonstellation manifestiert sich zugleich die logische Struktur der Systemtheorie, die Werron als „Sichthilfe zur präziseren Beschreibung des Gegenstandes“ (Werron 2010a: 12) dienen soll. Das Publikum ist als „Projektion öffentlicher Kommunikationsprozesse“ definiert durch „Prozesse öffentlichen Beobachtens, Vergleichens, Kritisierens, Lobens, Bewerbens oder Bewertens von Leistungen, deren Sinn von der mitlaufenden Projektion eines im Einzelnen unbekannten Publikums abhängt“ (Werron 2010b: 309). Reale Operationen, die den Wettkampf im Hier und Jetzt evaluativ begleiten, erzeugen notwendigerweise unendliche Möglichkeiten des Und-So-Weiter, die wiederum in die konkreten Wettkampfhandlungen und Selbstbeobachtungen des Sports einbezogen werden. Das Publikum hat eine aktive Funktion, indem es „definiert, wer zu den Konkurrenten zählt, definiert, was als Leistung gelten kann, definiert, worin Preis und Qualität der Leistung bestehen, und definiert, worauf Kriterien und Knappheit der Gunst des Publikums beruhen“ (Werron 2011: 244). Die kommunikationstheoretische Modellierung des Dritten hat zur Folge, dass die Wettkampfgegner aus dem Zentrum des Wettkampfbetriebs heraustreten und stattdessen der Dritte als Schlüsselmoment ausgewiesen wird, der „mit seinen Beobachtungen den ‚seelischen Konnex‘ zwischen [Gegnern] und Publikum als auch das ‚wechselseitige Bewusstsein‘ zwischen den [Gegnern] erst hervorbringt“ (ebd.: 245).

Die Figur des eingeschlossen ausgeschlossenen Publikums betont die prinzipielle Vermitteltheit jener sozialen Akteure, die in der modernen Gesellschaft beheimatet sind: „[O]hne Publikum, kein moderner Sport.“ (Werron 2010a: 104) Erst das Publikum stellt den Zusammenhang zwischen den beiden Operationsordnungen des modernen Sports her, die Rudolf Stichweh als „Kommunikation von und Kommunikation über Leistung“ (Stichweh 1990: 380) unterschieden hat. Das Publikum löst die weltweite Gleichzeitigkeit sportlicher Wettkampfbetriebe in einen Vergangenheits- und Zukunftsbezug auf, was der Konstitution von Ergebnisoffenheit, also einer Form von Kontingenz, dient (Werron 2010a: 103f.). Gemeinsam mit der Vereinheitlichung von Regeln und eines für eine unbeschränkte Zahl von Teilnehmer*innen offenen Wettkampfbetriebes bilde das Publikum das „evolutionäre Dreieck“ (ebd.: 14) des modernen Sports, dessen zirkuläre Funktionsweise den zur Globalität drängenden Weltsport erklärt. Die Figur des Publikums hat in Werrons Theorie des modernen Sports so gesehen einen doppelten Status: Es ist eine evolutionäre Errungenschaft neben anderen, die zugleich die logische Grundstruktur der Moderne in sich artikuliert. Damit ist das Publikum diejenige Figur, in der das Paradoxieproblem „aufbewahrt“ (Luhmann 1984: 144) wird.

2.3 Die Normativität des Dritten

Die von Werron am Beispiel des Publikumsbegriffs vollzogene Umstellung der Theorie des modernen Sports auf eine triadische Konstellation verweist auf eine methodologische Grundlagendiskussion innerhalb von Sozialtheorie und -philosophie (vgl. exempl. Bedorf et al. 2010). Während die beobachtungstheoretische Modellierung des Publikums in realitätsbezogenen Beobachtungen einen „imaginären Raum ihrer Kombinationsmöglichkeiten“ (Luhmann 1992: 27) mitdenkt, macht Gesa Lindemann auf die Normativität des Dritten aufmerksam. Ausgangspunkt ist dann nicht wie in der Luhmannschen Kopplung von System- und Beobachtungstheorie eine „weite Diskrepanz von Möglichkeitsproduktion und Lernfähigkeit“ (Luhmann 1975: 66), sondern die Frage nach der Offenheit ihrer Träger. Die methodologische Funktion des Dritten macht den soziologischen Blick sensibel für die Geschichtlichkeit sozialer Akteure, die in der modernen Gesellschaft (noch) auf den Kreis der Menschen beschränkt sind. Das ist nicht die von Luhmann zurückgewiesene Annahme, wonach die Gesellschaft aus Menschen bestehe (Luhmann 1990: 282), sondern eine Aussage zur geschichtlichen Form des Beobachters. Eine Theorie der politischen Moderne ist mit der „normativen Strukturvorgabe“ (Lindemann 2010: 499) konfrontiert, den Menschen zum einzig verbindlichen Träger sozialer Beziehungen erklärt zu haben. Diese normative Strukturvorgabe ist der „Institutionenkomplex Mensch/Menschenrechte“, der die funktionale Differenzierung der Gesellschaft ermöglicht (Lindemann 2011: 17). Ihre Funktion bestehe darin, die Grenze des Sozialen und damit die „Kontingenz der Mitwelt“ (Lindemann 2010: 497) zu sichern.[5]

3 Zur normativen Ordnung des modernen Boxens

Wenn man die Geschichte des modernen Kampfsports von ihrem Ende her denkt, lässt sich, so argumentiert Nils Baratella (2017), seit den 1970ern eine „Liberalisierung der Normvorstellungen“ beobachten, wie es für westliche Gesellschaften insgesamt typisch sei (ebd.: 91). Dieser Abbau von Beschränkungen und Zwängen zeige sich an der Herausbildung der Mixed Martial Arts (MMA), die im Vergleich zum Boxen Ausdruck einer anderen (so genannten neoliberalen) Gesellschaft sind. Wo die Funktion des Regelwerks im Boxen darin bestehe, (erlaubte) Bewegungsabläufe und Körper einzuschränken, stehe das Regelwerk der MMA für deren Befreiung. Damit erscheint die Lektüre der normativen Ordnung des Boxens als eine „Geschichte der zunehmenden Einschränkung erlaubter Bewegungen“, die den Körper der „absoluten Geltung der höheren Gewalt der Regeln“ unterwirft (ebd.: 93). Dieses Verhältnis von Box-Körper und Regelwerk interpretiert Baratella mit Bezug auf Michel Foucault als ein Verhältnis der Disziplinierung. Disziplinen sind Methoden, „welche die peinliche Kontrolle der Körpertätigkeiten und die dauerhafte Unterwerfung ihrer Kräfte ermöglichen und sie gelehrig/nützlich machen [...]“ (Foucault 1976: 175). Die besondere Qualität der Disziplinen besteht darin, sich in die gesellschaftlichen Funktionen (wie derjenigen des modernen Sports) zu integrieren und so ihren Zugriff auf die Individuen zu verstärken (ebd.: 265).[6] Damit sind die Disziplinen das Gegenteil der Befreiung, welche die normative Selbstverpflichtung des Liberalismus ist. Für den disziplinierenden Zugriff auf die Boxkörper stehe auch die Figur des Ringrichters und des Trainers, die beide zusammen die Verantwortung für den Boxkampf paternalistisch übernehmen. Boxer*innen würden selbst nicht über das Ende eines Kampfes entscheiden; vielmehr sind sie „darauf konditioniert, so lange weiter zu schlagen, wie der/die Gegner/in steht“ (Baratella 2017: 94). Erst die Intervention des Ringrichters/Trainers[7] könne die Gelehrigkeit/Nützlichkeit des boxenden Subjekts durchbrechen, das darauf abgerichtet ist, sich an die Wettkampfregeln zu halten (deren Telos der K. o. ist) (ebd.: 95).

