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Verwissenschaftlichung der Literaturwissenschaft Ansprüche, Strategien, Resultate

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Zusammenfassung

Die Analyse der Versuche zur “Verwissenschaftlichung der Literaturwissenschaft“ stellt einige repräsentative “präskriptive” (Teil I) und „deskriptive“ (Teil II) Ansätze vor und will (Teil III) einen Diskussionsrahmen skizzieren, in dem die Vorteile beider Ansätze bewahrt, ihre Defizite vermieden werden können.

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  1. Ein Forschungsparadigma zur Rekonstruktion ihrer eigenen Geschichte hat die Literaturwissenschaft bislang nicht ausgebildet. Die meisten vorliegenden Arbeiten rekonstruieren die Wissenschaftsgeschichte von einem internen Standpunkt aus unter der Perspektive eines teleologischen Erkenntnisfortschritts: dieser Ansatz unterschlägt die Einflüsse der (‚externen‘) Geschichte zumeist völlig. Einige wenige, meist ideologiekritische Arbeiten aus der Zeit nach 1965 rekonstruieren die Wissenschaftsgeschichte von einem externen Standpunkt: dieser Ansatz vermag wiederum die interne Evolution von Theorien und ‚Schulen‘ in der Literaturwissenschaft nicht hinreichend zu erklären. — Einen ersten eher skizzenhaften Versuch der Rekonstruktion der Wissenschaftsgeschichte der Literaturwissenschaft mit Hilfe des „Paradigma“-Begriffs unternimmt Hans Robert Jauß, Paradigmawechsel in der Literaturwissenschaft. In: Linguistische Berichte Heft 3 (1969) S. 44–56. Notwendige Voraussetzungen der Diskussion der Adäquatheit solcher Rekonstruktionsversuche sind zumindest: 1. die kriteriologische Bestimmung der Annahmen, die überhaupt als forschungsprogrammatische anzusehen sind, bzw. durch die Paradigmata charakterisiert sein können; 2. die kriteriologische Absicherung der Unterscheidung differierender Paradigmata, bzw. der internen Ausgrenzung forschungsprogrammatischer Einheiten aus der Menge der konstatierten forschungsprogrammatischen Annahmen. Erst wenn zumindest diese Voraussetzungen in zufriedenstellender Weise erfüllt sind, ist es sinnvoll, sich der systematischen und historischen Analyse interparadigmatischer Relationen zuzuwenden.

  2. Vgl. z. B. Gerhard Pasternack, Theoriebildung in der Literaturwissenschaft. Einführung in Grundfragen des Interpretationspluralismus. München (1975) S. 32: „Die Wirkung der Kritischen Theorie auf die Literaturwissenschaft ist diffus und beschränkt sich, methodologisch gesehen, auf das Programmatische“. Vgl. auch den Seitenhieb gegen die marxistische Literaturwissenschaft S. 257: „Zwar nicht den Zielsetzungen und Inhalten nach, wohl aber dem methodologischen Status nach bestehen zwischen der bürgerlichen geisteswissenschaftlich orientierten Literaturforschung und der marxistischen größere Ähnlichkeiten und Gemeinsamkeiten als beide Seiten ihrem Selbstverständnis entsprechend zuzugeben bereit sein dürften“.

  3. Gunter Gebauer, Kritik der Interpretation — Über die Grenze der Literaturwissenschaft. In: S. J. Schmidt (Hrsg.), Zur Grundlegung der Literaturwissenschaft. (München 1972) S. 114–123, S. 123: „Der Literaturwissenschaft wird nahegelegt, in den Stand einer theoretischen Disziplin zu treten“.

  4. Gerhard Pasternack (s. Anm. 2) S. 9; vgl. auch Siegfried J. Schmidt, Literaturwissenschaft als argumentierende Wissenschaft. Zur Grundlegung einer rationalen Literaturwissenschaft. München 1975, S. 39 u.ö.

