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BY 4.0 license Open Access Published by De Gruyter November 17, 2023

„Monophysiten“ und „Nestorianer“. Überlegungen zu zwei Bezeichnungen aus der christlichen Theologie- und Kirchengeschichte

  • Christian Lange EMAIL logo
From the journal Millennium

Abstract

This paper challenges the traditional notions of ‘Monophysitism’ and ‘Nestorianism’ or ‘The Nestorian Church’. With regard to ‘Monophysitism’, it argues that two interpretations of the basic ‘Alexandrian’ Christological formula of the ‘one nature of the God-Logos incarnate’ need to be distinguished. One, according to which the individual properties of the two ‘natures’ of Christ were lost and mixed, and which can, indeed, be referred to as ‘Monophysitism’ – in contrast to another interpretation which insisted that the individual characteristics of the two ‘natures’ were preserved and the ‘God-Logos incarnate’ remained consubstantial with human beings (homoousios hēmin). This second approach might be better referred to as ‘Miaphysitism’.

Similarly, this contribution suggests that it seems necessary to differentiate between what Nestorius of Constantinople himself taught and what his opponent Cyrill of Alexandria imputed to him. When analyzing Nestorius’ own writings, it becomes clear that Nestorius neither challenged the true union between the God-Logos and the ‘Man’ nor assumed a time in which the ‘Man’ existed prior to his unification with the God-Logos. Therefore, Nestorius taught no ‘Nestorianism’ in the sense in which Cyrill of Alexandria introduced it. Likewise, the Christology of the Apostolic Church of the East is based on the views of Theodore of Mopsuestia. It is not before the 6th century that representatives of this Church discovered Nestorius as a martyr for the ‘orthodox belief’ who was persecuted by the Egyptian ‘Pharaoh’, just as had been John Chrysostom before him. Because of its loyalty to the Christology of Theodore of Mopsuestia, it seems rather fitting to abandon the inappropriate title ‘Nestorian Church’ – a polemical title that has been pinned on the ‘Church of the East’ by its theological opponents from the 6th century onwards.

1 Einleitung

In seiner Enzyklika Ut unum sint vom 25. Mai 1995 hat der römische Papst Johannes Paul II. († 2005) in Bezug auf die binnenchristliche Ökumene dargelegt:

Im Dialog stößt man unweigerlich auf das Problem der unterschiedlichen Formulierungen, mit denen die Lehre in den verschiedenen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften ausgedrückt wird, was natürlich mehr als nur eine Konsequenz für die ökumenische Aufgabe hat. Angesichts von Lehrformeln, die von jenen in der Gemeinschaft, der man angehört, üblichen abweichen, gilt es zunächst natürlich zu klären, ob die Worte nicht einen identischen Inhalt meinen; ein konkretes Beispiel dafür sind diesbezügliche Feststellungen in gemeinsamen Erklärungen der jüngsten Zeit, die von meinen Vorgängern und von mir zusammen mit Patriarchen von Kirchen unterzeichnet worden sind, mit denen es seit Jahrhunderten einen christologischen Streit gab.[1]

Das Oberhaupt der katholischen Kirche bezieht sich in diesem Abschnitt aus seiner Enzyklika aus der Mitte der 1990er Jahre auf die Fortschritte, die seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962 – 1965) im ökumenischen Gespräch zwischen dem Apostolischen Stuhl von Rom und den christlichen Kirchen des Orients[2] hinsichtlich der Übereinstimmung im Christusglauben erreicht worden sind.[3] Vor diesem zeitgeschichtlichen Hintergrund hat der Salzburger Kirchenhistoriker und Consultor des Päpstlichen Rats für die Einheit der Christen, Dietmar Winkler, positiv hervorgehoben: „Durch die Vorarbeit der Dogmen- und Kirchengeschichtsforschung konnte vieles aufgearbeitet und geklärt werden. Im Vergleich zu 1.500 Jahren der getrennt verlaufenden Geschichte wurden innerhalb kürzester Zeit ökumenische Meilensteine gesetzt.“[4]

Angesichts dieser wegweisenden Fortschritte, die im binnenchristlichen Austausch zwischen Orient und Okzident sowie in der theologischen Forschung erreicht worden sind, ist es umso bedauerlicher, dass diese Errungenschaften immer noch nur langsam Eingang in die wissenschaftliche Literatur, die akademische Lehre, den konfessionellen Religionsunterricht, die pastorale Arbeit in den Gemeinden oder die Erwachsenenbildung finden.[5] Es ist daher das Ziel der folgenden Ausführungen, für ein breiteres Publikum kompakt, aber dennoch allgemein verständlich, darzulegen, weshalb (i.) in den beiden christologischen Konzepten der griechisch-antiochenischen wie der griechisch-alexandrinischen Richtung aus dem 5. Jh. zwischen zwei Interpretationen der jeweiligen christologischen Grundformeln und damit zwischen zwei andersgearteten Bezeichnungen für die Schriften und Anhänger der beiden Deutungen differenziert;[6] und aus welchem Grund deshalb (ii.) die Apostolische Kirche des Ostens im Perserreich in einem theologiegeschichtlichen Sinne nicht länger als die „Nestorianische“ Kirche oder ihre Gläubigen als die „Nestorianer:innen“ bezeichnet werden sollten.[7] Dieser Beitrag knüpft insofern an jüngere theologie- und dogmengeschichtliche sowie kirchenhistorische Forschungsarbeiten an, wie sie etwa Alois Grillmeier/Theresia Hainthaler (St. Georgen),[8] Sebastian Brock (Oxford),[9] Karl Pinggéra (Marburg),[10] Gerrit Reinink (Groningen),[11] Dietmar Winkler (Salzburg),[12] Philipp Wood (London),[13] Muriel Debié (Paris)[14] oder Louis Sako (Bagdad)[15] vorgelegt haben. Dieser Denkanstoß setzt insofern die Argumente, die bisher entweder in der Theologie- oder in der (Ost‐)Kirchengeschichte einzeln vorgetragen worden sind, zu einem gemeinsamen Bild zusammen. Er versucht also eine integrierende Zusammenschau der Erkenntnisse aus verschiedenen akademischen Disziplinen.

Um den theologiegeschichtlichen Rahmen des (spät‐)antiken Diskurses hinsichtlich der Frage, wie das Christusgeheimnis adäquat beschrieben werden könne, abzustecken, werden dabei auf den folgenden Seiten zunächst die drei Stufen der Entwicklung der Formulierung des Christusglaubens in der (ost‐)römischen Reichskirche sowie die drei grundlegenden christologischen Schemata im griechisch-sprachigen Osten wie im lateinisch-sprachigen Westen im fünften Jahrhundert vorgestellt. In einem zweiten Schritt wird sodann überprüft, ob die bisher üblicherweise gebrauchten Label des „Monophysitismus“ bzw. der „Monophysitischen Kirchen“ sowie des „Nestorianismus“ bzw. der „Nestorianischen Kirche“ in einer angebrachten Art und Weise entweder auf die entsprechenden Annäherungen an das Christusgeheimnis in den christologischen Ansätzen von führenden Theologen oder konziliaren Formulierungen aus dem fünften bis siebten Jahrhundert oder die Rezeption des Bischofs Nestorius von Konstantinopel in der Apostolischen Kirche des Ostens im Perserreich angewandt werden sollten.[16]

Dabei richtet die folgende Darstellung ihren Fokus allerdings nicht nur auf die Diskussionen im Imperium Romanum, wie es die christliche Kirchengeschichtsschreibung seit Eusebius von Caesarea († 339) oftmals gewohnt ist,[17] sondern auch auf die Fixierung des Christusglaubens in der Kirche im Perserreich, in der Apostolischen Kirche des Ostens, da sowohl die von ihr vertretenen Christologie als auch die Rolle, die Nestorius, der verurteilte Patriarch von Konstantinopel in der Kirche im Perserreich eingenommen hat,[18] eine entscheidende Grundlage für die Angemessenheit der Bezeichnung der „Nestorianischen Kirche“ darstellen.[19] Eine perspektivische Schlussfolgerung rundet die Überlegungen ab.

2 Die drei Phasen der Formulierung des Christusglaubens in der (ost‐)römischen Reichskirche

Die Formulierung des Christusglaubens ist in der (ost‐)römischen Reichskirche in drei größeren Schritten erfolgt:[20]

  1. In einem ersten, frühen Abschnitt der Theologiegeschichte wurde die Frage aufgeworfen, ob es neben dem göttlichen Vater auch einen von diesem unterscheidbaren Gott-Logos gebe, der in Jesus von Nazaret Mensch geworden (Joh 1,14), als der Christus/Mēšyḥā (Mk 8,29) erkannt und von den Toten auferstanden sei (1Kor 15,1 – 8).[21] Diese Phase reichte von den neutestamentlichen Schriften[22] bis zu den theologischen Ansätzen des 2. und 3. Jh. und wird in kirchen- und theologiegeschichtlichen Darstellungen häufig als die Periode der Debatte um den sogenannten Monarchianismus angesehen.[23] An ihrem Ende stand großkirchlich[24] die Überzeugung, dass es neben dem göttlichen Vater auch einen Gott-Logos gebe, der sich in seinem erlösenden Heilshandeln gegenüber der Schöpfung durch seine Menschwerdung, seine Inkarnation, zu erkennen gegeben habe. Sie wurde im lateinisch-sprachigen Westen besonders von Tertullianus von Carthago († um 220)[25] und im griechisch-sprachigen Osten von Origenes von Alexandria († 253/254) geprägt.[26]

  2. In einer zweiten, maßgeblich von den theologischen Anschauungen des Presbyters Arius von Alexandria († 336)[27] angestoßenen Epoche vom ersten reichsweiten[28] Konzil von Nicaea (325)[29] bis zu dem Edikt Cunctos Populos des römischen Kaisers Theodosius I. († 394) vom 28. Februar 380[30] und dem Glaubensbekenntnis der später als zweites ökumenisches Konzil anerkannten Synode von Konstantinopel (381)[31] stand die Frage im Mittelpunkt, ob der Gott-Logos vollständig Gott sei – so, wie es der Bischof Alexander von Alexandria († 328)[32] und sein theologischer Berater und Nachfolger Athanasius († 373)[33] lehrten; oder ob er nicht eher als ein Geschöpf und geschaffenes Wesen des göttlichen Vaters angesehen werden müsse, wie es in Alexandria Arius († 336) beibrachte.[34] Am Ende dieser Auseinandersetzungen setzte sich im Imperium Romanum kirchlich wie staatlich die Lehre durch, dass der Gott-Logos ebenso vollständig Gott sei, wie der göttliche Vater, weil er das eine göttliche Wesen (οὐσία/ousia) mit dem göttlichen Vater teile, mit diesem also „eines Wesens“ (ὅμοουσιος/homoousios) sei.[35]

  3. Die dritte Phase, die sich vom dritten ökumenischen Konzil von Ephesus (431) über die zweite Synode von Ephesus (449), das vierte ökumenische Konzil von Chalcedon (451) und das zweite ökumenische Konzil von Konstantinopel (553) bis hin zum dritten Konzil in der Kaiserstadt am Bosporus (680/681) und ihren jeweiligen Vor- und Rezeptionsgeschichten erstreckte,[36] drehte sich dann zentral um die Herausforderung, ob der Fleisch und Mensch gewordene Gott-Logos nach seiner Inkarnation denn auch ein vollständiger Mensch sei. Am Ende dieses Zeitraums erklärte das sechste ökumenische Konzil, das dritte Konzil von Konstantinopel (680/681), für die verbliebene (ost‐)römische Reichskirche – d. h., ohne weite Kreise der orientalischen Christinnen und Christen[37] – lehramtlich, dass dies so sei; denn „unser Herr Jesus Christus, unser wahrer Gott, der Eine aus der heiligen, wesensgleichen und lebensspenden Trinität, […] [sei] vollkommen in der Gottheit und ebenso vollkommen in der Menschheit – also τέλειον ἐν θεὸτητι καὶ τέλειον ἐν ἀνθρωπότητι.“[38] Er sei „wahrhaft Gott (θεὸν ἀληθῶς) und wahrhaft Mensch (καὶ ἄνθρωπον ἀληθῶς) aus vernunftbegabter Seele und Leib (ἐκ ψυχῆς λογικῆς καὶ σώματος).“[39] Er sei „eines Wesens mit dem Vater der Gottheit nach“ (ὁμοούσιον τῷ πατρί κατὰ τὴν θεότητα) sowie „eines Wesens mit uns Menschen der Menschheit nach“ (καὶ ὁμοούσιον ἡμῖν κατὰ τὴν ἀνθρωπότητα).[40] An dieser konziliaren Beschreibung des Christusgeheimnisses halten bis heute diejenigen Kirchen und kirchlichen Gemeinschaften, die aus der lateinischen Tradition des Westens hervorgegangen sind, sowie die orthodoxen Kirchen der byzantinischen Tradition fest[41] – nicht aber die orientalisch-orthodoxen Kirchen des Orients und die Apostolische Kirche des Ostens, also die vermeintlichen „Monophysit:innen“ und „Nestorianer:innen“, deren Christologie in der Theologiegeschichte aus einem ökumenisch problematischen Blickwinkel heraus häufig entweder als „vor-ephesinisch“[42] oder als „vor-chalcedonensisch“[43] angesehen worden ist. In diesem längsten Abschnitt der tieferen Durchdringung des Christusglaubens standen sich zu Beginn im 5. Jh. grundlegend drei christologische Konzepte gegenüber.[44]

3 Die drei grundlegenden christologischen Ansätze im fünften Jahrhundert

3.1 Das griechisch-antiochenische Logos-Anthrōpos-Modell

In der griechisch-sprachigen Theologie des Ostens des Imperium Romanum bildete sich in Antiochia in Syrien das so genannte Logos-Anthrōpos-Modell aus.[45] Prosopographisch wird es in erster Linie mit den Namen des Diodorus von Tarsus († 390),[46] Theodoretus von Cyrus († 457),[47] Theodorus von Mopsuestia († 428)[48] und Nestorius von Konstantinopel († 451)[49] verbunden. Theologiegeschichtlich wird es von Alois Grillmeier wie Dietmar Winkler als eine Reaktion auf die Christologie des Apollinaris von Laodicea († 390) eingeordnet, der, obwohl ebenfalls in Syrien wirkend, eher ein alexandrinisches Logos-Sarx-Schema vertreten hat.[50] Das grundständige Ansinnen der angeführten Vertreter der griechisch-antiochenischen Richtung bestand darin, die Vollständigkeit der menschlichen Natur, des Anthrōpos, in dem einen Christus hervorzuheben,[51] weil dessen Auferstehung – d. h. genauer präzisiert die Erhebung der menschlichen Natur des Christus aus der Scheol, der Welt der Toten – als Garant für die Überzeugung angesehen wurde, dass alle Menschen auferstehen würden.[52] Anhänger dieser Denkrichtung bevorzugten es daher, von zwei Naturen (φύσεις/physeis) in dem einen Christus zu sprechen, die während der Inkarnation des Gott-Logos seine eine Person (προσώπον/prosōpon) gebildet hätten.[53] In den in Übersetzung in das klassische Syrische erhaltenen Catecheticae Homiliae beschreibt Theodorus von Mopsuestia diese griechisch-antiochenische Lehre folgendermaßen:

