Zusammenfassung
Die Untersuchung dokumentiert, dass die Gründung der Zeitschrift auf die Initiative des Verlegers Hermann Niemeyer zurückging. Sie war das Ergebnis von Verhandlungen, die Niemeyer vor allem mit Paul Kluckhohn und Erich Rothacker führte, von denen der Erstere eine literaturgeschichtliche, der Letztere eine eher wissenschaftsphilosophische Ausrichtung der geistesgeschichtlichen Zeitschrift anstrebte. Der Beitrag schließt mit einem Überblick über die epistemische Situation der Literaturwissenschaft zwischen 1890 und 1920, der zeigt, dass die geistesgeschichtliche Bewegung aus einer weltanschaulichen Reaktion auf die ›Kulturkrise‹ hervorging und in verschiedenartigen Konzeptionen Eingang in die Literaturwissenschaft fand.
Abstract
The study documents that the founding of the journal was the initiative of the publisher Hermann Niemeyer. It was the result of negotiations Niemeyer conducted mainly with Paul Kluckhohn and Erich Rothacker; the former sought for a literary-historical, the latter for a more scientific-philosophical orientation for the journal. The article concludes with an overview on the epistemic situation of literary studies between 1890 and 1920 which shows that the geistesgeschichtliche Bewegung emerged from an ideological reaction to the Kulturkrise and found its way into the discipline of literary studies in various conceptions.
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Die Gründung der Deutschen Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte wird meist ex post als Zeichen und Medium der erfolgreichen Durchsetzung des ›neuen‹ Paradigmas der geistesgeschichtlichen Literaturwissenschaft betrachtet.Footnote 1 Diese Betrachtungsweise ist nicht unanfechtbar.Footnote 2 Doch nicht allein deshalb mag es sinnvoll sein, den Rekonstruktionsrahmen im Blick auf die Zeitschriftengründung einmal zu wechseln.
Im folgenden Beitrag wird die Deutsche Vierteljahrsschrift ex ante untersucht, nicht ihre Geschichte also, sondern ihre Gründungsgeschichte. Im ersten, detailliert empirischen, Teil wird gezeigt, dass es bei der Gründung der Deutschen Vierteljahrsschrift nicht allein um die Etablierung einer neuen Fachzeitschrift ging, sondern um die Durchsetzung konfligierender Ideen, Projekte und Ambitionen ihrer Herausgeber, die beim VerlegerFootnote 3 für zwei verschiedene Projekte warben, ein literaturwissenschaftliches und ein philosophisch-historisches beziehungsweise wissenschaftstheoretisches Periodikum. Der kürzere zweite, eher systematische Teil sucht eher holzschnittartig die epistemische SituationFootnote 4 der Literaturwissenschaft zum Zeitpunkt der Zeitschriftengründung zu charakterisieren. Der Beitrag dient zugleich einer zumindest wissenschaftshistorischen Klärung des Begriffs der literaturwissenschaftlichen Geistesgeschichte; ferner mag er dazu beitragen, eine Auffassung von Wissenschaftsgeschichte der Geisteswissenschaften zu zerstreuen, die deren Geschichte als eine Abfolge disruptiver Forschungsprogramme oder »Paradigmen« (re)konstruiert.Footnote 5
I.
zur gründungsgeschichte der zeitschrift
der erste gründungsversuch 1914
Die Gründung der Deutschen Vierteljahrsschrift geht nicht auf (Literatur)Wissenschaftler, sondern auf einen Verleger zurück,Footnote 6 auf Hermann Niemeyer (1883–1964), den Sohn des 1911 verstorbenen Verlagsgründers Max Niemeyer.Footnote 7 Über die Motive, die Hermann Niemeyer bewogen, eine literaturwissenschaftliche Zeitschrift zu gründen, ist nichts bekannt; er mag neben dem 1894 gegründeten EuphorionFootnote 8 gute Absatzmöglichkeiten für eine den neueren Tendenzen der Literaturwissenschaft aufgeschlossene literaturgeschichtliche Zeitschrift gesehen haben. Die Neuere Literatur hatte sich um die Wende zum 20. Jahrhundert gegenüber der älteren deutschen Philologie endgültig als zumindest gleichgewichtiger eigener Fachanteil emanzipiert; die Studentenzahlen im Fach stiegen rasant, und fast ebenso schnell stieg die Zahl der Ordinariate und Extraordinariate.Footnote 9 Abonnent:innen wissenschaftlicher Zeitschriften waren bis weit ins 20. Jahrhundert auch sehr viele Gymnasiallehrer:innen, die sich als Wissenschaftler:innen verstanden und der rasch expandierenden Forschung auf literaturgeschichtlichem Gebiet zu folgen suchten.
Welche wissenschaftliche Orientierung Hermann Niemeyer der Zeitschrift 1914 zu geben beabsichtigte, ist ebenfalls unbekannt. Die Wahl Oskar Walzels zum Herausgeber der Zeitschrift lässt vermuten, dass er sich für einen weithin anerkannten modernen Repräsentanten der Literaturwissenschaft entschieden hatte, der zugleich jedoch eine ungebrochene Beziehung zur Tradition des Fachs in Österreich und Deutschland besaß. Niemeyer schloss einen HerausgeberkontraktFootnote 10 mit Walzel, und dieser machte sich an die Arbeit, indem er einen – zunächst streng vertraulichen – Prospekt über die Ausrichtung der Zeitschrift verfasste und an ausgewählte Kollegen versandte. Exemplare des Programms sind in den Nachlässen Julius PetersensFootnote 11 und Fritz StrichsFootnote 12 erhalten.
Neben dem Programm Walzels liegt auch das – von Erich Rothacker und Paul Kluckhohn seit 1922 vorbereitete – Programm der Deutschen Vierteljahrsschrift gedruckt vor.Footnote 13 Beide Programme versprachen, die Zeitschrift werde ein Sammelpunkt neuer Bestrebungen in der Literaturwissenschaft sein. Das Programm der Deutschen Vierteljahrsschrift war indes insgesamt offener und weltläufiger formuliert als das Walzels, das stärker auf fachinterne Gegebenheiten einging. Das Programm der Deutschen Vierteljahrsschrift unterschied sich vom Walzel’schen vor allem in der fächerübergreifenden Orientierung, die sich nicht allein im Herausgeberkreis spiegelt: Paul Kluckhohn hatte eine weite kulturgeschichtliche Orientierung und Erich Rothacker schwebte in seinen wissenschaftshistorischen und -theoretischen Arbeiten ein integratives Konzept der Geisteswissenschaften vor. Beide Zeitschriften sollten bei starker Akzentuierung des ›Neuen‹ grundsätzlich pluralistisch orientiert sein, dabei war die Deutsche Vierteljahrsschrift expliziter in der Aufzählung der unterstützten neuen Forschungsrichtungen.
