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Publicly Available Published by De Gruyter (A) September 9, 2018

Beat Näf, Testimonia Alt-Paphos. Darmstadt – Mainz (Philipp von Zabern) 2013 (Ausgrabungen in Alt-Paphos auf Cypern 8) XVIII, 116 S., ISBN 987-3-8053-4579-8 (geb.) € 49,–

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Näf Beat Testimonia Alt-Paphos Philipp von Zabern Darmstadt – Mainz (Ausgrabungen in Alt-Paphos auf Cypern 8) 1 116 987-3-8053-4579-8 (geb.) € 49,– 2013


Alt-Paphos, das moderne Kouklia, ist einer der wichtigsten Plätze der Insel Zypern im Altertum. Die Geschichte seines Aphrodite-Heiligtums, des berühmtesten Heiligtums der Göttin in der antiken Welt, verknüpft mit dem Mythos der schaumgeborenen Aphrodite, die dort den Kult der großen zyprischen Muttergöttin übernommen hat, lässt sich von der Späten Bronzezeit, den Jahren um 1200 v. Chr., bis in die römische Kaiserzeit verfolgen. Der Kult strahlte weit über die Grenzen Zyperns in die Mittelmeerwelt hinaus. Das Heiligtum von Alt-Paphos hat diese Rolle auch nach der Gründung von Neu-Paphos im späten 4. Jh. v. Chr., einer Stadt, die in der römischen Kaiserzeit Metropole der Provinz Cyprus wurde, behauptet. Zugleich ist Alt-Paphos ein Ort, der entscheidend die frühe Geschichte Zyperns im 1. Jahrtausend v. Chr. durch die reichen Grabbeigaben seiner Nekropolen beleuchtet und mit einer syllabischen Inschrift auf einem Obelos der Jahre um 1000 v. Chr. (Cypro-Geometrisch I) den ältesten epigraphischen Beleg für die Präsenz griechisch sprechender Eliten auf der Insel bietet. Alt-Paphos war neben Kourion (Nekropole von Kaloriziki) das bedeutendste Zentrum Zyperns in dieser Zeit. Entsprechend hebt die literarische und historische Überlieferung der Antike die Rolle von Alt-Paphos heraus, für die Frühzeit durch die Gründungslegenden, später durch die mythische Tradition, die sich um die Göttin Aphrodite rankt, und durch zahlreiche Berichte zu Kult und Heiligtum.

Beat N(äf) legt in der Reihe der von Franz Georg Maier, dem langjährigen Leiter der deutsch-schweizerischen Untersuchungen in Alt-Paphos/Kouklia, herausgegebenen „Ausgrabungen in Alt-Paphos auf Cypern“ als Band 8 die Testimonien zu Alt-Paphos vor. Ähnliche Quellensammlungen existieren bereits für Salamis, Amathus und Kition, neben den ganz Zypern betrachtenden Zusammenstellungen von K. Hadjiioannou (griechische Quellen), P. W. Wallace und A. W. Orphanides (Quellen in englischer Übersetzung), C. D. Cobham (Mittelalter) sowie L. de Mas Latrie (Lusignan-Zeit). N.s Kompendium sammelt nicht nur die antiken Quellen, sondern bezieht auch die Berichte mittelalterlicher Historiker, Pilger und anderer Reisender wie auch Dokumente venezianischer Archive ein, widmet einen eigenen Abschnitt schließlich den Forschungsreisenden des 18. und 19. Jahrhunderts, die in kürzeren Auszügen zitiert werden.

Der gewählte zeitliche Rahmen spiegelt, wie F. G. Maier in seinem Vorwort anmerkt, durchaus die archäologischen Feldarbeiten, die sogar schon in der Mittleren Bronzezeit einsetzten und bis in die Phase osmanischer Herrschaft herabreichten. Verzichtet hat N. leider, wie schon ein anderer Rezensent kritisch vermerkt hat, auf die antiken Inschriften (M. Egetmeyer, REG 126, 2013, 251: „décision … incompréhensible“), eine Entscheidung, die, so in der Überlieferung der Reihe der Stadtkönige, einen fragmentierten Ausriss aus den Quellen zur Folge hat; man vgl. zu den syllabischen Inschriften: O. Masson – T. B. Mitford, Les inscriptions syllabiques de Kouklia-Paphos (Konstanz 1986) und zu den Alphabetinschriften aus Alt- und Neu-Paphos: J.-B. Cayla, Les inscriptions de Paphos (Lille 2003; Mikrofiche-Ausgabe).