  5. Wilhelm Fucks, Über den Gesetzesbegriff einer exakten Literaturwissenschaft, erläutert an Sätzen und Satzfolgen. In: LiLi. Zeitschrift für Literaturwissenschaft und Linguistik 1 (1971) Heft 1/2, S. 113–129, S. 115/16: „Als ein Gesetz nullten Ranges mag man ein einfaches Meßprotokoll ansehen, etwa das oben angegebene Beispiel einer Häufigkeitsverteilung, der Längen von tausend Sätzen eines ganz bestimmten Romans. Eine Abstraktion von diesem schlichten Meßfall wird eine mathematische Formel finden, die die gemessenen Werte zusammenfassend zutreffend beschreibt“.

  6. Helmut Kreuzer, Einführung zu: H.K./Rul Gunzenhäuser (Hrsg.), Mathematik und Dichtung. Versuche zur Frage einer exakten Literaturwissenschaft. München [1965] 1971 (=4. durchgesehene Auflage) S. 9–20, S. 18: Angestrebt wird für die Zukunft nicht nur eine Wechselwirkung zwischen den gegenwärtig rivalisierenden ‚exaktwissenschaftlichen‘ Methoden und Resultaten, sondern ebenso eine Wechselwirkung zwischen ‚formaler‘ Theorie und Statistik einerseits und traditionellem historisch-interpretatorischem Verfahren andererseits. [...] Die ‚Kunst der Interpretation‘ und die Geschichtsschreibung können und sollen von den neuen Verfahren nicht ersetzt, aber gefördert werden und umgekehrt; [...]“.

  7. Wilhelm Fucks (s. Anm. 5) S. 113.

  8. Ibd. S. 119.

  9. Jens Ihwe, Ein Modell der Literaturwissenschaft als Wissenschaft. In: LiLi 1 (1971) Heft 1/2, S. 97–99, S. 97. Vgl. auch Ihwe, Linguistik und Literaturwissenschaft. Zur Entwicklung einer modernen Theorie der Literaturwissenschaft. München 1972, S. 18.

  10. Vgl. dazu Jens Ihwe, Linguistik und Literaturwissenschaft. Bemerkungen zur Entwicklung einer strukturalen Literaturwissenschaft. In: Linguistische Berichte Heft 3 (1969) S. 30–43, S. 43, Anm. 1: „Wissenschaftlich ist hier im Sinne der modernen Wissenschaftstheorie gemeint, mit deren Entwicklung die Entwicklung der modernen Linguistik weitgehend parallel verlaufen ist“.

  11. Vgl. hierzu Jens Ihwe, Linguistik und Literaturwissenschaft (s. Anm. 9), S. 18 und S. 22, Anm. 5. Wenn Ihwe von der „Linguistik“ als „vorbildlicher Wissenschaft“ spricht, meint er damit stets die generative Transformationsgrammatik.

  12. Vgl. Ihwe, ibd. S. 21: „[...] der primäre Gegenstand der LW [scil. Literaturwissenschaft] sind sprachliche Objekte. [...] Damit ist bereits in natürlicher Weise die enge Verbindung der LW mit der SW [scil. Sprachwissenschaft], sowie die Notwendigkeit einer Abgrenzung von ihr, gegeben“.

  13. Vgl. hierzu auch das in Anm. 10 wiedergegebene Zitat Ihwes.

  14. Wolfgang Dressler, Theorie und Empirie in der Sprachwissenschaft. In: Linguistische Berichte Heft 4 (1969) S. 70–75, S. 70.

  15. Vgl. hierzu z. B. auch die Arbeiten in dem von Dieter Wunderlich herausgegebenen Sammelband „Wissenschaftstheorie der Linguistik“, Kronberg/Ts. 1976 sowie Michael Schecker (Hrsg.), Methodologie der Sprachwissenschaft. Hamburg 1976. Die Aufsätze in diesen beiden Sammelbänden verdeutlichen exemplarisch, daß den Linguisten die wissenschaftstheoretischen Grundlagen ihrer Disziplin eher problematisch geworden sind.

  16. Als relativ frühes Beispiel dieser Strategie vgl. Ilpo Tapani Piirainen, Zur Linguistisierung der Literaturforschung. In: Linguistische Berichte 1 (1969) S. 70–73.