Eingeweiht in oder sogar beteiligt an Walzels fortgeschrittenen Planungen für die Zeitschrift war der gerade von Halle nach Erlangen gewechselte Germanist Franz Saran;Footnote 14 zur Mitarbeit war u. a. Rudolf Unger aufgefordert worden.Footnote 15 Der Beginn des Weltkriegs machte dem Versuch, eine neue literaturwissenschaftliche Zeitschrift zu begründen, ein Ende. Niemeyer teilte Walzel am 3. August 1914 optimistisch mit, er hoffe, »bald wieder zurückzukehren und mit Freude das Handwerk wieder aufnehmen zu können«.Footnote 16
gründungsinitiativen und -stationen der DEUTSCHEN VIERTELJAHRSSCHRIFT
Anfang 1919 erkundigte sich Niemeyer bei Walzel, ob dieser, wie gerüchteweise kolportiert werde, die Lust an der Herausgabe der geplanten Zeitschrift verloren habe; er, Niemeyer, fühle sich durch den Kontrakt zwar nach wie vor gebunden, könne die Zeitschrift unter den obwaltenden unsicheren Umständen aber vorerst nicht realisieren.Footnote 17 Vermutlich vom Beginn des Jahres 1922 stammt ein undatierter Brief Niemeyers an Paul Kluckhohn, in dem der Verleger seine langfristigen Überlegungen darlegte:
Unmittelbar aus diesen Plänen erwächst für mich auch immer wieder der Plan der Literaturzeitschrift. Am liebsten möchte ich gerade aufs Ziel losgehen und Sie bitten, die Redaktion mit zu übernehmen. Ich würde für den Literaturteil als Mitherausgeber gerne die schon oben genannten Namen haben. Also Professor Unger, Janentzky, dann noch Zinkernagel, Wechssler, Vossler und Professor Saran. Nehmen wir die Geisteswissenschaft hinzu, so möchte ich Stern, von dem der Gedanke an eine geisteswissenschaftliche Zeitschrift ausging, dann Rotacker [sic] und Prof. Spranger dabei haben.Footnote 18
Niemeyer sprach in seinem Brief von zwei Projekten, einer Literaturzeitschrift, die Kluckhohn redigieren sollte, und einer »die Geisteswissenschaften« insgesamt umfassenden, für die er lediglich potenzielle Herausgeber nannte. Einer von diesen, vermutlich der Initiator des letzteren Plans, war Erich Stern, ein in den 1920er Jahren für seine umfassenden Arbeiten auf den Grenzgebieten von Naturwissenschaft, Medizin, Psychologie, Pädagogik und Philosophie bekannter und vielzitierter Autor, der nach seiner Vertreibung durch die Nationalsozialisten in Vergessenheit geriet.Footnote 19 Stern hatte am 3. Dezember 1921 an Rothacker geschrieben:
Ich hab in letzter Zeit ganz in Richtung Dilthey–Spranger–Litt gearbeitet und hoffe noch in der ersten Hälfte 22 mit meinem Buch herauszukommen. Gestern war ich in Berlin bei Spranger und habe mit ihm u. a. auch besprochen, eine neue Zeitschrift herauszubringen; ein Verleger steht auch schon in Aussicht. Da wir auch auf Geisteswissenschaften Wert legen, so habe ich, da ich mich hierfür nicht in jedem Falle für kompetent halte, auf Sprangers Frage, Sie für die Bearbeitung dieses Gebietes vorgeschlagen unter der Voraussetzung, daß Sie bereit sind. Ich bitte Sie alle Mitteilungen einstweilen streng vertraulich zu betrachten, und ich kann Sicheres erst sagen, wenn das ganze Kollegium zusammen ist. Würden Sie zur Mitherausgabe und Übernahme des betreff. Teils der Redaktionsgeschäfte bereit sein? Bitte geben Sie mir darüber baldigst Nachricht.Footnote 20
Stern war Niemeyer als Autor der in seinem Verlag erschienenen Einführung in die PädagogikFootnote 21 bekannt; Stern war es, der Niemeyer auf Rothacker aufmerksam gemacht hatte. Doch wie kam Niemeyer auf den in der Fachwelt noch kaum bekannten Kluckhohn? Wahrscheinlich durch dessen Buchprojekt Die Auffassung der Liebe in der Literatur des 18. Jahrhunderts und in der deutschen Romantik (1922), das als Manuskript seit 1919 bei Niemeyer vorlag, aus Kostengründen aber zunächst nicht gedruckt werden konnte.Footnote 22 Vielleicht wusste er aber auch, dass Kluckhohn schon 1914, unabhängig von Niemeyer und Walzel, seinerseits eine literaturwissenschaftliche Zeitschrift geplant hatte. Über diesen Plan ist freilich nicht mehr bekannt, als was Kluckhohn in einem Brief an Hermann Nohl im Oktober 1922 erwähnte: »Ob unser kurzer Briefwechsel von 1914 noch in Ihrer Erinnerung ist, weiss ich nicht. Das literarische Unternehmen, an dem mitzuwirken ich Sie damals bat, ist auch durch den Krieg vereitelt worden und heute wohl nicht mehr ausführbar. Jetzt ist es eine andere Gründung, für die ich Ihre Mitarbeit erbitten möchte.«Footnote 23
Im März 1922 erläuterte Niemeyer Kluckhohn den Stand seiner Überlegungen genauer. »Herr Privatdozent Stern in Gießen und Privatdozent Dr. Rothacker in Heidelberg sind vor einiger Zeit mit dem Plan an mich herangetreten, eine Zeitschrift für Kulturphilosophie oder Geisteswissenschaft im Allgemeinen zu begründen.« Über diesen Plan habe er »eingehend mit Herrn Professor Spranger und Geheimrat Troeltsch« gesprochen, und »als ich Herrn Professor Spranger andeutete, dass mir eigentlich auch mehr noch der lange gehegte Plan einer Literaturzeitschrift am Herzen liegt, kamen wir auf den Gedanken, die beiden Ideen in irgendeiner Form zu kombinieren, zumal wir der Ansicht waren, dass für eine Literaturzeitschrift ein weit grösseres Bedürfnis vorliegt.«Footnote 24 Da Niemeyer, wie er Kluckhohn vertraulich wissen ließ, nicht länger geneigt war, eine solche Zeitschrift mit Walzel zu machen,Footnote 25 fragte er Kluckhohn, ob ihm »eine Kombination des Stern-Rothacker’schen Plans mit einer Literaturzeitung möglich«Footnote 26 erscheine, und fügte hinzu: »Als Mitarbeiter für die Zeitschrift müssten wir wohl alle die heranziehen, welche im Diltheyschen Sinne weiterbauen« – mit dieser Formulierung signalisierte Niemeyer erstmals, welche programmatische Ausrichtung die Zeitschrift erhalten sollte.
Anfang Juni 1922 kamen Niemeyer und Kluckhohn in Münster zusammen, um näher über die geplante Zeitschrift zu beraten. Nach Unterredungen mit Stern, Rothacker, Spranger und TroeltschFootnote 27 noch im Juni betrachtete Niemeyer den Zeitschriftenplan »mit steigendem Optimismus«Footnote 28 und führte mit den Beteiligten weitere Gespräche. Rothacker erschien Niemeyer als »weitblickender, energischer und kluger Mann«, dem er »auch menschlich näher« kam. »Er hat entschieden wertvolle Beiträge in Aussicht, grosse Personalkenntnisse u. gute Beziehungen. Sein Programm erschien mir so reichhaltig, dass ich wieder Zeitschrift u. Beiträge = Serie als sich ergänzende Unternehmungen in Betracht zog.«Footnote 29 In einem weiteren vertraulichen Gespräch eröffnete Rothacker Niemeyer zu dessen »größtem Erstaunen«, dass es ihm »unmöglich erscheine«, »die Sache mit Stern zu machen«, da dieser »nur Pädagoge u. Psychologe u. dann Jude« sei, woran »sich viele wertvolle Mitarbeiter stossen« würden, »vor allem Burdach«.Footnote 30 Daraufhin eröffneten Niemeyer und Rothacker Stern, dass er an der Zeitschrift leider nicht beteiligt werden könne – und dieser, so Niemeyer, »fand sich damit ab«.Footnote 31 Rothacker erklärte Niemeyer bei dieser Gelegenheit ausdrücklich, »dass er sehr gern bereit sei, mit [Kluckhohn] zusammen die koncipierte Zeitschrift zu machen, wobei die Literatur in den Vordergrund gerückt werden könnte«. Aus den Beratungen zog Niemeyer das Fazit: »Gemäss Ihrem Vorschlag haben wir uns verabredet, am 15. Juli in Heidelberg alles Nähere mit Ihnen zu besprechen u. dann flott ans Werk zu gehen Der Weg scheint frei und ich gehe endlich mit Freude an die Sache.«Footnote 32
Bei dem Juli-Treffen in Heidelberg dürften dann die entscheidenden mündlichen VereinbarungenFootnote 33 zu den zwei geplanten Zeitschriftenprojekten getroffen worden sein. Unverzüglich realisiert werden sollte die literaturwissenschaftliche Zeitschrift, die spätere Deutsche Vierteljahrsschrift. Aber Rothacker gelang es, Niemeyer auch die Zustimmung zu der zweiten, stärker philosophisch ausgerichteten geisteswissenschaftlichen Zeitschrift abzugewinnen, deren Konturen vorerst freilich noch vage waren.Footnote 34
Für die literaturwissenschaftliche Zeitschrift ging Kluckhohn sofort ans Werk. Bereits am 2. August 1922 bat er Rudolf Unger, ihm »den von Ihnen freundlicherweise in Aussicht gestellten Beitrag«Footnote 35 schon für das erste Heft der Zeitschrift rasch zu übersenden und berichtete:
Inzwischen hat der Plan festere Gestalt gewonnen. Die Zeitschrift soll vom Januar 1923 ab vierteljährlich bei Niemeyer in Leipzig erscheinen, redigiert von Dr. Rothacker und mir. Als Mitherausgeber haben ihre Mitwirkung zugesagt Sie, Burdach, Brecht, Schücking, Troeltsch, Spranger, Oncken. Es stehen noch die Antworten aus von Strich, Naumann, Baeumker, Vossler, Dehio.Footnote 36
Obwohl Konzeption, Titel und Mitherausgeber noch nicht feststanden, wurden die Vorbereitungen für die Zeitschrift in rasantem Tempo vorangetrieben – immer wieder mahnte Niemeyer Kluckhohn und Rothacker zur Eile,Footnote 37 drängte sie, unverzüglich mit potenziellen Herausgebern und Beiträgern Kontakt aufzunehmen und legte auch selbst Hand an.Footnote 38 Niemeyer beobachtete den geisteswissenschaftlichen Zeitschriftenmarkt genau; er spürte, dass weitere Gründungen in der Luft lagen,Footnote 39 und befürchtete, andere Verleger könnten ihm zuvorkommen.
