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Rortys Wirkung und Herausforderung für die Hermeneutik

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Handbuch Richard Rorty
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Zusammenfassung

Das Kapitel artikuliert Rortys Hauptthesen seiner hermeneutischen Wirkungsgeschichte: Dass die Vorverständnisabhängigkeit des Verstehens jede philosophische oder metaphysische Grundlegung obsolet macht, sowie dass Verstehen nicht auf Geistes- und Kulturwissenschaften eingrenzbar ist und vielmehr alles wissenschaftliche und philosophische Erkennen situativ bestimmt. In Auseinandersetzung mit Hans-Georg Gadamers und Jürgen Habermas’ Wahrheits-, Verständigungs- und Philosophiebegriffen werden Rortys Herausforderungen für die Hermeneutik anhand folgender Fragestellungen behandelt: Müssen bzw. sollten wir in der Hermeneutik an einem Begriff der Wahrheit festhalten? Ist Verstehen notwendig ethnozentrisch? Kann es nach Rortys post-metaphysischer Destruktion der Philosophie und Wahrheit noch einen Ort für ontologische Selbstreflexion geben?

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Notes

  1. 1.

    Vgl. vor allem die Diskussionsbände zu Rorty von Malachowski (1990); Brandom (2000); Schäfer et al. (2001); und Buschmeier und Hammer (2011). Zwar ist nur der letztere konkret auf Hermeneutik und Pragmatismus ausgerichtet, aber in allen werden wesentliche Fragestellungen der philosophischen Hermeneutik behandelt.

  2. 2.

    Vgl. den Beitrag zu Philosophy and the Mirror of Nature (Calcaterra/Kögler) in diesem Band.

  3. 3.

    Vgl. Calcaterra/Kögler und Ramberg in diesem Band.

  4. 4.

    Für Rorty wäre ein solcher Versuch freilich ein Rückfall ins fundamentalistische Philosophieren, da hier wiederum vorgängige Erschließungsstrukturen die jeweils empirisch-internen Gegenstandsbereiche vorkonstruieren würden. Vgl. hierzu auch Gianni Vattimos Ansatz und neuere hermeneutische Diskussionen in Malpas und Zabala 2011.

  5. 5.

    Während ‚Die Erde ist flach‘ z. B. 1350 gerechtfertigt war, war diese Aussage dennoch auch damals nicht wahr. Vgl. auch Putnam (1981), der in seinem ‚internen Realismus‘ dieser Differenz, ähnlich wie Peirce und eben auch Habermas, Rechnung trägt durch eine idealisierte Erkenntnissituation, welche bei der Wahrheitsbehauptung von Aussagen kontrafaktisch unterstellt wird und bei Kritik regulativ als Leitfaden für immer wahrere Aussagen dienen kann.

  6. 6.

    Eine solche Zirkularität ist freilich nichts Abzulehnendes, wenn innerhalb der formalen Theorie eine solche Inanspruchnahme gerechtfertigt werden kann. Zugleich aber wird eine solche meta-hermeneutische Reflexion immer auf die relative Kontingenz der formalen Theorie in bezug auf ihre Details hinweisen und damit eine radikal fallible Einstellung in bezug auf die formalen Eigenschaften einnehmen.

  7. 7.

    Für Rorty ist die behauptete Unterstellung einer ‚idealen Sprechsituation‘ (Habermas) oder einer ‚idealen Erkenntnissituation‘ (Putnam) ein fast verzweifelter Versuch, die Wahrheit-Rechtfertigung-Differenz internalistisch einzuholen (Rorty 1988, Fn. 1). Wahrheit wird hier als Übereinstimmung der Beteiligten in bezug auf die Sache unter idealisierten Bedingungen gesehen, so dass eine direkte Korrespondenzbegrifflichkeit vermieden und Wahrheit als intersubjektiv geteilte Sicht auf die Sache erfassbar wird.

  8. 8.

    Der normative Hintergrund ist hier freilich ein neo-aristotelischer, demgemäß sich das praktische Interpretieren einer im Verstehen überhaupt enthaltenen Teleologie, besser: Intentionalität, anschmiegt. Rorty scheint Werturteile hingegen aus der Humeschen Perspektive prinzipiell subjektiver, an sich faktisch unbegründbarer Aussagen zu thematisieren. Dazu später mehr.

  9. 9.

    Siehe Rorty 1988, S. 28–29.

  10. 10.

    Gerade auch wenn wir z. B. die ethische Fokusierung auf den Menschen durch Tiere und Natur zu erweitern versuchen, muss gerade die normativ-ontologische Vorerschließung in bezug auf diese anderen Seins- und Lebensbereiche thematisch und möglicherweise revidiert bzw. differenziert werden.

  11. 11.

    Vgl. Gadamers Diktum: „Daß die Erfahrung des Du eine spezifische sein muss, sofern das Du kein Gegenstand ist, sondern sich zu einem verhält, ist klar … Da hier der Gegenstand der Erfahrung selbst den Charakter der Person, hat, ist solche Erfahrung ein moralisches Phänomen und das durch sie erworbene Wissen, das Verstehen des anderen, ebenfalls.“ (Gadamer 1975, S. 340).

  12. 12.

    Rorty selbst bleibt zeitlebens einem nie völlig abgestreiften Naturalismus verhaftet, der kritische Gesellschaftstheorie zwischen einer moralisierenden Lektüre von großer Literatur und post-romantischen Beschwörungen der Schöpfungs- und Innovationskraft von Sprache bzw. Individuen verdunsten lässt. Rortys eigene ontologische Vorgaben machen eine Sozialkritik, die den strukturell-kausalen Einfluss von Kultur und Macht auf die Subjekte erklärt, ohne diese wiederum ihres freien Willens zu berauben, unmöglich. Eine solche Kritik hat selbst die Demaskierung von ideologischen Seinsvorverständnissen zum Gegenstand.

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Kögler, HH. (2023). Rortys Wirkung und Herausforderung für die Hermeneutik. In: Müller, M. (eds) Handbuch Richard Rorty. Springer VS, Wiesbaden. https://doi.org/10.1007/978-3-658-16253-5_59

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