Zu jedem Testimonium werden Autor und Titel, Chronologie und Stichworte zum Inhalt angegeben, diese fett herausgehoben, um die Übersichtlichkeit zu erhöhen. Es folgen Text und Übersetzung sowie ein Kommentar mit Literaturhinweisen, soweit notwendig (2). Leider hat der Verfasser auf eine durchgehende Numerierung der Zeugnisse verzichtet, die Querverweise und für den Leser ganz allgemein die Handhabung des Bandes erleichtert hätte. Auch lässt sich nicht verhehlen, dass dieses von N. selbst formulierte Präsentationsprogramm keineswegs konsequent durchgehalten wird (s. unten).

Es versteht sich von selbst, dass bei einer derart weitgestreckten Quellensammlung Vollständigkeit sicher nicht zu erreichen war. Der Schwerpunkt des Bandes liegt, wie N. (2) deutlich hervorhebt, auf den Zeugnissen zu Geschichte und Monumenten, die in chronologischer Reihung präsentiert werden.

Der Band bietet zunächst die Testimonien zur Geographie von Alt-Paphos, Lage, Heiligtum und Hafen, beginnend mit Strabon und dem Periplus Maris Magni bis zum Anonymus Ravennatis des 7. Jh. n. Chr., gefolgt von Zeugnissen zu Erdbebenkatastrophen, die Paphos betroffen haben. Der nächste Abschnitt behandelt in kürzerer Form und mit knappen Nachweisen Personen der paphischen Geschichte, Mythos und Kult – hier finden sich Anmerkungen zu Agapenor, König von Arkadien, dem mythischen Gründer von Paphos (16), oder die Überlieferung zu Kinyras (18), dem Begründer der Herrscher- und Priesterfamilie von Paphos, aber auch, kulturhistorisch von Interesse, Quellen zu heiligen Pflanzen und Opfertieren (23 ff.) bzw. im Kult verschmähten Tieren, wie etwa den Schweinen.

Als ganz unzureichend und letztlich sinnlos erweist sich durch den Verzicht auf die epigraphischen Zeugnisse die auf den im Band zitierten Testimonia allein beruhende Königsliste (13); so fehlen Etewandros im frühen 7. Jh. v. Chr. (dazu s. unten) oder für das 4. Jh. v. Chr. Timocharis und Echetimos; vgl. dazu besser A. Mehl, Zyperns Stadtkönige bis um 500 v. Chr. Zwischen wechselnden Oberherrschaften und Unabhängigkeit, zwischen Eigenentwicklung und Import, in: R. Bol – K. Kleibl – S. Rogge (Hgg.), Zypern – Insel im Schnittpunkt interkultureller Kontakte, Münster u. a. 2009, 139–190 und jetzt ausführlich A. Satraki, Kyprioi basileis apo ton Komaso mechri to Nikokreonta, Athen 2012, 218–236.