Vielmehr folgten sie [sc. die Väter] den heiligen Schriften, unterschiedlich (mšāḥlpāyt) über die Naturen zu sprechen (ʽl kyānē), jedoch eine Person (ʽl ḥād pārṣōpā) zu lehren auf Grund der genauen Verbindung (mēṭūl nāqypūtā ḥātytā), die stattgefunden hatte (d-hāwā), damit man nicht meine, die vollkommene Gemeinschaft (šwlpwtā gmyrtā) zwischen dem Angenommenen (l-hāw d-ʼtnēsēb) und dem Annehmenden zu zertrennen (ṣēd hū d-nāsēb). Wenn man nämlich diese Verbindung auflöst, dann scheint der Angenommene nichts anderes zu sein als ein bloßer Mensch (bār ʼnāšā šḥymā), wie wir auch.[54]

Wie aus diesem Quellentext ersichtlich wird, geht der Bischof von Mopsuestia von zwei Naturen (kyānē/φύσεις) aus, welche sich zu der einen Person des Christus (pārṣōpā/πρόσωπον) miteinander vereint hätten – und zwar auf Grund einer „vollkommenen Verbindung“, einer nāqypūtā ḥātytā.[55] Diesen Fachbegriff wählt Theodorus offenbar bewusst, um die Interpretation auszuschließen, die vollständige Gemeinschaft zwischen dem vom Gott-Logos „angenommenen“ Menschen (l-hāw d-ʼtnēsēb) und dem diesen Menschen annehmenden (hū d-nāsēb) Gott-Logos sei trennbar; denn in diesem Falle wäre, wie der antiochenische Denker anfügt, der „Angenommene“ nichts anderes als ein „bloßer Mensch“ (bār ʼnāšā šḥymā/ψιλὸς ἄνθρωπος), der zu einem Zeitpunkt nach seiner Geburt von Gott angenommen oder adoptiert worden wäre.[56] Gerade aber eine solche Auslegung seiner Position will Theodorus von Mopsuestia offenbar ausschließen.[57]

Die Vollständigkeit der menschlichen Natur in dem Christus scheinen die griechisch-antiochenischen Theologen darüber hinaus aber auch deshalb besonders unterstrichen zu haben, weil sie die Annahme zurückzuweisen suchten, dass sich mit der Gottheit des Christus auf Grund der Einung mit dessen Menschheit auch menschliches Leiden verbunden habe – wie es offenbar Theodoretus von Cyrus beispielsweise aus dem 12. Anathema herausgelesen zu haben scheint, welches Cyrillus von Alexandria gegen Nestorius von Konstantinopel gerichtet hat.[58] Im Sinne einer solchen Deutung argumentierte der Bischof von Cyrus jedenfalls in seiner Zurückweisung der 12 Lehrverurteilungen des Alexandriners:

Das Leiden (ta pathē) ist dem leidensfähigen [sc. der menschlichen Natur des Christus] (tou pathētou) eigen. Das, was nicht leiden kann [sc. der Gott-Logos] (ho gar apathēs), ist über das Leiden erhaben (pathōn estin hypsēloteros). Deshalb litt die Gestalt des Knechtes (hē tou doulou morphē), während die Gestalt des Gottes (tēs tou Theou morphēs), die mit ihr vereint war (synousēs) und es zuließ (sygchōrousēs), dass jene [sc. die Gestalt des Knechtes] litt um der Erlösung willen (dia tēn sōtērian), welche aus den Leiden geboren wurde, sich die Leiden zu eigen machte (oikeioumonon) wegen der Einung [der beiden Naturen] (dia tēn henōsin). Deshalb litt nicht der Christus (oukoun ouch ho Christos pathōn), sondern der von uns [Menschen genommene] Mensch (all’ ho anthrōpos), der von Gott angenommen worden ist (hypo tou Theou lēphtheis).[59]

Weil es für die „Antiochener“ aus den genannten Gründen von einer solch entscheidenden Bedeutung war, dass der Christus nicht nur ebenso Gott sei, wie der göttliche Vater, sondern gleichermaßen ein vollständiger Mensch, ein ἀνθρώπος, nennt man dieses Modell das Logos-Anthrōpos-Schema.[60]

Für diesen Zugang zum Christusgeheimnis nimmt die Beobachtung ein, dass die Vollständigkeit der menschlichen Natur wegen des besonderen Akzents, welchen griechisch-antiochenische Texte auf die beiden ungeschmälerten Naturen (φύσεις) des Christus setzten, leicht nachvollziehbar zu begründen war.[61] Weniger einfach gestaltete es sich für die Anhänger dieser Lehre hingegen, überzeugend zu belegen, dass sie diesen Christus weiterhin für ein einzelnes handelndes Subjekt hielten;[62] und hierüber kam es zur erbittert geführten Auseinandersetzung mit den Vertretern der zweiten Richtung, derjenigen des griechisch-alexandrinischen Logos-Sarx-Modell.

3.2 Das griechisch-alexandrinische Logos-Sarx-Modell

Ausgangspunkt für das alexandrinische Logos-Sarx-Modell war die Bibelstelle Joh 1,14: „Und der Logos ist Fleisch geworden“ – καὶ ὁ λόγος σὰρξ ἐγένετο.[63] In seinem zweiten Brief an Nestorius von Konstantinopel führt der klassische Repräsentant dieses Modells, Cyrillus von Alexandria († 444), in seiner Auslegung der Schriftstelle aus:[64]

Denn wir sagen nicht, dass [sc. während der Inkarnation] die Natur des Logos verwandelt wurde (Οὐ γὰρ φαμὲν ὅτι ἡ τοῦ λόγου φύσις μεταποιηθεῖσα) und Fleisch geworden ist (γέγονε σάρξ); aber auch nicht, dass sie [sc. die Natur des Gott-Logos] in einen ganzen Menschen aus Seele und Leib verwandelt wurde (ἀλλ’ οὐδὲ ὅτι εἰς ὅλον ἄνθρωπον μετεβλήθη, τὸν ἐκ ψυχῆς καὶ σώματος); [wir sagen] vielmehr dies: dass der [Gott‐]Logos, indem er das mit einer vernunftbegabten Seele beseelte Fleisch mit sich selbst gemäß der Hypostase einte (ὅτι σάρκα ἐψυχωμένην ψυχῆι λογικῆι ἐνώσας ὁ λόγος ἑαυτῶι καθ’ ὑπόστασιν), auf unaussprechliche und unbegreifliche Weise Mensch geworden und Menschensohn genannt worden ist (ἀφράστως τε καὶ ἀπερινοήτως γέγονεν ἄνθρωπος καὶ κεχρημάτικεν υἱὸς ἀνθρώπου) – nicht allein seinem Willen oder Gutdünken entsprechend (οὐ κατὰ θέλησιν μόνην ἢ εὐδοκίαν), aber auch nicht allein gleichsam in der Annahme einer Person (ἀλλ οὐδὲ ὡς ἐν προσλήψει προσώπου μόνου). Ferner behaupten wir, dass die Naturen, die sich zu einer wahrhaften Einheit verbunden haben, zwar verschieden sind (ὅτι διάφοροι μὲν αἱ πρὸς ἑνότητα τὴν ἀληθινὴν συνενεχθεῖσαι φύσεις), [dass] der ‚Christus‘ und der ‚Sohn‘ aber „einer aus beiden“ sind (εἷς δὲ ἐξ ἀμφοῖν Χριστὸς καὶ υἱὸς) – nicht etwa deshalb, weil der Unterschied der Naturen (οὐχ ὡς τῆς τῶν φύσεων διαφορᾶς ἀνηρημένης) wegen der Einung aufgehoben worden wäre (διὰ τὴν ἕνωσιν), sondern vielmehr deshalb, weil die Gottheit und die Menschheit [in dem einen Christus] durch die unaussprechliche und geheimnisvolle Einheit den einen Herrn und Christus und Sohn gebildet haben (ἀποτελεσασῶν δὲ μᾶλλον ἡμῖν τὸν ἕνα κύριον καὶ Χριστὸν καὶ υἱὸν, θεότητος τε καὶ ἀνθρωπότητος, διὰ τῆς ἀφράστου και ἀπορρήτου πρὸς ἑνότητα συνδρομῆς).[65]

Cyrillus von Alexandria geht demnach davon aus, dass sich der Gott-Logos mit seinem Fleisch in einer natürlichen (ἑνώσις φυσική/henōsis physikē) oder hypostatischen (ἑνώσις ὑποστατική/henōsis hypostatikē) Union geeint habe.[66] Folglich bilde er, nach seiner Inkarnation, auch nur eine zusammengesetzte Natur (φύσις/physis) oder Hypostase (ὑπόστασις/hypostasis) – und zwar die eine Natur und Hypostase „des Fleisch gewordenen Gott-Logos“ (τοῦ θεοῦ λόγου σεσαρκώμενη/tou theou logou sesarkōmenē).[67] Obwohl der Bischof von Alexandria mit dieser Formel nur von einer Natur (φύσις/physis) oder Hypostase (ὑπόστασις/hypostasis) des Fleisch gewordenen Gott-Logos nach dessen Inkarnation ausgeht, unterstreicht er an anderer Stelle, dass das mit dem Gott-Logos natürlich oder hypostatisch geeinte Fleisch vollständig gewesen sei, weswegen die eine zusammengesetzte Natur des Fleisch gewordenen Gott-Logos auch eine eigene vernunftbegabte Seele besessen habe.[68] Der Fleisch gewordene Gott-Logos sei deshalb, so hebt es Cyrillus von Alexandria hervor, nach seiner Inkarnation weiterhin ein ganzer Mensch geblieben, also „eines Wesens“ mit uns Menschen (ὁμοούσιος ἡμῖν/homoousios hēmin).[69] Ausgedrückt hat der Bischof der Stadt am Nil diese Überzeugung allerdings in der ihm aus der alexandrinischen Tradition her bekannten Formel von der „einen Natur des Fleisch gewordenen Gott-Logos“, der μία φύσις τοῦ θεοῦ λόγου σεσαρκώμενη (mia physis tou theou logou sesarkōmenē) oder der μία φύσις καὶ ὑπόστασις τοῦ θεοῦ λόγου σεσαρκώμενη (mia physis kai hypostasis tou theou logou sesarkōmenē), die, nach der Analyse von Alois Grillmeier, jedoch von Anhängern des bereits im 4. Jh. sowohl im griechisch-sprachigen Osten als auch im lateinisch-sprachigen Westen verurteilten Apollinaris von Laodicea[70] in die alexandrinische Tradition eingeschleust worden war; und die wegen ihrer Unterstreichung, dass sich die Einung des Gott-Logos mit seinem Fleisch auf der Ebene der Natur (physis) oder Hypostase (hypostasis) vollzogen habe, zu Missverständnissen und Fehlinterpretationen führen konnte.[71] Aus der Verkürzung „zwei Naturen vor der Einung, aber eine Natur nach der Einung“ konnte nämlich der Eindruck entstehen, Cyrillus lehre eine Verkürzung der menschlichen Natur in dem einen Christus – obwohl der Bischof von Alexandria diese ausdrücklich ausgeschlossen hat.[72] Bedauernd hat daher Alois Grillmeier festgehalten:

Das Richtige wäre nun gewesen, wenn Cyrill diese ‚apolinaristische‘ Sprache der Mia-Physis-Formel endgültig aufgegeben hätte. Damit wäre ohne Zweifel viel Verwirrung aus der weiteren Entwicklung des christologischen Dogmas ferngehalten worden. […] Aber die apolinaristischen Fälscher hatten ihr Werk vortrefflich getarnt. Das Bewußtsein, vor einer kirchlich sanktionierten Formel zu stehen, hat Cyrill davon abgehalten, sie preiszugeben.[73]

3.3 Der lateinisch-westliche Ansatz des Papstes Leo I. († 461)

Zu den drei fundamentalen Annäherungen an das Christusgeheimnis im 5. Jh. gehört schließlich noch der Ansatz der lateinisch-westlichen Theologie.[74] Diesen hat beispielsweise Papst Leo I. von Rom in den Debatten der Mitte des 5. Jh. in seiner Epistula dogmatica ad Flavianum Episcopum vom 13. Juni 449 zu Papier gebracht.[75] Bei diesem Lehrschreiben handelt es sich um eine Positionsbestimmung des Inhabers der westlichen Sedes Apostolica in den Auseinandersetzungen, die in Konstantinopel um den Archimandriten des städtischen Ijobklosters entstanden sind.[76] In deren Verlauf hat der für die Kaiserstadt am Bosporus zuständige Ortsbischof Flavianus († 449) im Jahr 448 eine synodale Entscheidung in der Causa des Eutyches angestrengt, für welche Papst Leo die Sichtweise der lateinisch-westlichen Christenheit darlegte.[77] Dieser lateinisch-westliche Ansatz betonte die Zweiheit der beiden Naturen (naturae) der Menschheit und der Gottheit in dem einen Christus, wobei der Inhaber des Apostolischen Stuhls von Rom mit Blick auf die Menschwerdung Gottes unterstrich:

Die Eigentümlichkeit [seiner, d. h. des Christus] beider Naturen also blieb unversehrt (Salua igitur proprietate utriusque naturae) und vereinigte sich in einer Person (et in unam coeunte personam), und so wurde die Niedrigkeit von der Höhe angenommen (suscepta est a maiestate humilitas), die Schwäche von der Kraft (a uirtute infirmitas), die Sterblichkeit von der Ewigkeit (ab aeternitate mortalitas).[78]