  17. Gerhard Pasternack (s. Anm. 2) S. 158 — Der Beitrag der Textlinguistik zur Lösung literaturwissenschaftlicher Probleme der Textinterpretation darf derzeit noch nicht allzu hoch veranschlagt werden. Vgl. dazu z. B. Jürgen Landwehr, Text und Fiktion. Zu einigen literaturwissenschaftlichen und kommunikationstheoretischen Grundbegriffen. München 1975, S. 77: „Keiner der bislang vorliegenden Ansätze zu einer ‚Textgrammatik‘ aber erreicht schon den Status einer umfassenden Theorie, weder unter interpretativem noch unter generativem Aspekt, so daß eine Einbeziehung der meist nur programmatischen oder von noch mehr oder minder disparaten Einzelaspekten ausgehenden sprachwissenschaftlichen Vorschläge zur Theorie der Textkonstitution in eine literaturwissenschaftliche Problemstellung nur bedingt möglich ist, zumal noch nicht abzusehen ist, welcher Ansatz sich für eine Analyse literarischer Vertextungsverfahren als fruchtbar und gegenstandsadäquat erweisen wird“.

  18. Gerhard Pasternack, S. 167.

  19. Ibd. S. 170.

  20. Ibd. S. 40.

  21. Vgl. ibd. vor allem S. 42–45.

  22. Ibd. S. 171–174.

  23. Ibd. S. 169, Anm. 74 (Hervorhebung von uns).

  24. Karl Eibl, Kritisch-rationale Literaturwissenschaft. Grundlagen zur erklärenden Literaturgeschichte. München 1976, S. 36.

  25. Ibd. S. 7.

  26. Ibd. S. 34.

  27. Ibd. S. 12.

  28. Ibd. S. 30.

  29. Ibd. S. 75.

  30. Ibd. S. 76.

  31. Ibd. S. 80, Anm. 145.

  32. Karl Eibl S. 78.

  33. Ibd.

  34. Karl Eibl, S. 81.

  35. Karl Eibl, S. 82.

  36. Vgl. Eibl, Ibd.

  37. Karl Eibl, S. 84.

  38. Vgl. ibd. S. 84–86.

  39. Vgl. ibd. S. 87.

  40. Vgl. ibd. S. 87/88.

  41. Diese Formulierung richtet sich auch gegen Vorschläge, denen zufolge die zusätzlichen Annahmen zur Eruierung einer Kryptotheorie aus Konventionen bestehen; ein solcher Vorschlag findet sich z. B. bei Hugh Mellor, Literarische Wahrheit. In: Ratio 10 (1968) S. 124–140, vor allem S. 138–140.

  42. Auf die dritte, von Eibl als „mnemotechnische Disposition“ bezeichnete Textdisposition (vgl. Karl Eibl, S. 88–91) gehen wir nicht ein, da ihre Behandlung keine weitere Einsichten zeitigt.

  43. Untertitel der Arbeit Eibls.

  44. Eibl spricht Ansätze zur theoretischen Fundierung der Literaturwissenschaft zu recht nur dann von dem „Vorwurf“ frei, sie „erkauften sich ihre ‚Wissenschaftlichkeit‘ durch eine Bornierung des Blickfeldes“, wenn diese „sich dem Problem der Literaturgeschichte stellen“ (Eibl, S. 7 vgl. auch S. 13.

  45. Karl Eibl, S. 98.

  46. Ibd. S. 99.

  47. Ibd. S. 202.

  48. Vgl. dazu Eibl, S. 98.

  49. Karl Eibl, S. 98.

  50. Die Aufnahme des Ziels und der Normen des „poetischen Fortschritts“ in die poetische Matrix wäre auch nach Eibl durchaus möglich, der anscheinend die Auffassung vertritt, daß die poetische Matrix auch Normen beinhaltet (vgl. S. 99). Die Konzeption des „poetischen Fortschritts“ kann dann aber auch in dem Sinne matrixbezogen sein, daß sich mit dem Wechsel der poetischen Matrizen auch eine Änderung in der inhaltlichen Zielbestimmung des „poetischen Fortschritts“ vollzieht. Eine matrixindependente Bestimmung des „poetischen Fortschritts“ in der literarischen Evolution würde hingegen die Feststellung eines bestimmten Ziels, nach dem diese Evolution zu evaluiren wäre, erforderlich machen.

