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Narrator absconditus oder Der Ich-Erzähler als „verschwundener Kerl“ Von der erzählten Utopie zu utopischer Autorschaft in Grimmelshausens ‚Simplicianischen Schrifften‘

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Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Wenn in der Utopie-Diskussion von Grimmeishausen die Rede ist, gelangt von seinem simplicianischen Zyklus stets nur der Simplicissimus in den Blick, obwohl schon der Folgetext, die Courasche, ausgerechnet „in Utopia“ gedruckt sein soll. Ausgehend von diesem Indiz werden die ‚Simplicianischen Schrifften ‘als literarisches Experiment mit dem Konzept ‚Utopia’ gelesen: 1. Utopie als Erzählgegenstand, 2. Erzählen aus Utopia, 3. Die utopische persona Morus als fiktive Verschriftlichungsinstanz, 4. Utopische Autorschaft.

Abstract

Whenever the discussion of Utopia turns to Grimmelshausen, from his simplicianic cycle only the Simplicissimus seems to be of interest — altough the subsequent text, Courasche, is announced to be printed “in Utopia”. If one takes this piece of evidence as a starting point, the ‘Simplicianische Schrifften’ can be read as a literary experiment with the concept of Utopia: 1. Utopia as the object of narration, 2. narration from Utopia, 3. the Utopian persona Morus as fictitious agency of writing, 4. Utopian authorship.

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Literature

  1. Zitiert werden Grimmeishausens simplicianische Schriften nach den Gesammelten Werken in Einzelausgaben: Der Abentheurliche Simplicissimus Teutsch und Continuatio des abentheurlichen Simplicissimi, hrsg. Rolf Tarot, 2. Aufl., Tübingen 1984 (Sigle: ST)

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  2. Lebensbeschreibung der Ertzbetrügerin und Landstörtzerin Courasche, hrsg. Wolfgang Bender, Tübingen 1967 (Sigle: C)

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  3. Der seltzame Springinsfeld, hrsg. Franz Günter Sieveke, Tübingen 1969 (Sigle: Spr)

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  4. Das wunder barliche Vogelnest, hrsg. Rolf Tarot, Tübingen 1970 (Siglen: VN I/II).

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  5. Zur narrativen Konfiguration des ‚Ichs am Ende’ vgl. Alexandra Stein, „Die Hybris der Endgültigkeit oder der Schluß der Ich-Erzählung und die zehn Teile von‚ deß Abentheuerlichen Simplicissimi Lebens=Beschreibung‘“ DVjs 70 (1996), 175–197

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  6. so-wie Gerhart von Graevenitz, „Das Ich am Ende. Strukturen der Ich-Erzählung in Apuleius’ Goldenem Esel und Grimmeishausens Simplicissimus Teutsch“, in: Karlheinz Stierle, Rainer Warning (Hrsg.), Das Ende. Figuren einer Denkform, Poetik und Hermeneutik XVI, München 1996, 123–154.

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  7. Daß die Erzählstrategie, „dem exemplarischen Helden ein unverwechselbares Selbst mittels phasenweiser Suspendierung der religiösen Rahmenkonstruktion bzw. durch Aufschub seiner endgültigen confessio zu ermöglichen“ (62 f.), aber zugleich auch erst Gewinnung von individuellem Selbstdarstellungs- und d. h. Fiktionsspielraum bedeutet, betont in einer unveröffentlichten Frankfurter Magisterarbeit Andrea Wicke, „Eine solche/wie ihr wisset daß ich bin …“. Strategien der Selbsterschaffung im simplicianischen Zyklus, untersucht am Beispiel der „Lebensbeschreibung der Landstörtzerin Courasche“, 1992; vgl. auch 11.