Ab 13 ff. folgen, chronologisch geordnet, die Testimonia des Altertums. Der schon angesprochene Verzicht auf die epigraphischen Zeugnisse in Alt-Paphos selbst hat zur Folge, dass das älteste wichtige Zeugnis, die bereits erwähnte Besitzerinschrift des Opheltas, keine Berücksichtigung findet. Ältestes Testimonium ist daher die bekannte Inschrift des Großkönigs Asarhaddon aus dem Jahre 673/2 v. Chr., in der die zyprischen Stadtkönige genannt werden, die sich am Bau seines Palastes in Niniveh beteiligt haben, darunter Ituandar (Etewandros) von Paphos. Die Behandlung verzichtet leider auf eine Wiedergabe des Originaltextes und eine Diskussion der nicht sicher identifizierbaren Ortsnamen, darunter auch das viel diskutierte Qarthadasht; vgl. H. Matthäus, Die Weihung des Statthalters von Qarthadašt an den Baal des Libanon (CIS I 1, Nr. 5), Cahiers du centre d’etudes chypriotes (= CCEC) 40, 2010, 128 f. mit Lit.; zu den Etewandros-Inschriften auf zwei goldenen Armringen der Cesnola Collection vgl. R. Merrillees, Another Cesnola Puzzle: A pair of reproduction bracelets from Kourion in the Musée-château d’Annecy, France, CCEC 40, 2010, 101–123. Zur Liste vgl. weiter die wichtige Analyse von E. Lipinski, The Cypriot Vassals of Esarhaddon, in: M. Cogan – I. Eph’al (Hgg.), Ah, Assyria. Studies in Assyrian History and Ancient Near Eastern Historiography Presented to Hayim Tadmor (Scripta Hierosolymitana 33), Jerusalem 1991, 58–64, O. Masson, Encore les royaumes chypriotes de la liste d’Esarhaddon, CCEC 18, 1992, 27–30 und A. Satraki, The Archaeology of the Cypriot Basileis: Manifestations of Royal Authority in Iron Age Cyprus, in: S. Christodoulou – A. Satraki (Hgg.), PoCA 2007: Postgraduate Cypriot Archaeology Conference, Newcastle upon Tyne 2010, 197–218.

Ab 24 ff. wird die homerische Überlieferung zu Kinyras aufgegriffen, die so auf zwei Kapitel verteilt erscheint, ebenso jene zu Agapenor, den Fürsten der Arkadier; es folgen die homerischen Aphrodite-Hymnen, Hesiods Theogonie, Pindar, die Tragiker des 5. Jh. v. Chr., schließlich die umfangreiche hellenistische und römische Überlieferung, darunter 57 f. die Sage der Gründung von Paphos durch Agapenor bei Pausanias 8,5,2. Diese Streuung aussagekräftiger Information zur paphischen Frühgeschichte wird leider kaum durch Querverweise und/oder eine substanzielle konzentrierte Diskussion an einer Stelle des Bandes aufgewogen. Hinzu kommt ein weiteres fundamentales Versäumnis: Der Verfasser hat sowohl auf ein Namens- wie auch ein Sachregister verzichtet. Der Leser muss sich die Belege recht mühsam zusammensuchen. Ein Sachregister wäre z. B. auch für das in der neueren Sekundärliteratur wieder äußerst kontrovers diskutierte, stark ideologisch belastete Thema sakraler Prostitution im paphischen Heiligtum wichtig, vgl. die Extrempositionen der Beiträge in T. S. Scheer (Hg.), Tempelprostitution im Altertum, Berlin 2009. Prostitution fehlt als Stichwort auch im Kapitel Mythos und Kult; zum Thema und den Quellen mit Blick speziell auf Paphos vgl. die sachliche Diskussion: F. G. Maier – V. Karageorghis, Paphos. History and Archaeology, Nicosia 1984, 371 f.; J. Karageorghis, Kypris, Nicosia 2005, 50–52; zum orientalischen Kontext: G. Wilhelm, Marginalien zu Herodot, Klio 199, in: T. Abusch u. a. (Hg.), Lingering over Words. Studies in Ancient Near Eastern Literature in Honor of William L. Moran (Atlanta 1990). 505–524. Ebenso vermisst der Rezensent ein Verzeichnis der benutzten Quellen, das eine rasche Übersicht ermöglichte.