  51. Karl Eibl, S. 76/77, Anm. 139.

  52. Siegfried J. Schmidt, Literaturwissenschaft als argumentierende Wissenschaft (s. Anm. 4).

  53. Ibd. S. 39.

  54. Ibd. S. 80.

  55. Ibd. S. 257/58.

  56. Ibd. S. 134.

  57. Ibd. S. 134/35 vgl. auch den Hinweis auf S. 131: „Diese Aufgabe ist m. E. wichtig genug, um ihr Kraft und Energie zu opfern — und um sie als Forschung von der Gesellschaft und ihren Institutionen finanziell zu unterstützen“.

  58. Ibd. S. 72/73.

  59. Vgl. Siegfried J. Schmidt, Interpretationsanalyse von E. Staiger: Heinrich von Kleist „Das Bettelweib von Locarno“. In: Walther Kindt/S.J. Schmidt (Hrsg.), Interpretationsanalysen. Argumentationsstrukturen in literaturwissenschaftlichen Interpretationen. München (1976) S. 93–104.

  60. Walther Kindt/Siegfried J. Schmidt, Einleitung zu: Kindt/Schmidt, Interpretationsanalysen (S. Anm. 68) S. 10.

  61. Vgl. Heide Göttner, Logik der Interpretation. München 1973 (= Münchener Universitätsschriften. Bd. 11). Das Ergebnis der Untersuchung Göttners, nämlich „daß sich die von der Analytischen Methodologie erforschten Verfahrensweisen empirischer Wissenschaften ohne weiteres auch in der Literaturwissenschaft auffinden lassen“ (S. 175), hat Eike von Savigny als eine „empiristische Reaktion“ auf die Herausforderung bezeichnet, die literaturwissenschaftliche Interpretationen für die Wissenschaftstheorie darstellen: „Die empiristische Reaktion ist gekennzeichnet durch Sympathie und Anerkennung für das Interpretieren von literarischen Texten als wissenschaftliches Vorgehen; die Sympathie geht in eine Umarmung über, in der die Literaturwissenschaft erdrückt zu werden droht.“ Eike von Savigny, Argumentation in der Literaturwissenschaft. Wissenschaftstheoretische Untersuchungen zu Lyrikinterpretationen. München (1976) S. 18; vgl. die ausführliche Kritik Savignys an Göttner S. 18–23.

  62. Als weiterer deskriptiver Ansatz kann die Arbeit Heide Göttners (s. Anm. 70) aufgefaßt werden. Göttners Arbeit beabsichtigt „zu zeigen, daß die Analytische Wissenschaftstheorie mit ihren Mitteln tatsächlich imstande ist, den literaturwissenschaftlichen Forschungsprozeß bis in Einzelheiten darzustellen“ (S. 28). Sowohl dieser Anspruch als auch die (S. 60 geäußerte) Hoffnung, ihn realisiert zu haben, rechtfertigen die Zuordnung der Arbeit Göttners zum deskriptiven Ansatz. Der Erfolg des Unternehmens ist allerdings skeptischer zu beurteilen. Außer der Anm. 70 zitierten Kritik Eike von Savignys vgl. auch die Besprechungen von Gerhard Pasternack (In: orbis litterarum 30 [1975] S. 135–147) und Karl Heinz Göttert (In: LiLi 5 [1975] Heft 17, S. 105–116). Da Heide Göttner in ihrem Aufsatz „Probleme einer Logik der Interpretation“ (In: LiLi 5 [1975] Heft 17, S. 94–104) selbst starke kritische Vorbehalten gegen ihre frühere Arbeit artikuliert und einige neuere Arbeiten ankündigt, verzichten wir auf eine Auseinandersetzung mit ihrer „Logik der Interpretation“. — Nach Abschluß des Manuskripts ist erschienen: Heide Göttner/Joachim Jacobs, Der logische Bau von Literaturtheorien. München 1978.