In Das kämpferische Subjekt deutet Baratella (2015) die Geschichte des Boxens als die Geschichte einer Subjektivierungsform, in der die konstruktive Dimension der Gewalt in der massentauglichen Form des Kampfes nachvollzogen werden kann.[8] Im Boxen geht es um das disziplinierte Subjekt, das durch die Regulierung körperlicher Gewalt hervorgebracht wird. Diese sportliche Form der Gewaltregulierung sei notwendig, insofern der Anspruch des bürgerlichen Rechts, die körperliche Gewalt (im Sinne des unmittelbaren Wirkens auf die Körper der Anderen, das die Empfindung des Schmerzes hervorruft) zu beheben, allein scheitern müsse (Baratella 2015: 25f.). Die Gleichheit der Regeln ermögliche die Ungleichheit der Körper, die im K. o. ihren größten Unterschied findet. Im Boxkampf werde immer auch über die Grenzen der Gewaltausübung verhandelt, die das Individuum zum Subjekt sozialer Beziehungen machen (ebd.: 282). Damit erscheint Gewalt in Baratellas Lektüre der Boxgeschichte dasjenige Andere des modernen Kampfsports zu sein, von dem es sich qua normativer Regulierung zu distanzieren gilt.

Für Baratella haben die Normen des Kampfsports also die Funktion, die Grenze zu dem zu markieren, was nicht mehr als Kampfsport gelten kann – die Anwendung von Gewalt. Dabei scheint Gewalt ein Ausdruck für die unzulässigen, d.h. unsportlichen boxerischen Handlungen zu sein. Wohingegen die normative Grenze zum Nicht-Boxen verläuft, ist auch in Baratellas Texten ein blinder Fleck. Um diese Grenze zu Gesicht zu bekommen, muss man das moderne Boxen nicht von seinem bürgerlichen ‚Ende‘ rekonstruieren, sondern an dessen Anfang zurückkehren. Aus methodischen Gründen bietet es sich dafür an, diesen Anfang mit der Erklärung der Queensberry Rules aus dem Jahr 1867 zu identifizieren. Die Queensberry Rules unterscheiden zwischen Regeln für das Amateur- und für das Profiboxen und negieren dabei mit dem Duell eine vormoderne Zweikampfkultur, die als das Andere des modernen (Amateur-)Boxens gelten kann.

3.1 Die Vorgeschichte des Boxens: Das Duell um Ehre

Das Duell ist eine Zweikampfform, an der sich die Direktheit[9] der vormodernen Gesellschaft aufzeigen lässt. Direkt ist die vormoderne Gesellschaft nicht in einem ontologischen Sinn, so als ob sie im Unterschied zur modernen Gesellschaft nicht vermittelt, sondern eben unvermittelt war. Vielmehr gilt die vormoderne Gesellschaft als direkt, insofern das Medium, in dem soziale Beziehungen eine spezifische Form gewinnen, nicht als gesellschaftlich gemacht und damit als prinzipiell veränderbar reflektiert wird (zumindest nicht in einem für die vormodernen Gesellschaft typischen Sinne). Dieses Medium, in dem sich das Duell als eine spezifische Zweikampfform konstituiert, ist das Medium der Ehre. Die klassische Bestimmung versteht Duelle als „verabredete, regelhafte und mit tödlichen Waffen ausgefochtene Zweikämpfe, [...] in denen man [...] seine Ehre unter Beweis stellte“ (Frevert 2005: 1165). Als ein „Grundwert“ (Münch 1988: 71f.) der frühneuzeitlichen Ständegesellschaft gilt die Standesehre bei Simmel als ein Mittel der „soziale[n] Selbsterhaltung“, das den Zusammenhalt von „Sondergruppierungen“ sichert (Simmel 1908: 402, 404). Dabei verlange die Standesehre ein Verhalten ihrer Mitglieder, das diese häufig in Konflikt mit staatlichem Recht und individueller Moral führt. Als „krasseste[s] Beispiel“ (ebd: 405) für ein solchen Konflikt normativer Ordnungen dient Simmel das Duell. Indem im Duell die natürliche Vorgabe der Ehre zu verteidigen ist, wird der Einzelne ganz zum Teil eines größeren Ganzen, das auf dem Prinzip der Ungleichheit gründet. Derjenige, der über Ehre verfügt, ist als satisfaktionsfähiger Einzelner austauschbar; seine individuelle Freiheit steht im Gegensatz zum Ehrengesetz der Gruppe, das von Natur aus früher als der Einzelne gilt.

Der Stellenwert des Duells wird für die einzelnen Subepochen der Neuzeit unterschiedlich bewertet (vgl. z. B. Billacois 1986; Kiernan 1988 im Unterschied zu Frevert 1991; Elias 1989a). Übereinstimmend gilt jedoch die frühneuzeitliche Adelskultur als Geburtsstätte des Duellwesens.[10] Dabei wird das Duell wahlweise als „Ausdruck adeliger Widerstandsfähigkeit gegen den entstehenden Staat, als Form höfischer Etikette oder aber als integrative Kraft, gerade für den Offizierskorps der stehenden Heere“ (Ludwig und Schwerhoff 2012: 34) gedeutet. Ausgehend von Frankreich und Italien des frühen 16. Jahrhunderts breitete sich das Duell gegen Ende des Jahrhunderts sukzessive auch in Spanien und Großbritannien aus. Nach dem Dreißigjährigen Krieg etablierte sich das Duellwesen dann auch vermehrt in den Territorien des Deutschen Reiches und im skandinavischen Raum, bis es im 18. Jahrhundert Russland und die nordamerikanischen Kolonien erreichte. In zeitgenössischen Texten wurde diese Universalisierung des Duells primär als eine Geschichte der Kontinuität beschrieben, in der sich das Duell aus mittelalterlichen Zweikampfformen wie der Fehde, dem gerichtlichen Zweikampf oder dem ritterlichen Turnier heraus entwickelte. Als Kontinuitätsmerkmale dienten z. B. die Bindung des Zweikampfausgangs an die Idee eines Gottesurteils oder die Voraussetzung der sozialen (Standes-)Gleichheit der Kontrahenten (Frevert 1999: 21). In diesen Beschreibungen erscheint das Duell als ein Element der vormodernen Zweikampfkultur, die dyadisch (und nicht triadisch) strukturiert vorgestellt wird: Die Referenz auf den Dritten ist die Referenz auf einen abwesenden Dritten in Gestalt Gottes oder der natürlichen Herkunft.

