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BY 4.0 license Open Access Published by De Gruyter 2024

Moralische Kategorien und moralisierende Strategien im erinnerungskulturellen Umgang mit den ehemaligen Geiseln der entführten Lufthansamaschine „Landshut“

From the book Moral und Moralisierung

  • Cord Arendes

Zusammenfassung

Der Beitrag fragt nach moralischen Kategorien und moralisierenden Strategien beim Umgang mit den ehemaligen Geiseln der im Oktober 1977 entführten Lufthansamaschine „Landshut“.1 Anhand einer größeren Zahl von Artikeln aus Tages- und Wochenzeitungen wird der erinnerungskulturelle Umgang mit dieser speziellen Gruppe von Opfern der Rote Armee Fraktion (RAF) in der öffentlichen Presseberichterstattung in Deutschland für die Jahre 2007 und 2017, das heißt die dreißigste und die vierzigste Wiederkehr des „Deutschen Herbstes“, analysiert. Dabei geht es nicht um die moralische Aufladung/Rechtfertigung entweder der Befürwortung oder der strikten Ablehnung von terroristischer - und damit in letzter Konsequenz auch staatlicher - Gewalt durch die Zeitgenoss:innen im Jahr 1977. Stattdessen werden die öffentlichen Diskurse rund um die „Landshut“ 2007 und 2017 als Moralisierungsprozesse gelesen und in diesen Prozessen nach Kontinuitäten und Diskontinuitäten sowie nach der Rolle von Journalist:innen (Stichwort „Agenda-Setting“) gefragt. Zwar lässt sich mit Blick auf die Ereignisgeschichte des „Deutschen Herbstes“ insgesamt durchaus von einem tradierten Diskurssetting sprechen, der Umgang mit den Opfern hat sich, nicht zuletzt als Folge der von diesen selbst über einen langen Zeitraum eingesetzten moralisierenden Strategien, aber stark verändert: Diese konnten sich zunehmend aktiv in den öffentlichen Diskurs einbringen und in der Berichterstattung das moralische Element darstellen. Zudem wurden die moralisierenden Strategien der Opfer zum Teil auch von der Politik übernommen. Der Beitrag zielt insgesamt darauf ab, einen vielstimmigen Moralisierungsdiskurs, der auch die grundlegende Frage nach Leben oder Tod beinhaltet, an einem ausgewählten Fallbeispiel aus Sicht einer kulturwissenschaftlich inspirierten zeithistorischen Forschung zu erfassen, zu kategorisieren und kritisch einzuordnen.

Abstract

This essay examines moral categories and moralizing strategies with reference to the former hostages of the Lufthansa flight 181 known as “Landshut” highjacked in October 1977. The research is based on daily and weekly newspaper articles. The work analyzes the culture of memorializing this group of victims of the Red Army Fraction (RAF) in public press coverage in Germany during the years 2007 and 2017, the thirtieth and fortieth reoccurrences of the “German Autumn.” The focus of this essay is not on the moral charging or moral justification of the advocacy or the strict rejection of terrorist violence - and, in the end, state violence - by contemporaries in 1977. Rather, the work shows how public discourses surrounding the “Landshut” in 2007 and 2017 were processes of moralization and examines various continuities and discontinuities as well as the role of the journalists involved (known as “agenda setting”). While one can speak of traditional agenda setting regarding the timeline of events of the “German Autumn”, the way in which the victims have been treated has changed considerably, not least because of the moralization strategies of the victims themselves over time. The latter became increasingly active in the public discourse and came to represent the moral element in the reporting. Moreover, the moralizing strategies of the victims were adopted to an extent by politicians. From a cultural history perspective, the essay aims to collect, categorize, and critically classify a selected case study of a polyphonic moralizing discourse, including the fundamental question concerning life and death.

© 2024 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston
Downloaded on 7.5.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/9783111284316-005/html
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