  63. Eike von Savigny (s. Anm. 70), S. 8, vgl. S. 24. Zu dem Forschungsprojekt der Deutschen Forschungsgemeinschaft, über dessen Ergebnisse Savigny berichtet, gehören noch die beiden folgenden Arbeiten: (1) Günther Grewendorf, Argumentation und Interpretation. Wissenschafts-theoretische Untersuchungen am Beispiel germanistischer Lyrikinterpretationen. Kronberg/Ts. 1975 (= Wissenschaftstheorie und Grundlagenforschung 2) und (2) Georg Meggle/Manfred Beetz, Interpretationstheorie und Interpretationspraxis. Kronberg/Ts. 1976 (= Wissenschaftstheorie und Grundlagenforschung 3).

  64. Vgl. dazu H.L.A. Hart, The Concept of Law. London 1961, vor allem S. 54–56 und S. 96–101. Deutsch: Der Begriff des Rechts. Frankfurt/Main 1973.

  65. Eike von Savigny, S. 8.

  66. Ibd. S. 26.

  67. Ibd. S. 28.

  68. Ibd. S. 57.

  69. Die in dem DFG-Projekt untersuchten Lyrikinterpretationen sind verzeichnet bei Eike von Savigny, S. 9–12.

  70. Vgl. die Definition von Argumenten, A-Argumenten und die knappe Skizze des Beschreibungsinstrumentariums bei Eike von Savigny, S. 30–39.

  71. Vgl. die Klassifikation von Argumenten bei Eike von Savigny, S. 37/38, sowie Abschnitt 8 seiner Arbeit („Eine verbesserte Klassifikation literaturwissenschaftlicher Argumente“).

  72. Vgl. dazu Abschnitt 4 bei Savigny („Die Rolle des Verstehens: Norm und Wirklichkeit“).

  73. Günther Grewendorf (s. Anm. 72), S. 73.

  74. Ibd. S. 14.

  75. Vgl. dazu die Abschnitte 4, 5 und 7 der Arbeit von Grewendorf. Die Ergebnisse Grewendorfs werden kritisch diskutiert im Abschnitt 5 der Arbeit von Savigny.

  76. Vgl. dazu Abschnitt 8 von Grewendorfs Arbeit. Eine Kritik sowie eine verbesserte Version dieses Abschnitts bringt Savigny in Abschnitt 6 seiner Arbeit.

  77. Vgl. Eike von Savigny, S. 60.

  78. Ibd. S. 29.

  79. Ibd. S. 29. — Über das Problem der Feststellbarkeit von Sanktionen und den Sanktionsbegriff als Grundlage eines Regel- oder Normenbegriffs — Themen, über die es in der Soziologie reichhaltige Literatur gibt — haben die Autoren des DFG-Projekts sich zu wenig Gedanken gemacht. So ließe sich beispielsweise gegen die zitierte Vermutung Savignys einwenden, daß gerade bei dem von ihm untersuchten Diskussionstyp weniger implizit befolgte Regeln literaturwissenschaftlichen Argumentierens das faktische Argumentationsverhalten der Interpreten beeinflussen als die mit der Sanktionserwartung verknüpften sozialen Normen konkurrierender Literaturwissenschaftler. — Eine ähnliche Kritik am Regelbegriff der Autoren befindet sich bei Thomas Anz/Michael Stark, Literaturwissenschaftliches Interpretieren als regelgeleitetes Verhalten. In: Deutsche Vierteljahresschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte 51 (1977) S. 272–299. Die hier aufgewiesenen Mängel finden sich auch noch in dem Beitrag von Günther Grewendorf, Nicht-empirische Argumente. Zur Problematik ihrer wissenschaftstheoretischen Untersuchung. In: Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie IX (1978) S. 21–40.

  80. Eike von Savigny, S. 28.

  81. Ibd. S. 8.

  82. Vgl. z. B. Günther Grewendorf, S. 80/81.

  83. Überschrift des Abschnittes 4 (S. 40–60) bei Savigny.