Weil die Eigentümlichkeiten (proprietates) der beiden Naturen des Christus demnach nicht verkürzt würden, so bewirke, so legt es der römische Papst dar, in dem einen Christus eine jede seiner beiden Naturen, die göttliche wie die menschliche, in Gemeinschaft mit der jeweils anderen (cum alterius communione) das, was ihr natürlich eigen sei (quod proprium est) – d. h. der (Gott‐)Logos das, was des Logos sei (Verbo operante quod Verbi est), und das Fleisch das, was des Fleisches sei (et carne exsequente quod carnis est).[79] Der eine, der Gott-Logos, leuchte deshalb „in den Wundern“ (coruscat miraculis) auf, die der Herr vollbracht habe, das andere, das mit diesem geeinte Fleisch, unterliege hingegen „den Ungerechtigkeiten“ (succumbit iniuriis).[80] Denn so, wie der Gott-Logos bei seiner Inkarnation nicht die „Gleichheit mit der Herrlichkeit des Vaters“ verlassen habe (sicut Verbum ab aequalitate paternae gloriae non recedit), so, so hebt es Papst Leo hervor, habe sich auch „das Fleisch nicht [von] d[er] Natur unseres [sc. menschlichen] Geschlechtes [entfernt] (ita caro naturam nostri generis non relinquit).“[81]

Die lateinisch-römische Theologie lehrte demnach, dass sich die beiden Naturen (naturae) der Gottheit und der Menschheit in dem einen Christus zu einer Person (persona) vereinigt hätten, wobei weiterhin eine jede der beiden Naturen in der einen Person des einen Christus das bewirkte, was ihr natürlich eigen sei.[82] Wenn aber eine jede der beiden Naturen in der Person des einen Christus das tue, was ihr eigen sei, dann musste der Mensch gewordene Gott auch ein vollständiger Mensch sein[83] – freilich mit Ausnahme der Sünde (Hebr 4,15); denn dadurch, dass Gott als Mensch den Urheber der Sünde, d. h. den Satan, und den Tod besiegt habe, habe er auch, so legt es der römische Papst dar, uns Menschen den Weg zur Auferstehung von den Toten gewiesen.[84] Überzeugte Vertreter der cyrillisch-alexandrinischen Vorstellung von der natürlichen oder hypostatischen Einung (henōsis physikē bzw. henōsis kath’ hypostasin) warfen indes die Frage auf, wie der Mensch gewordene Gott als ein handelndes Subjekt gedacht werden könne, wenn eine jede seiner beiden Naturen nach der Inkarnation weiterhin das tue, was ihr eigentümlich sei.[85]

In diesem Wechselspiel von verschiedenen Denkrichtungen bezieht sich die Anfrage nach dem „Nestorianismus“ auf das griechisch-antiochenische Logos-Anthrōpos-Schema, die Herausforderung des „Monophysitismus“ auf das griechisch-alexandrinische Logos-Sarx-Modell.

Neben den theologischen Differenzen sollte dabei freilich auch kirchenpolitisch bedacht werden, dass die Bischofstühle von Rom, Alexandria, Antiochia und Konstantinopel in einem politischen Wettbewerb miteinander standen, weil sich die Bischöfe von Alexandria durch die Förderung der neuen Kaiserstadt im Osten und ihrer Hirten herausgefordert sahen, obwohl das erste ökumenische Konzil von Nicaea (325) ihnen in der römischen Reichskirche den zweiten Platz unter den besonders hervorgehobenen Apostolischen Stühlen nach demjenigen von Rom im lateinisch-sprachigen Westen eingeräumt hatte.[86]

4 Die systematische Reflexion der gebräuchlichen christologischen Fachbegriffe des Monophysitismus und des Nestorianismus

4.1 Die Frage nach dem Monophysitismus

4.1.1 Die Definition von Monophysitismus

Nach den Untersuchungen von Theresia Hainthaler (St. Georgen) ist es der römische Papst Gregorius I. († 604), der in seinem Schreiben Quia caritati nihil vom 22. Juni des Jahres 601 die Gegner des vierten ökumenischen Konzils von Chalcedon (451) als erster als „Monophysiten“ (Monophysitas) bezeichnet hat.[87] Diese könnten, so erklärt es der römische Papst in dem Brief, wieder in die Gemeinschaft der katholischen Kirche aufgenommen werden, wenn sie ein Bekenntnis des wahren Glaubens ablegten (Monophysitas vero et alios ex sola vera confessione recipit).[88] Eine erneute Taufe sei aber nicht erforderlich.[89]

Theologiegeschichtlich versteht man unter dem Terminus technicus des „Monophysitismus“, der aus den beiden griechischen Wörtern „eine“ (μόνη/eine) und „Natur“ (φύσις/physis) zusammengesetzt ist,[90] die Auffassung, dass es zwar vor der Einung des Gott-Logos mit seinem Fleisch zwei Naturen (φύσεις/physeis) gebe, nach dessen Inkarnation aber nur noch eine einzige.[91] Daher gingen bei der Inkarnation des Gott-Logos die individuellen Eigentümlichkeiten (ἰδιώματα/idiōmata) der beiden Naturen der Gottheit und der Menschheit verloren,[92] weswegen der Christus auch nicht länger als ein vollständiger Mensch, als „eines Wesens mit uns Menschen“ (ὁμοούσιος ἡμῖν/homoousios hēmin), angesehen werden könne, sondern zu einem Mischwesen geworden sei.[93] Aus Sicht der griechisch-antiochenischen Theologie bestand bei einer solchen Zurückweisung der Wesensgleichheit der menschlichen Natur des Christus mit uns Menschen deshalb die Gefahr, dass Jesu Auferstehung nicht länger als Zusage für die Auferstehung aller Menschen von den Toten gedeutet werden konnte.[94]

Dieses Bild der theologiegeschichtlichen Position, die heute allgemein als „Monophysitismus“ bezeichnet wird, scheint der antiochenische Bischof Theodoretus von Cyrus in seinem Dialog Eranistes geprägt zu haben, der wohl aus dem Jahr 447 stammt.[95] In diesem Diskurs lässt Theodoretus von Cyrus den Gegner des „Orthodoxus“ ausführen, dass die individuellen Eigenschaften der beiden Naturen des Christus nach der Einung des Gott-Logos mit seinem Fleisch dadurch verloren gegangen seien, dass er den „Orthodoxus“ seinem Widersacher die Frage stellen lässt: „Bekennst Du etwa nicht die Eigenheiten (τὰ ἴδια/ta idia) einer jeden der beiden Naturen? (Σὺ γὰρ οὐχ ὁμολογεῖς φύσεως ἑκατέρας τὰ ἴδια).“[96] Auf diese Anfrage lässt Theodoretus von Cyrus den Diskussionspartner, den Eranistes, antworten: „Nach der Einigung in keiner Weise“ (οὐδαμῶς).“[97] Aus dieser Zurückweisung der Auffassung, dass die natürlichen Kennzeichen (τὰ ἴδια/ta idia) der beiden Naturen in dem Fleisch gewordenen Gott-Logos erhalten geblieben seien, zieht Theodoretus von Cyrus die Schlussfolgerung, dass der Verfechter dieser Lehrmeinung die menschliche Natur des Christus in unzulässiger Weise verkürze, weswegen der Fleisch gewordene Gott-Logos nicht mehr „eines Wesens mit uns Menschen“, nicht mehr ὁμοούσιος ἡμῖν, sei.[98]

In der Folge dieses Definitionsversuches des Theodoretus von Cyrus werden in der Theologiegeschichte bis heute in der Regel solchen Theologen als „Monophysiten“ bezeichnet, die nach der Inkarnation des Gott-Logos entweder von einer Verminderung oder einer von Verkürzung des mit diesem hypostatisch geeinten menschlichen Fleisches ausgegangen sind. Der Terminus wird insofern häufig unterschiedslos auf alle Vertreter des griechisch-alexandrinischen Logos-Sarx-Schemas angewandt, wobei zumeist der Zeitraum nach dem Konzil von Chalcedon (451) in den Blick genommen wird, in dem die „Monophysiten“ in einer kirchenpolitischen Perspektive die christologische Formel des Konzils[99] abgelehnt hätten.[100] Weil das entscheidende Kriterium für den „Monophysitismus“, die Leugnung der Wesensgleichheit des mit dem Gott-Logos hypostatisch geeinten Fleisches, allerdings bereits vor der Synode geäußert worden ist, setzt die folgende Besprechung der einzelnen christologischen Zugänge bereits vor dem Jahr 451 ein.

4.1.2 Überprüfung der christologischen Positionierung ausgewählter christologischer Ansätze auf die Kennzeichen des Monophysitismus

4.1.2.1 Die Position des Apollinaris von Laodicea († 390)

Bereits im 4. Jh. hat Apollinaris, der Bischof der nordsyrischen Hafenstadt Laodicea, die Lehrmeinung vertreten, dass der Fleisch gewordene Gott-Logos keine vollständige menschliche Natur mehr besessen habe.[101] Anscheinend deshalb, weil er davon ausging, dass der Mensch durch seinen Verstand (νοῦς/nous) eine eigenständige hypostatische Existenz erlange,[102] entwickelte Apollinaris von Laodicea die Vorstellung, dass der Gott-Logos bei der Inkarnation die Stelle des menschlichen Intellektes (νοῦς/nous) eingenommen habe, um eine Aufspaltung des einen Christus in zwei „Christusse“ auszuschließen.[103] Demzufolge – und weil sich zwei vollkommende Dinge nicht miteinander vereinen könnten[104] – könne der Fleisch gewordene Gott-Logos, so scheint Apollinaris argumentiert zu haben, kein vollständiger Mensch sein.[105] Der Bischof von Laodicea verschob insofern den Schwerpunkt seiner Christologie so sehr einseitig zum Gott-Logos hin, dass dem mit diesem hypostatisch geeinten Fleisch nur noch die Rolle eines reinen Hilfsmittels für den Gott-Logos, die Stelle eines Organon, zufiel.[106] Durch diese extreme Akzentuierung hat Apollinaris von Laodicea einen Standpunkt eingenommen, welcher dem entscheidenden Kennzeichen des Monophysitismus, der Leugnung der Vollständigkeit des mit dem Gott-Logos geeinten Fleisches, entspricht. Der syrische Bischof kann deshalb unter die Vertreter eines echten Monophysitismus gezählt werden,[107] auch wenn sein christologischer Ansatz chronologisch bereits am Ende des 4. Jh. sowohl im griechisch-sprachigen Osten als auch im lateinisch-sprachigen Westen als eine Häresie verurteilt worden ist.[108]

4.1.2.2 Die christologische Position des Eutyches von Konstantinopel († 456)

Im 5. Jh. beendete die so genannte Formula Unionis des Jahres 433,[109] die nach den Auseinandersetzungen auf dem Konzil von Ephesus (431)[110] zwischen den Bischöfen Johannes von Antiochia und Cyrillus von Alexandria vereinbart worden war und wahrscheinlich auf eine Vorlage des griechisch-antiochenischen Theologen Theodoretus von Cyrus zurückgeht,[111] die direkte Auseinandersetzung zwischen den beiden führenden östlichen Bischofssitzen nur scheinbar.[112] Die theologischen Auseinandersetzungen dauerten in Wirklichkeit weiter an: Im Jahr 434 argumentierte beispielsweise der Konstantinopolitaner Patriarch Proclus († 446/447) in einem Tomus ad Armenios gegen die Zwei-Naturen-Lehre des Theodorus von Mopsuestia – womit er letztlich einen ersten Anstoß zu einer Entwicklung gab, welche die Armenische Kirche gegen eine jede Zwei-Naturen-Aussage Position beziehen ließ.[113] Im syrisch-sprachigen Edessa traten darüber hinaus die Brüche offen zutage, als der Ortsbischof Rabbula († 435/436) versuchte, die Christologie des Cyrillus von Alexandria in seiner Stadt einzuführen – wodurch er in einen Gegensatz zu dem Direktor der berühmten Schule von Edessa, Ibas († 457), geriet, welcher sich mit seinem gesamten Lehrkörper an den Kommentaren ebendieses Theodorus von Mopsuestia orientierte.[114]

In Konstantinopel wurde die nächste Runde in dem Kampf schließlich dadurch eingeläutet, dass der Archimandrit des örtlichen Ijobklosters, Eutyches, von Eusebius von Dorylaeum offiziell der Häresie angeklagt wurde.[115] Für die Beurteilung der christologischen Position, welche Eutyches von Konstantinopel selbst eingenommen hat, ist das Urteil einer Synode aus dem Jahr 449 wichtig, die unter dem Vorsitz des Ortsbischofs Flavianus († 449) in der Kaiserstadt am Bosporus stattfand, die Vorwürfe gegen den Klostervorsteher prüfte und ihn verurteilte.[116] Gemäß den Akten dieser Bischofsversammlung, die auf dem Konzil von Chalcedon (451) erneut verlesen und in dessen Dokumentensammlung eingegangen sind, wollte Eutyches alleine bekennen, dass „der Christus zwar aus zwei Naturen geworden sei“ (Ὁμολογῶ ἐκ δύο φύσεων γεγενῆσθαι τὸν κύριον ἡμῶν πρὸ τῆς ἑνώσεως).[117] Nach der Einung des Gott-Logos mit seinem Fleisch wollte er aber nur noch „eine Natur“ aussagen (μετὰ δὲ τὴν ἕνωσιν μίαν φύσιν ὁμολογῶ).[118] Gemäß dem Zeugnis dieser Konzilsakten erklärte Eutyches insofern dasselbe, was der Gegner des Orthodoxus in dem oben besprochenen Dialog Eranistes des Theodoretus von Cyrus ausgeführt hatte.[119] In der Forschung wird Eutyches von Konstantinopel aus diesem Grunde einerseits als ein Kirchenpolitiker interpretiert, der sich hinter die von Cyrillus von Alexandria sanktionierte Formel von der „einen Natur des Fleisch gewordenen Gott-Logos“, der μία φύσις τοῦ θεοῦ λόγου σεσαρκωμένη, stellte.[120]

Weil er sich darüber hinaus aber alleine zu den Konzilen von Nicaea (325) und Ephesus (431), nicht aber zur Formula Unionis des Jahres 433 bekennen wollte,[121] wird andererseits angenommen, dass Eutyches von Konstantinopel die alexandrinische Mia-Physis-Formel in der Tat als Lehre von einer Vermischung der beiden Naturen des Christus nach der Einung des Gott-Logos mit seinem Fleisch ausgelegt hat[122] – und das auf Grund von zwei Beobachtungen in den Quellen: Zum einen erklärte Eutyches von Konstantinopel vor der Synode in der Kaiserstadt des Ostens (448), dass er in den Schriften der Väter keinen Hinweis darauf gefunden habe, dass der Christus aus zwei hypostatisch geeinten Naturen geworden sei (τὸ δὲ ἐκ δύο φύσεων ἑνωθεισῶν καθ’ ὑπόστασιν γεγενῆσθαι)[123] – womit er den beiden vollständigen Naturen in dem einen Christus absprach, sich vollständig zu einer einzigen Hypostase, d. h. einem einzigen handelnden Subjekt in dem inkarnierten Gott-Logos, einen zu können.[124] Zum anderen führte er aus, dass der Gott-Logos kein Fleisch angenommen habe, das „eines Wesens“ mit dem von uns Menschen sei (μὴ ἔχοντα σάρκα ὁμοούσιον ἡμῖν).[125]