Solche Befürchtungen waren nicht unbegründet. Schon 1913 war mit der vom Leipziger Historiker Paul Herre herausgegebenen fachübergreifenden Zeitschrift Die GeisteswissenschaftenFootnote 40 eine professionell redigierte, sehr niveauvolle Zeitschrift erschienen, die Überblicksartikel über sämtliche Bereiche der Geisteswissenschaften publizierte und so dem zeitgenössischen »Schrei nach Zusammenschau«Footnote 41 (»Synthese«) entgegenkam.Footnote 42 Die Geisteswissenschaften stellten allerdings ihr Erscheinen aus unbekannten Gründen schon vor Beginn des Ersten Weltkriegs ein. Noch vor Niemeyers Beginn der Planungen zur Deutschen Vierteljahrsschrift waren in München die von Walter Strich – dem Bruder Fritz Strichs – herausgegebenen Dioskuren erschienen, eine höchst ambitionierte ZeitschriftFootnote 43 im engeren geistesphilosophischen Sinn, in der neben prominenten Wissenschaftlern auch etwa Thomas Mann zu Wort kam. Freilich war in den ersten drei Bänden, über die Die Dioskuren nicht hinausgelangten, weder eine konzeptionelle StrategieFootnote 44 der Redaktion noch eine Zielgruppe zu erkennen, für die die Zeitschrift gedacht war. Vermutlich war das der Grund dafür, dass Niemeyer schon im August 1922 gegenüber Kluckhohn zuversichtlich äußerte: »Ich glaube nicht an langen Bestand der Dioskuren.«Footnote 45 Größere Bedeutung maß Niemeyer zwei Projekten bei, die etwa gleichzeitig mit seinem eigenen in Angriff genommen, aber von ihm überholt wurden. Das erste war ein Projekt, das Hans Naumann und Franz Schultz in Frankfurt konzipiert zu haben scheinen, das zweite eines von Ernst Bertram und Friedrich von der Leyen. Von beiden Projekten sind nur briefliche ErwähnungenFootnote 46 bekannt, beide wurden nicht realisiert, sodass Rothacker Kluckhohn am 24. Oktober 1922 triumphierend mitteilen konnte: »Wir haben ja jetzt glücklich drei Zeitschriften umgebracht deren Skalps unseren Gürtel zieren.«Footnote 47
experiment eines verlegers mit zwei privatdozenten
Welches akademische Profil und welche wissenschaftlichen Pläne hatten die zwei Privatdozenten, die die Zeitschrift redigieren sollten? Der 1886 in Göttingen geborene Kluckhohn entstammte einer Professorenfamilie; auch er sollte und wollte Professor werden. Als er, 16-jährig, diesen Wunsch seinem Taufpaten Paul Heyse offenbarte, riet dieser, der Junge müsse sein »litteraturhistorisches Studium« an der Universität »vor allem auf der Grundlage strenger germanistischer Arbeiten beginnen, Grammatik und Sprachgeschichte treiben«, die verbleibende Zeit auf dem Gymnasium aber energisch dazu nutzen, »sich einen Überblick über die Literaturgeschichte« zu verschaffen, vor allem aber »die Werke selbst«Footnote 48 lesen. Kluckhohn beherzigte diesen Rat und entwickelte sich – ausweislich der von ihm selbst überlieferten RegisterFootnote 49 – zu einem furchterregenden Leser, Opern- und Theaterbesucher, der bereits mit 17 Jahren einen wohlformulierten, mit Fußnoten versehenen wissenschaftlichen Aufsatz über »Heimatkunst, die neue Literaturbewegung«Footnote 50 verfertigte. Nach Absolvierung des Gymnasiums in Göttingen studierte Kluckhohn an den Universitäten Heidelberg, München, Berlin und Göttingen; er wurde im Dezember 1909 aufgrund seiner von dem Historiker Karl Brandi und dem Germanisten Edward Schröder betreuten Dissertation über Die Ministerialität in Südostdeutschland vom zehnten bis zum Ende des dreizehnten JahrhundertsFootnote 51 promoviert. Nach einer Episode als Erzieher des Prinzen Friedrich von Sachsen-Meiningen leistete Kluckhohn seinen Militärdienst, den er als Offiziersaspirant beendete.Footnote 52 Im Dezember 1912 bewarb er sich in MünsterFootnote 53 um die Zulassung zur Habilitation, die am 7.11.1913 vollzogen wurde, nachdem er sich in seiner Probevorlesung »Der Minnesang als Standesdichtung« und seiner Antrittsrede über Kleists Penthesilea als »ein sehr gewandter Redner«Footnote 54 gezeigt hatte.
Um 1910 wurde nicht allein in Göttingen von promovierten Germanisten erwartet, dass sie über ausgebreitete Kenntnisse sowohl in der älteren und neueren deutschen Literaturgeschichte als auch in der Sprach- und Kulturgeschichte verfügten.Footnote 55 Kluckhohn veröffentlichte noch vor dem Ersten Weltkrieg auf all diesen Gebieten Forschungsbeiträge. Die erste Gruppe seiner Veröffentlichungen schloss an die Dissertation an und suchte zu klären, welche Rolle die Ministerialität für die höfische Kultur im Allgemeinen und den Minnesang im Besonderen spielte: Diese Arbeiten nehmen einen festen Platz in der Forschungsgeschichte ein.Footnote 56 Die zweite Gruppe behandelte verschiedene Probleme aus der neueren Literaturgeschichte. Für die »Tempel Klassiker«-Ausgaben edierte Kluckhohn die historischen Schriften SchillersFootnote 57 und untersuchte deren Textgenese; weiter publizierte er seine Antrittsvorlesung über Kleists PenthesileaFootnote 58 und einen Aufsatz über den »Französischen Einfluß in Friedrich Schlegels ›Lucinde‹«.Footnote 59
In seiner Arbeit an der Habilitationsschrift, deren Titel in der Münsteraner Habilitationsakte nicht genannt ist,Footnote 60 wurde Kluckhohn durch die 1913/14 aufgenommene Lehrtätigkeit, durch eine im Krieg erlittene sehr schwere Verwundung und die wirtschaftlichen Schwierigkeiten in der Nachkriegszeit immer wieder unterbrochen.Footnote 61 Am 13. August 1919 wurde ihm – ohne Änderung der Dienststellung eines Privatdozenten – »der Titel Professor beigelegt«;Footnote 62 im Sommersemester 1920 war er mit einer Lehrstuhlvertretung in Greifswald betraut.Footnote 63
Kluckhohns Dissertation war, nach seinen eigenen Worten, »aus kulturhistorischen Interessen erwachsen.«Footnote 64 In seinem – aus der ursprünglichen Habilitationsschrift hervorgegangenen – Buch Die Auffassung der Liebe in der Literatur des 18. Jahrhunderts und in der deutschen Romantik (1922) bezeichnete er es als »Aufgabe der historischen Forschung«, das »Bedingtsein der Ideen in persönlichem Erlebnis« herauszuarbeiten und das »Verflochtensein des Einzellebens und Einzeldenkens in die allgemeine seelische und geistige Struktur der Zeit und deren philosophische Einstellung«Footnote 65 darzustellen. Beide Aufgaben seien durch eine quellengestützte historische Untersuchung zu lösen. Ein programmatischer Anschluss an die »geistesgeschichtliche Literaturwissenschaft« findet sich in Kluckhohns Arbeit nicht.Footnote 66 Dass nicht allein Rudolf Unger,Footnote 67 sondern – retrospektiv – auch Kluckhohn selbstFootnote 68 seine Arbeit für die »Geistesgeschichte« reklamierte, hatte vor allem weltanschauliche Gründe.Footnote 69 In der Orientierungskrise nach dem Ersten Weltkrieg suchte auch Kluckhohn »nach dem Weg, der deutschem Wesen, deutscher Kultur entspricht«.Footnote 70 In seinem Aufsatz über »Wege und Ziele deutscher Kultur«Footnote 71 (1920) fand er diesen Weg im Ideengut der deutschen Romantik vorgezeichnet, das für ihn – grob verkürzt – zugleich Gegenstand historischer Forschung war wie auch Inspirationsquelle für ein zukunftgerichtetes Programm zur Verwirklichung deutschen Wesens.Footnote 72
Erich RothackerFootnote 73 stammte aus einem reichen Elternhaus in Pforzheim. In Kiel, Straßburg, München, Tübingen studierte er seit dem Wintersemester 1907/08 Philosophie, Geschichte und Medizin und führte so seine philosophischen, natur- und kulturwissenschaftlichen Interessen zusammen. 1911 wurde er von dem Neukantianer Heinrich Maier mit einer Dissertation Über die Möglichkeit und den Ertrag einer genetischen Geschichtsschreibung im Sinne Karl Lamprechts promoviert.Footnote 74 Nach einem in Berlin fortgesetzten Studium und dem Kriegsdienst in der Etappe habilitierte er sich 1920 bei Heinrich Maier in Heidelberg mit seiner Einleitung in die Geisteswissenschaften, die – trotz ihres an Dilthey gemahnenden Titels – zunächst kaum rezipiert wurde.Footnote 75 Rothacker blieb denn auch bis zu seiner Berufung nach Bonn (1928) als Privatdozent in Heidelberg.
