Skip to main content
Log in

Brentano und Kleist vor Friedrichs Mönch am Meer Aspekte eines Umbruchs in der Geschichte der Wahrnehmung

  • Published:
Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

In den “Empfindungen vor Friedrichs Seelandschaft” von Brentano und Kleist läßt sich ein wahrnehmungsgeschichtlich signifikanter Bruch nachweisen. Geht Brentano von der romantischen Konzeption der Sehnsucht aus, so stehen hinter dem Text Kleists die Theorie des Erhabenen und die Assoziation des Panoramas. Diese konkurrierenden Positionen gründen in unterschiedlichen Begriffen vom Subjekt.

Abstract

In the “Empfindungen vor Friedrichs Seelandschaft” by Brentano and Kleist we can trace a break which is relevant in terms of the history of perception. While Brentano bases his argument on the Romantic concept of longing (“Sehnsucht”), Kleist’s text is influenced by the theory of the sublime and the association of the panorama. These competing positions arise from different concepts of the subject.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this article

Price excludes VAT (USA)
Tax calculation will be finalised during checkout.

Instant access to the full article PDF.

Literature

  1. Zeitung für die elegante Welt (1810), Sp. 1880, zit. n. Helmut Börsch-Supan und Karl Wilhelm Jähnig, Caspar David Friedrich: Gemälde, Druckgraphik und bildmäßige Zeichnungen (1973), S. 76.

    Google Scholar 

  2. Reinhold Steig, Heinrich von Kleists Berliner Kämpfe (1901), S. 262–268.

    Google Scholar 

  3. –Helmut Sembdner, Die Berliner Abendblätter Heinrich von Kleists, ihre Quellen und ihre Redaktion (1939), S. 180–184.—Seit der zweiten, vermehrten und revidierten Auflage (1961) der von Sembdner herausgegebenen Kleist-Ausgabe des Hanser-Verlages kann man sich über den philologischen Sachverhalt an gut zugänglicher Stelle informieren.

    Google Scholar 

  4. _Das von Brentano und Arnim gemeinsam geschriebene Manuskript befindet sich im Besitz des Freien Deutschen Hochstifts in Frankfurt. Über die Verfasserschaft schreibt Gerhard Kurz, “Vor einem Bild: Zu Clemens Brentanos ‘Verschiedene Empfindungen vor einer Seelandschaft von Friedrich, worauf ein Kapuziner,’” JbFDH (1988), 128–140, hier 128

    Google Scholar 

  5. “Von Brentanos Hand ist der erste Teil. Er umfaßt rund vier Fünftel des Ganzen und endet mit dem frivolen Dialog zwischen der Dame und einem Führer. Mit ‘Während der ganzen Zeit hatte ein glimpflicher langer Mann mit einigen Zeichen von Ungeduld zugehört …’ beginnt der zweite Teil in Achim von Arnims Handschrift. Der letzte Satz (‘Diese Rede gefiel mir so wohl…’) stammt wieder von Brentano. Diese Aufteilung deutet darauf hin, daß die jeweiligen Teile tatsächlich von den Schreibern formuliert wurden und nicht der eine diktiert, der andere aufgeschrieben hat.” (Zu Autorschaft und Textgeschichte vgl. jetzt auch Roswitha Burwick, “Verschiedene Empfindungen vor Friedrichs Seelandschaft: Arnim, Brentano, Kleist,” ZfdPh, 107, Sonderheft [1988], 33–44.) Die von Kleist übernommenen Teile stammen durchweg von Brentano und rechtfertigen die Verfassersigle “cb.” in den Abendblättern. Vollständig publiziert wurde Brentanos und Arnims Vorlage unter dem Titel “Verschiedene Empfindungen vor einer Seelandschaft von Friedrich, worauf ein Kapuziner” erstmals am 28. 1. 1826 in der in Frankfurt erschienenen Zeitschrift Iris. Unterhaltungsblatt für Freunde des Schönen und Nützlichen mit der Verfassersigle “B. A.” (Nr. 20, 77f.). Vgl. den Ausstellungskatalog des FDH Dichter der deutschen Romantik: Zeugnisse aus dem Besitz des Freien Deutschen Hochstifts (1976), S. 62f.; dort S. 60f. ein faksimilierter Teil des Manuskripts. Auf die Publikation in der Iris geht die zunächst irritierende Jahresangabe 1826 des nächsten Textabdrucks zurück: Clemens Brentano’s Gesammelte Schriften, hrsg. Christian Brentano, IV (1852), S. 424–429 (im folgenden abgekürzt mit GS). Diese Wiedergabe, die—bis auf zwei minimale Abweichungen—im Wortlaut mit dem /ns-Druck identisch ist, jedoch in Interpunktion, Orthographie und graphischer Anordnung der Dialoge deutlich variiert, hat man lange Zeit für den Erstdruck gehalten.—Wie Friedhelm Kemp in den Anmerkungen zu der Brentano-Ausgabe des Hanser-Verlags (2. Aufl. [1973], II, 1219) zu der Auffassung kommt, der Text beziehe sich auf “die 1931 im Münchener Glaspalast verbrannte ‘Seelandschaft mit Kapuziner’ von Caspar David Friedrich,” bleibt rätselhaft. Bei dem Brand ist weder ein Gemälde dieses Titels zerstört worden, noch können die beiden im Glaspalast ausgestellten Seelandschaften (“Dame am Meeresstrand,” “Abend am Ostseestrand”) als Gegenstand von Brentanos und Arnims Text in Frage kommen. Vgl. Georg Jacob Wolf, Verlorene Meisterwerke deutscher Romantiker: Mit einer Einleitung und beschreibendem Katalog (1931), Nr. 21, S. 17 und Nr. 26, S. 18; Abb. auf Tafel XVI.