Auslöser eines Duells war in der Regel die Beleidigung einer sozial gleichgestellten Person, der es den Gesetzen der adelig-ritterlichen Ehre folgend mit einer Herausforderung zu antworten galt. Für Italien, Frankreich und England scheint es vor allem die Beleidigung in Form der Lüge gewesen zu sein, die den anderen in seinem Status der Ehre verletzten. „Edelleute, so die Annahme, logen eben nicht, [...] es sei denn, um sie bewußt zum Kampf herauszufordern.“ (Asch 2005: 371f.) Bis ins 17. Jahrhundert hinein hatte das Duell keine präzise Form, insofern es sich nicht eindeutig vom Recontre[11] unterscheiden ließ und sogar „zunehmend chaotischere Züge“ (Frevert 1991: 24) zeigte. Ein Duell konnte sich leicht in einen „mörderischen, rachedurstigen Nahkampf“ verwandeln, der „offensiv geführt wurde“, auf den Tod, „mindestens aber die Verwundung des Gegners“ zielte (ebd.). Auch die Etablierung von Sekundanten im 16. und 17. Jahrhundert habe nicht zur Zivilisierung des Duells beigetragen. Denn die Sekundanten fungierten als Helfer und Beschützer ihrer Klienten, was sie unmittelbar am Kampfgeschehen teilnehmen ließ. Zudem galt die Anwesenheit der Sekundanten (im Sinne eines Kampfrichters) nicht als Bedingung der Möglichkeit, einen Zweikampf als Duell zu bezeichnen. Vielmehr war es der Gebrauch tödlicher Waffen, der das Duell von rohen Zweikampfformen der Unterschicht wie der Prügelei oder Balgerei unterscheidbar machte. Dieser Austausch der Mittel ging allerdings nicht eo ipso mit einer größeren Affekt- und Gewaltkontrolle einher, zumal Duelle in jenen Zeiten häufig im Kontext von Festen und übermäßigem Alkoholkonsum ausgetragen wurden. Dass Herausforderung und Vollzug des Duells zeitlich auseinandergezogen wurden, gehört zu den späteren Entwicklungen dieser Zweikampfform, die durch die Transformation des Adels von einem primär politischen in einen primär kulturellen Stand bedingt ist (ebd.: 24f.).

Von besonderer Relevanz für die Verbreitung einer kulturellen Duellpraxis war die literarische Gattung der Hofmannstraktate. Indem die Hofmannstraktate genau ausführten, was als gutes (höfisches) Benehmen angesehen wurde, eröffneten sich mindestens ebenso viele Möglichkeiten, den Gegenüber durch schlechtes Benehmen zu beleidigen (Asch 2005: 371). Dabei zielte die Beleidigung einer Person nicht auf die Negation ihres Status als Ehrenmann, sondern war Anlass, zur Inszenierung der eigenen Ehre herauszufordern (Guttandin 1993: 216). Ihre Form kannte keine Codierung auf Sieg oder Niederlage, sondern galt als ein Nachweis natürlicher Ehrenhaftigkeit, indem der Duellant sein eigenes Leben aufs Spiel setzte (Frevert 1991: 29). Sein eigenes Leben im Duell aufs Spiel zu setzen, heißt nicht, dass die Duellpraxis auf die Werte von Leben und Tod ausgerichtet war. Vielmehr ist von einer spielerischen Inszenierung der Ehre zu sprechen, in der sich der „Lehrbuchduellant“ durch Höflichkeit, Distanziertheit, Kaltblütigkeit und Affektkontrolle auszeichnete; „nachdem er seinen Schuß abgegeben hatte, [erwartete er] die ‚Antwort des Gegners in vollkommener Unbeweglichkeit‘“ (ebd.: 195). Die Duellcodices[12] schlossen konsequenterweise auch diejenigen Duellformen aus, welche unweigerlich zum Tod eines Kontrahenten führten. So wurde bspw. im sogenannten Amerikanischen Duell ausgelost, welcher Duellant sich innerhalb eines Jahres zu erschießen hatte, um dem Zufallsprinzip dieses Spiels um Ehre Rechnung zu tragen. Doch nicht nur der zwangsläufige Tod sollte verhindert werden. Auch kann das Bestreben festgestellt werden, Scheinduelle zu verhindern, in denen der Zweikampf zum harmlosen Spiel degradiert wurde. Beim Pistolenduell war das absichtliche Vorbeizielen ebenso verpönt wie die mörderische Hinrichtung seines Gegenübers. Für den regelkonformen Ablauf hatten nunmehr die Sekundanten der beiden Parteien Sorge zu tragen:

„Die Sekundanten sind für den gesamten Verlauf des Duells verantwortlich und verpflichtet, selbst bei Einsatz ihres eigenen Lebens ein Übertreten der festgesetzten Duellregeln durch persönliches Einschreiten zu verhindern. Sie sind beim Duell bewaffnet und sie sind berechtigt und verpflichtet, wenn ein Einspruch wirkungslos oder unmöglich ist, von ihrer Waffe Gebrauch zu machen, notfalls den ehrlosen Übertreter des Duellgesetzes niederzuschießen.“ (Kretschmann 1896, zit. nach Guttandin 1993: 293f.)

Die Formulierung von Duellcodices und deren strikte Überwachung durch die Sekundanten sind Hinweise auf die relative Unabhängigkeit der Duellpraxis von individuellen Motiven und Zwecksetzungen. Es galt im Duell, die eigene Opferbereitschaft für die Gruppe zu demonstrieren und durch die Wiederherstellung eines gestörten interpersonalen Verhältnisses die Integrität der Gruppe zu wahren (ebd.: 241). Der Sinn des Duells zeigt sich daher in seinem Vollzug und nicht im Ergebnis (Frevert 1991: 29f.). Es war kein Vergleich von Leistungen nötig, denn Ehre stellte im Kontext einer satisfaktionsfähigen Gemeinschaft kein knappes Gut dar. Im Duell wird die Gleichheit in der Form der Ehre zur Darstellung gebracht, die damit zugleich die Naturalisierung sozialer Ungleichheit bedeutet. Mit dem Duell wird nicht infrage gestellt, wer überhaupt zum Kreis der Satisfaktionsfähigen zu zählen ist. Das Medium der Ehre ist keine Variable, die die Kontingenz der Beziehung zwischen Ego und Alter reflektiert. Damit lässt sich die Praxis des Duells (im Rahmen der Gesellschaftstheorie Mediale Moderne) als Vollzug einer dyadischen Struktur verstehen, insofern sie von Voraussetzungen lebt, die nicht auf eine autonome Tat zurückgeführt werden. Das Duell hat lediglich zu ratifizieren, was bereits feststeht.