Das Studium in Berlin hatte Rothacker 1913 wieder aufgenommen, um seine an Dilthey anknüpfenden Forschungen zur Geschichte und Systematik der Geisteswissenschaften im Kreis der Berliner Dilthey-Schüler weiterzuführen. Ein förderlicher Arbeitskontakt zu ihnen kam jedoch nicht zustande, und so hielt Rothacker sich an den bekannten Literarhistoriker Richard M. Meyer:
R. M. Meyer habe ich nicht gehört, wohl aber des öfteren besuchen dürfen. Er hatte damals eine Reihe methodologischer Arbeiten geschrieben, welche den ›Moden‹ in der Entwicklung der modernen und antiken Sprach- und Literaturwissenschaften, auch der Religionswissenschaft nachgingen. Sie öffneten mir lehrreich den Blick für den Parallelismus und die Gleichzeitigkeit solcher Wandlungen. Das war eine Sicht, die sich noch in meiner ›Logik und Systematik‹ auswirkte.Footnote 76
Der Kontakt zu Meyer könnte für Rothacker auch in begriffsgeschichtlicher Hinsicht nützlich gewesen sein, denn Meyer beschäftigte sich seit der Wende zum 20. Jahrhundert intensiv mit der Funktion und Bedeutung von Begriffen in historischen und systematischen Kontexten.Footnote 77 Den »ganz entscheidenden Gewinn« der Berliner Zeit brachte Rothacker aber ein anderer Kreis:
Durch die Vermittlung einer Münchner Bekannten lernte ich dort die beiden Erich-Schmidt-Schüler Sigbert Elkuss und Hugo Bieber kennen, die wieder mit der Gräfin Sigrid von der Schulenburg befreundet waren. […] Elkuss und Bieber waren bedeutende junge Gelehrte, beide von universalem, weit über ihr Fach hinausreichendem Horizont. Beide äußerlich vom Unglück verfolgt. An ihnen wurde mir für meine ganze weitere Entwicklung klar, was mir noch fehlte. Obwohl ich sie, genau besehen, nur einige wenige Male je ein paar Stunden sah, haben sie mir doch einen neuen Niveauanspruch vermittelt, zu neuen Maßstäben der Gelehrsamkeit verholfen.Footnote 78
Es ist nicht ohne Ironie, dass ausgerechnet der Antisemit Rothacker das Gedächtnis zweier jüdischen Literaturwissenschaftler und einer Gelehrten bewahrte,Footnote 79 die in der Fachgeschichte vergessen sind, obwohl Elkuss einen grundlegenden Beitrag zur Romantikforschung beigesteuertFootnote 80 und Bieber »das vielleicht beste Buch über die deutsche Literatur des 19. Jahrhunderts geschrieben« hat.Footnote 81 Elkuss starb 1916, Bieber wurde 1933 ins Exil getrieben. Die Arbeiten der 1920 bei Franz Schultz und Edmund Husserl promovierten Gräfin Schulenburg sind ebenfalls vergessen.Footnote 82
Rothackers »Erinnerungen« dokumentieren, dass sein an Dilthey anknüpfendes Interesse an den Geisteswissenschaften von vornherein ein die einzelnen Fächer übergreifendes war, das historische und systematische Aspekte verbinden sollte. Mit Dilthey war Rothackers wissenschaftshistorisches ProgrammFootnote 83 auch in der Auffassung verknüpft, dass es gelte, die Geschichte und Philosophie der Geisteswissenschaften aus deren Praxis in Interpretation und Geschichtsschreibung zu rekonstruieren, nicht aber lediglich aus deren eigener Theorie oder Programmatik. Zum Zeitpunkt der Zeitschriftenplanung war Rothacker, um es knapp zusammenzufassen, ein an allen theoretischen und methodologischen Problemen der Philosophie, Künste und WissenschaftenFootnote 84 vielseitig interessierter, höchst ambitionierter versatiler Geist, der zum einen noch mit Folgearbeiten seines wissenschaftshistorischen Programms beschäftigt warFootnote 85, zum anderen mit dem Plan, seiner wissenschaftshistorischen »Einleitung« eine wissenschaftstheoretische »Logik und Systematik der Geisteswissenschaften«Footnote 86 folgen zu lassen.
Als potenzieller (Mit‑)Redakteur der geplanten Zeitschrift hatte Rothacker sich bei Hermann Niemeyer vor allem empfohlen, weil er aus Straßburg, Berlin und Heidelberg über »grosse Personalkenntnisse u. gute Beziehungen« verfügte und »wertvolle Beiträge in Aussicht«Footnote 87 gestellt hatte. Worum es dabei ging, berichtete Rothacker Ernst Troeltsch nicht ohne Stolz. Zum einen sei es ihm gelungen, »Professor Burdach für das Unternehmen zu gewinnen und ihm einen Beitrag zu entlocken«, zum anderen habe er »bei einem mehrtägigen Aufenthalt in Klein-Oels die Korrespondenz Diltheys mit dem Grafen Paul Yorck von Wartenburg erobert« und außerdem habe er noch »Aussicht auf die Korrespondenz Diltheys mit Scherer und Usener.« Das aber seien nur seine »Paradepferde«.Footnote 88
Keines dieser ›Pferde‹ stammte aus Rothackers Stall. Die genannten Verbindungen und in Aussicht gestellten Beiträge verdankte er ausnahmslos Sigrid von der Schulenburg, mit der er aus der VorkriegszeitFootnote 89 in Berlin befreundet war und, wie aus der Korrespondenz der Jahre 1917 bis 1924 hervorgeht, auch zusammenarbeitete. Die Gräfin stellte den Kontakt von Rothacker zu Burdach her,Footnote 90 sie vermittelte die Edition von Burdachs »Kleinen Schriften« für die Buchreihe der Deutschen Vierteljahrsschrift,Footnote 91 sie transkribierte und edierte mit Rothackers Unterstützung die Briefe Diltheys an den Grafen Yorck von Wartenburg,Footnote 92 die 1923 in der von Rothacker mitherausgegebenen Schriftenreihe der Deutschen Vierteljahrsschrift publiziert wurden,Footnote 93 und ihr Plan war es, die Briefe Diltheys an Usener und Scherer zu edieren.Footnote 94 Diese Details wären nicht erwähnenswert, wenn nicht vor allem die von der Gräfin hergestellte Verbindung Burdachs zu Rothacker – und damit auch zu Niemeyer und Kluckhohn – die geistesgeschichtliche Orientierung der Zeitschrift in deren Anfangsjahren prägend beeinflusst hätte.
