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“Das Geheimnis der Identität” Ernst Jüngers Der Arbeiter im Licht von Thomas Manns Doktor Faustus

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Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Das Wirklichkeitsbild, das sich in der Theorie von Herrschaft und Gestalt des Arbeiters in Jüngers Essay abzeichnet, ist von Zügen bestimmt, die in Thomas Manns Roman als ästhetizistisch ausgewiesen sind. Dies stützt die dem Roman zentrale Auffassung, daβ der ästhetizismus eine für das deutsche Geistesleben am Vorabend der nationalsozialistischen Herrschaft charakteristische und politisch folgenreiche Erscheinung war. Die Genese des ästhetizismusbegriffs im Werk Thomas Manns und der Vergleich mit dem in Jüngers Essay zeigen deren Verflechtung und das Spektrum seiner Bedeutung, das von der Ästhetisierung des Denkens und der Politik bis zur Politisierung des Ästhetischen reicht.

Abstract

Jünger’s essay illustrates with its theory of the rule and the ‘Gestalt’ of the worker Thomas Mann’s concept of aestheticism, in as much as in the essay a vision of reality emerges which is determined by factors identified as “ästhetizistisch” in Thomas Mann’s novel, thus corroborating the underlying idea of the latter that aestheticism was a prevelant intellectual force with far-reaching political consequences on the eve of the rise of national socialism. Both the genesis of Thomas Mann’s concept of aestheticism and the comparison with that in Jünger’s essay expose their multiple intertwinement as well as their various shades of meaning on a gliding scale from the aestheticization of thinking and politics to the politization of aestheticism.

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Literature

  1. Auf die zentrale Stellung des Arbeiters bei Jünger verweisen Manthey, Text + Kritik (Anm. 1), und Helmut Heiβenbüttel, “General i.R. als Goethe. Zu Ernst Jüngers Tagebüchern ‘Siebzig verweht’”, 119–124. Äuβerungen in Thomas Manns Tagebüchern, vgl. Thomas Mann. Tagebücher 1946–1948, hrsg. Peter de Mendelssohn, Frankfurt a.M. 1989, 889–890, und andernorts (“Leiden an Deutschland”, XII, 705; “Meine Zeit”, XI, 314–315) stützen zwar Manthey s These, er habe bei seiner Kritik am Verhalten der deutschen Intellektuellen Jünger im Auge gehabt. Bei dem “weitgehend als vermessen und ausgelotet” scheinenden literarischen Einzugsgebiet des Faustus (s. Hans Rudolf Vaget, “Germany: Jekyll and Hyde. Sebastian Haffners Deutschlandbild und die Genese von Doktor Faustus”, in: Thomas Mann und seine Quellen. Festschrift für Hans Wysling, hrsg. Eckhard Heftrich und Helmut Koopmann, Frankfurt a.M. 1991, 249–271, hier: 268) sind weitere Aufschlüsse hierüber von der Quellenforschung kaum zu erwarten.

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  2. Jünger bedient sich im Arbeiter wiederholt (41, 70) des Begriffs, der vermutlich von Werner Best stammt, aber durch Jünger erst populär wurde; vgl. Walter Hof, Der Weg zum heroischen Realismus, Bebenhausen 1974, 240 sowie

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Hasselbach, K. “Das Geheimnis der Identität” Ernst Jüngers Der Arbeiter im Licht von Thomas Manns Doktor Faustus. Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 69, 146–171 (1995). https://doi.org/10.1007/BF03374580

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