3.2 Zweikämpfen in der Moderne: „box, don’t fight“

Das Boxen ist eine moderne Form der Zweikampfkultur, die sich von der vormodernen Form des Duells im Sinne des Nicht-Boxens unterscheidet. Die Bestimmung der Modernität des Boxens wird wesentlich in literarischen Texten und soziologischen Analysen vollzogen, während in der Geschichtswissenschaft diesbezüglich nach wie vor ein „lack of historical attention“ (Johnes und Taylor 2011: 358) zu konstatieren ist. Für die sportsoziologische Erschließung ist vor allem die Arbeit von Kenneth G. Sheard (1997) von zentraler Relevanz, die im für die Sporttheorie wirkmächtigen Rahmen des Elias‘schen Theorems des staatsorientierten Zivilisierungsprozesses formuliert ist (vgl. zu diesem Theorem exempl. Malcolm und Haut 2019). Die Entwicklung des Boxens gilt dann in einem „nonevaluative sense“ als zunehmende Kontrolle von Gewalt, die allerdings nicht zu einer Reduktion körperlicher Gefahren geführt hat (Sheard 1997). Mit dieser gesellschaftstheoretischen Orientierung am Prozess der Zivilisierung ist es allerdings nicht möglich, eine kategoriale Grenze zwischen vormoderner und moderner Zweikampfkultur zu ziehen. Denn es geht nicht um die Modernität, sondern um die Modernisierung eines kulturellen Phänomens und in dieser Perspektive wird man immer Elemente des vermeintlich Alten im vermeintlich Neuen, wie auch umgekehrt, finden. So wird man im Boxen z.B. auf die Kraft und Wucht der Schläge oder im Duell auf die Überwachung der Regelkonformität durch die Sekundanten stoßen. Dagegen gilt der Unterschied zwischen Duell und Boxen in der Perspektive der Theorie Mediale Moderne als eine kategoriale Grenze, weil Duell und Boxen in grundlegend anderen Medien (Ehre vs. Sportsgeist) vermittelt sind.

3.2.1 Der englische Faustkampf des 18. und 19. Jahrhunderts

Die Ursprünge des modernen Wettkampfboxens liegen in Großbritannien. Bereits 1681 wird davon berichtet, wie Bedienstete zweier Herzöge „gleich Widdern“ zu deren Unterhaltung gegeneinander antraten:

„Yesterday, a match of boxing was performed before his Grace the Duke of Albemarle, between the Duke’s footman and a butcher; the latter won the prize, as he hath done many before, being accounted (though but a little man) the best of that exercise in England.” (The True Protestant Mercury; or, Occurences Foreign and Domestick 1682, zit. nach Kloeren 1935: 35)

Konstitutiv für diese den frühneuzeitlichen sports zuzurechende Form des Boxens war, einer typischen Selbstbeschreibung zufolge, das Element des Wettens. Die Wettleidenschaft galt – über den Sport hinaus – als eine „idealtypische“ Eigenschaft des „müßiggängerischen [...] ‚gentleman‘ des 17. und 18. Jahrhunderts“ (Eisenberg 1999: 29). Die upper class verpflichtete ihre Untergebenen zu trainieren, um das eigene Bedürfnis nach lustvollem Konsum gewinnbringend befriedigen zu können (ebd.: 29f.). Das Aufkommen solcher Faustkämpfe fällt zeitlich mit dem Bedeutungsverlust des gleichermaßen von Ober- und Unterschichten betriebenen Ringsports zusammen (Kloeren 1935: 10). Wie schon einzelne Momente des Raufens im Ringen fortexistiert hatten, blieben auch im Boxen Elemente des Ringens erhalten, weshalb zur Bezeichnung dieser neuen Form auch vom Begriff des „Raufboxen[s]“ (Schöffler 1986: 48) Gebrauch gemacht wird. Im Unterschied zur ‚reinen‘ Form des Ringens ist das Raufboxen durch eine größere Bewegungsdynamik charakterisiert, was dem urbanen Lebensgefühl (insbesondere Londons) mehr zu entsprechen schien (ebd.: 23). Beim Raufboxen/Faustkampf hatte auch der schwächere Sportler jederzeit die Chance, den Kampf mit einem entscheidenden Wirkungstreffer zu beenden. Zudem eignete sich die größere Brutalität des Faustkampfes, die Sensationslust der Zuschauer in einem größeren Maße als beim Ringen zu befriedigen.[13]

Neben der Verbindung zum Ringsport ist der Bezug zum Fechten bzw. zur Form des Duells und dem Preiskämpfen Gegenstand historischer Forschung. Dabei wird zumeist ein gleitender Übergang zwischen der Zweikampfform des Duells und derjenigen des Faustkampfes konstatiert (vgl. Baratella 2011; Eisenberg 1999; Holt 1989; Kloeren 1935; Krockow 1972; Schöffler 1986). Der Zusammenhang wird primär über die Annahme hergestellt, Faustkämpfe hätten ursprünglich dem Austragen von Ehrenhändeln gedient und somit die Funktion des Duells übernommen. Diese These findet Schöffler (1986: 33, 83) u.a. in der Beobachtung bestätigt, die Anzahl der öffentlich Degentragenden sei zu Beginn des 18. Jahrhunderts deutlich zurückgegangen. Doch die Adeligen sollen ihre Ehre nicht nur zunehmend im Faustkampf restituiert haben, sondern gleichsam könne auch eine Nivellierung der Standesgrenzen festgestellt werden. So sei es schon in den 1690er Jahren üblich gewesen, dass Adelige auf Beleidigungen niederer Gesellschaftsgruppen ihre Waffen ablegten und stattdessen zum Faustkampf herausforderten (Kloeren 1935: 83). Die Aufweichung eines ehemals exklusiven Standesprivilegs der satisfaktionsfähigen Schicht sei durch die Glorious Revolution eingeleitet worden. Aufklärerische Ideen und die besondere britische Familienstruktur führten schließlich „den Bruch mit dem Prinzip der Satisfaktion durch die Waffe herbei“ (ebd.: 119). Indem der Faustkampf eine Möglichkeit aufzeigte, Ehrenstreitigkeiten ohne den Tod eines Kontrahenten auszutragen, war er „in Konkurrenz zum Duell mit der Waffe getreten“ (Eisenberg 1999: 26). Roberts (1977) sieht die Auswirkungen einer steigenden Popularität des Faustkampfes im Niedergang des Duellwesens und spricht von einem „therapeutic effect“ (ebd.: 247) für die Gesellschaft.[14] Als Voraussetzung für die Ablösung des Duells durch den Faustkampf wird dessen relative Harmlosigkeit angeführt (Kloeren 1935: 108). Die Verdrängung des Duells durch den Faustkampf nehme allerdings keinen linearen Verlauf, sodass ab der Mitte des 18. Jahrhunderts ein erneuter Aufschwung des Duellwesens zu verzeichnen ist. Die Duelle seien jedoch nicht mehr durch Standesgrenzen limitiert gewesen, „und selbst Handwerker [gingen] mit dem Degen aufeinander los“ (Krockow 1972: 24). Dass die frühneuzeitlichen Faustkämpfe als eine funktional äquivalente Möglichkeit des Duellwesens dargestellt werden, verbietet es, diese frühe Form in sporttheoretischer Hinsicht als modernes Boxen zu bezeichnen. Die Bedeutung der frühen Form der Faustkämpfe bleibt an das Medium der Ehre gebunden, das Ausdruck einer traditionellen Ordnung der Ungleichheit ist.