Wegen dieser Zurückweisung der Wesensgleichheit des mit dem Gott-Logos geeinten Fleisches mit uns Menschen scheint Eutyches von Konstantinopel, wie vor ihm bereits Apollinaris von Laodicea, in der Tat einen „Monophysitismus“ im Sinne der theodoretianischen Begriffsbestimmung verfochten zu haben.[126]

4.1.2.3 Die christologische Position des Dioscorus von Alexandria († 454)

Das vierte ökumenische Konzil von Chalcedon (451) hat den Bischof von Alexandria, Dioscorus, der seit dem Tod des Cyrillus im Jahre 444 der Kirche von Ägypten vorstand, während seiner dritten Actio abgesetzt.[127] Mit Blick auf das Hauptthema ist es deshalb interessant zu fragen, weshalb Dioscorus von Alexandria von der Synode nach den Akten mit der Zustimmung von 192 anwesenden Bischöfen seines Amtes enthoben worden ist.[128] Die Antwort lautet: weil er sich weigerte, vor der Bischofsversammlung als Angeklagter zu erscheinen.[129] Die Absetzung des Dioscorus von Alexandria auf Anklage des bereits von der Synode von Konstantinopel (448) her bekannten Eusebius von Dorylaeum hin[130] erfolgte also aus disziplinarischen Gründen, nicht aber auf Grund einer christologischen Häresie.[131] Dem auf der Synode von Ephesus (449) noch scheinbar so mächtigen Bischof von Alexandria erging es damit zwar ebenso, wie es Nestorius von Konstantinopel rund zwanzig Jahre zuvor geschehen war, als er sich im Jahr 431 geweigert hatte, seine Lehre vor der von Cyrillus von Alexandria dominierten (Teil‐)Synode von Ephesus (431) zu rechtfertigen – der Unterschied zwischen den Amtsenthebungen der beiden Bischöfe aus dem Osten des Imperium Romanum besteht allerdings darin, dass Nestorius von der cyrillischen Synode von Ephesus (431) offiziell als ein „Häretiker“ verurteilt worden ist, Dioscorus hingegen nicht.[132]

Die Tatsache der Abberufung des Dioscorus von Alexandria durch ein reichsweites Konzil erscheint dennoch als ein Ausdruck für die Umkehr der kirchenpolitischen Machtverhältnisse, wie sie sich seit dem Konzil von Ephesus (433) in Bezug auf die Führungsrolle der ägyptischen Kirche im Osten des Imperium Romanum ergeben hatten: Hatte Dioscorus von Alexandria noch die zweite Synode von Ephesus (449) dominiert und die Absetzung seines östlichen Rivalen, des Erzbischofs Flavianus von Konstantinopel, durch eine reichsweite Synode erreicht, so wurde nun umgekehrt durch eine andere allgemeine Bischofsversammlung zwei Jahre später dem Oberhirten von Alexandria insbesondere auf den Druck des Bischofs von Rom hin das Amt genommen.[133] Aus den Quellen entsteht der Eindruck, als sei die Position des Dioscorus von Alexandria nach seinem Bruch mit dem westlichen Apostolischen Stuhl auf der Synode von Ephesus (449)[134] und seinem Agieren auf dieser Synode immer mehr korrodiert[135] – insbesondere nachdem sein Gefolgsmann Juvenalis von Jerusalem († 458) die Seiten wechselte[136] und der seit dem Tod des Kaisers Theodosius II. im Jahr 450 regierende neue Kaiser Marcianus († 457) den römischen Protesten gegen des Dioscorus Verhalten auf der zweiten Synode von Ephesus (449) sein Ohr öffnete.[137] Richard Price erkennt in diesem Verlust des über Jahrhunderte hinweg erfolgreichen Zusammenhaltes zwischen Alexandria und Rom den entscheidenden (kirchen‐)politischen Fehler des Dioscorus von Alexandria im Vergleich zur Politik des Cyrillus, der sich vor und während dem Konzil von Ephesus (431) gerade auch der Zustimmung des römischen Papstes Coelestinus († 432) sowie seiner Legaten versicherte.[138]

Hinsichtlich der christologischen Deutung der alexandrinischen Mia-Physis-Formel sind vor diesem kirchenpolitischen Hintergrund zwei Erklärungen des Dioscorus von Alexandria in den Akten des Konzils von Chalcedon (451) aufschlussreich: Auf der einen Seite stellte sich Dioscorus zwar ebenso wie Eutyches auf der Synode von Konstantinopel (448) in die Tradition der alexandrinischen Mia-Physis-Formel.[139] Der Oberhirte der Stadt am Nil unterstrich aber andererseits, dass die Inkarnation des Gott-Logos nicht zu einer Vermischung (σύγχυσις/synchysis) der beiden Naturen in dem einen Christus geführt habe.[140] Mit dieser eindeutigen Zurückweisung einer Verkürzung der menschlichen Natur des inkarnierten Gott-Logos aber legte Dioscorus die alexandrinische Formel ebenso aus, wie es sein Vorgänger auf dem Bischofsthron der Stadt, Cyrillus, getan hatte: nämlich derart, dass die individuellen Eigenheiten der beiden Naturen des Gott-Logos und seines Fleisches unvermischt erhalten geblieben seien, dieser also auch nach der Menschwerdung des Gott-Logos „eines Wesens mit uns Menschen“, ὁμοούσιον ἡμῖν, geblieben sei.[141]

Diese Interpretation der christologischen Position des Dioscorus wird durch die Tatsache bestätigt, dass er sich nun auch offiziell in den Verhandlungen in Chalcedon (451) von Auffassungen des Eutyches von Konstantinopel abgrenzte (εἰ δὲ Εὐτυχὴς παρὰ τὰ δόγματα τῆς ἐκκλησίας φρονεῖ), den er auf der zweiten Synode von Ephesus (449) auf Grund eines Glaubensbekenntnisses, welches sich an den Konzilen von Nicaea (325) und Ephesus (431) orientierte, noch in die Gemeinschaft der Kirche wiederaufgenommen hatte.[142] Auf Grund seiner christologischen Aussagen auf dem Konzil von Chalcedon (451) wie seiner deutlich spürbaren Distanzierung zum Monophysitismus des Eutyches von Konstantinopel sollte Dioscorus von Alexandria freilich nicht länger unter die „Monophysiten“ gerechnet werden.

4.1.2.4 Die christologische Position des Timotheus Aelurus von Alexandria († 477)

Nach dem Konzil von Chalcedon (451), das, neben Syrien, besonders in dem Land am Nil auf Widerstand stieß,[143] wurde Timotheus Aelurus im Jahr 457 zum neuen Bischof von Alexandria gewählt.[144] In Bezug auf seine christologische Positionierung hält dieser Gegner des Konzils von Chalcedon (451) in einer syrisch überlieferten Epistula ad Constantinopolitanos fest:

Denn wir glauben in Übereinstimmung mit der Tradition der Väter, dass unser Herr Jesus der Christus eines Wesens im Fleisch mit uns ist (bār kyānān dylān hwā bē-bsār) […]. Denn die Aussage, er sei gleich in allem wie wir [sc. Menschen] (Hebr 4,15), […] legt uns nahe, [zu glauben], dass das Fleisch unseres Herrn Jesus des Christus aus der Heiligen Jungfrau und Gottesmutter Maria geworden ist, weil er [sc. der Fleisch gewordene Gott-Logos] eines Wesens mit ihr und uns im Fleisch ist (d-dylāh w-dylān bār kyāna hwā bā-bsār) – er, der auch eines Wesens mit dem Vater in der Gottheit ist (d-ʼbā āytwhy bār kyānā b-ʼlāhūtā).[145]

Deutlich unterstreicht Timotheus Aelurus in diesem Argumentationsgang, dass der Fleisch gewordene Gott-Logos nach seiner Menschwerdung eines Wesens mit uns Menschen – im Syrischen: bār kyānān dylān hwā bā-bsār – geblieben sei.[146] Dadurch hat sich der anti-chalcedonensische Bischof von Alexandria inhaltlich von einem „Monophysitismus“ abgegrenzt, wie er in der Argumentation des Eutyches von Konstantinopel auf der Synode von Konstantinopel (448) sichtbar geworden ist.[147] Dementsprechend hat Alois Grillmeier mit Blick auf des Timotheus’ anti-eutychianistische christologische Positionierung angemerkt: „Die gleichen Worte hätte [Papst] Leo I. gegen die Eutychianer schreiben können – zu denen er freilich eben auch Timotheus rechnete.“[148] Mit derselben Intention hat Dietmar Winkler unterstrichen: „Vehement tritt Timotheos gegen jegliche Art des Doketismus auf. Hier ist er mit Papst Leo einer Meinung. Während Leo aber im Bekenntnis zu einer Natur eine Vermischung wittert, meint Timotheos in den zwei Naturen eine Trennung zu erkennen. Die jeweilige rechtgläubige Darstellung wird letztlich nicht gesehen.“[149]

Zu dieser deutlichen inhaltlichen Abgrenzung gegenüber dem christologischen Ansatz des Eutyches von Konstantinopel kommt noch eine zweite, kirchenpolitische Komponente: nämlich die historische Tatsache, dass Timotheus Aelurus zwei anti-chalcedonensische ägyptische Bischöfe mit den Namen Isaias und Theophilus aus der Kirche von Alexandria ausgeschlossen hat – und zwar wegen ihrer Lehre, dass der Fleisch gewordene Gott-Logos von einer anderen Natur als unserer menschlichen gewesen sei; der Lehre also, für die sich auch Eutyches von Konstantinopel eingesetzt zu haben scheint:[150]

Ich habe ihnen [sc. Isaias und Theophilus] dieses und ähnliche Dinge geschrieben und ihnen versprochen, dass ich sie in ihre früheren Ehrenstellungen aufnehmen und sie in der gleichen brüderlichen Liebe umarmen würde, wenn sie von [ihrer] Irrlehre abließen und bekennen würden, dass unser Herr im Fleisch „eines Wesens“ mit uns [Menschen] (d-bār kyānā dylān) und nicht „von einer anderen Natur“ (w-lā hwā mēn kyānā ʼḥrānā) sei. […] Tief betrübt über diese Dinge, schien es mir notwendig, in Rücksichtnahme auf die einfachen Leute, die [ihren Irrlehren allzu leicht] verfielen, einen jeden in Kenntnis zu setzen, dass sich die oben erwähnten Isaias und Theophilus als Personen, die sich durch ihre Behauptung, unser Herr und Gott Jesus Christus sei „von einer fremden Natur“ (mēn kyānā d-nūkrān lān bē-bsār) – und nicht „eines Wesens“ im Fleisch mit uns Menschen (lā hwā d-bār kyāna hū d-bnāynāšē bē-bsār) –, sowohl aus der Gemeinschaft der heiligen Väter wie auch derjenigen mit mir ausgeschlossen haben, und dass deshalb keiner [mehr] Gemeinschaft mit ihnen halten solle.[151]

Wenn aber Timotheus Aelurus zwei Anhänger der Lehren des Eutyches von Konstantinopel aus der Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen hat, dann sprechen sowohl seine inhaltliche als auch seine kirchenpolitische Abgrenzung vom „Monophysitismus“ des Eutyches von Konstantinopel dagegen, ihn der gleichen christologischen Position zuzurechnen. Genauso wenig wie Dioscorus von Alexandria sollte deshalb auch sein zweiter Nachfolger auf dem Bischofsthron von Alexandria, Timotheus Aelurus, nicht länger als ein „Monophysit“ eingestuft werden.[152]

4.1.2.5 Die christologische Position des Severus von Antiochia († 538)

Wie Timotheus Aelurus in Ägypten hebt schließlich auch der in Syrien wirkende bedeutende anti-chalcedonensische Theologe Severus von Antiochia[153] etwa ein halbes Jahrhundert später – in der Zeit also, als die cyrillische Christologie die klassische antiochenische in Syrien verdrängt hatte[154] – hervor, dass der Gott-Logos bei seiner Inkarnation ein vollständiger Mensch geblieben sei:

Von dem, was dargelegt worden ist, bringt uns der Gelehrte [sc. Cyrillus von Alexandria († 444)] nahe, dass die Besonderheit der natürlichen Einung (ḥādyūtā kyānāyta) darin besteht, dass sich die qnōmē zwar miteinander verbunden haben und vollständig bleiben (ʼytyhūn mšāmlyn) ohne Minderung (lā bṣyrāyt), aber aufgehört haben, eine eigenständige Existenz zu haben – gleichsam so, also ob sie zwei wären, und als würde eine jede von ihnen eine eigenständige Person (pārṣōpā dylēh) bezeichnen.[155]

In Übereinstimmung mit der griechisch-alexandrinischen Logos-Sarx-Tradition von Cyrillus von Alexandria über Timotheus Aelurus her geht Severus von Antiochia in diesem Textauszug desgleichen davon aus, dass sich die beiden Naturen (kyānē) der Gottheit und der Menschheit bei der Inkarnation des Gott-Logos natürlich miteinander geeint hätten – und zwar in einer natürlichen Einung (ḥādyūtā kyānāyta), bei der sie vollständig und ungeschmälert erhalten geblieben seien (ʼytyhūn mšāmlyn).[156] Aus diesem Grunde sei der Mensch gewordene Gott-Logos auch weiterhin eines Wesens mit uns Menschen (bār kyānā men d-ʼbā b-ʼlāhūtā), wie er ebenfalls eines Wesens (bār kyānā dyn dylān d-bnāy ʼnāšā hw kād hw b-ʼnāšūtā) mit dem göttlichen Vater sei.[157] Durch die Betonung der Wesensgleichheit des Fleisch gewordenen Gott-Logos mit uns Menschen schließe Severus von Antiochia aber, so argumentiert der Glasgower Gelehrte William H. C. Frend, einen jeden Eutychianismus, also einen Monophysitismus, aus, wenn er bekräftigt: „This latter phrase excluded Eutychianism.“[158] In Übereinstimmung mit dem britischen Kirchenhistoriker, hält Alois Grillmeier fest: „Erklärt man mit Cyrill, Timotheus Aelurus und Severus die Mia-Physis-Formel im dargelegten Sinn, dann wäre es ungerecht, daraus sofort den ‚Monophysitismus‘ als Bekenntnis zu einer Mischnatur herauszuhören, wie es bei den Chalcedoniern, mit wenigen Ausnahmen, üblich wurde.“[159] Wegen seines klaren Bekenntnisses zur Vollständigkeit der menschlichen Natur des Fleisch gewordenen Gott-Logos erscheint es deshalb auch als konsequenter, in dem anti-chalcedonensischen Patriarchen Severus von Antiochia keinen „Monophysiten“ zu sehen.[160]