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  8. Ein Schlüssel, der allerdings bei Erscheinen der Continuatio noch nicht zur Verfügung steht, sondern erst im darauffolgenden Jahr 1670 — und auch dann nur auf ‚nichtsimplicianischem ‘Terrain — mit der Publikation des höfisch-historischen Romans Dietwalts und Amelinden antnuthige Lieb- und Leids-Beschreibung nachgereicht wird, auf dessen paratextueller Schwelle — zwei mutmaßlich fingiert allographen Huldigungsgedichten — Grimmeishausen unverstellt unter eigenem Namen als Autor der bis zu diesem Zeitpunkt erschienenen ‚Simplicianischen Schrifften ‘firmiert. Auf diesen Umstand hat in einem vorzüglichen close reading des „Beschlusses“ und seines komplexen Stellenwerts innerhalb des zyklischen Projekts simplicianischer Autorschaft aufmerksam gemacht Andreas Berger, Die prismatisch fragmentierte Identität des Autors im diskursiven Prozeß seiner poetischen Selbstbegründung. Thematisierung und Gestaltung von Autorschaft in Hans Jacob Christoffel von Grimmeishausens Romanzyklus der „Simplicianischen Schriften“, Magisterarbeit Tübingen 1999, 176 mit Anm. 235.

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  9. Volker Meid, Grimmeishausen. Epoche — Werk — Wirkung, München 1984, 110, mit Bezug auf

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  10. Michael Winter, Compendium Utopiarum. Typologie und Bibliographie literarischer Utopien. Erster Teilband: Von der Antike bis zur deutschen Frühaufklärung, Stuttgart 1978, 103 f. Das hier zitierte Kapitel „Utopie und Satire“ in Meids Monographie (110–121) ist weitgehend identisch mit einem bereits früher publizierten Beitrag: „Utopie und Satire in Grimmeishausens Simplicissimus

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  11. in: Wilhelm Voßkamp (Hrsg.), Utopieforschung. Interdisziplinäre Studien zur neuzeitlichen Utopie, Stuttgart 1982, II, 249–265.

  12. Insofern verfährt Dieter Breuer in seinem jüngst erschienenen Grimmeishausen-Handbuch (München 1999) konsequent, wenn er die Utopie bei Grimmeishausen dementsprechend auch in der wissenschaftlichen Darstellung marginalisiert: Bei ihm begegnet der Utopie-Begriff nur noch beiläufig anläßlich der Jupiter-Episode im Simplicissimus-Roman(53f.).

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  13. Götz Müller, Gegenwelten. Die Utopie in der deutschen Literatur, Stuttgart 1989, 63.

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  14. Joèl Lefebvre, „Das Utopische in Grimmeishausens Simplicissimus. Ein Vortrag“, Daphnis 7 (1978), 267–285, hier: 284.

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  15. Die Entzifferungsregel, nach der aus dem Text „Manoha, gilos, timad, isaser, sale, lacob, salet, enni nacob idil dadele neuavv ide eges Eli neme meodi eledid emonatan desi negogag editor giga nageg eriden, hohe ritatan auilac, hohe ilamen eriden diledi sisac usur sodaled auar, amu salif ononor macheli retoran; Vlidon dad amu ossosson, Gedal amu bede neuavv, aljis, dilede ronodavv agnoh regnoh eni tatæ hyn lamini celotah, isis tolostabas oronatah assis tobulu, VViera saladid egrivi nanon ægar rimini sisac, heliosole Ramelu ononor vvindelishi timinituz, bagoge gagoe hananor elimitat“ die Botschaft „Magst dir selbst einbilden vvie es Einem ieden ding ergangen hernach einen diseurs daraus formirn; Vnd dauon Glauben vvas der vvahrheit æhnlich ist so hastu VVas dein nærrischeR uorvvitz begehret“ herausgelesen werden kann, lautet „Ich bin der Anfang und das End / und gelte an allen Orthen“ (ST 507) — eine Parodie von Off. 1,8: „Jch bin das A vnd das O / der anfang vnd das ende / spricht der HErr / der da ist / vnd der da war / vnd der da kompt / der Allmechtige“, vgl. Waltraud Wiethölter, „‚Baltanderst Lehr und Kunst‘. Zur Allegorie des Allegorischen in Grimmeishausens Simplicissimus Teutsch“, DVjs 68 (1994), 45–65, hier: 62f.