    Google Scholar 

  6. Die Kleist-Forschung hat sich nur sporadisch mit dem Text befaßt. Wo man eine Interpretation erwarten würde, etwa in den neueren Untersuchungen zu den Abendblättern (Heinrich Aretz, Bodo Rollka) oder in Arbeiten, die sich mit Kleists Verhältnis zur bildenden Kunst beschäftigen, wird er meist gar nicht oder allenfalls beiläufig erwähnt; eine Ausnahme bildet hier lediglich H.M. Brown, “’Zwischen Erde und Himmel’: Kleist and the Visual Arts, with Special Reference to Caspar David Friedrich,” German Life and Letters, 31 (1977/78), 157–166, hier 159–164. Eine Analyse vermißt man überdies in einigen Untersuchungen, die den Text immerhin ansprechen und würdigen: Steig (Anm. 5), 262–268.—Helmut Rehder, Die Philosophie der unendlichen Landschaft: Ein Beitrag zur Geschichte der romantischen Weltanschauung (1932), S. 175f. Ähnliches gilt letztlich auch für Peter Gebhardts Aufsatz, dessen Titel ernstzunehmen ist: “Notizen zur Kunstanschauung Heinrich von Kleists,” Euphorion, 77 (1983), 483–499, hier 486–488. Ausführlicher neuerdings: Roswitha Burwick (Anm. 6). Eine größere Untersuchung wird demnächst Andreas Ammer als Einleitung zu seiner noch ungedruckten Dissertation vorlegen: Horrorgraphie: Das Aufschreiben der Angst und die Schrecken der Schrift als Mikromechanik des Sinns im klassischen Zeitalter deutscher Literatur (Diss. München 1989).—Auch auf Seiten der Kunsthistoriker hat der Text natürlich Interesse gefunden. Einen streckenweise recht problematischen Interpretationsversuch hat Helmut Börsch-Supan unternommen: “Bemerkungen zu Caspar David Friedrichs ‘Mönch am Meer,’“ Zs. d. dt. Vereins für Kunstwissenschaft, 19 (1965), 63–76, hier 70ff. Auf Kleists Bild der weggeschnittenen Augenlider beschränken sich Werner Hofmanns anregende und fruchtbare Bemerkungen: Das irdische Paradies: Kunst im 19. Jahrhundert (1960), S. 78f. Mit derselben Metapher beschäftigt sich Jörg Traeger, der allerdings mehr den kunstgeschichtlichen und bildtheoretischen Kontext (David und Turner) analysiert als Kleists Text oder Friedrichs Gemälde: “’… Als ob einem die Augenlider weggeschnitten wären’: Bildtheoretische Betrachtungen zu einer Metapher von Kleist,” Kleist-Jb. (1980), 86–106. In seinem dem Mönch am Meer gewidmeten kleinen Exkurs geht neuerdings auch Manfred Momberger auf Kleists Metapher ein: Sonne und Punsch: Die Dissemination des romantischen Kunstbegriffs bei E.T.A. Hoffmann (1986), S. 149.—Zu nennen ist schließlich die schmale Forschung zu Brentanos und Arnims Vorlage. Neben den Bemerkungen von Susanne Harms, Clemens Brentano und die Landschaft der Romantik: Mit besonderer Berücksichtigung seiner Beziehungen zur romantischen Malerei (Diss. Würzburg 1932), S. 25f., vgl. Marshall Brown, The Shape of German Romanticism (1979), S. 69–78. Eine ausführliche Analyse, die sich aber mit der hier vorgenommenen nicht deckt, hat erst jüngst Gerhard Kurz vorgelegt (Anm. 6).

