Zusammenfassung
Karl Mannheim hat mit seiner Wissenssoziologie versucht, einen Beitrag zur Überwindung der Krise der Moderne zu leisten. Dass er dabei grundsätzlich die Möglichkeit von Wahrheit im politischen Raum verneinte, brachte ihm zwar viel Schelte seitens linker wie rechter „Ideologen“ ein, macht seine Ideologiekritik avant la lettre1 aber als relativierenden2 Widerspruch gegen den idealistischen Ideologiebegriff des „Geistes“ einerseits und des objektiv „falschen Bewusstseins“ durch den Positivismus andererseits doch gerade so plausibel.3 Dennoch wurde Mannheim zurecht der Vorwurf gemacht, seine Vorstellungen von Ideologie und Utopie seien ideologisch unterwandert bzw. utopisch motiviert. Indiz dafür ist zum ersten das Festhalten an einem antiquierten Historismus, der aber — apokalyptisch4 durchsetzt — keine progressive Entwicklung der Geschichte mehr kennt;5 zum zweiten, dass Mannheim soziologisch übergeneralisiert, ja gar Vertreter eines soziologischen Radikalismus ist, der mit der Vorstellung, dass „alle Ideen blamiert und alle Utopien zersetzt haben“6 die Ideologielehre zur Wissenssoziologie ausbaut.
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Literatur
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Greschonig, S. (2004). Ideologie und Utopie — Karl Mannheims (Wissens) Soziologie jenseits der Lüge. In: Greschonig, S., Sing, C.S. (eds) Ideologien zwischen Lüge und Wahrheitsanspruch. Deutscher Universitätsverlag. https://doi.org/10.1007/978-3-322-81345-9_5
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Publisher Name: Deutscher Universitätsverlag
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