In dem 1719/20 von James Figg eröffneten Amphitheater ließen sich die Adeligen zunehmend im Faustkampf statt im Fechten unterrichten. Entsprechend wurde der Begriff Noble Art of Self-Defence von der Selbstbeschreibung des Fechtens auf den Faustkampf übertragen. Figg gilt zugleich als erster Faustkampf- und letzter Fechtlehrer, was für Krockow ein weiteres Zeichen für die funktionelle Ablösung des Duells durch den Faustkampf ist (Krockow 1972: 22). Das Figgsche Amphitheater diente nicht nur als Ort für den Trainingsbetrieb, sondern ebenso zur Austragung öffentlicher Kämpfe, die mit erheblichen Verdienstmöglichkeiten verbunden waren.[15] Einer jener erfolgreichen Faustkämpfer war Jack Broughton, auf den im Jahr 1743 die erste Kodifikation von Faustkampfregeln zurückzuführen ist. Dieser Vorgang ist zugleich die erste schriftliche Fixierung von Regeln im Feld des neuzeitlichen Sports überhaupt (Holt 1989: 20). Die Broughton Rules legten fest, wie eine Runde beginnen und enden sollte, wie sich die Sekundanten und Ringrichter zu verhalten hatten, wie das Preisgeld zu verteilen war und wann ein Kampf als beendet galt (vgl. Brailsford 1988: 20). Diese ersten Regeln des Preiskämpfens werden auf das Bestreben Broughtons zurückgeführt, die in seinem eigenen Amphitheater stattfindenden Kämpfe besser zu organisieren (Boddy 2011: 400). Indem die Regeln Sieg und Niederlage definierten, wurde zudem eine zentrale Anforderung des adeligen Wettgeschäftes bedient. In diesem Sinne lässt sich auch die Entscheidung aus dem Jahr 1746 interpretieren, die Boxer in Leicht-, Mittel- und Schwergewicht einzuteilen (Boddy 2011: 400). Um die Verletzungsgefahr zu mindern und so zugleich die Oberschichten von der aktiven Teilnahme im Ring zu überzeugen, führte Broughton den Gebrauch von Boxhandschuhen ein. Die Adeligen beschränkten sich allerdings auf das Erlernen von Boxtechniken zum Zwecke des Austragens von Ehrenkonflikten außerhalb des organisierten Rings. Populärer scheint ihre Rolle als Patrone und Wettende der von den Unterschichten betriebenen Preiskämpfe gewesen zu sein (Brailsford 1988: 10). Diese Nichtteilnahme lässt sich zugleich als eine Vorsichtsmaßnahme des Adels deuten, die eigene soziale Stellung nicht aufs Spiel zu setzen (Sheard 1997: 43f.).

Die sozialen Wirkungen der Verknüpfung von Faustkämpfen und Wettgeschäften zeigen sich exemplarisch an der Niederlage Brougthons gegen Jack Slack am 10. April 1750. So hatte der Herzog von Cumberland, der als Patron Brougthons fungierte, vermutlich einen entscheidenden Anteil an der Schließung von Brougthons Boxarena. Zudem scheint es kein Zufall gewesen zu sein, dass kurze Zeit nach dem Kampf ein Gesetz im britischen Parlament erlassen wurden, das die Faustkämpfe für illegal erklärte (Brailsford 1988: 10; Roberts 1977: 253). Das gesetzliche Verbot führte allerdings nicht zu einer sinkenden Popularität der Faustkämpfe, sondern verlegte ihren Austragungsort zunächst auf abgelegene Felder und Wiesen und dann auf die privaten Anwesen der gambling gentry. Organisiert wurden die Wettkämpfe zwischen den Faustkämpfern von ihren backers, welche die Herausforderung zum prizefight für eine bestimmte Summe akzeptierten (Ford 1971: 92). Die illegalen Veranstaltungen entwickelten sich zu einem lose organisierten Zuschauersport, dem nicht selten bis zu 10.000 Anhänger beiwohnten – und das vor der technischen Revolution des Transportwesens (Holt 1989: 21-26).[16] Als ein wesentlicher Grund für das große Interesse an den Faustkämpfen wird vor allem die Brutalität der Kämpfe genannt, die sich bis zum Tode zuspitzen konnte. An dieser Brutalität zeige sich auch, so Sheard, dass der von Elias beobachtete Zivilisierungsprozess Gewaltformen nicht suspendiert, sondern vom öffentlichen in den privaten Raum verdrängt werden (Sheard 1997: 46). Wenn man dann von der Sensationslust der Zuschauer redet, meint man in erster Linie ein Interesse an der Erzeugung und Begrenzung von Spannungspotentialen. Einen brutalen Preiskampf zu erwarten ist nicht der Ausdruck einer Gier nach Schweiß und Blut, sondern einer Hoffnung auf den immer noch ein bisschen härteren Schlag, der dann auch zum Ende des Preiskampfes führen kann. Dass die „bloody realities of the ring“ (Brailsford 1988: xiii) als Ausdruck einer sich zivilisierenden Gesellschaft gesehen werden, heißt auch, deren Grenzverhalten gegenüber noch zulässiger Gewalt nicht mit gegenwärtigen Maßstäben bemessen zu dürfen. „Life itself was precarious and harsh, and sport could hardly be expected tobe less so.“ (ebd.: 21) Öffentliche Hinrichtungen konstituierten sich im England des ausgehenden 18. Jahrhunderts als Massenveranstaltungen, die von bis zu 30.000 Menschen besucht wurden (Ford 1971: 27).