Wenn sich die beiden Vertreter des cyrillisch-alexandrinischen Lagers in der Zeit nach Chalcedon (451) aber ebenso wie die Formel des Konzils selbst von jeder Form von „Monophysitismus“ abgegrenzt haben, warum haben Timotheus Aelurus in Alexandria und Severus in Antiochia dann die auf Ausgleich bemühte christologische Formel von Chalcedon (451) zurückgewiesen? Die Antwort auf diese Frage dürfte darin liegen, dass beide die christologischen Fachbegriffe der Natur (φύσις/kyānā) und der Hypostase (ὑπόστασις/qnōmā) synonym gebrauchten,[161] weswegen für sie die Betonung zweier Naturen nach der Inkarnation folgerichtig auf zwei getrennte Individuen hinauslief.[162] In einem solchen Sinne argumentierte jedenfalls Timotheus Aelurus von Alexandria in seiner in syrischer Übersetzung erhaltenen Refutatio Concilii Chalcedonensis:

Es gibt keine Natur (kyānā), die nicht zugleich Hypostase (qnōmā) ist, und keine Hypostase (qnōmā), die nicht auch Person (pārṣōpā) ist. Wenn es also zwei Naturen gäbe (kyānē), dann gäbe es notwendiger Weise auch zwei Personen (pārṣōpē); und wenn es zwei Personen gäbe (pārṣōpē), dann gäbe es auch zwei Christoi (mšyḥē), wie die neuen Lehrer verkünden.[163]

Wie Timotheus in Ägypten, unterstreicht Severus in Antiochia in Syrien in seiner ebenfalls syrisch überlieferten Epistola X ad Eleusinium:

Wenn wir aber von zwei Naturen nach der Einung (btār ḥādyūtā) sprächen, die notwendiger Weise selbstständig (mpāršāyt) und lediglich in einer Verbindung der Geschwisterlichkeit (b-nqypūtā dʼḥynūtā) [miteinander geeint] wären – wenn wir so etwas überhaupt eine Verbindung nennen dürfen – dann erstreckte sich die Bezeichnung der Unterscheidung bis zur Trennung (mēltā d-šūḥlāpā rāhṭā lāwāt pūlgānā) und bleibe nicht bei den natürlichen Kennzeichen stehen (ʿdāmā l-mšūdʿūtā kyānyta qymā).[164]

Weil für die beiden anti-chalcedonensischen Theologen, für Timotheus Aelurus von Alexandria wie für Severus von Antiochia, die Anerkennung zweier Naturen – sei sie nun klassisch antiochenisch oder chalcedonensisch – nach der Inkarnation des Gott-Logos die hypostatische und natürliche Verbindung von Gottheit und Menschheit in dem einen Christus auflöste, bevorzugten sie es, an der Tradition der Väter (qlā d-ʼbhātā) und der Mia-Physis-Formel aus dem griechisch-alexandrinischen Denken festzuhalten.[165] Sie waren daher offenbar nur dazu bereit, das vierte ökumenische Konzil von Chalcedon (451) als eine Synode anzunehmen, die Eutyches von Konstantinopel und den von ihm vertretenen Monophysitismus abgelehnt habe[166] – nicht aber seine „neue“ Formulierung des Christusglaubens, die ihnen alleine schon fernab von allen christologischen Bedenken deshalb als problematisch erscheinen musste, weil das von Cyrillus von Alexandria († 444) bestimmte Konzil von Ephesus (431) festgelegt hatte, dass der Glaube des Konzils von Nicaea (325) zur Beschreibung des Christusgeheimnisses ausreichend sei und deshalb keine neuen Formeln mehr erforderlich seien.[167] Für beide, für Timotheus Aelurus wie für Severus, blieb jedoch, im Gegensatz zu Apollinaris von Laodicea und Eutyches von Konstantinopel, der Fleisch gewordene Gott-Logos ein vollständiger Mensch, er blieb ὁμοούσιος ἡμῖν (homoousios hēmin).

4.1.3 Schlussfolgerung

Die nähere Analyse der zentralen Aussage, ob der Fleisch und Mensch gewordene Gott-Logos nach der Inkarnation ein vollständiger Mensch geblieben sei oder nicht, bei den verschiedenen Autoren aus Ägypten und Syrien vom 4. bis 6. Jh. hat gezeigt, dass sowohl Dioscorus von Alexandria als auch Timotheus Aelurus von Alexandria und Severus von Antiochia dessen Wesensgleichheit mit uns Menschen bejaht und unterstrichen haben – im Gegensatz zu Eutyches von Konstantinopel und Apollinaris von Laodicea, welche dies verneint zu haben scheinen. Es scheint daher nicht nur angezeigt, sondern sogar geboten, zwischen zwei Interpretationen der Formel von der griechisch-alexandrinischen „einen Natur des Fleisch gewordenen Gott-Logos“, der μία φύσις τοῦ θεοῦ λόγου σεσαρκωμένη, zu unterscheiden[168] – und zwar

  1. zwischen (i.) einer, die wir traditionsgemäß als monophysitisch ansehen können und die offenbar Eutyches von Konstantinopel und Apollinaris von Laodicea vertreten haben.[169] Dieser Monophysitismus ist von einer Vermischung der beiden Naturen des Christus nach der Inkarnation des Gott-Logos geprägt, deretwegen der Fleisch gewordene Gott-Logos nicht mehr als ein vollständiger Mensch, nicht mehr als ὁμοούσιος ἡμῖν (homoousios hēmin), angesehen werden kann;[170] sowie einer anderen,

  2. (ii.) nach welcher die beiden Naturen des Gott-Logos und seines Fleisches ihre individuellen Eigentümlichkeiten bewahrt haben, obwohl sie sich zu der einen Natur und der einen Hypostase des Fleisch gewordenen Gott-Logos geeint haben. Nach dieser Auslegung ist der Fleisch und Mensch gewordene Gott-Logos weiterhin „eines Wesens mit uns Menschen“, ὁμοούσιος ἡμῖν, geblieben. Mit Blick auf das ökumenische Gespräch mit den Kirchen des Orients ist daher angeregt worden, diese Position als miaphysitisch zu bezeichnen, um diese mehrheitlich vertretene Interpretation der alexandrinischen Formel von der μία φύσις τοῦ θεοῦ λόγου σεσαρκωμένη von dem Monophysitismus mit seiner wirklichen Vermischung der beiden Naturen in dem Christus, wie er bei Eutyches von Konstantinopel und Apollinaris von Laodicea sichtbar geworden ist, abzugrenzen.[171]

Wie aber steht es dann um den „Nestorianismus“ und die „Nestorianer:innen“?

4.2 Der Begriff des „Nestorianismus“ und der „Nestorianischen Kirche“

4.2.1 Die Definition von „Nestorianismus“ und sein Bezug zur Apostolischen Kirche des Ostens

Angelo Amato hat in seinem Eintrag im Lexikon für Theologie und Kirche begründet, weshalb die Begriffsbestimmung des „Nestorianismus“ zwar mit dem Namen des Bischof Nestorius von Konstantinopel verbunden, heute jedoch eher auf eine Zerrbild seiner christologischen Position zurückgeführt werde, welche insbesondere dessen großer kirchenpolitischer Gegner, Cyrillus von Alexandria, gezeichnet habe.[172] Im Sinne der Charakterisierung durch den Bischof von Alexandria verstehe man unter „Nestorianismus“ daher entweder eine „Trennungschristologie“, nach welcher eine Subjektseinheit des Gott-Logos mit dem von diesem angenommenen Menschen in Frage gestellt werde;[173] oder aber einen „Adoptianismus“, nach welchem Jesus von Nazaret, der als ein „gewöhnlicher“ Mensch geboren, erst zu einem späteren Zeitpunkt von Gott als sein Sohn angenommen, also „adoptiert“, worden sei.[174]

In der Vergangenheit hat man, so erklärt es Dietmar Winkler, der Apostolischen Kirche des Ostens, welche sich in den ersten Jahrhunderten der christlichen Zeitrechnung als ein eigenständiger Zweig des Christentums im Reich der Perser gebildet habe,[175] im Westen die Bezeichnung „Nestorianische Kirche“ beigefügt.[176] Dahinter steckte, so legt es der Marburger Ostkirchenspezialist Wolfgang Hage dar, die Einschätzung, dass diese Kirche außerhalb der Grenzen des Imperium Romanum eine „eigene Konfession“ für sich gebildet habe, die er wegen ihres Bekenntnisses „der von der wahren Gottheit deutlich zu unterscheidenden wahren Menschheit in der einen Person Christi“ als eine „strenge Zwei-Naturen-Lehre antiochenischer Tradition“ tituliert, welche „in der Person des Patriarchen Nestorius von Konstantinopel auf der Dritten Ökumenischen Synode von Ephesus (431) verurteilt worden“ sei.[177] Das aber heißt: Die Apostolische Kirche des Ostens wird nach diesen Einschätzungen insbesondere deshalb als die „Nestorianische Kirche“ bezeichnet, weil sie, in Bezug auf ihre Christologie, einen „Nestorianismus“ vertreten haben soll.[178]

Wenn also theologiegeschichtlich die Begriffsbestimmung für den „Nestorianismus“ von der christologischen Lehre, die Nestorius von Konstantinopel entfaltet haben, und die Apostolische Kirche des Ostens deshalb als die „Nestorianische Kirche“ bezeichnet werden, weil sie die gleiche christologische Lehrmeinung lehramtlich angenommen haben soll, wie sie der auf dem dritten ökumenischen Konzil von Ephesus (431) verurteilte Nestorius gelehrt hatten, weshalb diesem kirchenhistorisch eine entscheidende Position bei der Formulierung ihres Christusglaubens zugeschrieben worden ist, dann soll im Folgenden nun zunächst dargelegt werden, wie Cyrillus von Alexandria den Terminus des „Nestorianismus“ geprägt hat. Im Anschluss daran wird untersucht, ob die Apostolische Kirche des Ostens einen solchen „Nestorianismus“ vertreten hat oder nicht. In einem dritten Schritt ist es dann das Ziel, näher zu betrachten, wie die historische Person des Nestorius von Konstantinopel in der Kirche des Ostens rezipiert worden ist, um zu ersehen, ob, und falls ja, in welchem Sinn die Kirche wirklich als die „nestorianische“ bezeichnet werden kann. Wie also hat nun Cyrillus von Alexandria den „Nestorianismus“ beschrieben?

4.2.2 Das Bild von „Nestorianismus“, das Cyrillus von Alexandria gezeichnet hat

Am sichtbarsten werden die Vorwürfe, die Cyrillus von Alexandria gegen Nestorius von Konstantinopel erhoben hat,[179] in den 12 Anathemata, welche der Ägypter seinem dritten Brief an den Oberhirten der Kaiserstadt im Osten beigefügt hat.[180] In der dritten dieser Lehrverurteilungen legt der Bischof von Alexandria dar:

Wenn jemand bei dem einen Christus die Hypostasen nach der Einigung trennt (διαιρεῖ τὰς ὑποστάσεις μετὰ τὴν ἕνωσιν), indem er sie nur durch eine Verbindung der Würde (συναφείαι τῆι κατὰ τὴν ἀξιαν), der Autorität (ἢ γοῦν αὐθεντίαν) oder der Macht nach (ἢ δυναστείαν) verbindet (συνάπτων) und nicht vielmehr durch eine Zusammenkunft im Sinne einer naturhaften Einigung (καὶ οὐχὶ δὴ μᾶλλον συνόδωι τῆι καθ’ ἕνωσιν φυσικήν), so gelte das Anathema![181]

Cyrillus von Alexandria verlangt von Nestorius von Konstantinopel nach diesem Textauszug also die Anerkennung seines Konzeptes einer „natürlichen“ (ἕνωσις φυσική/henōsis physikē) oder „hypostatischen Union“ (ἕνωσις ὑποστατική/henōsis hypostatikē).[182] Diese sei deshalb nötig, so erläutert es der Bischof von Alexandria, weil eine jede andere Form der Einung des Gott-Logos mit seinem Fleisch zu einer bloßen Verbindung der Würde (κατὰ τὴν ἀξιαν), der Autorität (ἢ αὐθεντίαν) oder der Macht (ἢ δυναστείαν) führe – sowie zu zwei eigenständigen Hypostasen nach der Inkarnation des Gott-Logos.[183] Eine Subjektseinheit wäre daher nicht mehr gegeben. Diese Befürchtung drückt der Bischof von Alexandria im vierten Anathema noch klarer aus:

Wenn jemand die Worte in den evangelischen und apostolischen Schriften […] auf zwei Personen (προσώποις δυσὶν) oder Hypostasen (ἢ γοῦν ὑποστάσεσιν) verteilt (διανέμει) und dabei die einen gewissermaßen auf einen Menschen bezieht, den man getrennt vom Gott-Logos denkt (ὡς ἀνθρώπωι παρὰ τὸν ἐκ θεοῦ λόγον ἰδικῶς νοουμένωι προσάπτει), die anderen aber als gottgemäß alleine auf den Gott-Logos (τὰς δὲ ὡς θεοπρεπεῖς μόνωι τῶι ἐκ θεοῦ πατρὸς λόγωι), der soll aus der Gemeinschaft der Kirche ausgeschlossen werden.[184]