    Article  Google Scholar 

  7. Eine Auswahl: Werner Sumowski, Caspar David Friedrich-Studien (1970), S. 34

    Google Scholar 

  8. “… Kleist, der kongeniale Deuter des ‘Mönchs am Meer.’”—Börsch-Supan/Jähnig (Anm. 2), S. 303: “… da das Bild… von Heinrich von Kleist in einem enthusiastischen Aufsatz besprochen ist…”—Sembdner (Anm. 5), S. 184: “Auch ist die Behauptung Kleists, daß einem bei der Betrachtung gleichsam die Augenlider weggeschnitten wären, nicht gerade als ein Lob aufzufassen.”—Momberger (Anm. 9), S. 149: “Kleist erlebt das Bild als Gewalttat…”—Eckart Kleßmann, Die deutsche Romantik, 4. Aufl. (1987), S. 121: “Wirklich begriffen hat wahrscheinlich keiner dieser drei Autoren den ‘Mönch am Meer’”

    Google Scholar 

  9. Das ist die verbreitetere Variante. Vgl. Hubert Schrade, “Philipp Otto Runge und Caspar David Friedrich,” Die Großen Deutschen: Neue Deutsche Biographie, hrsg. Willy Andreas und Wilhelm von Scholz (1936), III, 113–139, hier 131.—Caspar David Friedrich: Katalog der Hamburger Kunsthalle, hrsg. Werner Hofmann (1974), S. 163.—Traeger, “Metapher” (Anm. 9), S. 90.—Ders., “Philipp Otto Runge und Caspar David Friedrich,” Runge: Fragen und Antworten. Ein Symposion der Hamburger Kunsthalle (1979), S. 96–114, hier S. 110.—Rolf Günter Renner, “Schrift-Bilder und Bilder-Schriften: Zu einer Beziehung zwischen Literatur und Malerei,” Freiburger Universitätsblätter, 85 (Okt. 1984), 35–58, hier 49.

    Google Scholar 

  10. Herbert von Einem, “Die Symbollandschaft der deutschen Romantik,” Stil und Überlieferung: Aufsätze zur Kunstgeschichte des Abendlands (1971), S. 210–226, hier S. 221.

    Google Scholar 

  11. –Hans Ost, Einsiedler und Mönche in der deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts (1971), S. 108, HO.–Philologische Kunde aus weiter Ferne auch bei Schrade (Anm. 13), S. 130: “… in den Galeriegesprächen…, die Brentano, Arnim und Kleist anläßlich der Ausstellung des ‘Mönchs am Meer’ in der Berliner Akademie erlauschten und in den ‘Abendblättern’ (1810) veröffentlichten.” Das führt auf ein editionsgeschichtlich nicht uninteressantes Faktum: Tatsächlich nämlich kursieren nach wie vor Textwiedergaben, die derartigen Gerüchten entsprechen. Eine dem Triumvirat Kleist, Brentano und Arnim zugeschriebene, mit neuer Absatzgliederung versehene und nur als hanebüchen zu bezeichnende Klitterung aus dem Text der Abendblätter und der dort gestrichenen Fortsetzung Brentanos und Arnims findet sich in Caspar David Friedrich in Briefen und Bekenntnissen, hrsg. Sigrid Hinz, 2. Aufl. (1974), S. 213–217. Hinz hat ihren Text der von Kurt Karl Eberlein herausgegebenen Ausgabe: Caspar

    Google Scholar 

  12. David Friedrich, Bekenntnisse (1924), S. 250ff.

    Google Scholar 

  13. entnommen. Eberlein wiederum dürfte von den kompilatorischen Künsten Otto Fischers inspiriert worden sein. Vgl. dessen Ausgabe: Caspar David Friedrich, Die romantische Landschaft: Dokumente und Bilder (1922), S. 1ff. Noch von Einem, S. 221, und Ost, S. 108, gehen auf Eberlein zurück. Es muß hingegen kaum erwähnt werden, daß auch die älteren Kleist-Ausgaben den korrekten Text der Abendblätter enthalten, vgl. etwa Heinrich von Kleists Werke, im Verein mit Georg Minde-Pouet und Reinhold Steig hrsg. Erich Schmidt (o.J. [1904/05]), IV, 230f. (vgl. S. 405 zur Verfasserschaft).