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  16. Daß hinter diesem Masken-Spiel von vornherein eine zyklusumgreifende Konzeption steckt, kann Jörg Jochen Berns, „Die ‚Zusammenfügung’ der Simplicianischen Schriften. Bemerkungen zum Zyklus-Problem“, Simpliciana 10 (1988), 301–325, hier: 310, ausgehend von der Siebenzahl der Namen plausibel machen: „Sieben Masken sind es auch, die zu Füßen des Titelkupfer-Monstrums liegen, das den Simplicissimus-Roman und damit ineins den Simplicianischen Zyklus zugleich versiegelt und eröffnet.“

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  17. Vgl. hierzu im einzelnen Jan Hendrik Schölte, Zonagri Diseurs von Waarsagern. Ein Beitrag zu unserer Kenntnis von Grimmeishausens Arbeitsweise in seinem ewigwährenden Calender mit besonderer Berücksichtigung des Eingangs des Abenteuerlichen Simplicissimus [1921], ND Wiesbaden 1968, 69–74. Im Überblick stellt sich das anagrammatische Rechenspiel folgendermaßen dar: Zählt man die Buchstaben von Christoffel von Grimmelshausen als 1.2.3.4.5.6.7.8.9.10.11.12.13.14.15.16.17.18.19.20.21.22.23.24.25.26.27.28 durch, so ergibt sich in der Folge 15.10.16.18.24.28.5.1.2.11.20.17.9.23.27.4.19.12.13.14.26.25.21.22.8.7.3.6 German Schleifheim von Sulsfort; in der Folge 5.24.18.25.10.11.15.16.20.4.9.14.22.7.28.12.13.19.2.17.3.26.1.23.8.27.21.6 Samuel Greifnson vom Hirschfelt (im „Beschluß“ des Simplicissimus heißt er in geringfügiger phonetischer Variation Samuel Greifnson vom Hirschfeld); in der Folge 18.10.11.1.2.4.7.3.5.6.20.16.28.8.27.21.22.12.13.14.9.25.15.26.23.24.17.19 Melchior Sternfels von Fugshaim (auf dem Titelblatt des Simplicissimus steht in phonetischer Variation Melchior Sternfels von Fucchshaim, im Ewigwährenden Calender begegnet die buchstabengetreue Form Melchior Sternfels von Fugshaim); in der Folge 18.17.1.2.24.10.11.3.20.15.25.21.4.28.12.13.14.26.27.23.19.22.5.6.7.16.8.9 Michael Regulin von Sehmsstorff (auf dem Titelblatt von Vogel-Nest I steht die phonetisch leicht variierende Form Michael Rechulin von Sehmsdorff, wobei wiederum g/ch und t/d als austauschbar erscheinen, zudem das Fugen-s eine Verschärfung zu ss erfährt); in der Folge 24.1.10.20.27.8.9.15.2.23.4.17.11.21.18.19.14.28.7.13.3.16.5.22.26.6.12.25 ACEEEFFGHHI ILLMMNNOORRSSSTUU (wobei v = u).

