Zusammenfassung
Im Anschluß an neuere Untersuchungen über Büchner und V. Hugo wird die Annahme belegt, daß die thematische Erzählstruktur des Lenz wesentlich vom Kapitel “Fièvre” aus Hugos Roman Notre-Dame angeregt worden sein kann.
Abstract
With reference to recent studies about Büchner and V. Hugo, the assumption is proved, that the thematic narrative structure of Lenz might have been suggested by the “Fièvre” — chapter of Hugo’s novel Notre-Dame.
Literatur
Hans Mayer, Georg Büchner und seine Zeit, Frankfurt/M. 1972, 405 f.–Die Monographie erschien zuerst 1946.
Roger Bauer, “Georg Büchner, traducteur de Victor Hugo”, Etudes Germaniques 42 (1987), 329–336.
Rosemarie Hübner-Bopp, Georg Büchner als Übersetzer Victor Hugos. Unter Berücksichtigung der zeitgleichen Übersetzungen von Lucrèce Borgia und Marie Tudor sowie der Aufnahme Victor Hugos in der deutschen Literaturkritik von 1827 bis 1835, Frankfurt/M., Bern, New York, Paris 1990, 170, 235ff.
Paul Requadt, “Zu Büchners Kunstanschauung. Das Niederländische und das Groteske, Jean Paul und Victor Hugo”, in: Bildlichkeit der Dichtung, München 1974, 104–138.
Georg Büchner, Sämtliche Werke und Briefe, Historisch-kritische Ausgabe mit Kommentar, hrsg. Werner R. Lehmann, Bd. II, München 1971, 464.
Walter Hinderer, Büchner-Kommentar zum dichterischen Werk, München 1977, 158 f.
Im folgenden zitierte Ausgaben: Victor Hugo, Notre-Dame de Paris. 1482–Les Travailleurs de la mer, textes établis, présentés et annotés Jaques Seebacher et Yves Gohin, Bibiothèque de la Pléiade, Paris 1975.–Die Ausgabe druckt den Text der achten und definitiven Auflage des Romans, die im Dezember 1832 bei Renduel erschien (T. III—V der Œuvres, Abt. Romans).–Zitiert: N, Seitenzahl.
Victor Hugo, Notre-Dame oder die Liebfrauenkirche zu Paris, Victor Hugo’s klassische Werke teutsch bearbeitet von Friedrich Seybold, Bd. I, Stuttgart und Leipzig 1835. -Zitiert: NL, Seitenzahl. Obwohl es etwas verwirren mag, zitiere ich im folgenden auch im fortlaufenden Text aus beiden Ausgaben, weil das dem Stand meiner Vermutungen am ehesten entspricht. Der Text des französischen Originals ist im übrigen leicht zugänglich, der Seybolds nicht.
Rosmarie Zeller, “Büchner und das Drama der französischen Romantik”, Georg-Büchner Jb. 6, 1986/87 (1990), 73–105, hier: 100, 91.
So Lehmanns wohl korrekte Konjektur: Georg Büchner, Sämtliche Werke und Briefe, Bd. I, München 1967, 95. Dagegen Hubert Gersch: “Haberpfeife”. Georg Büchner, Lenz, Studienausgabe, hrsg. H.G., Stuttgart 1984, 24.–Nach der Ausgabe von Gersch zitiere ich im folgenden: L, Seitenzahl. Ihm danke ich für die aufmerksame und kritische Lektüre dieses Beitrags; dem Hinweis auf Mörike hat er aus eigener Kenntnis sogleich zugestimmt.
Eduard Mörike, Sämtliche Werke, hrsg. von Herbert G. Göpfert, München 1954, 929f.
Die Debatte um den historischen Roman, um historisches Erzählen kann hier nicht eigentlich aufgenommen werden. Jedenfalls haben die “traditionellen” Prinzipien histori schen Erzählens, die den “Hiatus” zwischen “Fiktion und Historie” gerade zu verdecken suchen, durchaus ihre epochale Berechtigung (vgl. zur Typologie: Hans Vilmar Geppert, Der ‘andere’ historische Roman. Theorie und Strukturen einer diskontinuierlichen Gat tung, Tübingen 1976, 36
dagegen Michael Limlei, Geschichte als Ort der Bewährung. Menschenbild und Gesellschaftsverständnis in den deutschen historischen Romanen (1820–1890), Frankfurt/M., Bern, New York 1988, 25f.).
Zur Typologie der Romane W. Scotts etwa: Erwin Wolff, “Sir Walter Scott und Dr. Dryasdust. Zum Problem der Entstehung des historischen Romans im 19. Jahrhundert”, in: Dargestellte Geschichte in der europäischen Literatur des 19. Jahrhunderts, hrsg. Wolfgang Iser und Fritz Schalk, Frankfurt/M. 1970,15–32.–Scott versuchte, ”romance und novel miteinander zu vereini gen Unter novel verstand Scott eine Form des Erzählens, die sich möglichst exakte, wirklichkeitsgetreue und mimetische Deskription der manners zum Ziel setzte” (24).
Theodor W. Adorno, “Standort des Erzählers im zeitgenössischen Roman”, in: Noten zur Literatur, Frankfurt/M. 1958, 70. Natürlich meint Adorno eine radikale Moderne, wenn er davon spricht, die “Einziehung der Distanz” sei “ein Gebot der Form selber, eines der wirksamsten Mittel, den vordergründigen Zusammenhang zu durchschlagen”. Daß “die Differenz zwischen Realem und imago… grundsätzlich kassiert” wird, hat dann doch eine andere Bedeutung, als man sie für Büchners Lenz geltend machen könnte.
Es ist ein Topos der Großstadtwahrnehmung. Vgl. etwa: Heinz Brüggemann, Das Andere Fenster. Einblicke in Häuser und Menschen. Zur Literaturgeschichte einer urba-nen Wahrnehmungsform, Frankfurt/M. 1989.
Vgl. Bernd Schulte-Middelich, “Funktionen intertextueller Textkonstitution”, in: Intertextualität. Formen, Funktionen, anglistische Fallstudien, hrsg. Ulrich Broich und Manfred Pfister unter Mitarbeit von Bernd Schulte-Middelich, Tübingen 1985, 197–243, hier: 215.
Weitere Nachfolger nennt Dietmar Goltschnigg, “Büchners Lenz, Hofmannsthals Andreas und Trakls Traum und Umnachtung. Eine literaturpsychologische Wirkungsanalyse”, Sprachkunst 5 (1974), 2131–243.
Michail Bachtin, “Der Held im polyphonen Roman”, in: Literatur und Karneval. Zur Komantheorie und Lachkultur, München 1985, 86–100, hier: 88.
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Köhn, L. Lenz und Claude Frollo Eine Vermutung zu Büchners Lenz-Fragment. Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 66, 667–686 (1992). https://doi.org/10.1007/BF03396319
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