In dieser Zurückweisung der Anschauung, dass es neben dem inkarnierten Gott-Logos noch einen „getrennt vom Gott-Logos“ gedachten Menschen gebe (ὡς ἀνθρώπωι παρὰ τὸν ἐκ θεοῦ λόγον ἰδικῶς νοουμένωι), wird der Vorwurf des Alexandriners gegenüber seinem Amtsbruder in Konstantinopel ersichtlich, dieser habe einen solchen „gewöhnlichen Menschen“ gelehrt, welcher, weder natürlich oder hypostatisch verbunden, losgelöst neben dem Gott-Logos gedacht werden müsse.[185] Aus diesem Grund besteht Cyrillus von Alexandria darauf, dass Jesus nicht „wie ein Mensch […] vom göttlichen Logos zum Handeln bewegt worden (ὡς ἄνθρωπον ἐνηργήσθαι παρὰ τοῦ θεοῦ λόγου τὸν Ἰησοῦν)“[186], sondern wahrhaft „Gott und Mensch zugleich [sei], da der [Gott‐]Logos Fleisch geworden [sei] gemäß den Schriften (καὶ οὐχὶ δὴ μᾶλλον τὸν αὐτὸν ὁμολογεῖ θεόν τε ὁμοῦ καὶ ἄνθρωπον, ὡς γεγονότος σαρκὸς τοῦ λόγου κατὰ τὰς γραφάς).“[187] Deshalb habe es auch keine Zeit gegeben, so akzentuiert Cyrillus, in welcher der vom Gott-Logos angenommene Mensch nicht mit diesem geeint gewesen sei:

Denn es ist nicht so, dass zuerst ein gewöhnlicher Mensch aus der heiligen Jungfrau geboren wurde (Οὐ γὰρ πρῶτον ἄνθρωπος ἐγεννήθη κοινὸς ἐκ τῆς ἁγίας παρθένου) und erst dann der [Gott‐]Logos auf ihn herabstieg (εἰθ’ οὕτως καταπεφοίτηκεν ἐπ αὐτὸν ὁ λόγος); vielmehr wird von ihm [sc. dem Gott-Logos] gesagt, dass er [sc. der Gott-Logos] schon vom Mutterschoß her geeint die fleischliche Geburt auf sich genommen hat (ἀλλ ἐξ αὐτῆς μήτρας ἑνωθεὶς ὑπομεῖναι λέγεται γέννησιν σαρκικήν), da er sich die Geburt seines eigenen Fleisches zu eigen machte (ὡς τῆς ἰδίας σαρκὸς τὴν γέννησιν οἰκειούμενος).[188]

Für Cyrillus von Alexandria gibt es angesichts dieser Äußerungen gar keine andere Vorstellung, als dass der Gott-Logos vom ersten Moment der Menschwerdung an mit dem von seiner Mutter genommenen menschlichen Fleisch vereint gewesen sei – ansonsten ergebe sich entweder eine „Trennungschristologie“ oder ein „Adoptianismus“.[189]

In dem Diskurs zwischen den beiden Inhabern der zwei wichtigen östlichen Bischofssitzen zeigte sich das unterschiedliche Verständnis in Bezug auf das Christusgeheimnis in der Frage, ob Maria als die „Gottesgebärerin“ (Θεοτόκος/Theotokos) bezeichnet werden müsse,[190] wie Cyrillus von Alexandria insistierte, oder als „Christusgebärerin“ (Χριστοτόκος/Christotokos),[191] wie Nestorius von Konstantinopel meinte.[192] Während nämlich Nestorius von Konstantinopel aus dem Fachterminus der Gottesgebärerin/Theotokos eine Verkürzung der menschlichen Natur des Christus herausgelesen hat,[193] war der Ehrentitel für Cyrillus von Alexandria unabdingbar notwendig, um eine jede Trennung des Gott-Logos und des mit ihm hypostatisch oder natürlich geeinten Fleisches auszuschließen.[194] Kirchenpolitisch ist Nestorius von Konstantinopel in dieser Debatte unterlegen und von der von Cyrillus von Alexandria beherrschten Teilsynode von Ephesus (431) als Häretiker verurteilt worden.[195] Spätere reichskirchliche Konzilien, wie dasjenige von Chalcedon (451), waren daher darum bemüht, sich vom „Wahnsinn des Nestorius“ abzugrenzen;[196] und von da an hat Nestorius Eingang in die Häretikerkataloge der (ost‐)römischen Reichskirche gefunden.[197] Angesichts dieses geschickten und letztlich auch erfolgreichen Agierens des Cyrillus von Alexandria erscheint es freilich umso erforderlicher, nun genauer zu analysieren, wie Nestorius selbst gedacht hat.[198]

4.2.3 Die christologische Position des Nestorius von Konstantinopel

In der Tradition des griechisch-antiochenischen Logos-Anthrōpos-Schemas stehend, legt Nestorius von Konstantinopel[199] in seiner Epistula altera ad Cyrillum Alexandrinum dar, dass sich die beiden Naturen (φύσεις/physeis) der Gottheit und der Menschheit des Christus bei der Inkarnation des Gott-Logos zu einer einzigen Person (προσώπον/prosōpon), vereint hätten, welche er den „Christus“ nennt:

‚Ich glaube‘ also, sagen sie [sc. die Väter von Nicaea (325)], auch an unseren Herrn Jesus den Christus, seinen [sc. Gottes] einziggeborenen Sohn (Joh 1,15). Siehe, wie sie zuerst die [Begriffe] ‚Herr‘ (κύριος) und ‚Jesus‘ (Ἰησοῦς) und der ‚Christus‘ (Χριστός) und ‚Einziggeborener‘ (μονογενής) und ‚Sohn‘ (υἱός), die gemeinsamen Namen für die Gottheit und für die Menschheit, gleichsam als Fundamente setzen (πρότερον θέντες τὰ κοινὰ τῆς θεότητος καὶ τῆς ἀνθρωπότητος). […] Darin [ist] Paulus ihr Lehrmeister (παιδευτὴς) […]. Da er [sc. Paulus] nämlich an den Tod erinnern wollte, setzt er, damit keiner aufgrund dessen vermute, der Gott-Logos sei leidensfähig, den [Begriff des] Christus als die das leidensunfähige und das leidensfähige Wesen in einer einzigen Person kennzeichnende Benennung (τίθησιν τὸ Χριστός, ὡς τῆς ἀπαθοῦς καὶ παθητῆς οὐσίας ἐν μοναδικῶι προσώπωι προσηγορίαν σημαντικήν), damit der Christus gefahrlos sowohl leidensunfähig als auch leidensfähig genannt werden könne, leidensunfähig in der Gottheit (ἀπαθῆς μὲν θεότητι), leidensfähig aber in der Natur des Leibes (παθητὸς δὲ τῆι τοῦ σώματος φύσει).[200]

Wie andere Vertreter der griechisch-antiochenischen Richtung, unterstreicht Nestorius an dieser Stelle, dass der Christus in den beiden Naturen der Gottheit und der Menschheit bestehe, die sich miteinander zu einer Person (ἐν μοναδικῶι προσώπωι) verbunden hätten.[201] Diese nennt er den „Christus“ (τίθησιν τὸ Χριστός).[202] In seinem Spätwerk, dem in syrischer Überlieferung erhaltenen, allerdings um spätere Zusätze erweiterten, Liber Heraclidis,[203] negiert der Bischof der östlichen Kaiserstadt entschieden eine Trennung der beiden Naturen in dem Christus:

Obwohl ich sage, dass ich die Naturen unterscheide (d-mpārāš l-kyānē) und in der Anbetung verbinde (mhāyād l-sgārtā) verbinde, so habe ich nicht gesagt, dass ich die Naturen voneinander trenne durch eine Trennung in Distanz (b-pūršānā d-rāḥyqūtā), wie du [sc. Cyrillus von Alexandria († 444)] mich verleumderisch anklagst.[204]

Wenn es demnach aber keine „Trennung in Distanz“ (pūršānā d-rāḥyqūtā) gegeben hat, wie Nestorius von Konstantinopel an dieser Stelle eigens betont, dann ist der Mensch, mit dem sich der Gott-Logos bei seiner Inkarnation geeint hat, auch kein „gewöhnlicher“ Mensch, der zu einem späteren Zeitpunkt vom Gott-Logos angenommen worden ist, sondern mit diesem vom Beginn seiner Entstehung an geeint:

Lies, Mensch, was du unter deinen Zeugnissen hast, und streite nicht wider einen Schatten: ‚Zwei Naturen zwar, Gott und Mensch, aber nicht zwei Söhne (bnyē dyn lā tryn)!‘ Denn eines ist es und ein anderes, woraus unser Erlöser [geformt ist]; nicht aber ‚einer und ein anderer‘ (lā dyn ᾿ḥrānā w-᾿ḥrānā), Gott bewahre!, sondern eines durch Vermischung (ḥād b-mūzāgā). [Das heißt]: Der Gott, der Mensch geworden ist (᾿lāhā d-᾿tbārnāš), und der Mensch, der Gott geworden ist (wbārnāšā d-᾿tālāh).[205]

Daher sei der Christus, so bekräftigt Nestorius, als Gott-Logos auf der einen Seite aus dem göttlichen Vater (᾿lāhā mēltā d-mēn ᾿bā ᾿tylēd), auf der anderen Seite aber, in Bezug auf seine Menschheit (l-bārnāšā), aus der heiligen Maria geboren (d-mēn qādyšta māryām).[206] Aus dieser Positionierung des Erzbischofs von Konstantinopel schließt Dietmar Winkler:

Nestorius tritt entschieden dem Vorwurf seiner Gegner entgegen, er verstehe die Einheit von Menschheit und logos nur äußerlich und vertrete einen Adoptianismus. Als Antiochener geht er konsequenterweise von der vollständigen menschlichen Natur ohne jede Verkürzung aus. Zugleich ist ihm aber auch die absolute transzendente Natur des logos grundlegend, mit sich die menschliche Natur nicht verbinden kann. Desgleicher hält er aber auch fest, dass Christus einer ist, auch wenn er zwei Naturen habe.[207]

Insofern habe Nestorius von Konstantinopel, so pointiert es der theologische Berater des Apostolischen Stuhls von Rom, keinen „Nestorianismus“ gelehrt, weswegen für die Kirchen- und Dogmengeschichte der Grundsatz gelten sollte: „Es muss zwischen jenem Nestorianismus, der dem Nestorius zugeschrieben und verurteilt wurde, und der tatsächlichen Lehre des Nestorius unterschieden werden.“[208]

Diese Erkenntnis[209] führt für Dietmar Winkler jedoch zu zwei weiteren Fragestellungen: Deren eine ist, ob die Apostolische Kirche des Ostens, die vermeintlich „Nestorianische Kirche“, in ihrer Christologie einen „Nestorianismus“ vertritt; und die andere: welche Rolle Nestorius von Konstantinopel als vom reichskirchlichen Konzil von Ephesus (431) verurteilter Häretiker in dieser Kirche spielt.[210]

4.2.4 Der Christusglaube der Apostolischen Kirche des Ostens: Nestorianismus?

Nach der Annahme des Glaubensbekenntnisses des ersten ökumenischen Konzils von Nicaea (325) auf einer Synode in der Hauptstadt des Perserreiches, Seleucia-Ctesiphon im Jahr 410,[211] hat die Kirche des Ostens im Perserreich ihren Christusglauben in einem Zweischritt lehramtlich weiter präzisiert:[212] Zunächst auf einer Synode von Beth-Lapat (484), deren verlorenes Glaubensbekenntnis auf einer Synode in Seleucia-Ctesiphon im Jahr 486 bestätigt worden ist;[213] sodann in einem Lehrschreiben ihres bedeutenden Dogmatikers Babaj des Großen († 628), welches dieser für eine Disputation mit Vertretern der westsyrischen Richtung am Hof des persischen Großkönigs Chosrau II. im Jahr 612 verfasst hat.[214]

4.2.4.1 Das Glaubensbekenntnis der Synode von 486

Das Glaubensbekenntnis der Synode des Jahres 486 lautet in deutscher Übersetzung:

Es bestehe unser Glaube in Bezug auf das Heilswirken des Christus in dem Bekenntnis der zwei Naturen der Gottheit und der Menschheit (b-tāwdytā d-trēn kyānē d-ʼnāšūtā), wobei es keiner von uns wagen soll, Mischung einzuführen (mūzāgā) oder Vermischung (ḥūlṭānā) oder Verwechslung (būlbālā) in die Unterscheidung der beiden Naturen (ʿl šūḥlāpāyhūn hālēn d-trēn kyānē), sondern dadurch, dass bewahrt bleiben und werden (mšāwyā w-nātyrā) die Gottheit in dem, was ihr eigen ist (ʼlāhūta b-dylāh), und die Menschheit in dem, was ihr eigen ist (w-ʼnāšūta b-dylāh), zu einer einzigen Herrschaft (l-ḥād mārūtāā) und einem Gegenstand von Anbetung (w-l-ḥādā sāgērtā), vereinen wir die Abschriften der Naturen (l-pāršāgnāyhūn d-kyānē) wegen der vollständigen und unauflöslichen Einung (mēṭūl nāqypūtā gmyrtā w-lā mētpāršnytā d-hwā l-ʼlāhūtā), welche geschieht für die Gottheit und die Menschheit (lāwāt ʼnāšūtā). Wenn aber einer denkt oder lehrt etwas anderes, [nämlich] dass sich Leiden (ḥāšā) oder Veränderung (šūḥlāpā) verhaftet hätten mit der Gottheit unseres Herrn (nāqēp l-ʼlāhūtā d-mārān), und nicht bewahrt (w-lā nāṭēr) in Bezug auf die Einung zu einer Person unseres Erlösers (lāwāt ḥādyūtā d-pārṣōpēh d-pārūqān) das Bekenntnis des vollständigen Gottes (tāwdytā d-ʼlāhūtā mšālmānā) und des vollständigen Menschen (d-bārnāšā mšālmānā), dann soll ein solcher aus der Kirche ausgeschlossen werden.[215]

Der syrische Synodaltext beschreibt die Einheit zwischen der Gottheit und der Menschheit des Christus als eine „vollständige und unauflösliche“ (nāqypūtā gmyrtā w-lā mētpāršnytā).[216] Dieser eine Christus bestehe in den beiden ungeschmälerten Naturen (kyānē) der Gottheit (ʼlāhūtā) und der Menschheit (ʼnāšūtā), die sich zu einer Person (pārṣōpā) vereint hätten.[217] Der syrische Bekenntnistext hebt also – im klassischen griechisch-antiochenischen Sinn – die Einheit der beiden Naturen in dem einen Christus hervor, die er in seiner einen Person (pārṣōpā) verwirklicht sieht.[218] Wegen der unauflöslichen Einung (nāqypūtā lā mētpāršnytā) gibt es auch keine Zeit, in welcher die Menschheit des Christus unvereint mit der Gottheit bestanden hätte. Aus diesen Formulierungen haben drei jüngere Forschungsarbeiten die Schlussfolgerung gezogen, dass das Bekenntnis der Kirche des Ostens aus dem Jahr 486 keinen „Nestorianismus“ aufweise: Sebastian Brock hat unterstrichen, dass die von der Synode vertretene Christologie zwar der „Antiochene tradition of Christology“ zugerechnet, aber „in no way […] as openly ‘Nestorian’“ beschrieben werden könne.[219] In Übereinstimmung mit dieser Einordnung hat Dietmar Winkler ergänzt, dass die Christologie der Synode „durch und durch orthodox [sei], […] auf die Integrität von Gottheit und Menschheit [achte], und [deshalb] nicht den geringsten Hinweis auf einen ‚Nestorianismus‘ [enthalte.]“[220] Schließlich hat Karl Pinggéra bekräftigt, dass die Bischofsversammlung „das christologische Bekenntnis im Sinne Theodors [sc. von Mopsuestia] zur kirchlichen Norm erhoben“ habe.[221] Die beispielweise von Wilhelm de Vries geäußerte These, dass die Apostolische Kirche des Ostens auf dieser Synode des Jahres 486 „nestorianisch“ geworden sei,[222] findet daher keine Entsprechung in den Quellen.[223] Im Jahr 486 ist die Apostolische Kirche des Ostens nicht „nestorianisch“ geworden.[224]