  84. In: Peter Szondi, Hölderlin-Studien. Mit einem Traktat über philologische Erkenntnis. (Frankfurt am Main 1970) S. 9–34.

  85. Vgl. Eike von Savigny, S. 40/41. Savigny benutzt Szondis Traktat lediglich als „heuristische Quelle“ (S. 40) zur Hypothesengewinnung. Da Szondi nur mit einiger Gewalt der Schule der sogenannten ‚werkimmanenten Interpretation‘ zugerechnet werden kann, der die von Savigny untersuchten Interpretationen zur Mehrzahl angehören, hätte Savigny wohl etwas vorsichtiger mit verallgemeinernden Schlüssen aus seiner Untersuchung sein müssen, die nur zeigt, daß die von ihm untersuchen Interpretationen in ihrer Argumentation nicht den von Szondi aufgestellten Regeln folgen.

  86. Eike von Savigny, S. 40 (rekonstruiert aus Szondi, S. 11).

  87. Vgl. Savigny, S. 42–55.

  88. Vgl. Grewendorf, S. 72/73.

  89. Georg Meggle, Eigenschaften und Funktionen von A-Argumenten in germanistischen Lyrikdiskussionen. In: Meggle/Beetz (s. Anm. 72) S. 11–50, S. 22/23.

  90. Daß die Auffassungsunterschiede über die Zulässigkeit von Argumentetypen in Lyrikinter-pretationen von programmatischen Annahmen der Interpreten über das, was die „Bedeutung“ eines Gedichts ausmacht, abhängen, hat Grewendorf (vgl. S. 74) sehr genau gesehen. Solche Abhängigkeiten wären im Rahmen einer Rekonstruktion von Forschungsprogrammen aufzuzeigen und zu beschreiben.

  91. Eike von Savigny, S. 40 (rekonstruiert aus Formulierungen bei Szondi, S. 15, 25 und 26).

  92. Vgl. Grewendorf, S. 39.

  93. Ibd. S. 41.

  94. Hugo Dingler, Probleme des Positivismus (I und II). In: Zeitschrift für philosophische Forschung 5 (1951) S. 485–513 und 6 (1952) S. 235–257, S. 250.

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  95. Diese Unterteilung ist an eine Unterteilung angelehnt, die Henryk Skolimowski (vgl. Id., Polish Analytical Philosophy, London 1967, Kapitel VI, sowie Id., Knowledge, Language, and Rationality. In: Boston Studies in the Philosophy of Science IV [1969], S. 174–198, vor allem S. 175/76) zur Klassifizierung der Einstellungen zur Umgangssprache vorgeschlagen hat. Unsere Klassifikation verschiedener Positionen der Bestimmung des Verhälntisses von Wissenschaftstheoretischen Überlegungen zu den Einzelwissenschaften weist den Vorteil auf, daß nach dieser Klassifikation jemand z. B. im Hinblick auf die Linguistik ein „codifier“ im Hinblick auf die Literaturwissenschaft hingegen ein „formist“ sein kann.

  96. Wir möchten noch darauf hinweisen, daß man vorschlagen könnte, auch unser Rahmenkonzept (wie alle möglichen Rahmenkonzepte) auf die Erfüllung der genannten Vorschrift zu verpflichten — Detaillierte Ausführungen zum dritten Teil unseres Beitrags finden sich bei: Lutz Danneberg/Hans-Harald Müller, Ein Rahmenkonzept zur (Re)Konstruktion und Evaluation von Vorschlägen zur wissenschaftlichen Fundierung der Literaturwissenschaft. In: Achim Eschbach/Wendelin Rader (Hrsg.) Literatursemiotik. Tübingen 1979.

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Danneberg, L., Müller, HH. Verwissenschaftlichung der Literaturwissenschaft Ansprüche, Strategien, Resultate. Zeitschrift für Allgemeine Wissenschaftstheorie 10, 162–191 (1979). https://doi.org/10.1007/BF01809033

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