3.2.2 Bedeutungswandel: Von den traditionellen prizefights zum modernen Boxen

Diese innere Beziehung von Preiskämpfen und Gewalt begründete das „goldene Zeitalter“ (Roberts 1977: 254) des britischen Boxens, wie Randy Roberts den Zeitraum zwischen 1789 und 1812 bezeichnet. Mit dem Rückzug des Adels als wichtigem Träger der illegalen prizefights endete diese goldene Zeit spätestens in den 1820ern (Ford 1971: 93). Zeitlich fiel mit dem Rückzug des Adels die Etablierung des Pugilistic Club zusammen. Damit einhergehend wandelte sich zwischen 1814 und 1824 zum einen die Art und Weise des matchmakings und zum anderen die Symbolik der Preiskämpfe. Der Pugilistic Club stellte für die Berufsboxer eine Verdienstmöglichkeit dar. So wurde Wert auf eine symbolische Inszenierung gelegt, ohne unbedingt einen attraktiven Wetteinsatz bewirken zu müssen. Dennoch ‚verkauften‘ sich die Sportler auch zu jener Zeit und diejenigen privaten „backers who liked the sound of the match were able to step inside and make up the fighter’s stake“ (Ford 1971: 93). Die symbolische Inszenierung der Faustkämpfe umfasste die Praxis, dass die Verlierer nach dem Kampf das Tuch (handkerchief) des Gewinners trugen. Zudem war es üblich, zur Signalisierung des Eintreffens am Wettkampfort respektive zum Zeichen der Herausforderung seinen Hut in den Ring zu werfen (ebd.: 108-110).

Der bereits durch die Broughton Rules (1743) eingeleitete Versuch, das Feld der Faustkämpfe normativ zu ordnen, wurde 1838 durch die Einführung der London Prize Rules weiter vorangetrieben. Die Regeln untersagten Kopfstöße, Tritte und Schläge unterhalb des Gürtelbereichs, spezifizierten die Rolle der Sekundanten[17] und Schiedsrichter und legten Größe sowie Gestalt des Rings[18] fest (Boddy 2011: 400). Die Bestimmung regelwidriger Aktionen habe allerdings zu keiner wesentlichen Reduktion von Gewalt im Faustkampf geführt. Dass den Sekundanten primär die Aufgabe zukam, ihren Boxer innerhalb von 30 Sekunden, nachdem dieser zu Boden gegangen war, wieder kampfbereit zu machen, „also enabled him to continue to fight for round after bloody round. Often the fights degenerated into a pushing and shoving match between two bleeding and exhausted fighters“ (Ford 1971: 118). Auch hatten die London Prize Rules nicht den Effekt, das Preiskämpfen aus seinem illegalen Status zu befreien und es zu einem modernen Sport zu machen, an dem prinzipiell jeder teilnehmen konnte.

Als primärer Grund wird in der geschichtswissenschaftlichen Forschung in der Regel der Übergang vom Adel zum Bürgertum als entscheidender Träger boxerischer Handlungen genannt (vgl. Eisenberg 1999: 47-52). Dass die sogenannte middle class einen Zugang zur bald als modernes Boxen zu bezeichnenden Zweikampfkultur fand, wird wiederum auf einen Bedeutungswandel eben jener Zweikampfkultur zurückgeführt. Der Umbruch zum modernen Boxen vollzieht sich im Kontext der modernen athletics, die als Hauptquelle des olympischen Sports gelten können (Schürmann 2006: 368). Erst in diesem Kontext ist es möglich, vom Boxen als einer modernen Zweikampfkultur zu reden, die in einem spezifisch sportlichen Medium ihre kulturelle Bedeutung gewinnt. Die moderne Form der athletics verändert die Zweikampfverhältnisse so grundlegend, dass keine Elemente ihrer normativen Regulierung aus den Broughton Rules und den London Prize Rules seinen Sinn behält. Die Gleichheit der Chancen wird durch das spezifische Amateurprinzip der athletics neu formatiert, das den Bruch mit der vormodernen Adelskultur ermöglicht. Der Amateurgedanke bedeutet zugleich Anschluss und Abstoß adeliger Muße: Der Vergleich individueller Leistungen ist eine Absage an das Prinzip „victory at any cost“ und die Zurückweisung der „desinterestedness“. Dieses Amateurprinzip ist der (politische) Grund des modernen Sports, dessen boxinterne Konstitutionalisierung sich in den Queensberry Rules zeigt. Die Queensberry Rules stiften nicht nur die Geschichte des modernen Boxens, sondern sind in ihrer Modernität zugleich ein wesentlicher Ausdruck des olympischen Sports, der als bürgerlicher „Prototyp“ (Schürmann 2010) der normativen Ordnung des modernen Sports gelten kann. Auch wenn die Queensberry Rules zeitlich vor der olympischen Charta erklärt worden sind, lässt sich ihre modernitätstheoretische Bedeutung erst von in ihrem Ende her – der Konstitutionalisierung des olympischen Sports – begreifen. Was sich in den Queensberry Rules zeigt, ist der moderne Sportsgeist, demzufolge erst die im Wettkampf erbrachten Leistungen zweier gleichwertiger Gegner über Sieg und Niederlage entscheiden (Schürmann 2017).

Die Ablösung des Adels (in der Rolle der Wettenden) und der Unterschicht (in der Rolle der Kämpfenden) durch die bürgerliche middle class, die beide Rollen in sich vereinte, erfolgte in enger Referenz vor allem auf den Adel (Eisenberg 1999: 23). Indem sich der englische Adel in erster Linie durch das Prinzip der Primogenitur[19] schloss, war dieser durch strukturelle Offenheit gegenüber dem Bürgertum organisiert. Ein adeliger Lebensstil zeichnete sich vor dem 19. Jahrhundert primär dadurch aus, Müßiggänger zu sein. Im Kontext der Faustkämpfe wurde dieser Lebensstil durch die körperliche Nichtteilnahme sowie Gleichgültigkeit gegenüber den Wettausgaben zum Ausdruck gebracht (ebd.: 65). Es galt, sich „nicht zu lang und nicht zu ernsthaft einer Bemühung in einer einzelnen Richtung hinzugeben“, was die Absage an ein allzu offensichtliches Leistungsstreben einschloss (ebd.: 62). Der aristokratische Status war nicht das Ergebnis körperlicher Arbeit, sondern – zumindest für den Erstgeborenen – eine mitgegebene Ehre, die zuweilen im Duell unter Beweis gestellt werden musste.