4.2.4.2 Die Erweiterung der christologischen Formel durch Babaj den Großen (612)

Eine Erweiterung der aus der griechisch-antiochenischen Tradition stammenden Formel von den zwei Naturen (kyānē) in der einen Person (pārṣōpā) hat der bedeutende ostsyrische Theologe Babaj der Große[225] im Jahr 612 vorgenommen, als er für ein Religionsgespräch, zu dem der Persische Großkönig Chosrau II. († 628) Vertreter der west- wie der ostsyrischen Richtung in seinem Königreich eingeladen hat, ein entsprechendes Positionspapier erarbeitete.[226] In seinem grundlegenden Statement hat Babaj in deutscher Übersetzung ausgeführt:

Es ist klar offensichtlich, dass der Christus vollständiger Gott ist (ʼlāhā mšālmānā) und vollständiger Mensch (w-bārnāšā mšālmānā). Auf der einen Seite wird er als Gott angesprochen (ʼlāhā mētāmār), während er in der Natur (kād b-kyānā) und in der qnōmā der Gottheit (w-b-qnōmā d-ʼlāhūtā) vollkommen ist (ʼytāwy mšālmānā). Auf der anderen Seite wird er als vollständiger Mensch bezeichnet (bārnāšā mšālmānā mētāmār), während er in der Natur (kād b-kyānā) und der qnōmā der Menschheit vollkommen ist (w-b-qnōmā d-ʼnāšūtā ʼytāwy mšālmānā). So, wie aus dem Gegensatz der Worte, die über den Christus ausgesagt worden sind, klar feststeht, dass der Christus zwei Naturen ist (d-mšyḥā trēn kyānē) und zwei qnōmē (w-qnōmē ʼytāwy), so steht es auch auf Grund der Tatsache, dass [diese Worte] sich auf den einen Christus, den Sohn Gottes, beziehen, klar fest, dass der Christus einer ist (d-mšyḥā ḥād ʼytāwy) – nicht, weil er nur eine Natur oder qnōmā besäße (lā hāwā b-ḥādyūt kyānā w-qnōmā), sondern in der einen Person der Sohnschaft (ʼlā b-ḥād pārṣōpā d-bārūtā) und dem einen [Ausgangspunkt] von Autorität (w-ḥād šūlṭānā) und dem einen [Ausgangspunkt] von Herrschaft (w-ḥādā mārbārnūtā) und der einen Macht (w-ḥād ḥāylā) und dem einen Herrn-Sein (w-ḥād mārūtā).[227]

Babaj der Große konkretisiert in diesem Textabschnitt die von der Synode des Jahres 484/486 her bekannte christologische Aussage von den zwei Naturen (kyānē) in der einen Person (pārṣōpā) dadurch, dass er die beiden Naturen (kyānē) auch als zwei qnōmē beschreibt (d-mšyḥā trēn kyānē w-qnōmē ʼytāwy) – obwohl er an mehreren Stellen die Einheit der beiden Naturen (kyānē) und qnōmē hervorhebt (d-mšyḥā ḥād ʼytāwy).[228] Es ist vermutet worden, dass Babaj durch diesen Einschub die Subjektseinheit in dem einen Christus in Frage stelle, weil die syrische Literatur das Wort qnōmā auch häufig benutze, um den griechischen Terminus der ὑπόστασις (Hypostase) in ihre Sprache zu übersetzen.[229] Würde man dies nun tun – wie es in der Vergangenheit geschehen ist, – so könnte man diesen Text des Babaj in der Tat als Lehre von zwei Hypostasen deuten, womit die Kirche des Ostens einen echten „Nestorianismus“ im Sinne der Definition des Cyrillus von Alexandria vertreten würde.[230] Sebastian Brock hat jedoch herausgearbeitet, dass der Fachbegriff des qnōmā aus der syrischen Sprache und der syrischen Theologie heraus verstanden werden müsse – und nicht nach dem, was er vielleicht in einer anderen Sprache und einer anderen Theologie meinen könnte.[231] Der britische Orientalist hat dabei deutlich gemacht, dass im klassischen Syrischen die beiden Fachbegriffe der Natur (kyānā) und der qnōmā einander bedingten:

In East Syrian understanding kyana (nature, φύσις), is generic, while qnōmā is an individual manifestation of a kyana. Thus the two kyane in Christ are often specifically described as being ‘the divinity and the humanity’, and correspondingly the qnoma of the divinity is God the Word, perfect God, and the qnoma of the humanity is the Man Jesus, perfect Man; and here it needs emphasizing that ‘the Man’ is definitely never thought of as having any separate pre-existence, prior to the Union.[232]

Wenn aber die beiden christologischen Fachbegriffe der Natur (kyānā) und der qnōmā einander bedingten, dann ist Babajs Hervorhebung, dass es in dem einen Christus nach der Einung von dessen Gott- und Menschheit auch zwei qnōmē gebe, sprachlich konsequent und folgerichtig. Daher hat Dietmar Winkler zu bedenken gegeben: „Allerdings bezeichnet qnoma weder für Babai noch für das Bekenntnis von 612 eine in sich selbst existierende Hypostase. Mit kyana ist die allgemeine, abstrakte Natur, also das Mensch-Sein bzw. das Gott-Sein, gemeint, während qnoma die Konkretisierung und Individualisierung der Natur darstellt. Babai verwendet deshalb zumeist die Formulierung ‚die zwei Naturen und ihre qnome‘.“[233] Insofern stellt also auch die Weiterentwicklung der christologischen Formel der Apostolischen Kirche des Ostens im Jahr 612 keinen „Nestorianismus“ dar. Die Präzisierung der beiden Naturen (kyānē) der Gottheit (ʼlāhūtā) und der Menschheit (ʼnāšūtā) als zwei qnōmē dient vielmehr – im klassisch griechisch-antiochenischen Sinne – dazu, deren wirkliche Realität zu untermauern. „Babais Christologie, die des realen Nestorianismus bezichtigt wurde, ist als orthodox und spezifischer ostsyrischer Zugang zum Christusgeheimnis zu sehen“, bekräftigt der Salzburger Kirchenhistoriker deshalb.[234]

Wenn aber insofern auch die von der Kirche des Ostens vertretene Christologie keinen „Nestorianismus“ zutage befördert, bleibt letztlich nur noch die Frage bestehen, welche Bedeutung nun der vom reichskirchlichen Konzil von Ephesus (431) abgesetzte Bischof Nestorius von Konstantinopel in der Kirche im Perserreich gehabt hat.

4.2.5 Die Person des Nestorius von Konstantinopel in der Rezeption durch die Kirche des Ostens

In Bezug auf die Rezeption der historischen Person des Nestorius von Konstantinopel hat Louis Sako hervorgehoben, dass dieser weder in Persien geboren noch jemals eine leitende kirchliche Funktion in der Apostolischen Kirche des Ostens innegehabt habe.[235] Was die Synodaltexte der Kirche des Ostens von den Bischofsversammlungen in Seleucia-Ctesiphon (486) bis zu Babajs des Großen Papier im Jahr 612 angeht, so hat Sebastian Brock festgehalten, dass „the name of Nestorius never once occurs, whereas Theodore [sc. von Mopsuestia] is on several occasions held up as an authority on doctrinal matters and as a model für orthodox belief.“[236] Zum ersten Mal in einem bedeutenden ostsyrischen Text tauche der Name des abgesetzten Patriarchen von Konstantinopel in der Dichtung De tribus Doctoribus auf, das der ostsyrische Theologe Narses von Edessa († 501)[237] über die drei Lehrer des Glaubens, Diodorus von Tarsus, Theodorus von Mopsuestia und Nestorius von Konstantinopel, verfasst habe. Weil Narses von Edessa als Gründungsdirektor der Schule von Nisibis wirkte, die von Lehrenden wie Lernenden in der Stadt im Perserreich neu gegründet worden ist, als der (ost‐)römische Kaiser Zeno († 491) die Schule der Perser in Edessa im Jahr 489 endgültig geschlossen hat,[238] nimmt es nicht wunder, dass sein Bild von dem abgesetzten Bischof von Konstantinopel die ostsyrische Tradition geprägt hat.[239] Deshalb ist es bemerkenswert, dass Sebastian Brock in seiner Analyse der Homilie des Narses von Edessa zu dem Ergebnis gelangt, dass

while it is clear that Narsai had a good knowledge of Diodore’s [sc. von Tarsus] and (especially) Theodore’s [sc. von Mopsuestia] teaching (available to him in Syriac translations), what he has to say about Nestorius is very vague and generalized: clearly Narsai had no real knowledge of Nestorius’ teaching, and Nestorius simply features in the homily as a martyr for the Antiochene christological tradition who had been hounded into exile by the ‘Egyptian Pharaoh’, in other words, Cyril of Alexandria, the protagonist of the opposite theological camp.[240]

Nestorius sei deshalb „vor allem das Symbol eines Märtyrers der antiochenischen Christologie“, schlussfolgert Dietmar Winkler daraus;[241] und Karl Pinggéra ergänzt: „Die Trias Diodor – Theodor – Nestorius [findet sich daher] später immer wieder bei ostsyrischen Autoren.“[242] So werde Nestorius von Konstantinopel am Ende des 6. Jh. in der Regula Monachorum des Abtes des „Großen Klosters“ auf dem Izla-Gebirge, Dādyšō, als einer der drei Väter genannt, von denen die Kirche des Ostens Lehre (tūlmydā), Taufe (ʿmādā) und Wachstum (tārbytā) empfangen habe.[243] Im 7. Jh. habe Babaj der Große den ehemaligen Bischof von Konstantinopel als einen der drei Zeugen für die apostolische Lehre benannt;[244] und im 9. Jh. habe sich der Katholikos Timotheus I. in seiner Epistula ad Monachos de Conventu Mar Maronis auf die gleiche Dreierreihe von Glaubenslehrern berufen.[245]

Vor diesem Hintergrund macht Karl Pinggéra ein näheres Interesse an Nestorius „erstmals Mitte des 6. Jahrhunderts“ fest.[246] Zum einen habe zu dieser Zeit der Katholikos Ābā eine Übersetzung des Liber Heraclidis des Nestorius in das klassische Syrische veranlasst.[247] Zum anderen habe der Historiker Bārhādbšābbā von Bēth Arbaia Nestorius von Konstantinopel ein eigenes Kapitel in seiner Historia ecclesiastica gewidmet, in welchem er den abgesetzten Bischof von Konstantinopel als einen Märtyrer für den apostolischen Glauben gezeichnet habe, welcher den Intrigen des Cyrillus von Alexandria († 444) erlegen sei.[248] Diese Opferrolle sei indes, so fasst der Marburger Gelehrte die Position des Bārhādbšābbā zusammen, nicht alleine dem Nestorius († 451) zugefallen; dieser stehe vielmehr in einer Reihe mit „den anderen ‚verfolgten Vätern‘“ wie Johannes Chrysostomus, gegen welchen der Erzbischof Theophilos von Antiochia vorgegangen sei.[249] Eine Selbst-Identifikation in ostsyrischen Texten als „Nestorianische Christen“ (krēsṭyānē nēsṭōryānō) – in Abgrenzung zum westsyrischen Miaphysitismus des Severus von Antiochia und seinen Anhängern – findet sich, nach den Untersuchungen von Gerrit Reinink, zum anderen vor diesem Hintergrund erst um die Mitte des 8. Jh. bei dem ostsyrischen Bischof Šadost von Tirhan, der erklärt, dass es nicht die „nestorianischen Christen“ seien, die vom Pfad der Wahrheit abgewichen seien, sondern Severus von Antiochia und die Verteidiger der christologischen Aussage von der einen Natur (kyānā) und der einen Hypostase (qnōmā).[250] Von da an sei die Person des Nestorius, so erläutert es Philipp Wood, „increasingly prominent in the ninth- and tenth-century-texts“ geworden.[251] So sei in dem arabischen Haddad Chronicle[252] der Bischofsstuhl von Seleucia-Ctesiphon unhistorisch als „the chair of Nestorius“ bezeichnet worden.[253] Daraus zieht der britische Gelehrte die Schlussfolgerung: „The fact that pseudo-George employs ‘Nestorian’ positively shows the shift in attitudes that must have occurred, in some parts of the church at least, between the polemical use of the term in 612 and the church’s own use of the term by the ninth century.“[254] Daher sei die Apostolische Kirche des Ostens zwar nicht „nestorianisch“ in dem Sinne geworden, dass sie die Theologie des reichskirchlich verurteilten Bischofs von Konstantinopel angenommen habe,[255] aber sie sei „increasingly Nestorian in a historical sense“, in dem „Nestorius played a critical role in the church’s historical imagination.“[256] Trotz dieses Hinweises sei es „formaltheologisch falsch“, so hebt jedoch Dietmar Winkler gegenüber diesen Rückbezügen auf die historische Person des Märtyrers für den „wahren Glauben“ Nestorius in der Kirche des Ostens hervor, falsch, diese in einem theologiegeschichtlichen Sinne als die „Nestorianische Kirche“ zu bezeichnen, auch wenn sie den Theologen „als Lehrer und Heilige[n] […] in Ehren“ halte.[257] Die Position des Theologen, des Schrifterklärers (mpāšqānā) schlechthin, habe für die Apostolische Kirche des Ostens nämlich Theodorus von Mopsuestia eingenommen,[258] weswegen Sebastian Brock unterstrichen hat: „It is Theodore’s christological language, as well es his approach to biblical exegesis, which had a profound influence on the theology of the Church of the East. Indeed, if one wanted to characterize the Church of the East in this way, it would be much more appropriate to call it ‘Theodoran’, rather than ‘Nestorian.’“[259] Woher stammt also vor diesem theologiegeschichtlichen Hintergrund die Bezeichnung der „Nestorianer“, welche sich in ostsyrischen Quellentexten erst ab dem 8. Jh. findet?