Bereits im Juni 1922 hatte Hermann Niemeyer Rothacker aufgefordert, die Gelegenheit eines persönlichen Gesprächs zu nutzen, um sich Burdachs Mitarbeit an der Zeitschrift zu versichern.Footnote 95 Am 18. Juli konnte Rothacker Burdach eröffnen: »Ich habe soeben mit den Herren Kluckhohn und Niemeyer die entscheidende Aussprache über unsere Zeitschrift gehabt und bitte Sie nun ganz offiziell um Herausgeberschaft und Mitarbeit an dem literarhistorischen Unternehmen.«Footnote 96 Zugleich bot er im Namen Niemeyers Burdach an, dessen »Kleine Schriften« in den projektierten »Beiheften« der Zeitschrift erscheinen zu lassen; Rothacker ließ Kluckhohn wissen, dass Burdach für die neue Zeitschrift »kaum entbehrlich wäre«.Footnote 97 Am 15.8.1922 akzeptierte Burdach das Angebot.Footnote 98 Daraus entwickelte sich eine bis in die Mitte der 1920er Jahre dauernde enge und überaus arbeitsintensive Verbindung zwischen dem Niemeyer-Verlag und Burdach.Footnote 99
Burdach bot der geplanten Zeitschrift großzügig seinen Aufsatz »Faust und die Sorge« an, den Rothacker freudig mit der Bemerkung akzeptierte: »Mit ›Faust und die Sorge‹ wollen wir das 1. Heft und damit die ganze Zeitschrift einleiten«Footnote 100 – das Einverständnis Kluckhohns mit dieser Entscheidung setzte er in einem Brief an diesen voraus.Footnote 101 Wie aus Rothackers Briefen hervorgeht – die Gegenbriefe sind nur in spärlichen Resten erhalten –, war Kluckhohn mit dieser Entscheidung durchaus nicht einverstanden, er befürchtete, dass Burdachs Aufsatz an der Spitze der neuen Zeitschrift eine programmatische Signalwirkung haben könnte. Kluckhohns Opposition richtete sich nicht etwa gegen Burdach oder gar dessen Beitrag,Footnote 102 sondern dagegen, dass ausgerechnet der bekannteste Repräsentant der Ideen Wilhelm Scherers, des Schulhaupts des literaturwissenschaftlichen Positivismus, das erste Heft der Deutschen Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte mit einem Aufsatz eröffnen sollte, der nicht allein ein glänzender Forschungsbeitrag zur Faust-Philologie war, sondern zugleich die ostentative Demonstration einer ideengeschichtlich aufgeklärten empirischen Konzeption der Philologie des 19. Jahrhunderts. Kluckhohn plädierte aus diesem Grund dafür, die Zeitschrift mit einem AufsatzFootnote 103 aus der Feder eines erklärten Antipositivisten wie Rudolf Unger zu eröffnen. Rothacker jedoch insistierte auf seiner Entscheidung; er suchte ihr lediglich ein wenig vom programmatischen Gewicht zu nehmen, indem er Kluckhohn vorschlug, Burdach »in dem Hefte so zu sagen das Ehrenpräsidium zu lassen und dann mit Unger den regulären Betrieb zu beginnen«.Footnote 104 Da indes auch Niemeyer Rothackers Vorschlag akzeptierte,Footnote 105 blieb es bei der Spitzenstellung des Aufsatzes. Dass Burdach in der Deutschen Vierteljahrsschrift später nicht häufiger zu Wort kam, lag eher an der zu rascher Verstocktheit neigenden Empfindlichkeit des temperamentvollen GelehrtenFootnote 106 als an mangelnden Angeboten von Seiten Rothackers und Kluckhohns.Footnote 107
Rothacker, der im Hinblick auf die Literaturwissenschaft eher der in Berlin gepflegten empirisch fundierten Ideengeschichte zuneigte als der idealistischen Geistesgeschichte Münchner PrägungFootnote 108, hielt Burdach überhaupt für den kompetentesten germanistischen Wissenschafts- und Literarhistoriker seiner Zeit, mit dem ihn ein breiter Grundkonsens in allen historischen und aktuellen Fragen der Literatur- und Wissenschaftsgeschichte verband. Beide hielten nicht viel von metaphysischen Geisteshistorikern wie etwa Herbert Cysarz,Footnote 109 beide lehnten den Geschichtssubjektivismus des – von Burdach als »Georginen-Bund«Footnote 110 oder »Georgiasten«Footnote 111 bezeichneten – George-Kreises ab.Footnote 112 Aber Rothacker besaß daneben auch idiosynkratische Vorlieben, von denen er sich nicht abbringen ließ: Er bewunderte die Fähigkeiten seines Heidelberger Kollegen Friedrich Gundolf,Footnote 113 er schätzte die erwähnten Literaturwissenschaftler Siegbert Elkuss und Hugo Bieber,Footnote 114 deren Arbeiten er dem harthörig bleibenden Kluckhohn vergeblich für die Zeitschrift empfahl, und er setzte sich bei Kluckhohn bekanntlich ebenso nachhaltig wie vergeblich für die Aufnahme von Beiträgen Martin HeideggersFootnote 115 und Walter BenjaminsFootnote 116 in die Zeitschrift ein.
»... lassen sie mich explodieren...«
Im Grundsätzlichen lagen Rothackers und Kluckhohns weltanschauliche und wissenschaftliche Auffassungen einander recht naheFootnote 117 – desto weiter entfernt lagen jedoch die Vorstellungen, die sie von ihrer Tätigkeit für die geplante Zeitschrift hatten. Kluckhohns Ziel war es, die neue literaturwissenschaftliche Zeitschrift aufgeschlossen, seriös und professionell zu gestalten. Rothacker war bereit, bei dieser Aufgabe mitzuwirken, recht eigentlich aber sah er sich als spiritus rector und Herausgeber einer parallel zur Zeitschrift erscheinenden Reihe »Philosophie und Geisteswissenschaften«, mit der er kein geringeres Ziel verfolgte, als »die rollende Kugel der gegenwärtigen Philosophie um ein Wesentliches aus ihrer jetzigen in eine gesündere Bahn zu lenken«.Footnote 118 Seine Versuche, diesen ehrgeizigen Plan zu verwirklichen, blieben zunächst jedoch schon deshalb erfolglos, weil er keinen Redakteur für seine Reihe »Philosophie und Geisteswissenschaften« fand.Footnote 119 Kluckhohn hingegen nahm die Planung der ersten Hefte der Deutschen Vierteljahrsschrift zügig in Angriff und war Rothacker bei der Einwerbung von Beiträgen und der Konzeption der Hefte meist voraus.Footnote 120 Zugleich musste Rothacker feststellen, dass er für seine eigenen Autoren-Vorschläge – unter anderen die erwähnten Elkuss, Bieber, Schulenburg – keine Gegenliebe bei Kluckhohn fand, und schließlich blieb auch seine Kritik an einigen von Kluckhohn eingeworbenen Beiträgen unberücksichtigt. Obwohl die beiden Redakteure schon mit den – neben ihren akademischen Verpflichtungen betriebenen – Vorbereitungen der Deutschen Vierteljahrsschrift überlastet waren, hielt Rothacker zäh am Plan einer eigenen Zeitschrift oder zumindest einer parallel zu ihr erscheinenden Reihe »Philosophie und Geisteswissenschaften« fest und unterbreitete Hermann Niemeyer am 7. Dezember 1922 ein ProgrammFootnote 121 – samt einem Realisierungsvorschlag für das folgende Jahr. Dass dieses – nicht verwirklichte – Programm partiell durchaus mit konkreten Vorhaben unterfüttert war, geht aus einem 14 Seiten langen, unvollständig überlieferten MemorandumFootnote 122 hervor, mit dem Rothacker schon im Juli 1922 um Eduard Spranger als Mitherausgeber der Reihe geworben hatte.