Diese adelige Form der (passivischen) desinterestedness erfuhr ab der Mitte des 19. Jahrhunderts in den public schools eine bürgerliche Transformation. Nicht das Vergnügen an körperlicher Anstrengung, sondern der Vergleich körperlicher Leistungen definiert seither die neue Bewegungskultur, die sich unter dem Begriff des modernen Sports subsumieren lässt. Moderner Sport basiert nicht auf einer Logik der Repräsentation nichtsportlicher Strukturen, sondern auf der Autonomie sportlicher Leistungsvergleiche (Stichweh 1995: 15ff.). In ihrer englischen Darstellungsweise konstituierte sich die Autonomie des Sports als bestimmte Negation einer adeligen Kultur, die sowohl sportliche Handlungen als auch Duellpraktiken als ein Mittel ihrer politischen und kulturellen Selbsterhaltung benutzt hatten. Dagegen etablierte sich im bürgerlichen Sport eine Idee von sportsmanship, die sich durch die Ausdifferenzierung von Training und Wettkampf und den Verzicht auf finanzielle Gewinne zu konstituieren begann (Eisenberg 1999: 64f.). Im Rahmen der politischen Moderne gilt dieser Vorgang der Etablierung einer neuen Idee als eine politische Tat, die in ihrer kulturellen Bedeutung auf den normativen Anspruch der bürgerlichen Revolutionen bezogen ist, als Gleicher anerkannt zu werden. Sportsmen verpflichten sich gegenseitig dazu, ihren sportlichen Willen an einem chancengleichen Wettkampf ernst zu nehmen.

In der sporthistorischen und -soziologischen Forschung wird die politische Rahmung des modernen Boxens primär über die Funktion von Aufsichtsorganen (governing bodies) erklärt, die der Kodifizierung und Überwachung von Regeln dienen. Das Politische der Moderne drückt sich in diesem Fall in einer Politik der Kontrolle aus, die an eine übergreifende Institution delegiert wird. Für das moderne Boxen ist es vor allem die im Jahre 1880 gegründete Amateur Boxing Association (ABA), die unter der Maxime „box, don’t fight“ (Holt 1989: 67) die politische Bedeutung des Boxens bestimmt. In der folgenden Dekade eröffneten unzählige Amateurboxclubs, deren Mitglieder sich vornehmlich aus der middle class rekrutieren. „Amateur boxing clubs were the bricks, the ABA the mortar, form which British boxing, not for cash but for fun, was built up.“ (Shipley 1989: 86) Grundlage der dort organisierten Wettkämpfe waren die 1867 von John Graham Chambers formulierten und (qua Prestigebedürfnis) unter dem Namen des 8. Marquess von Queensberry veröffentlichten Queensberry Rules. Ursprünglich dienten die Regeln der Organisation der vom Amateur Athletic Club[20] veranstalteten Boxwettkämpfe. Zentrale Neuerungen waren die Festlegung zeitlich begrenzter Runden, der Ausschluss von Ringelementen sowie die Verpflichtung, Boxhandschuhe zu tragen. Um Amateur- und Profikämpfe zu unterscheiden, erschienen die Regeln zunächst in zwei Versionen. Erstere wurde nach einer bestimmten Rundenanzahl mittels eines Punktesystems entschieden, wohingegen die Profis (in Kontinuität zu den London Prize Rules) bis zur Kampfunfähigkeit eines Kontrahenten boxen sollten. Kampfunfähigkeit bedeutete, dass ein zu Boden geschlagener Boxer den Kampf innerhalb von 10 Sekunden nicht wieder aufnehmen konnte. Im Verlauf der 1880er Jahre wurde schließlich auch für die Wettbewerbe der Berufsboxer eine Begrenzung der Rundenzahl eingeführt (Boddy 2011: 401).[21] Doch es ist vor allem das differenzierte Bewertungssystem des Amateurboxens, das den Vergleich von individuellen Leistungen in den Vordergrund des sportlichen Wettkampfes rückt. Die Vergleichbarkeit der Leistungen wird mit einem quantitativen Zählsystem handhabbar gemacht, das dazu dient, den boxerischen Erfolg von der Unmittelbarkeit der Kampfunfähigkeit zu entkoppeln.

Betrachtet man diesen Vorgang nun unter der Beobachtungskategorie der politischen Moderne, stellt sich die Frage nach den Bedingungen der Möglichkeit einer solchen regelgebundenen Politik des modernen Boxens. Dabei kommt mit der Chancengleichheit ein Prinzip in den Blick, das nicht naturrechtlich oder vernunftorientiert hergeleitet werden kann, sondern auf eine politische Entscheidung verweist, die von der Gesellschaft der Citoyens in den bürgerlichen Revolutionen getroffen worden ist. Diese Entscheidung, „der Gleichheit die Form der Rechte zu geben“ (Menke 2015a: 7), beinhaltet keine Vorgabe für das moderne Boxen, wie dieses Prinzip umzusetzen ist. Die Queensberry Rules setzen durch die Etablierung eines Punktesystems die Chance normativ in Geltung, dass die Leistungen der Boxer gleichermaßen gezählt werden. Das ist aber nur das eine. Denn zugleich bedeutet die Orientierung an der Logik der Zahl, eine boxerische Handlung – einen guten Schlag – zu einer Tatsache zu machen, deren Gründe (Fähigkeiten, Bewertungsprozesse, Stil etc.) als Gegebenheiten vorausgesetzt werden. Im Moment des Zählens steht nicht zu Disposition, was einen guten Schlag ermöglicht hat oder was einen guten Schlag überhaupt zu einem guten, d. h. wertvollen, Schlag macht. Diese Dimension des Konflikthaften aber ist für die politische Moderne genauso entscheidend wie ihre Orientierung am Prinzip der Gleichheit.

