Der Autor ist bekannt als Vertreter eines ‚realen Essentialismus‘ (vgl. Oderberg 2007); zugleich steht O. ähnlich wie der ‚Analytic Thomism‘ dafür, traditionellen philosophiegeschichtlichen Ansätzen – genauer: der „school of Aristotelianism and its followers, in particular St Thomas Aquinas and the Thomists“ (x) – innerhalb der gegenwärtigen Debatten wieder Gehör verschaffen und jene in diese integrieren zu wollen. Das neue Buch über die Metaphysik von ‚gut/Gut/Güte‘ (good/goodness) und ‚böse/Böse‘ oder ‚übel/Übel‘ (evil) stellt daher eine konsequente Weiterführung dieser Linie dar und baut auf O.‘s Essentialismus als einer Grundvoraussetzung auf. Mit seinem Text beansprucht O., „the first full-length contemporary defence, from the perspective of analytic philosophy, of the Scholastic theory of good an evil“ zu präsentieren sowie deren Leistungsfähigkeit im Kontext gegenwärtiger Debatten zu demonstrieren (Klappentext).

O.‘s Grundfrage in The Metaphysics of Good and Evil lautet: „what unites all species of good and all species of evil at the ‚ground-floor‘ metaphysical level?“ (1) Diese Einheitsperspektive kontrastiert in O.‘s Wahrnehmung mit dem gegenwärtigen Diskurs innerhalb der analytischen Philosophie, der eher dadurch ausgezeichnet sei, verschiedene, gleichsam unvermittelt nebeneinanderstehende Verwendungsweisen der Ausdrücke ‚good‘ und ‚evil‘ zu thematisieren. Demgegenüber soll die „much-neglected philosophical tradition“ der „Scholastic philosophers“ O. zufolge in der Lage sein, ein alle Arten von Gutem bzw. gut und Bösem bzw. böse Verbindendes ausweisen zu können – und dies wie oben zitiert auf der Ebene der Metaphysik (1). Ausdrücklich soll dieser Rekurs auf die scholastische Tradition hierbei nicht nur die einseitige Verwendung der Ausdrücke ‚good‘ und ‚evil‘ lediglich auf den Bereich der Moral zu überwinden erlauben (4). Überdies soll auch „the organic/inorganic gap“ transzendiert werden (5), wobei O. die Anwendbarkeit des Ausdrucks ‚good‘ auf den Bereich des Unorganischen als den ‚Dreh- und Angelpunkt‘ („lynchpin“) der gesamten scholastischen Theorie ansieht (42). ‚Transzendieren‘ ist dabei auch das Stichwort zur Charakterisierung von O.‘s Grundverständnis von ‚Metaphysik‘. O. nämlich bezieht sich hierfür immer wieder auf die traditionelle Konvertibilitätsthese von ‚bonum‘ und ‚ens‘ (bonum et ens convertuntur) der scholastischen Transzendentalienmetaphysik, wie sie bekanntlich in ihrer Grundform zunächst von Philipp dem Kanzler im Prolog der Summa de bono (1985) entwickelt und formuliert wurde.

Der Zweiteiligkeit des Titels entspricht natürlicherweise („naturally“ – 4) der Aufbau der Studie dergestalt, dass die Metaphysik des ‚good‘ und ‚evil‘ in einen ersten Teil zerfällt, der ‚good‘ als Vervollkommnung („fulfilment“), und einen zweiten, der ‚evil‘ als Privation („privation“) interpretiert. Diese durchaus klassische Auffassung wird im ersten Unterkapitel des ersten Teils durch eine ‚basale Theorieebene‘ („The Basic Theory“, 11 ff.) – nicht nur für die Theorie von ‚good‘ im ersten, sondern auch für die Privationstheorie des ‚evil‘ im zweiten Teil – fundiert, die ihrerseits auf dem zentralen Begriffspaar „actuality and potentiality“ – dem actus et potentia der aristotelisch-scholastischen Metaphysik – errichtet ist und ‚Wirklichkeit‘ („actuality“) als ‚Vervollkommnung‘ („fulfilment“) deutet. Die These der Konvertibilität der transcendentia kommt hierbei dergestalt zum Einsatz, dass ‚Sein‘ („being“; ens) mit der Verwirklichung von Möglichkeit bzw. Vermögen („the actualisation of potency“) und das so verstandene ‚being‘ wiederum mit ‚good‘ gleichgesetzt wird, jedenfalls „at its fundamental, primary level“ (33). Eine wichtige Rolle spielt daher bei O. – nicht zuletzt vor dem Hintergrund seines ‚real essentialism‘ – auch die scholastische Theorie der inclinationes, bei O. in der Regel mit „tendencies“ bezeichnet. Vor diesem Hintergrund kann O. den gesuchten einheitlichen Sinn von ‚goodness‘ als „obedience to nature“ und diese wiederum als „things’ doing as their essences dictate“ bestimmen (17/21).