Gegen Rothackers Planungen für dieses zweite Periodikum hatte Kluckhohn schon zuvor mehrfach Bedenken angemeldet, weil er befürchtete, dass die beiden Zeitschriften einander ins Gehege kommen und schlimmstenfalls sogar Konkurrenz machen könnten. Rothacker wies dieses Argument ebenso wie alle übrigen Einwände Kluckhohns zurück:
Ich habe mir nun Ihre Bedenken gegen »Philosophie und Geisteswissenschaften« sehr ernstlich durch den Kopf gehen lassen, vermag sie aber nicht zu teilen. Zunächst war doch mein geisteswissenschaftliches Projekt mein erstes und dauernd in umfangreichen Korrespondenzen und Entwürfen gepflegtes, ohne dass ich die Gründung der Vierteljahrsschrift je als bedenklich für dasselbe empfunden hätte. Und Konkurrenz beruht doch auf Gegenseitigkeit. Inzwischen habe ich aber die Sache unserer Zeitschrift doch zu meiner eigenen gemacht, dass ich mir ja selbst ins Fleisch schnitte, wenn ich sie irgendwie benachteiligen wollte. […] Ph. und Gw. werden eine rein philosophische Zeitschrift und zwar genau die, die ich seit Jahresfrist im besten Einvernehmen mit Ihnen organisiere, denn wenn ich unsere Korrespondenz zurückblättere, so haben sie mich mehrfach aufs freundlichste zu einer neuerreichten Etappe beglückwünscht. Meine Pläne haben sich gar nicht geändert, sondern aus rein praktischen Erwägungen heraus nur endlich eine adäquate Form gefunden.Footnote 123
Hermann Niemeyer aber geriet durch Rothackers Realisierungsvorschlag für die zweite Zeitschrift in beträchtliche Schwierigkeiten, zumal er, so gestand er Kluckhohn am 22.12.1922, »Rothacker nach langem hin und herschwanken [!] gestern geschrieben habe, dass ich die Sache machen könnte«.Footnote 124 Niemeyer ließ jedoch keinen Zweifel daran, dass er – schon aus ökonomischen Erwägungen – in dem Konflikt über die Gründung einer zweiten Zeitschrift auf Kluckhohns Seite standFootnote 125; er gab seiner Hoffnung Ausdruck, dass die Kontroverse sich irgendwie beilegen lassen würde – das solle bei einem Gespräch mit Kluckhohn und Rothacker im Januar 1923 erfolgen.Footnote 126 Schon vor diesem Gespräch hatte Rothacker aber, der sich um die Realisierung seines eigentlichen Plans betrogen und in seiner Ehre gekränkt sah, seiner Frustration in dem im Anhang abgedruckten ›Verstimmungs‹-BriefFootnote 127 an Kluckhohn Luft gemacht. Bei ihm handelt es sich um einen strategischen Brief, dessen wohlkalkulierter Temperamentsausbruch – »lassen Sie mich explodieren« – die Verletztheit des Verfassers ebenso dokumentieren sollte wie dessen Entschiedenheit als potenzieller Gegner. Zugleich und nicht minder deutlich lässt der Brief die Absicht des Verfassers erkennen, es nicht zum Abbruch der geplanten redaktionellen Zusammenarbeit an der Deutschen Vierteljahrsschrift kommen zu lassen: Rothackers detaillierte Einlassungen »zur Sache« zeigten, dass er nicht allein als gekränkter Kampfhahn, sondern auch als verantwortungsbewusster Mitarbeiter erscheinen wollte – und sein Schlussseufzer läßt alles zuvor Geschriebene in milderem Licht erscheinen: »Gott sei Dank habe ich mir jetzt einiges vom Herzen geredet, leben Sie wohl.« Mit diesem Brief schien Rothackers Bedürfnis nach Identitätswahrung Genüge getan. Dass Niemeyer kurz darauf die konkrete Planung der Zeitschrift oder Reihe »Philosophie und Geisteswissenschaft« ad calendas graecas verschobFootnote 128 und schließlich einstellte, irritierte Rothacker nicht mehr; immerhin wurde er der alleinige Herausgeber der Beihefte zur Deutschen Vierteljahrsschrift. In der Folgezeit gab es zwar immer wieder heftige Kontroversen, die sich meist an der mangelnden Unterstützung Kluckhohns durch Rothacker entzündeten, aber keine die Zusammenarbeit grundsätzlich infrage stellenden Zerwürfnisse; mit der Zeit entwickelte sich eine professionelle produktive Zusammenarbeit der beiden Redakteure, die bis zum Abschied aus der Redaktion 1956 Bestand hatte.Footnote 129 Kluckhohn identifizierte sich mit dem informellen Amt des geschäftsführenden Redakteurs einer an Bedeutung rasch wachsenden Zeitschrift: Er trug, wie auch Niemeyer wusste,Footnote 130 bei Weitem die Hauptlast der Redaktionsarbeit. Was Rothacker bewog, an der Redaktion einer Zeitschrift mitzuarbeiten, die weder seine Interessen noch seinen Ehrgeiz befriedigen konnte, schilderte er Konrad Burdach in einem offenherzigen Brief:
Ich führe meine Redaktionsgeschäfte (ich gebe ja auch noch Sammlungen heraus!) z. Zt. mit recht gemischten Gefühlen. Gewiss eine gewisse Organisationsfreudigkeit scheint sich bei mir immer wieder ein Ventil zu suchen, meine Kollegen wählen mich ja auch mit Hartnäckigkeit immer wieder in Fakultät und Senat, auch macht mir meine wachsende Personalkenntnis, die Berührung mit vielerlei Wissenschaften Freude, das erweitert den Horizont. Aber wenn man sich mit diesen Geschäften schon in der ruhigen Arbeit stören lassen will, dann lob ich mir schon mehr das Glück Werner Richters.Footnote 131 Ich kann nicht sagen wie sehr ich ihn und seinen künftigen Nachfolger – wissen Sie etwas Genaues über die Kandidaten?? – manchmal im Stillen um dieses großartige Wirkungsfeld beneide. Und fluche oft dem unglücklichen Zufall, der mich in die Provinz verbannte, während Posten verteilt werden, in denen ich mich ausleben könnte.– Nun ich habe mich da zu Konfessionen hinreissen lassen, die Sie eigentlich nicht interessieren können.Footnote 132
Rothacker ging es in der Tat darum, sich wissenschaftsorganisatorisch und -politisch gehörig »auszuleben«.Footnote 133 Er hatte indes auch eine philosophische Agenda, die er auf diese Weise zur Geltung bringen wollte. Ihm ging es darum, seine in Anknüpfung an Dilthey konzipierte »Einleitung« und »Logik und Systematik der Geisteswissenschaften« historisch und systematisch fortzusetzen und auf eine neue Grundlage zu bringen mithilfe eines begriffsgeschichtlichen Wörterbuchs.Footnote 134 Dieses Projekt, dass seine Arbeiten aus den 1920er Jahren mit denen aus der Zeit nach 1945 verbindet, stand unter keinem geringeren Anspruch, als »die Einzelwissenschaften und Philosophie mittels der Begriffe in einem inneren und ›notwendigen‹ geisteswissenschaftlichen Zusammenhang zu erweisen.«
II.
anmerkungen zur epistemischen situation der literaturwissenschaft zum zeitpunkt der gründung der VIERTELJAHRSSCHRIFT
Als das erste Heft der Deutschen Vierteljahrsschrift 1923 erschien, hatte die unter dem Namen der Geistesgeschichte zusammengefasste Bewegung, etwa gleichzeitig mit dem literarischen Expressionismus, ihren Zenit überschritten. Als »Bewegung, die aus einer zunächst ziemlich unbestimmten Interessenrichtung und Fragestellung erwachsen ist«Footnote 135, charakterisierte Eduard Spranger die Geistesgeschichte im Rückblick. Die Kennzeichnung als »Bewegung« lenkt den Blick auf die vor- und mitunter auch antiwissenschaftlichen weltanschaulichen Triebkräfte der Geistesgeschichte, die in zahlreichen Manifesten der Zeit Ausdruck, aber auch in wissenschaftliche Arbeiten Eingang fanden. Zugleich macht Sprangers Bestimmung verständlich, weshalb die Geistesgeschichte als eine einheitliche Richtung aufgefasst werden konnte – auch in der Literaturwissenschaft, obwohl hier die »Geistesgeschichte« eher als Sammelname für eine Reihe kaum vereinbarer und miteinander konfligierender Ansätze und Strömungen fungierte.