Auch wenn sich sowohl das Telos des Amateur- sowie des Profiboxens als Leistungsvergleich (wie auch als Leistungssteigerung) verstehen lässt, macht das Punktesystem auf die typisch politische Struktur des Medialen aufmerksam. So erscheint das Amateurboxen als ein Kampf um die Anerkennung der Punktrichter*innen, die die Wahrheit des Wettkampfes (Sieg oder Niederlage) erst noch finden müssen. Dagegen droht die Fokussierung auf die Kampfunfähigkeit der Boxer*innen die konflikthafte Dimension des Politischen, des Amateurgedankens, stärker zu verschatten: Der Ring spricht für sich. Der KO gilt als ein Versprechen an die Authentizität i.S. einer scheinbaren Nicht-Vermitteltheit der professionellen Aufführung, denn es kann nicht mehr in Frage gestellt werden, wer der Sieger des Kampfes ist. Das kathartische Moment des umfallenden Boxers/ der umfallenden Boxerin „geht weit über das hinaus, was in anderen Aufführungsformen sichtbar wird“ (Baratella 2012: 340, FN 4). Legendäres Beispiel für die „totale Entscheidung“ (Junghanns und Alkemeyer 2010: 10f.) des K. o. ist der Sieg von Max Schmeling über Joe Louis am 19. Juni 1936. Beeindruckend ist vor allem die ikonographische Fotografie des in die Luft springenden Schmelings bei gleichzeitigem Auszählen des am Boden liegenden Louis. Der Sinn des Wettkampfes zeigt sich – so könnte man diese Deutung fortführen – an dessen Ende, im Ausdruck der Kampfunfähigkeit des unterlegenen Boxers/ der unterlegenen Boxerin, und weniger am Verlauf des Schlagabtausches. Das für das Amateurboxen typische Punktesystem verlangt in seiner Konstellation Ego (Boxer*in A), Alter (Boxer*in B) und Tertius (Kampfrichter*in) eine präzise Beobachtung des Wettkampfgeschehens, denn schon einige wenige Schläge können einen Unterschied für den Ausgang des Wettkampfes machen. Der Anspruch der Chancengleichheit erfordert das urteilende Zählen; nur so kann die Offenheit des Wettkampfausgangs gewährleistet werden.

Der bürgerliche Amateurgedanke, „gleichsam das Skelett des Sportsgeistes“ (Schürmann 2006: 370), ist eine normative Wette auf die Performativität des sportlichen Wettkampfes. Die Kodifizierung des Punktesystems dient dazu, diese Performativität zu schützen, indem sie die soziale Vermitteltheit des sportlichen Leistungsvergleichs sichtbar macht. Diese Vermitteltheit ermöglicht es, den Gegner/die Gegnerin als eine ebenbürtige Wettkampfpartei anzuerkennen, mit der es auf eine faire Weise um den Sieg zu konkurrieren gilt. Ausgeschlossen ist damit der Anspruch, den Gegner/die Gegnerin als ein Objekt der Beherrschung zu instrumentalisieren (Schürmann 2017: 55), wie es im vormodernen Duellwesen und den frühneuzeitlichen Faustkämpfen im Medium der Ehre der Fall war. Ebenso ist die interne Verknüpfung von professionellem Boxen und K. o., die mit den Queensberry Rules hergestellt worden ist, eine Form der Naturalisierung des Sozialen, insofern die sportlichen und gesellschaftlichen Strukturen von einem Interaktionsgeschehen abgelöst werden, das dem unterlegenen Körper (für eine kurze Zeit) seinen Subjektstatus entzieht.

4 Schlussbemerkung: Sport und politische Moderne

Die Modernität des modernen Boxens besteht in der politischen Form des Amateurgedankens, die das politische Grundprinzip der Gleichheit in Form eines Vergleichs gleicher Leistungen zur Darstellung bringt. Gleichheit der Leistungen heißt nicht, dass die Wettkampfgegner*innen empirisch die gleichen Leistungen erbringen. Leistungen die Form der Gleichheit zu geben, heißt, Leistungen so zu behandeln, ‚als ob‘ es gleiche, d.h. vergleichbare Leistungen sind. Das mit den Queensberry Rules für das Amateurboxen eingeführte Punktesystem macht diesbezüglich einen Vorschlag, als was eine boxerische Handlung zählt. Dieser Vorschlag hat nicht nur eine quantitative Dimension, sondern artikuliert zugleich die Grenze zu dem, was nicht mehr Boxen ist. Dieses Andere des modernen Boxens ist das Duell um Ehre, denn das Duell bringt eine traditionelle Ordnung der Ungleichheit zum Ausdruck. Diese Differenz bekommt man zu Gesicht, indem das moderne Boxen mit der bürgerlichen Form des Amateurboxens identifiziert wird. Im Unterschied zum Profiboxen geht es im Amateurboxen in seinem Kern nicht darum, „aus der Voraussetzung völliger Gleichheit eine Situation absoluter Ungleichheit [...] zu schaffen“ (Baratella 2015: 96), sondern die Chancengleichheit performativ durch die Praxis des Zählens in Geltung zu setzen. Die Leistung zweier Kontrahent(*inn)en zu zählen ist dabei nicht nur ein mathematischer, sondern und vor allem ein politischer Aushandlungsprozess. Dass Zählen nicht einfach bedeutet, eine Tatsache in numerischer Form abzubilden, zeigt sich schon in den unterschiedlichen Urteilen, zu denen die Kampfrichter*innen kommen (können).

Diese Konzentration des Amateurboxens auf das Punktesystem ist nicht allein in einem emphatischen Sinne ein Symptom dafür, dass das moderne Boxen in der politischen Moderne (der bürgerlichen Revolutionen und ihrer Erklärung der Menschen- und Bürgerrechte) gestaltet wird. Eine Zahl droht für etwas punktuell Gegebenes genommen zu werden, das ohne einen Kontext der Sinnstiftung auskommt. Dieser sinnstiftende Kontext ist im modernen Boxen wesentlich durch das Amateurprinzip der athletics und damit durch die Grenze von Boxen und Nicht-Boxen geprägt. Die Bestimmung des Nicht-Boxens als ehrenhaftes Duell ist ein politischer Akt, deren politischer Grund das Prinzip der Gleichheit ist. Im modernen Boxen Punkte zu zählen bedeutet somit immer auch, sich responsiv zur politischen Moderne zu verhalten und die Autonomie des modernen Sports als etwas Gutes (und nicht nur als etwas sachlich-funktionales) anzuerkennen. Ein solches Verhalten ist kein Reflex, sondern ein Urteil, dem ein normativer Maßstab zur Unterscheidung von Boxen und Nicht-Boxen (sowie von sportlichen und unsportlichen Handlungen) immanent ist. In einem sehr abstrakten Sinne fällt dieser Maßstab mit dem Begriff der Fairness zusammen, wobei dieser Maßstab keine Anleitung dafür bietet, wie ein Schlag zu gewichten ist. Klar scheint nur zu sein, dass nur solche Schläge gezählt werden können, die auf eine faire Art und Weise ausgeteilt werden. Welche Schläge jedoch als unfair (unsportlich) und welche Schläge als nicht-fair (sondern als ehrenhaft oder – in einer anderen gesellschaftstheoretischen Lektüre – als gewaltsam) gelten, ist kein Gegenstand einer theoretischen Diskussion; wohl aber Gegenstand einer boxinternen Diskussion, sofern das gegenwärtige Boxen noch als Ausdruck der politischen Moderne verstanden werden kann.

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Published Online: 2021-08-14
Published in Print: 2021-08-26

© 2021 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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