Das zweite Kapitel des ersten Teils beinhaltet eine Darstellung der scholastischen Theorie der ‚goodness‘, wobei O. diese innerhalb eines „framework“ einer „series of important contemporary debates about the nature of the good“ (5) entwirft. So führt O. hier beispielsweise aus, dass ‚good/goodness‘ strenggenommen („strictly speaking“) aufgrund ihres transzendentalen Charakters ebenso undefinierbar sind wie ‚being‘, was allerdings nicht ausschließe, dass man ‚good‘ identifizieren und charakterisieren kann (35 f.). Kapitel drei und vier des ersten Teils schließlich betrachten ‚good‘ im Bereich des anorganischen und des organischen Seins; in letzterer Dimension nimmt O. eine Verortung der Moralität vor, ohne im eigentlichen Sinne eine Moralphilosophie zu entwickeln. Für die Frage nach der ‚inorganic goodness‘ kommen insbesondere die ‚Instantiierung‘ (instantiation) sowie der Fortbestand der Existenz (continuation of existence) als basale Ebenen in Betracht, wobei O. ein übers andere Mal daran erinnert, dass man auf dieser Ebene zwar sehr wohl von einem gewissen Streben (tendency) als einer Verwirklichung von Potenzialität und eben deshalb von einem gewissen ‚good‘ sprechen kann, dieses und die damit verbundene Funktionalität (functionality) aber nicht mit – bewusst gesetzter – Zweckhaftigkeit (purpose – 57) oder einem bewussten Begehr (conative – 61) verwechseln darf – ein Gedanke, den man sehr wohl auch der klassischen Als-ob-Perspektive einer an kantischen Vorgaben orientierten Naturphilosophie entgegenhalten kann.

Der zweite Teil der Arbeit entwickelt und verteidigt wie erwähnt zunächst allgemein die Theorie des ‚evil‘ als einer Privation (Mangel) des Guten (privatio boni/privation of the good), also die These, dass ‚evil‘ kein reales eigenständiges Sein oder Seiendes darstellt, sondern eine Abwesenheit (absence – 3/117) eines ‚good‘ oder ein „falling away from the good“ (3). Zentral ist mit Blick auf den O.‘schen Essentialismus hierbei, dass ‚evil‘ „the absence of something that should be in a thing given that thing’s nature“ bezeichnet (3) und somit wie ‚the good‘ selbst eine basale Normativitätsebene impliziert. Dieser Blick auf die Funktionalität, die sowohl in ‚good‘ als auch – negativ – in ‚evil‘ enthalten ist, fungiert sodann in unterschiedlicher Hinsicht auch als argumentatives Vehikel der Zurückweisung von Theorien, die dem ‚evil‘ – etwa dem Schmerz (pain – 128 f.) oder der moralischen Bosheit (malice) und Bestrafung (punishment – 136 f.), sofern diese als Übel begriffen werden – doch eine eigene, gleichsam ‚positive‘ Seinsweise zusprechen wollen. O. zeigt dagegen, dass die positiven Momente, die in den genannten Phänomenen ausfindig und namhaft gemacht werden können, gerade diejenigen Seiten an ihnen darstellen, die als ‚good‘ – da funktional etwa für die Anzeige von körperlichen Krankheiten oder für den Ausgleich verübten Unrechts – charakterisiert werden müssen (129 ff./136 ff.). Im zweiten Unterkapitel geht O. dann verstärkt auf die Probleme ein, die die moderne „truthmaker theory“ mit der skizzierten Theorie des ‚evil‘ haben könnte, besteht doch generell die Schwierigkeit, wie negative Entitäten überhaupt als truthmaker für Propositionen fungieren können sollen. O. gelingt es insbesondere hier sehr gut zu zeigen, wie die Privationstheorie des ‚evil‘, der zufolge dessen Seinsbestand nicht in ihm selbst, sondern in einem ‚good‘ liegt, dem dieses ‚evil‘ als mangelnder Realisierung zugehört, einen wichtigen Beitrag zur gegenwärtigen „truthmaker theory“ zu leisten vermag. Das dritte Unterkapitel diskutiert sodann unter extensivem Einbezug der „truthmaker theory“ die Frage nach der Wirksamkeit („evil as cause and effect“). Hier bespricht O., wie ein lediglich privativ verstandenes ‚evil‘ Ursache von etwas sein kann, z.B. der Mangel an Wasser Ursache für das Sterben eines Lebewesens, wenn zugleich gilt, dass „only being can have causal power“ (176). Privationen – und damit auch ‚evil‘ – treten O. zufolge dergestalt in ein Kausalgefüge ein, dass Ursachen, bei denen Privationen dazwischenkommen, eine gewisse Art der Potentialität enthalten, in Hinsicht auf die von ‚Bedürfnissen‘ („need“) gesprochen werden kann, die durch Aktualisierungen manifestiert werden. Aussagen über privative Verursachung werden entsprechend genau dadurch ‚wahr gemacht‘, dass ein Organismus durch dieses Kausalgefüge in Hinsicht auf die Erfüllung seiner Funktionen in einen privativen Zustand eintritt (193). Im vierten Kapitel schließlich gibt O. nicht nur einen Rückblick über die Bedeutung der Realität des ‚evil‘, wenngleich dieses zugleich einen ‚nur‘ konzeptuellen Status aufweist (200), also nur eine Weise ist, in der sich Seiendes dem Intellekt präsentiert (7), sondern erweitert zudem die Perspektive gleichsam auf den gesamten Welthorizont und argumentiert, dass ein implizites Verstehen einer gewissen Grundordnung, „hierarchical in nature“ (210), der gemäß Dinge sich verhalten sollten, notwendige Voraussetzung eines Verstehens von ‚evil‘ ist. Das Buch schließt gleichsam mit einem tentativen Transzendieren der transzendentalmetaphysischen Perspektive hin zur ‚rationalen Erwartung‘ der Lösung des Problems des ‚evil‘ in der Welt in Gestalt einer „order of love, mercy and justice that goes beyond us and yet takes us up within it“ (212).