Ihren Ursprung hatte die geistesgeschichtliche Bewegung bekanntlich in der als »Kulturkrise« vielbeschworenen Umbruchsituation von Gesellschaft, Bildung und Wissenschaft im letzten Drittel des 19. Jahrhunderts. In der Literaturwissenschaft formierte sie sich anfänglich als Opposition gegen die manifesten Degenerationserscheinungen der Philologien des ausgehenden 19. Jahrhunderts: mikrophilologische Fragestellungen, Anhäufung und Zersplitterung von heterogenen Wissensbeständen,Footnote 136 Analyse ohne Synthese, einzelwissenschaftliche Abschottung vor allem gegen die Philosophie, weltanschaulicher Orientierungsverlust usw. Prägnant zusammengestellt und in der Folgezeit lediglich dramatisiert fanden sich die Schwächen und Folgeerscheinungen des philologischen Positivismus bereits 1892 in der Habilitationsschrift »Kuno Fischer und die litterarhistorische Methode«Footnote 137 des Kuno-Fischer-Schülers Hugo Falkenheim. Die ›Befreiung aus den Fesseln des Positivismus‹ galt als die entscheidende Leistung der Geistesgeschichte, die – weit stärker als irgendeine ihrer späteren wissenschaftlichen Konzeptionen – bis weit in die gebildete Öffentlichkeit wirkte.Footnote 138 Die Opposition richtete sich aber weit stärker gegen den westeuropäischen Rationalismus, gegen Materialismus und Historismus als gegen die spezifische Theorie und Methodologie des philologischen PositivismusFootnote 139 – Erich Rothacker war der erste, der die »idealistisch-romantisch-historische« Grundeinstellung der positivistischen Wissenschaftskonzeption Wilhelm Scherers genauer rekonstruierte und damit einen angemessenen Beitrag zur Analyse des Positivismus in der deutschen Germanistik lieferte.Footnote 140
Als eine einheitliche Bewegung erschien die idealistische Opposition nur in ihrer Frontstellung gegen den Positivismus. Spätestens im Zuge der Herausbildung von Gegenentwürfen zur positivistischen Kunst- und Literaturwissenschaft zerfiel diese Einheit und spaltete sich auf in verschiedene Lager und Strömungen, die den Begriff von Kunst und Literatur sowie die Theorien zu ihrer Beschreibung und Interpretation auf sehr verschiedene Weise neu zu bestimmen suchten.
Die KunsterziehungsbewegungFootnote 141 etwa forderte, dass an die Stelle der auf die Genese und Wirkung des Kunstwerks gerichteten historischen Kunstwissenschaft bzw. der herkömmlichen Philologie eine stärker auf Intuition als auf wissenschaftliche Analyse gegründete Betrachtung der Kunstwerke selbst treten solle; die Bewegung, die sich auf Kunst‑, Musik- und Literaturwissenshaft erstreckte, richtete sich polemisch gegen die traditionelle »kunstgeschichtliche und kunsttheoretische Unterweisung«, welche »die ästhetische Kultur, statt sie zu fördern, tief geschädigt«Footnote 142 habe.
War die auf eine Reform der ästhetischen Erziehung gerichtete Kunsterziehungsbewegung gesellschafts- und bildungspolitisch motiviert, so resultierte die Forderung nach Konzeption und Institutionalisierung einer Allgemeinen KunstwissenschaftFootnote 143 aus einer Problemsituation der Wissenschaften selbst. Ziel der Allgemeinen Kunstwissenschaft war es, die in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entstandene tiefe Kluft zwischen der philosophischen Ästhetik und den mit der Kunst befassten Einzelwissenschaften, insbesondere der wissenschaftlichen Kunstgeschichte und Kunstpsychologie, zu schließen. Die neu zu schaffende Disziplin einer Allgemeinen Kunstwissenschaft sollte daher interdisziplinär all die theoretischen und empirischen Fragen umfassen, die weder von den etablierten kunstwissenschaftlichen Disziplinen noch von der psychologischen Ästhetik bearbeitet wurden. Die Forderung nach der Institutionalisierung der neuen Disziplin wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von der – auf Initiative des Dilthey-Schülers Max Dessoir gegründeten – Gesellschaft für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft und von der seit 1906 erscheinenden gleichnamigen Zeitschrift vorgetragen. Dessoir vertrat die Konzeption eines »ästhetischen Objektivismus« im Rahmen einer Kunstwissenschaft, die von den künstlerischen Gegebenheiten des ästhetischen Objekts ausgehen sollte. Im Hinblick auf die Literaturwissenschaft sprach sich Dessoir daher nachdrücklich gegen die werkgenetische Interpretation im Allgemeinen und den BiographismusFootnote 144 im Besonderen aus und forderte kategorisch, dass die ästhetische Analyse ausschließlich von »den gesetzmäßigen Eigenschaften der künstlerischen Objekte selbst«Footnote 145 ausgehen müsse.
Mit der Allgemeinen Kunstwissenschaft weist die phänomenologisch orientierte Literaturwissenschaft der Zeit zumindest in der Konzentration auf das Werk selbst einige Berührung auf,Footnote 146 obwohl sie, sich selbst »in der Mitte zwischen objektivistischer Ästhetik und der Psychologie des Subjekts«Footnote 147 positionierend, zu ihr vor allem methodologische Differenzen aufweist und als eigener philosophischer Zugang zum Kunstwerk betrachtet werden muss.
In den weiteren Kontext der Allgemeinen Kunstwissenschaft gehört schließlich auch der Aufsatz über »Wesen und Methoden der Literaturwissenschaft«,Footnote 148 den August Herrmann Kober für die literarische Sektion des Internationalen Kongresses für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft 1913 vorbereitet hatte und der in systematischer Hinsicht die – dann reichlich 30 Jahre später allmählich sich herausbildende – Konzeption der sogenannten Werkimmanenten Interpretation begründete.Footnote 149 Kober räumte der biographischen und der psychologischen Methode eine lediglich heuristische Funktion ein; als »die eigentliche Zentralaufgabe der Literaturwissenschaft, genauer, der literaturwissenschaftlichen Interpretation« bezeichnete er die Methode, das »künstlerische Denkmal völlig ohne Rücksicht auf seinen Entstehungsprozess [zu] untersuchen«.Footnote 150 Für die Literaturgeschichtsschreibung schwebte Kober die Konzeption einer »Geschichte der Dichtungen ohne die der Dichter«Footnote 151 vor, die sich auf formale und semantische Merkmale der einzelnen Werke beschränken sollte.
Wie unterschiedlich die von verschiedenen Seiten entwickelten Vorschläge zu einer Neubestimmung des literarischen Werks und der zu seiner Interpretation vorgeschlagenen neuen Methoden sein mochten – sie stimmten zumindest in der Forderung überein, das literarische Werk, seine formalen und semantischen Merkmale als das Zentrum der Literaturwissenschaft zu betrachten. Diese Forderung ließ sich nun aber kaum mit der Auffassung der Geistesgeschichte in Übereinstimmung bringen, die das literarische Werk eher als Symptom im Hinblick auf die religiösen, philosophischen oder existentiellen Ideen in den Blick nahm, die sich in ihm manifestierten.