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  18. Wenn man nämlich bereit ist, „Christophorus von Grimmelshauser“ zu lesen — eine Namensabwandlung, die sich mit Hinweis auf das unter dem Namen „Sylvander“ Grimmeishausens Dietwalt und Amelinde vorangestellte „Sonnet“ rechtfertigen ließe, in dem die unter verschiedenen Namen erschienenen Texte alle auf den einen proteischen „Grimmleshauser“ zurückgeführt werden: Der Grimmleshauser mag sich wie auch bey den Alten der alt Proteus thät / in mancherley Gestalten verändern wie Er will / so wird Er doch erkandt an seiner Feder hier / an seiner treuen Hand. Zitat nach: Grimmeishausen, Dietwalts und Amelinden anmuthige Lieb- und Leids-Beschreibung, hrsg. Rolf Tarot, Tübingen 1967, 7. — Auf die (in der Regel stillschweigend übergangene) Namendifferenz von Trommenheim/Tromerheim weist Christoph E. Schweitzer, „Grimmeishausen, Philarchus Grossus von Tromerheim and ‚Simplicianische Schriften‘“, Monatshefte 82 (1990), 115–122, hier: 122, Anm. 17, hin, ohne daraus jedoch weitere Schlüsse zu ziehen.

  19. Dabei hat das Übrigbleiben eines Buchstabens aus dem anagrammatisch gebildeten Namen einen anderen kategorialen Stellenwert als (wie es bei Michael Rechulin von Sehmsdorff der Fall war, vgl. o. Anm. 16) das Übrigbleiben eines Buchstabens aus dem vorgegebenen Ausgangsnamen. Vgl. hierzu beinahe noch zeitgenössisch William Drummond, „Character of a perfect Anagram“, in: W.D., The Works [1711], ND Hildesheim, New York 1970, 230 f., wo zunächst sensu stricto definiert wird: „Anagrams are Names turned, because they are Inversions of Letters so transposed, that without any Adjunction, Repetition or Diminution of others than these which are in the Name and Surname of a Person, there is a Devise or Period perfectly made up in Sense; and the Orthography must be strictly observed“, dann jedoch vorsichtig die Lizenz eingeräumt wird, „that some one or other Letter may be omitted; but with great Judgment, that that Letter be no eminent principal Letter of the Name, which is omitted: But such, without which the Name may consist. For when the same Letter occur many times in the Name, then the Omission of one or more is pardonable“ (230). — Daß es mit dem Anagramm im Fall „Philarchus Grossus von Trommenheim“ nicht ganz stimmt, notiert auch Günther Weydt, „über den Titel des ‚Simplicius Simplicissimus ‘und die fiktive Namengebung des Autors und Helden“, in: Helmut Rücker, Kurt Otto Seidel (Hrsg.): „Sagen mit sinne“. FS Marie-Luise Dittrich, Göppingen 1976, 281–290, hier: 286, beschreibt den Sachverhalt jedoch nicht korrekt, wenn er feststellt, der „Name ‚Philarchus Grossus von Trommenheim ‘… deckt sich mit ‚Christophorus von Grimmeishausen ‘bis auf ein ‚m ‘für ein ‚n‘“.

  20. Diesen konzeptionellen Widerspruch formuliert, ohne jedoch als Widerspruch Anstoß daran zu nehmen, im Eingang ihrer Arbeit Sabine Rahmsdorf, Stadt und Architektur in der literarischen Utopie der frühen Neuzeit, Heidelberg 1999,: „Utopia ist ein ‚Nirgendwo‘, ein Ort, der nicht existieren kann, weil er zu schön ist, um wahr zu sein. Mit diesem Gedanken hat Thomas Morus dem Inselstaat in der Neuen Welt … seinen hintergründigen Namen gegeben. Dieses ‚Nirgendwo ‘allerdings nimmt hier wie auch in den meisten anderen literarischen Utopien der frühen Neuzeit eine recht konkrete Gestalt an“, deren spezifische architektonische Ausprägung Rahmsdorf dann im folgenden untersucht.

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  21. Hierzu grundlegend Peter Kuon, Utopischer Entwurf und fiktionale Vermittlung. Studien zum Gattungswandel der literarischen Utopie zwischen Humanismus und Frühaufklärung, Heidelberg 1986, 55–134.

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  22. Hinzu kommt, daß, wie Brian R. Goodey, „Mapping ‚Utopia‘. A Comment on the Geography of Sir Thomas More“, The Geographical Review 60 (1970), 15–30, gezeigt hat, die Insel Utopia nach den im Text gegebenen geographischen Hinweisen kartographisch gar nicht darstellbar ist.