    Google Scholar 

  14. Die ergiebigsten Ansätze zur Analyse der Sehnsuchtsthematik finden sich bei Hans Jürgen Skorna, Das Wanderermotiv im Roman der Goethezeit (Diss. 1961), S. 101 ff., 108ff.–

    Google Scholar 

  15. Heinz Hillmann, Bildlichkeit der deutschen Romantik (1971), S. 64ff., 131 ff., 228 ff.–

    Google Scholar 

  16. Lothar Pikulik, “Bedeutung und Funktion der Ferne bei Eichendorff,” Aurora, 35 (1975), 21–34.–Ders., Romantik als Ungenügen an der Normalität: Am Beispiel Tiecks, Hoffmanns, Eichendorffs (1979), S. 361 ff., 397ff. Vgl. ferner auch Theodore Gish, “’Wanderlust’ and ‘Wanderleid’: The Motif of the Wandering Hero in German romanticism,” Studies in Romanticism, 3 (1963/64), 225–239.

    Google Scholar 

  17. Ludwig Tieck, William Lovell, hrsg. Walter Münz (1986), S. 107, 124.–E.T.A. Hoffmann, Leb ens-Ansichten des Katers Murr, ders., Die Elixiere des Teufels. Lebens-Ansichten des Katers Murr, Nachwort Walter Müller-Seidel (1961), S. 356.–Vgl. Hillmann (Anm. 21), S. 66.

  18. Ludwig Tieck, Franz Sternbalds Wanderungen, hrsg. Alfred Anger (1966), S. 310, S. 297f.–

  19. Clemens Brentano, Godwi oder Das steinerne Bild der Mutter, Werke, hrsg. Friedhelm Kemp, 2. Aufl. (1973), II, 149.–

  20. Joseph von Eichendorff, Ahnung und Gegenwart, Werke, II (1970), S. 37f., S. 69f.–Vgl. auch Eichendorff, Eine Meerfahrt, ebd. S. 744.

    Google Scholar 

  21. Stringent wird diese Problematik beschrieben bei Peter von Matt, Die Augen der Automaten: E.T.A. Hoffmanns Imaginationslehre als Prinzip seiner Dichtkunst (1971), S. 38–75.

    Book  Google Scholar 

  22. Eichendorff, Ahnung und Gegenwart (Anm. 27), S. 216.–Vgl. Tieck, Der getreue Eckart und der Tannenhäuser, ders., Phantasus, hrsg. Manfred Frank (1985), S. 174.

  23. In Novalis, Schriften, hrsg. Paul Kluckhohn und Richard Samuel, 3. Aufl., I (1977), S. 205.–Am prägnantesten wird dieser Zusammenhang in Tiecks Erzählung Der getreue Eckart und der Tannenhäuser (Anm. 40), S. 173 f.: “Ich kann dir nicht ausdrücken, welche Wehmut, welche unaussprechliche Sehnsucht mich plötzlich ergriff,… wenn ich dem Zug der Wolken nachsähe, die lichte herrliche Bläue erblickte, die zwischen ihnen hervordrang … Oft ergriff mich die Lieblichkeit und Fülle der herrlichen Natur, daß ich die Arme ausstreckte und wie mit Flügeln hineinstreben wollte, um mich wie der Geist der Natur über Berg und Tal auszugießen, und mich in Gras und Büschen allseitig zu regen “ Vgl. ebd. S. 178.–Jean Paul, Flegeljahre, Werke in zwölf Bänden, hrsg. Norbert Miller (1975), IV, 717: “Wohin ich nur blicke, so find’ ich mein liebes Blau, am Flachs in der Blüte, an den Kornblumen und am göttlichen unendlichen Himmel, in den ich gleich hineinspringen möchte wie in eine Flut.”