Es kann in vorliegender Rezension natürlich nicht darum gehen, die Fülle der Einzeldiskussionen, die O. vor dem Hintergrund der ‚Scholastic theory‘ führt, en detail nachzuvollziehen und zu würdigen. Generell ist positiv erstens hervorzuheben, dass O. – hierbei einem insgesamt erfreulichen Trend im Bereich der analytischen Philosophie folgend – überhaupt einen Rückbezug auf die traditionellen scholastischen Denkformen als sinnvoll erachtet. Die Beiträge, die O. hierbei zu den gegenwärtigen analytischen Diskussionen zu leisten in der Lage ist, sprechen offenkundig für die prinzipielle Tragfähigkeit dieses Ansatzes. Zweitens ist hervorzuheben, dass O. hierbei in der Nachfolge der thomistischen Tradition sogar so weit geht, entgegen dem Mainstream in der praktischen Philosophie eine Metaphysik des Guten und Bösen in Erwägung zu ziehen, wodurch er – drittens – in nachvollziehbarer Weise Kritik daran üben kann, dass das moralische Gut im gegenwärtigen Diskurs vom vormoralischen Gut abgetrennt wird, als handle es sich bei beiden um gänzlich verschiedene, inkompatible und unkoordinierbare Seinsregionen. Allgemein ist also der Umstand zu würdigen, dass O. die scholastischen Argumentationen mit gegenwärtigen Debatten, die hierbei detailreich und vollumfänglich vorgestellt werden, in eine kritische Diskussion setzt.

Als problematisch könnte man bei alldem herausheben, dass O.‘s Einengung des Begriffs der Metaphysik auf den Bereich der Transzendentalienlehre nicht den vollen Umfang dessen erreicht, was in der ‚Scholastic Theory‘ unter ‚Metaphysik‘ verstanden werden konnte – was dann auch die Diskussion des ‚good‘ und ‚evil‘ beeinflusst. Schon Philipp der Kanzler selbst stellt in der Summa de bono (1985) ja fest, dass die ratio prima et principalis des bonum lautet: bonum est habens indivisionem actus a potentia simpliciter vel quodammodo. Das bonum im eigentlichen Sinne und dessen metaphysische Basis ist für den Begründer der Metaphysik als Transzendentalienlehre also gerade nicht ein ‚fulfilment‘ im Sinne eines Erreichens oder Erfüllens einer Potenz, sondern vielmehr ist dieser O.‘sche Begriff des bonum – ausdrücklich als tertia notio und damit auch deutlich als subordiniert herausgestellt – seinem Gehalt und seiner Begründung nach abhängig vom Konzept eines summum bonum als der Identität von Akt und Potenz. Anders gesagt, besteht die eigentliche metaphysische Gründung von ‚good and evil‘ ebenso wie die Grundlage der Privationstheorie des malum für das scholastische Denken nicht in der Transzendentalienmetaphysik, sondern in einer philosophischen (nicht Offenbarungs‑)Theologie.

Etwas befremdlich wirkt auch O.‘s in brüskem Tonfall vorgetragene Zurückweisung der Frage, inwieweit seine eigenen Ausführungen eigentlich die Auffassungen des Thomas von Aquin treffen (8), in dessen Tradition er sich zu stellen beansprucht. Prinzipiell ist freilich verständlich, dass sich O. eher für systematische als für historische Fragen interessiert. Wenn aber O. begrüßenswerterweise versichert, es gehe ihm in seinem Buch um „the truth“ statt um Thomasphilologie oder gar -apologetik, so ist erstens zu erwidern, dass selbstverständlich auch eine ernstzunehmende Thomasauslegung „the truth“ im Blick haben wird; zweitens aber ist O.‘s Rede von einem „consensus“ und einer „received interpretation“, deren vermeintliche Homogenisierung und Kanonisierung am Ende des 19. und Beginn des 20. Jahrhunderts quasi abgeschlossen sein soll (8), sowohl philosophiehistorisch als auch methodisch dubios. Gerade die kritische Auseinandersetzung mit der eigenen Tradition ist ja Movens der ‚scholastischen Theorie‘ gewesen. Diese kritischen Bemerkungen sollen indessen die genannten Verdienste von O.‘s Studie in keiner Weise trüben oder gar leugnen.