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  23. Als desillusionierender Kommentar zu diesem doppelt teleologisch perspektivierten Schreibunterfangen — mit dem Ziel, sich einerseits an seinen paradiesischen Ursprung zurückzuschreiben, andererseits von diesem Punkt aus seine Biographie zielgerichtet auf den eigenen Schreibort zulaufen zu lassen — läßt sich die jeder allegorischen Sinnhaftigkeit materialistisch entkleidete „Ding-Biographie“ des Schermessers lesen; vgl. dazu Walter Busch, „Die Lebensbeichte einer Warenseele — Satirische Aspekte der Schermesser-Allegorie in Grimmeishausens Continuatio“, Simpliciana 9 (1987), 49–63, Zitat: 55.

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  24. Simplicius’ utopische Inselexistenz wurde in der Forschung unterschiedlich bewertet. Während Elmar Locher, „‚Die Zeichen sind beieinander. ‘Eschatologie als poetologisches Programm bei J. Ch. von Grimmeishausen“, Simpliciana 15 (1993), 55–68, in der Kreuzinsel den „Ou-Topos der utopisch stillgestellten Zeit, der eschatologisch sich ereigneten ‚vollendeten Zeit ‘im wiedererstellten neuen Paradies“ (61) erkennen möchte, tendiert der überwiegende Teil der Interpreten zu einer kritischeren Sicht. Gegen die Einlösung des utopischen Entwurfs auf der Kreuzinsel wird vor allem Simplicius, Einsiedlertum geltend gemacht, „der abseits von aller Gesellschaft lebt und sich der mystischen Versenkung hingibt“ (Lefebvre [Anm. 10], 284); schärfer noch Meid 1982 (Anm. 5), 253

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  25. sowie Lothar Simmank, „Heiligenleben und Utopismus. Aspekte der Satirentechnik Grimmeishausens“, Simpliciana 10 (1988), 79–88, hier: 83 f.

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  26. Vgl. Erasmus von Rotterdam, Ausgewählte Schriften. Ausgabe in acht Bänden. Lateinisch und Deutsch, hrsg. Werner Welzig, II, eingeleitet und mit Anmerkungen versehen von Wendelin Schmidt-Dengler, Darmstadt 1975, 2 und 6: „Ergo quoniam omnino aliquid agendum duxi, et id tempus ad seriam commentationem parum videbatur accomodatum, visum est Moriae Encomium ludere. I Que Pallas istuc tibi misit in mentem? inquies. Primum admonuit me Mori cognomen tibi gentile, quod tarn ad Moriae vocabulum accedit quam es ipse a re alienus; … Vale, disertissime More, et Moriam tuam gnauiter defende.“

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  27. Vgl. dazu Hansjörg Büchler, Studien zu Grimmeishausens Landstörtzerin Courasche (Vorlagen I Struktur und Sprache I Moral), Bern, Frankfurt a.M. 1971, 63–65

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  28. sowie Walter Busch, „Geld und Recht in der Courasche. Satirische Kritik und utopische Perspektive“, Annali. Studi Tedeschi 26 (1983), 55–92, bes. 86–90.

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  29. Vgl. auch Robert Jütte, „Vagantentum und Bettlerwesen bei Hans Jacob Christoffel von Grimmeishausen“, Daphnis 9 (1980), 109–131, bes. 112–122, der neben der von den Zigeunern ausgehenden Faszination eines ungebundenen Lebens aber auch den Aspekt ihrer mißtrauischfurchtsamen Ausgrenzung aus der sozialen Welt geltend macht.