    Google Scholar 

  24. Zum Problem vgl. besonders Dieter Arendt, Der ‘poetische Nihilismus’ in der Romantik: Studien zum Verhältnis von Dichtung und Wirklichkeit in der Frühromantik (1972), v.a. I, 130–181.

    Google Scholar 

  25. Caspar David Friedrich: Katalog der Hamburger Kunsthalle (Anm. 13), S. 41 f.–Zur Rückenfigur bei Friedrich vgl. ferner Willi Wolfradt, Caspar David Friedrich und die Landschaft der Romantik (1924), S. 41 ff.–Herbert von Einem, “Symbollandschaft” (Anm. 14), S. 223.–Ders., “Ein Vorläufer Caspar David Friedrichs?,” ebd., S. 227–235.–Sumowski (Anm. 10), S. 24.–Caspar David Friedrich: Auge und Landschaft. Zeugnisse in Bild und Wort, hrsg. Gerhard Eimer (1974), S. 47f.

    Google Scholar 

  26. Ebd. S. 76f. Auf die Entzweiungsthematik haben auch hingewiesen: Inge Fleischer, Berthold Hinz, Inge Schipper, Roswitha Mattausch, “Friedrich in seiner Zeit: Das Problem der Entzweiung,” Caspar David Friedrich und die deutsche Nachwelt, hrsg. Werner Hofmann (1974), S. 17–26, v.a. S. 19ff. Wie nicht anders zu vermuten, ist diese Auffassung in der Friedrich-Forschung keineswegs unumstritten. Den gegenteiligen Standpunkt vertritt etwa Sumowski (Anm. 10), S. 23 f.

    Google Scholar 

  27. Abbildungen bei Börsch-Supan, Mönch am Meer (Anm. 9), S. 68 f.–Auf einen früheren Zustand des Bildes bezieht sich offenbar auch der erst kürzlich aufgefundene kleine Selbstkommentar Friedrichs, mitgeteilt bei Helmut Börsch-Supan, “Berlin 1810. Bildende Kunst: Aufbruch unter dem Druck der Zeit,” Kleist-Jb. (1987), S. 52–75, hier S. 74f.

    Google Scholar 

  28. August Langen, Anschauungsformen in der deutschen Dichtung des IS. Jahrhunderts: Rahmenschau und Rationalismus (1934; Neudruck 1965), S. 8.

    Google Scholar 

  29. Die Art und Weise der Raumgestaltung Friedrichs hat schon früh für Aufregung gesorgt. In seiner 1809 erschienenen Polemik gegen den “Tetschener Altar” bemerkt Friedrich Wilhelm Basilius von Ramdohr: “Die Landschaftsmalerei legt dagegen eine Fläche vor mir nieder, auf der sie mir eine Menge von Gegenständen… szenenartig hintereinander herreiht, die sie mir stets in einiger Entfernung zeigt Wie angenehm gleitet in diesen letzten [d.h. den Landschaften Poussins] das Auge von einem Plane zum anderen… so folgt daraus, daß die schöne Landschaft durchaus mehrere Plane darstellen muß, an der sich die Wohlgestalt der Linienperspektive zeigen kann, und daß die Darstellung eines einzelnen Körpers aus einer Landschaft, wie etwa eines Baumes, einer Felsenspitze, eines Hauses, einer stillstehenden Wasserfläche, gar nicht vor sie gehören.” Zit. n. Hinz (Hrsg.), Caspar David Friedrich in Briefen und Bekenntnissen (Anm. 14), S. 139ff. In einem Brief an den Akademieprofessor Schulz vom 8. 2. 1809 hat Friedrich (der hier von sich in der 3. Pers. spricht) diese normative Zumutung charakteristischerweise zurückgewiesen: “Die unbedingte Forderung des Kammerherrn von Ramdohr, daß eine Landschaft durchaus mehrere Plane darstellen muß, erkennt Friedrich nicht an.” Zit. ebd. S. 152.–Zur Raumgestaltung Friedrichs, insbesondere im Mönch am Meer, und ihrem Unterschied gegenüber der Tradition vgl. Hof mann, Das irdische Paradies (Anm. 9), S. 78f.–Helmut Börsch-Supan, Die Bildgestaltung bei Caspar David Friedrich (Diss. 1960), S. 5–20 (zum Mönch am Meer S. 5-7).–Ders., Mönch am Meer (Anm. 9), S. 64ff.–Eimer (Hrsg.), Auge und Landschaft (Anm. 47), S. 54, 59.–Traeger, “Metapher” (Anm. 9), S. 88f.–

    Google Scholar 

  30. Matthias Eberle, Individuum und Landschaft: Zur Entstehung und Entwicklung der Landschaftsmalerei (1980), S. 228 f. u.ö.