4.2.6 Das Aufkommen der Bezeichnung „Nestorianer“ bei Philoxenus von Mabbug († 523)

Nach den Untersuchungen der französischen Orientalistin Muriel Debié ist es der westsyrisch-miaphysitische Bischof Philoxenus von Mabbug, der in seiner Epistula ad Abu Yaʿfur die Christinnen und Christen im Perserreich erstmals als „Nestorianer“ anspricht, indem er das Oberhaupt dieser Kirche, Āqāq († 496), als „Häretiker“ (ʼyrytyqyā)[260] und „Katholikos der Nestorianer“ (l-qāṭōlyqā d-nēstōryānē) bezeichnet.[261] Darüber hinaus verweist die in Paris lehrende Wissenschaftlerin auf die Handschrift BL add. 14.535, in welcher der ostsyrische Bischof Paulus von Nisibis († 573) in einer Disputation mit dem (ost‐)römischen Kaiser Justinianus I. († 565) ebenfalls als ein „Nestorianer“ angesehen werde.[262] Aus diesen Stellen kommt Muriel Debié zu dem Schluss: „Le nom ‚nestorien‘ est donc employé dès le VIe siècle par les adversaires miaphysites des tenants de la théologie antiochenne pour désigner les membres de l’Église de l’Est de la théologie de Théodore de Mopsueste lors du concile de 486 présidé par Acace explique cette chronologie.“[263]

4.2.7 Schlussfolgerung

Wenn aber der Terminus der „Nestorianer“ insofern eine Kennzeichnung darstellt, welche der Kirche des Ostens und ihren Repräsentanten im Zuge der christologischen Auseinandersetzungen des 5. und 6. Jh. von ihren kirchenpolitischen Konkurrenten mit dem Ziel aufgestempelt worden ist, sie als häretisch einzustufen, dann sollte dieses Label heute nicht länger verwendet werden.[264] Dieser Wunsch erscheint als umso dringlicher, als die angeführten Belegstellen aus der ostsyrischen Literatur begründet haben, weshalb weder Nestorius von Konstantinopel noch die Kirche des Ostens in Bezug auf ihren Christusglauben einen „Nestorianismus“ in der Form vertreten haben, wie ihn Cyrillus von Alexandria definiert hat; und auch wenn der abgesetzte Bischof von Konstantinopel in der Kirche des Ostens als ein Märtyrer für den apostolischen Glauben ab dem 6. Jh. rezipiert und ab dem 8. und 9. Jh. immer mehr zu einer Person der Abgrenzung und Selbstidentifikation worden ist, ist ihm auch nicht die Ehrenstellung des Erklärers der christologischen Überzeugung der Kirche im Perserreich jemals zugefallen.[265] Diese Position hat Theodorus von Mopsuestia eingenommen, den die Apostolische Kirche des Ostens bis heute als den „Schrifterklärer“ schlechthin verehrt.[266] Gleichsam diese Überlegungen zusammenfassend hat Louis Sako daher jüngst noch einmal mit Nachdruck erklärt: „It is incorrect to describe the ‘Church of the East’ being the ‘Nestorian Church’ because the Church of the East existed long before Nestorius himself, and because its doctrine was not based on his thoughts and writings.“[267]

5 Ein Ausblick in das siebte Jahrhundert

Auch wenn auf den vorstehenden Seiten dargelegt worden ist, wie nahe sich die differierenden christologischen Ansätze der beteiligten Streitparteien eigentlich waren, ist nach der Synode des Jahres 536 in Konstantinopel die Einheit der einen (ost‐)römischen Reichskirche zerbrochen.[268] Von dieser Zeit an standen sich verschiedene Kirchen im Osten des Imperium Romanum mit einer jeweils eigenen Christologie gegenüber: Auf der einen Seite die pro-chalcedonensischen Bischöfe von Antiochia, Jerusalem und Alexandria, auf der anderen die anti-chalcedonensischen Oberhirten mit ihren Gläubigen.[269] Zu ihnen kam im Reich der Perser noch die Apostolische Kirche des Ostens, deren Katholikos Išoʽyahb I. († 595) im Jahr 586 in Konstantinopel die Gemeinsamkeit im Glauben mit der (ost‐)römischen Reichskirche festgestellt hat.[270] Auf einer Synode im Jahr 585 hob die Apostolische Kirche des Ostens darüber hinaus hervor, dass der Herr fünf Patriarchate eingesetzt habe – vier für den Westen, das fünfte aber in Seleucia-Ctesiphon für den Osten.[271] Angesichts dieser verschiedenen kirchlichen Zentren und deren Interaktion spricht beispielsweise der Mainzer und Frankfurter Leibniz-Wissenschaftscampus von der „Polyphonie des spätantiken Christentums.“[272]

Trotz dieser Differenzen ist es dem Kaiser Heraclius († 641) und seinem Patriarchen Sergius von Konstantinopel († 638) in den Jahren zwischen 629 bis 633 noch einmal gelungen, Unionen zwischen den pro- wie anti-chalcedonensischen Kirchen im Imperium Romanum[273] sowie eine Übereinstimmung im Glauben mit der Apostolischen Kirche des Ostens im Jahr 630 Aleppo mit dem Katholikos Išōyāhb II. († 646) herbeizuführen.[274] Die Grundlage für die Einigung stellte die Aussage dar, dass in dem einen Christus nur eine Wirkweise oder Energie (energeia) wirkte.[275] Sie bot sich gerade deshalb als Brücke über die zerstrittenen Gräben an, weil sowohl pro- als auch anti-chalcedonensische Autoren die Wirkweise (energeia) von der einen Hypostase des Christus herleiten konnten;[276] und auch der ostsyrische Katholikos zeigte sich nach dem Bericht im Jahr 630 in Aleppo dazu bereit, dieser Lehrmeinung zuzustimmen.[277] Gescheitert sind diese Bemühungen jedoch an dem Widerstand von entschiedenen pro-chalcedonensischen Autoren wie Sophronius von Jerusalem († 638), welche die Wirkweise (energeia) nicht von der einen Hypostase (hypostasis), sondern den beiden Naturen (physeis) des Christus herleiteten.[278] Insofern erwies sich im 7. Jh. noch der gleiche Bruch zwischen den pro- wie anti-chalcedonensischen Seiten, wie er sich im 5. Jh. herauskristallisiert hat.[279] Es bedurfte erst der neuen Anläufe des 20. Jh., um diese zu überwinden.[280] Für die theologiegeschichtliche Einordnung der Apostolischen Kirche des Ostens ist es jedoch besonders bemerkenswert, dass die beiden Oberhäupter der (ost‐)römischen Reichskirche wie der Apostolischen Kirche des Ostens in Persien im 7. Jh. noch einmal den gemeinsamen Glauben bekennen konnten – obwohl doch die Kirche schon längst „nestorianisch“ geworden sein sollte.

6 Perspektivische Schlussfolgerung

In der Einleitung zu diesem Beitrag ist dargelegt worden, dass Papst Johannes Paul II. in seiner Enzyklika Ut unum sint vom 25. Mai 1995 alle am ökumenischen Gespräch mit den Kirchen des Orients Interessierten dazu aufgefordert hat, dass es „[a]ngesichts von Lehrformeln, die von jenen in der Gemeinschaft, der man angehört, üblichen abweichen, […] zunächst natürlich zu klären [gelte], ob die Worte nicht einen identischen Inhalt mein[t]en.“[281] Entsprechend diesem Vorsatz, haben der römische Papst und das Oberhaupt der Apostolischen Kirche des Ostens, Mar Dinkha IV., in einer gemeinsamen Erklärung zur Christologie vom 11. November 1994 betont:

Christus ist […] kein ‚gewöhnlicher Mensch‘, den Gott adoptiert hat, um in ihm zu wohnen und ihn zu inspirieren, wie er es in den Gerechten und Propheten getan hat. Doch das gleiche Göttliche Wort, von seinem Vater gezeugt vor aller Zeit ohne Anfang in Bezug auf seine Gottheit, wurde in der Endzeit in Bezug auf seine Menschheit von einer Mutter ohne einen Vater geboren. Die menschliche Natur, die die Jungfrau Maria geboren hat, war immer die des Sohnes Gottes selbst. Dies ist der Grund, warum die Assyrische Kirche des Ostens die Jungfrau Maria verehrt als ‚Mutter Christi, unseres Gottes und Heilandes.‘ Im Licht dieses gleichen Glaubens wendet sich die katholische Tradition an die Jungfrau Maria als ‚die Mutter Gottes‘ und ebenso als ‚die Mutter Christi.‘ Wir [sc. der römische Papst wie der Katholikos der Apostolischen Kirche des Ostens] erkennen beide die Berechtigung und Richtigkeit dieser Ausdrucksformen des gleichen Glaubens an, und wir achten beide, was die einzelne Kirche jeweils in ihrem liturgischen Leben und in ihrer Frömmigkeit bevorzugt.[282]

Angesichts dieser aus einem ökumenischen Blickwinkel heraus erfreulichen Ergebnisse im Gespräch der Kirchen erscheint es als angemessen, die jüngsten Erkenntnisse der interdisziplinären wissenschaftlichen Forschung in die Darstellungen zur Geschichte des Christentums im Orient einfließen zu lassen. Demzufolge sollte in Bezug auf die beiden grundlegenden christologischen Ansätze des griechisch-sprachigen Christentums im 5. Jh. zwischen jeweils zwei Interpretationsmöglichkeiten der zugrundeliegenden theologischen Konzepte differenziert werden. Auf der einen Seite sollte hinsichtlich des griechisch-alexandrinischen Logos-Sarx-Schemas zwischen dem echten Monophysitismus und einem Miaphysitismus differenziert werden.[283] Während der erstere Monophysitismus davon ausgeht, dass sich der Gott-Logos und das mit diesem geeinte Fleisch bei dessen Inkarnation so miteinander verbunden haben, dass dessen menschliche Natur (φύσις/physis) nicht länger vollständig geblieben ist, unterstreicht der Miaphysitismus, dass das mit dem Gott-Logos verbundene Fleisch ohne Minderung mit diesem die eine Natur (φύσις/physis) und Hypostase (ὑπόστασις/hypostasis) des Fleisch gewordenen Gott-Logos gebildet habe, dass dieser also weiterhin eines Wesens mit uns Menschen (ὁμοούσιος ἡμῖν/homoousios hēmin) geblieben sei.[284] Deshalb sind, theologiegeschichtlich zutreffender, die orientalisch-orthodoxen Kirchen auch keine „monophysitischen“, sondern „miaphysitische“ Kirchen.

Auf der anderen Seite hat die nähere Betrachtung der ostsyrischen Tradition ergeben, dass mit Blick auf ihren Christusglauben weder der auf dem reichskirchlichen dritten ökumenischen Konzil von Ephesus (431) abgesetzte Bischof Nestorius von Konstantinopel noch die Apostolische Kirche des Ostens selbst einen „Nestorianismus“ vertreten haben.[285] Wenn, dann könnte die Kirche außerhalb der Grenzen des Imperium Romanum hinsichtlich ihres Christusglaubens als „theodorianische“ Kirche angesprochen werden, weil ihre Definition des Christusglauben auf den syrischen Übersetzungen der Werke dieses griechisch-antiochenischen Theologen fußt[286] – und dies umso mehr, als Nestorius, von der Homilia de tribus Doctoribus des Narses von Edessa an, für die ostsyrische Tradition nicht so sehr als systematischer Theologe, sondern als Märtyrer für den apostolischen Glauben an Bedeutung gewonnen hat.[287]

Die von der Kirche des Ostens gelehrte Christologie lässt sich deshalb vielleicht am zutreffendsten als „ostsyrisch-antiochenisch“, am Werk des Theodorus von Mopsuestia ausgerichtet, aber nicht „nestorianisch“ ansprechen.[288] Insofern hofft der Verfasser dieses Beitrages, dass seine vorgetragenen Argumente dazu beitragen, dass den Kirchen des Orients bereits in der Beschreibung ihres Christusglaubens der Respekt entgegenschlagen kann, den sie verdient haben – wie es Wolfgang Hage bereits im Jahr 2007 formuliert hat: „Die Apostolische Kirche des Ostens von diesem Verwurf der ‚nestorianischen Häresie‘, der ihr in der zwischenkirchlichen Polemik traditionell anhängt, freizusprechen und ihr damit einen in der Christenheit unangefochtenen Platz zu sichern, sieht sich deshalb die gegenwärtige Forschung in besonderer Weise herausgefordert.“[289]

Die Idee zu diesem Beitrag ist in der Diskussion eines Vortrages des Verfassers in dem von Hartmut Leppin geleiteten Leibniz-Kolleg in Frankfurt am Main im Juni 2021 entstanden; denn in der Diskussion seiner Thesen hat eine Teilnehmerin den Wunsch geäußert: „Können Sie Ihren Vortrag nicht publizieren!“ Dank der freundlichen Einladung von Wolfram Brandes kann diese Anregung nun in dieser Ausgabe der Zeitschrift Millennium in die Tat umgesetzt werden. Dafür ist der Schreiber dieser Zeilen sehr dankbar. Ebenso will er dem Direktor und den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern am Bayerischen Forschungszentrum für Interreligiöse Diskurse (BaFID) in Erlangen sowie Katharina Pultar (Würzburg) danken, mit denen er die Kernaussagen dieses Beitrages ausführlich diskutieren durfte. Schließlich will er Andreas Knöll (Erlangen) sowie Emma Mill (Würzburg) herzlich Dank sagen, die kritisch und sorgfältig Korrektur gelesen haben, sowie der/dem Gutachter/-in im Peer-Review-Verfahren für wertvolle Hinweise. Der Einheitlichkeit wegen latinisiert dieser Beitrag Autoren- wie Werknamen. Um die Auffindbarkeit von zitierten Quellentexten zu erleichtern, gibt dieser Aufsatz die Stellen vollständig an. Die verwendeten Übersetzungen werden angegeben. Wo sich keine solche Angabe findet, stammt die Übertragung in das Deutsche vom Verfasser selbst.

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Published Online: 2023-11-17
Published in Print: 2023-11-17

© 2023 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

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Downloaded on 28.5.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/mill-2023-0010/html
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