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  30. In diesem Zusammenhang aufschlußreich ist es, daß in intertextueller Perspektive des Schreibers Philarchus Grossus von Trommenheim utopisches Streben nach simplicitas ausgerechnet von Thomas Morus selbst als zum Scheitern verurteilt entlarvt wird, gehört doch der von Morus in der Utopia gewählte Modus indirekten Sprechens („obliquo ductu“) nach Martianus Capeila zu den „ductus figurati“, im Gegensatz zur offenen Redeweise im „ductus simplex“ (vgl. Werner von Koppenfels, „Mundus alter et idem. Utopiefiktion und menippeische Satire“, Poetica 13 [1981], 16–66, hier: 22 mit Anm. 10).

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  31. Vgl. Andreas Solbach, „Grimmeishausens verborgener Erzähler: das Gyges-Motiv erzähltheoretisch gedeutet“, Simpliciana 15 (1993), 207–227, hier: 215 f.

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  32. Bei Jürgen H. Petersen, „Formen der Ich-Erzählung in Grimmeishausens Simplicianischen Schriften“, ZfdPh 93 (1974), 481–507, hingegen bleibt die differentia specified unsichtbaren Ich- Erzählens unberücksichtigt.

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  33. Vgl. Italo Michèle Battafarano, „Präadamiten und Nicht-Adamische: Isaac de Lapeyrère / Paracelsus / Grimmeishausen“, Annali. Studi Tedeschi 26 (1983), 11–41, hier: 16 f.: „Während in den anderen simplicianischen Büchern die Welt aus einer subjektivierenden Perspektive so wiedergegeben wurde, daß dem Leser das Verständnis der objektiven Realität nicht nur nicht verhindert, sondern durch den literarisch bearbeiteten Kontrast zwischen der Perspektive der Ich-Person und der erzählten Welt sogar erleichtert wurde, signalisiert im Vogelnest schon eine namenlose Gestalt als Hauptperson, die Maske des Vogelnests, ein Verschwinden des interpretierend-erzählenden Subjekts.“

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  34. Vgl. auch Stefan Trappen, Grimmeishausen und die menippeische Satire. Eine Studie zu den historischen Voraussetzungen der Prosasatire im Barock, Studien zur deutschen Literatur 132, Tübingen 1994, 315: Eine psychologische Entwicklung des Vogel-Nest-Ichs sei schon deshalb nicht feststellbar, „weil die Person des Ich so gut wie völlig im Dunkeln bleibt“.

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  35. Auf die Gottähnlichkeit der Vogelnestträger hat bereits Jan Hendrik Schölte, „Der Sinn des Wunderbarlichen Vogelnests“, Euphorion 32 (1931), 141–145, hier: 141, aufmerksam gemacht. Dieses wesentliche Moment kommt bei Trappen (Anm. 50), 313 f., zu kurz, wenn er das Beobachten und Erzählen der unsichtbaren Vogelnestträger strukturell mit der Position des in einen Esel verwandelten Lucius in Apuleius ‘Metamorphosen parallelisiert.

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  36. Diese moraldidaktische Auslegung des Wunderbarlichen Vogel-Nests ist in der Grimmelshausen-Forschung communis opinio, in jüngerer Zeit repräsentativ hierfür etwa die ‚Deutungshinweise“ in der kommentierten Ausgabe von Dieter Breuer, Hans Jacob Christoffel von Grimmeishausen, Werke, 1/2, Frankfurt a.M. 1992, 875–878 und 949–952, ferner Breuer (Anm. 6), 99–114, Solbach (Anm. 46) sowie Trappen (Anm. 50), 312–323.