    Google Scholar 

  31. Zum Erhabenen in der Natur und zum folgenden vgl. Christian Begemann, Furcht und Angst im Prozeß der Aufklärung: Zu Literatur und Bewußtseinsgeschichte des 18. Jahrhunderts (1987), S. 97–164.–Zur Konjunktur des Begriffs des Erhabenen vgl. ders., “Erhabene Natur: Zur Übertragung des Begriffs des Erhabenen auf Gegenstände der äußeren Natur in den deutschen Kunsttheorien des 18. Jahrhunderts,” DVjs, 58 (1984), 74–110.–

    Google Scholar 

  32. Carsten Zelle, “Angenehmes Grauen”’: Literaturhistorische Beiträge zur Ästhetik des Schrecklichen im 18. Jahrhundert (1987), S. 80ff., 203ff. u.ö.

    Google Scholar 

  33. Immanuel Kant, Kritik der Urteilskraft, Werke in zehn Bänden, hrsg. Wilhelm Weischedel (1957), VIII, B 104, S. 349.

  34. “Die Alpen,” Die Alpen und andere Gedichte, hrsg. Adalbert Elschenbroich (1974), S. 15 f., V. 325–330.

  35. Es wird hieraus deutlich, daß das Verhältnis der Landschaften Friedrichs zu den Theorien des Erhabenen komplizierter ist, als es häufig dargestellt wird. Das Urteil einer neueren Untersuchung jedenfalls–“Was Kant in seiner Analyse des ästhetischen Urteils auf theoretischer Ebene diskutiert, bringt Caspar David Friedrich anschaulich ins Bild: Erhabene Natur”–scheint mir mit Blick auf Kleists Reaktion revisionsbedürfig. Denn diese erweist gerade, daß es, zumindest mit Bezug auf den Bildbetrachter, durchaus unzutreffend ist, zu sagen: “Nicht ‘Der Mönch am Meer’ oder der ‘Wanderer über dem Nebelmeer’ als Individuen, wohl aber als Figurationen des ästhetischen Subjekts, ebenso der Maler selbst, der das Bild gestaltet, und der Betrachter schließlich, befinden sich in jener Sicherheit, die ästhetisches Genießen möglich macht.” Barbara Ränsch-Trill, “’Erwachen erhabener Empfindungen bei der Betrachtung neuerer Landschaftsbilder’: Kants Theorie des Erhabenen und die Malerei Caspar David Friedrichs,” Kant-Studien, 68 (1977), 90–99, hier 91 f. Die zitierte Untersuchung zeigt, wie problematisch es ist, einfach Kants theoretische Äußerungen auf Friedrichs Gemälde zu projizieren, ohne den historischen Stand der Wahrnehmung zu berücksichtigen.

    Google Scholar 

  36. Über Geschichte und Vorgeschichte des Panoramas unterrichtet anschaulich Stephan Oettermann, Das Panorama: Die Geschichte eines Massenmediums (1980), v.a. die Einleitung, S. 7–40. Zum Panorama, seinem wahrnehmungsgeschichtlichen Kontext (insbesondere der nachaufklärerischen Tendenz zur Entrahmung der Bilder) und seinen kognitiven und sozialhistorischen Funktionen vgl. Koschorke, Geschichte des Horizonts (Anm. 64).

    Google Scholar 

  37. An Wilhelmine von Zenge, 16. 8. 1800, in Kleist, Werke (Anm. 7), II, 518f.–Zum Illusionismus der Panoramen vgl. Oettermann (Anm. 81), S. 41.–Günter Hess, “Panorama und Denkmal: Erinnerung als Denkform zwischen Vormärz und Gründerzeit,” Literatur in der sozialen Bewegung: Aufsätze und Forschungsberichte zum 19. Jahrhundert, hrsg. Alberto Martino (1977), S. 130–206, hier S. 136ff.