Den Zeugnissen des Mittelalters und der Neuzeit bis ins 18. Jahrhundert ist dankenswerterweise eine einführende Betrachtung der bekannten Pilgerberichte vorangestellt, die durchweg Zypern kurz und skizzenhaft, Paphos jedoch nicht direkt erwähnen. Teilweise wird in den mittelalterlichen Quellen nicht deutlich, ob die Reisenden Alt-Paphos oder Neu-Paphos beschreiben; wie schon F. G. Maier im Vorwort bemerkt, galten im Mittelalter die Ruinen von Saranda Kolones, dem Lusignan-Kastell in Neu-Paphos, als Heiligtum der Aphrodite. Neben Pilgerberichten, die ausführlicher Paphos schildern und teilweise gute Kenntnis der klassischen Autoren erkennen lassen (z. B. Felix Fabri), Historikern wie Leontios Machairas oder Estienne de Lusignan kommen auch venezianische Akten zu Verwaltung und Ökonomie (Zuckerrohranbau) der Insel zu Worte; Kriterien für die Auswahl werden leider nicht genannt. Teilweise wird für die Testimonia die Geschichte Zyperns von L. de Mas Latrie, die ausführlichere Zitate umfasst, zugrunde gelegt, oder auch einmal Georg Boustron lediglich in englischer Übersetzung, nicht im Originaltext zitiert. Manche Zeugnisse werden aus dem Italienischen oder Lateinischen übersetzt, andere (z. B. E. Lusignan oder Thomaso Poracchi) dagegen nicht. Textgrundlagen und Art der Behandlung wirken also methodisch durchaus nicht einheitlich.

Der letzte Abschnitt schließlich ist betitelt „Erforschung und Wahrnehmung des antiken Alt-Paphos seit dem 18. Jahrhundert: Reisende, Forschungsreisende, Archäologen“, eine insgesamt aufschlussreiche Kompilation der einschlägigen Zeugnisse, die manches nur schwer Errreichbare aufbereitet und inhaltlich deutliche Schwerpunkte setzt, so mit den Beschreibungen von Paphos durch Richard Pococke, Joseph Hammer von Purgstall oder den auch für Amathus wichtigen Ali Bey (Domingo Badía y Leblich). Ludwig Ross als erster „professioneller Archäologe in Kouklia“ (99) kommt zu Wort, Luigi Palma di Cesnola und andere. Die Reihe endet mit einem kurzen Auszug aus Camille Enlarts Monumentalwerk über die Kunst der Gotik und Renaissance auf Zypern und aus Schriften Max Ohnefalsch-Richters, des Ausgräbers des Heiligtums von Rantidhi bei Alt-Paphos, bekannter wahrscheinlich durch seine Arbeiten in Marion, Idalion und Tamassos, sowie seiner Ehefrau Magda, die mit ihrem Werk über Sitten und Gebräuche auf Zypern (von 1913) die Grundlage einer modernen Ethnographie der Insel gelegt hat.

Eher kurios, aber dennoch aufschlussreich für das Phänomen archäologischer Mythenbildung ist ein Zitat aus einem Artikel von John Linton Myres, publiziert im BSA 41, 1940–45, 53–99, in dem er von der Entdeckung eines unbearbeiteten schwarzgrünen Steines, verbaut in einem modernen Haus des Dorfes Kouklia und entdeckt bereits im Jahre 1913, berichtet (116), der Touristen heute im Museum von Kouklia gern als das anikonische Kultbild der Aphrodite vorgeführt wird. Diese ‚Identifikation‘ geht in der Tat auf Myres’ hymnische Beschreibung zurück: „It looks exactly like a human figure literally ‚rising from the sea‘ and spreading long hair and dripping arms.“ Dies war auch damals schon kein Glanzstück archäologischer Hermeneutik, und der Rezensent bekennt, dass er die Beobachtung nicht nachvollziehen kann.

Versucht man ein Gesamturteil, so lässt sich nicht leugnen, dass dem Leser die Benutzung der nützlichen Sammlung der antiken, mittelalterlichen und neuzeitlichen Zeugnisse hätte erleichtert werden können und dass eine Einbeziehung der Inschriften, deren Zahl durchaus begrenzt ist, ein deutlich vollständigeres Bild der Entwicklung von Alt-Paphos gezeichnet hätte. Dennoch: N.s Monographie bringt für jeden, der sich mit Geschichte und Kult von Alt-Paphos auseinandersetzt, großen Gewinn. Man darf dem Verfasser dafür dankbar sein.

Published Online: 2018-09-09
Published in Print: 2018-09-03

© 2018 Walter de Gruyter GmbH, Berlin/Boston

Downloaded on 10.6.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/klio-2018-0110/html
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