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  37. Vgl. Solbach (Anm. 46), 214; in einen theologischen Bezugsrahmen wird dieser Zusammenhang gestellt bei Friedrich Gaede, Substanzverlust. Grimmeishausens Kritik der Moderne, Tübingen 1989, 56: „Da das Vogelnest seinem Besitzer Erkenntnisse oder Erfahrungen ermöglicht, die anderen verborgen bleiben, ist der Baum, auf dem es gefunden wird, der Baum der Erkenntnis, genauer: der Baum literarischer Erkenntnis, denn der Vogelnestträger gleicht dem epischen Erzähler, der immer dabei ist, selbst nicht gesehen wird, von seiner Gegenwart den beobachteten Personen nur so viel deutlich werden läßt, wie er möchte, und prinzipiell in der Lage ist, hinter die Masken zu sehen und die krummen Wege der Welt zu beschreiben.“

  38. Diesen Zusammenhang notieren auch Solbach (Anm. 46) und Roberto de Pol, „Sul triplice senso del Wunder bar lieh es Vogel — Nest di Grimmeishausen“, Annali. Studi Tedeschi 26 (1983), 93–112, bes. 103 ff.

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  39. Zum simplicianischen „Spiel der Masken, in dem jede Maske unter dem Zeichen des ‚Baldanders ‘steht“ (50), vorzüglich und von der späteren Forschung im Reflexionsniveau nicht wieder erreicht Hans-Ulrich Merkel, Maske und Identität in Grimmeishausens „Simplicissimus“, Diss. Tübingen 1964; zum Spiel der Anagramme und Pseudonyme 52–69. Vgl.

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  40. dagegen Günther Weydt, Nachahmung und Schöpfung im Barock. Studien um Grimmeishausen, Bern 1968, 192–196 („Anagramme und simplicianischer Letterwechsel“), der sich mit der Begründung zufrieden gibt, es handle sich um eine typisch barocke Mode.

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  41. So der Kommentar zur Stelle in der Ausgabe von Breuer (Anm. 54), 957f. „Ein solches Privileg erteilte dem Antragsteller, ob Autor, Drucker oder Verleger, das alleinige, zeitlich begrenzte, jedoch erneuerbare Recht zur Vervielfältigung eines Druckwerkes und drohte unrechtmäßigen Nachdruckern strenge Strafen an“ (Reinhard Wittmann, Geschichte des deutschen Buchhandels. Ein überblick, München 1991, 61).

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  42. Hierzu grundlegend Hannes Fricke, „Niemand wird lesen, was ich hier schreibe“. über den Niemand in der Literatur, Göttingen 1998, 62–76.

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  43. Günter Grass, Das Treffen in Telgte. Eine Erzählung und dreiundvierzig Gedichte aus dem Barock, 4. Aufl., Darmstadt 1988, 10f.

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  44. deutlicher die metonymische Figurenrede der Wirtin Courage: „Von Soest bis Vechta fürchte man den Grünwams. … So fein spinne der Gelnhausen sein Lügengarn. So haltbar leime der Kerl seit Jahren die fürnehmsten Herren. Sie wisse es leidvoll: kein Teufel könne ihm gleich!“ (111). Zur diabolischen Konnotation des „Grünwams“ vgl. Hanns Bächtold-Stäubli (Hrsg.), Handwörterbuch des deutschen Aberglaubens, III, Berlin, Leipzig 1930/31, Sp. 1182 s.v. „grün“: „Eine große Rolle spielt unter den g[rün]en Geistern der ‚g[rün]e Jäger‘, der zu Beginn der Jagdzeit mit seinen Gesellen und Hunden den Wald durchzieht und durch die Luft jagt. Es ist natürlich niemand anders als Wodan, der Führer des Seelenheeres, der sich schließlich von der wilden Jagd loslöst und als Teufel im g[rün]en Jägerkleid mit der roten Hahnenfeder am g[rün]en (roten) Hut sich an die Menschen heranmacht. Manchmal verrät er sich dabei noch durch seinen fuchsroten Bart … Vielfach ist daher ‚G[rün]rock ‘ein Ausdruck für /Teufel‘.“

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Kaminski, N. Narrator absconditus oder Der Ich-Erzähler als „verschwundener Kerl“ Von der erzählten Utopie zu utopischer Autorschaft in Grimmelshausens ‚Simplicianischen Schrifften‘. Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 74, 367–394 (2000). https://doi.org/10.1007/BF03375547

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