    Google Scholar 

  38. Günther Grundmann, “Fragmente zu einem ‘Riesengebirgspanorama’ Caspar David Friedrichs?,” Schlesien, 4 (1959), 148–152.–Ders., “Caspar David Friedrich: Topographische Treue und künstlerische Freiheit, dargestellt an drei Motiven des Riesengebirgspanorams von Bad Warmbrunn aus,” Jb. der Hamburger Kunstsammlungen, 19 (1974), 89–105. Kritik daran bei Börsch-Supan/Jähnig (Anm. 2), S. 200.

    Google Scholar 

  39. Gerhard Eimer, “Thomas Thorild und Caspar David Friedrich,” Jb. der Hamburger Kunstsammlungen, 19 (1974), 37–42.–Ders. (Hrsg.), Auge und Landschaft (Anm. 47), S. 35–41 u.ö.–Zur Auseinandersetzung vgl. Sumowski (Anm. 10), S. 14f.

    Google Scholar 

  40. “Was Bentham wollte, war die radikale Säkularisation der göttlichen Allschau, die Demokratisierung des göttlichen Blicks durch Internalisierung “ Oettermann (Anm. 81), S. 35, vgl. auch S. 34ff.–Zu Benthams Panopticon auch Michel Foucault, Überwachen und Strafen: Die Geburt des Gefängnisses, 3. Aufl. (1979), S. 256ff.

    Google Scholar 

  41. Zu diesen Zusammenhängen vgl. Oettermann (Anm. 81), S. 22ff. “Während die Bilder der ‘idealen Landschaft’ dadurch, daß sie die ‘ganze Welt’ abbildeten, in das ihrer Komposition zugrunde liegende Sinngefüge eingebettet und von ihm gehalten wurden, haftete den maschinengefertigten Veduten trotz aller topographischen Bestimmtheit etwas Haltloses, Vereinzeltes an Die aus lauter ‘Nebensächlichkeiten’ und Zufälligkeiten zusammengesetzte Vedute verwies nicht mehr auf ein bestimmtes Sinngefüge, das im Idealen Landschaftsbild durch den Fernblick auf einen wichtigen Fluchtpunkt hin symbolisiert wurde, sondern verwies nur noch auf die außerhalb des Ausschnitts liegenden, nicht abgebildeten Nebensächlichkeiten. Die dargestellten Einzelheiten hatten nicht mehr einen Fluchtpunkt, auf den sie sich bezogen, sondern die unzähligen Details wurden nur noch vom Horizont zusammengehalten Mit einem Wort: der Ausschnitt drängte zur Vervollständigung … Das Drängen des Horizonts drohte die Vedute zu sprengen…” (ebd. S. 24).–Zu diesem Problem vgl. auch die Bemerkungen von Wolfgang Kemp, “Perspektive als Problem der Malerei des 19. Jahrhunderts,” Kunst als Bedeutungsträger: Gedenkschrift für Günter Bandmann, hrsg. Werner Busch, Reiner Haussherr und Eduard Trier (1978), S. 405–416, hier S. 406, 408.

    Google Scholar 

  42. In Kleists Werk finden sich meines Wissens keine weiteren Äußerungen zu Ossian und Kosegarten, die über deren Einschätzung durch Kleist Aufschluß gäben. Auch der Blick auf ihre Beurteilung durch das ‘Publikum,’ an das Kleist sich ja wendet, hilft nur begrenzt weiter. Erfreuen sich die–jedenfalls auf dem Kontinentnoch kaum als ‘moderne’ Schöpfungen rezipierten Werke “Ossians” um 1800 einer weithin ungebrochenen Hochschätzung–vgl. Ossian und die Kunst um 1800: Katalog der Hamburger Kunsthalle (1974).–Zu den Hintergründen: Herbert Schöffler, “Ossian: Hergang und Sinn eines großen Betrugs,” Deutscher Geist im 18. Jahrhundert: Essays zur Geistes- und Religionsgeschichte (1956), S. 135–154–, so scheint das literarische Gewicht von Ludwig Gotthard [Theobul] Kosegarten durchaus umstritten gewesen zu sein. Die Bedeutung Kosegartens für Runge und Friedrich ist bekannt–vgl. Sumowski (Anm. 10), S. 11 ff.–Ost (Anm. 14), S. 112ff.–Runge in seiner Zeit: Katalog der Hamburger Kunsthalle (1978), passim–, ebenso aber auch seine skeptisch-kritische Beurteilung durch Humboldt, Tieck und andere. Vgl. Tagebuch Wilhelm von Humboldts von seiner Reise nach Norddeutschland im Jahre 1796, hrsg. Albert Leitzmann (1894), S. 40ff.–Ludwig Tieck, “Die neuesten Musenalmanache und Taschenbücher” (1796–1798), ders., Kritische Schriften, I (1848), S. 114f.–Vgl. auch Sumowski (Anm. 10), S. 11/98. Auch bei Brentano, aus dessen Vorlage Kleist die Namen Ossian und Kosegarten übernommen hatte, klingt dessen Nennung einigermaßen spöttisch: Lektüre für höhere Töchter (GS, S. 425).–Schließlich verhilft auch die Untersuchung der literarischen Seelandschaften und Fernblicke Kosegartens zu keiner Klärung des Problems. Denn die Bezüge, die sich von ihnen zu Friedrichs Gemälden, insbesondere dem Mönch am Meer, ergeben, sind zwar vielfältig, aber diffus. Auf der einen Seite nämlich finden sich hymnische Szenerien einer fast panoramatischen Grenzenlosigkeit, die zwar literarisch nicht gerade auf dem allerletzten Stand sind, aber immerhin in einen thematischen Zusammenhang mit Friedrichs Malerei gebracht werden könnten. Vgl. z.B. “Der Rugard. Erstes Lied”: “Auf deiner schroffen Felsenscheitel / Empfange mich alter Rugard! / Empfange mich, Hehrer; / Mich lüstet zu schauen / Mich lüstet zu fassen / Mit Einem staunenden Blicke / Die Küsten, die Inseln, das erdumarmende Meer! / Fern dringt, / Rings rollt / Das rastlos schwärmende Auge.” Ludwig Gotthard Kosegarten, Dichtungen, 12 Bde. (1824–1827), VIII, 89. “Der Rugard. Zweites Lied”: “Dennoch zu Trotze / Dem Trotzigen will ich / Erklimmen den Schroffen, / Will letzen das Auge, / Und letzen die Seele / In dämmernden Fernen, / In wühlenden Wogen, / In Räumen der weiten unendlichen Welt…/…/ Ich schaue fern. / Ich spähe links, / Ich forsche rechts…” (Ebd. S. 95f.). Vgl. auch “Jucunde. Vierte Ekloge: Die Nachfeyer”: “Rings um die Schauenden lag, so fern nur reichet die Sehkraft, / Offen, enthüllt, endlos, das unermeßliche Weltall…” (Ebd. II, 186). Auf der anderen Seite begegnen jedoch Bilder einer völlig konventionellen und durchaus ‘beschaulichen’ Rahmenschau auf das erhabene Sujet, die allenfalls in eine kontrastive Beziehung zu Friedrich zu setzen wären. Vgl. die geradezu doppelte Rahmung in derselben Ekloge der “Jucunde”: “Sitzen sahn sie den Vater am äußersten Rande des Ufers, / Einsam, emsig betrachtend die Pfeiler, welche vom Meer auf / Bis an den Saum des Gestades auf Feuerkieseln und Kreide / Aufgethürmt die Natur kunstreich in jonischer Ordnung; / Zwischen den Pfeilern hindurch erblickt man das Meer und den Kiesgrund. / Diese beschaut’ er, bedacht, das Gesetz zu finden, nach welchem / In dem ursprünglichen Meer, in solcher Ordnung und Folge, / Sich die Lagen gesenkt durch manches verrollte Jahrtausend” (Ebd., S. 184f.). Mit der Wahl des einen oder anderen Bezugspunkts aber muß sich die Bedeutung der “Kosegartensche[n] Wirkung” fundamental ändern.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Additional information

Für viele Gespräche, Anregungen und Korrekturen, ohne die diese Untersuchung anders aussähe, möchte ich Albrecht Koschorke in München danken. Für Kopien und Hinweise bedanke ich mich beim Freien Deutschen Hochstift, Frankfurt.

Rights and permissions

Reprints and permissions

About this article

Check for updates. Verify currency and authenticity via CrossMark

Cite this article

Begemann, C. Brentano und Kleist vor Friedrichs Mönch am Meer Aspekte eines Umbruchs in der Geschichte der Wahrnehmung. Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 64, 54–95 (1990). https://doi.org/10.1007/BF03396159

Download citation

  • Published:

  • Issue Date:

  • DOI: https://doi.org/10.1007/BF03396159

Navigation