Generell war die deutsche Literaturwissenschaft zu Beginn des 20. Jahrhunderts mit den Problemen überfordert, die sich aus den verschiedenen Perspektiven einer Neudimensionierung des literarischen KunstwerksFootnote 152 ergaben; die Grundlagen einer Theorie zur Bestimmung des literarischen Gegenstands fehlten ebenso wie die einer Theorie der Ziele und Methoden der Interpretation. »Vielleicht schenkt uns ein speziell für methodologische Prinzipienfragen veranlagter Kopf«, schrieb Rudolf Unger 1925, »in nicht allzu ferner Zeit eine Theorie oder gar eine Philosophie der Textkritik und Textinterpretation und füllt damit eine weitere Lücke aus zwischen Literaturwissenschaft und Philosophie, den lange Zeit feindlichen, nun aber so glücklich versöhnten Schwestern.«Footnote 153 Erst nach dem Ersten Weltkrieg setzten allmählich Versuche ein, die Philologie des 19. Jahrhunderts und die Konzeption einer neuen Literaturwissenschaft ebenso zu unterscheiden wie verschiedene wissenschaftliche Zugangsweisen zum literarischen Werk und seiner Geschichte.Footnote 154 Weithin aber herrschte in der deutschen Literaturwissenschaft um 1920 eine durch persönliche InvektivenFootnote 155 gesteigerte große Unklarheit im Hinblick auf die Ziele, Begrifflichkeit und die Bedeutung der verschiedenen Ansätze innerhalb der Disziplin. Josef Körner, einer der aufgeklärtesten Kenner der Szene charakterisierte diese Situation der Ungewissheit 1918 mit den Sätzen:
Glückselig die Wissenschaften und ihre Meister und Jünger, die schon so weit gekommen sind, dass sie mit der Lösung der ihnen gestellten Aufgabe beginnen können! Die Literaturgeschichte, deren lang verhaltene Krisis mit dem Tode zweier bedeutender Forscher, Minors und Erich Schmidts, jäh ausgebrochen ist, weiss noch nicht mal um ihre Aufgabe rechten Bescheid.Footnote 156
Eines der hervorstechenden Merkmale der programmatischen Debatte in der deutschen Germanistik der 1910er und 1920er Jahre war die Personalisierung: sie war – mangels einer der Verständigung dienenden Theoriesprache – das bevorzugte Medium für die Austragung programmatischer Auffassungsunterschiede. So ging es bei der Auseinandersetzung der Geistesgeschichte mit dem Positivismus weniger um theoretische oder methodologische Fragen als um »Dilthey oder Scherer«Footnote 157. Beide mussten in dieser zugespitzten Gegenüberstellung für Prinzipien herhalten, die für ihre Konzeptionen kaum charakteristisch waren. Dilthey war in dieser Konfrontation nicht der Dilthey des 19. Jahrhunderts, der gegen Schulphilosophie und Empirismus eine »Erfahrungswissenschaft des menschlichen Geistes«Footnote 158 zur Grundlage der Geisteswissenschaften machen wollte, sondern ein bereits geistesgeschichtlich interpretierter Dilthey, der mit den – meist dekontextualisierten – Aufsätzen aus Das Erlebnis und die Dichtung auf die »frische Lebenslust und Erlebnisempfänglichkeit des neuen an der Lebensphilosophie eines Nietzsche, Bergson und Simmel herangereiften Geschlechts«Footnote 159 wirkte »wie eine Offenbarung«Footnote 160. Dass die Dilthey-Rezeption zu Beginn des 20. Jahrhunderts nicht allein in der Literaturwissenschaft, sondern auch in der Philosophie anderen Traditionslinien folgte, als sie sich aus dem historischen und systematischen Zusammenhang seiner Arbeiten rekonstruieren lassen,Footnote 161 ist durch die Dilthey-Forschung seit dem Ausgang des 19. Jahrhunderts demonstriert worden;Footnote 162 das aus dieser Forschung resultierende Dilthey-Bild hat sich freilich bis heute nicht durchgesetztFootnote 163 – auch in der Literaturwissenschaft nicht, obwohl hier die Legitimität der Berufung der Geistesgeschichte auf Dilthey schon seit den 1960er Jahren mit sehr starken Argumenten bezweifelt wurde.Footnote 164
Dilthey wurde indes nicht allein als »Begründer der Geistesgeschichte«Footnote 165 und »Führer«Footnote 166 der geistesgeschichtlichen Literaturwissenschaft reklamiert, sondern auch als Schöpfer einer spezifischen Epoche der deutschen Literaturgeschichte, die unter der Bezeichnung »Deutsche Bewegung«Footnote 167 bekannt ist. Diltheys Basler Antrittsvorlesung »Die dichterische und philosophische Bewegung in Deutschland 1770–1800« (1867) wurde von Hermann Nohl – zunächst in seinem rhapsodischen Logos-Aufsatz von 1911,Footnote 168 dann in einer Reihe von Aufsätzen aus den 1920er JahrenFootnote 169 – einer grundlegenden konzeptionellen Veränderung unterzogen, die wohl besser als Umfunktionierung denn als Interpretation des Dilthey’schen Texts zu charakterisieren ist.Footnote 170 Der Kern dieser Umfunktionierung besteht darin, dass Nohl die von Dilthey im historischen Zusammenhang charakterisierte, von der Aufklärung bis zur Romantik reichende geschlossene und kontinuierliche BewegungFootnote 171 zunächst in eine systematische Opposition verwandelte, in der er einer als rationalistisch abgewerteten Aufklärung die »Deutsche Bewegung« als Gegenbegriff gegenüberstellte; diese Bewegung wurde sodann zum Wesensausdruck des »Deutschen Volkes« hypostasiert,Footnote 172 der emanatistisch die deutsche Literatur- und Geistesgeschichte weit über die Romantik hinaus bis zur Gegenwart der Konservativen Revolution im Ausgang der 1920er Jahre bestimmte.Footnote 173 Dieses seit Nohl von einem antiwestlichen Ressentiment getragene Denkschema gehört zum Kern der geistesgeschichtlichen Literaturgeschichtsschreibung in der Germanistik, und zwar nicht allein in völkisch orientierten Kreisen der Deutschkundebewegung, sondern, in verschiedenen Varianten, auch bei den Schulhäuptern der geistesgeschichtlichen Literaturwissenschaft wie etwa Rudolf Unger, August Hermann KorffFootnote 174 und den Herausgebern der Deutschen Vierteljahrsschrift, Paul Kluckhohn und Erich Rothacker. Die »Deutsche Bewegung« gehörte zweifellos zum unpolitischen Erbe der idealistischen deutschen Bildungsidee, doch Paul Kluckhohn stand nicht allein mit der Überzeugung, die er 1934 in die Sätze fasste: »Die Bewegung unserer Tage steht der deutschen Bewegung um 1800 näher, als es den meisten Menschen heute bewußt ist. Man kann geradezu sagen: der deutschen Bewegung von heute ist durch die um 1800 geistig stark vorgearbeitet worden […].«Footnote 175
Als das erste Heft der Deutschen Vierteljahrsschrift 1923 erschien, zeichnete sich bereits ab, dass auf die idealistische »Revolution in der Literaturwissenschaft«Footnote 176 nicht das wissenschaftliche Programm einer einheitlichen literaturwissenschaftlichen Geistesgeschichte gefolgt war, auf das sich die Hoffnungen gerichtet hatten. Die im Kampf gegen den Positivismus noch einheitliche geistesgeschichtliche Bewegung spaltete sich auf in den mainstream einer wissenschaftlichen Geistesgeschichte, die sich der ideengeschichtlichen Tradition des 19. Jahrhunderts zu versichern suchte. Rudolf Unger, einst Pionier der geistesgeschichtlichen Revolte in der Literaturwissenschaft, zählte nun nicht allein Rudolf Haym und Hermann Hettner,Footnote 177 sondern auch Konrad BurdachFootnote 178 zu den Vorläufern der geistesgeschichtlichen Literaturwissenschaft. Mit ihr konkurrierte eine Reihe von neuen Ansätzen wie etwa, um nur einige zu nennen, Walzels Formgeschichte, Strichs Stiltypologie und Nadlers Stammesgeschichte. Mit weiteren Ansätzen aus Philosophie, Kunstwissenschaft und anderen Disziplinen fanden sie alle einen Platz in der vielseitigen Deutschen Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte, die sowohl den Anhängern der einstigen geistesgeschichtlichen »Bewegung« als auch denen einer neuen, noch wenig konturenscharfen »Literaturwissenschaft« eine Plattform bot.
Notes
Siehe dazu Holger Dainat, Rainer Kolk, »Das Forum der Geistesgeschichte«, in: Robert Harsch-Niemeyer (Hrsg.), Beiträge zur Methodengeschichte der neueren Philologien. Zum 125jährigen Bestehen des Max Niemeyer Verlages, Tübingen 1995, 111–134. – Dainat und Kolk haben das Verdienst, der Gründungsgeschichte der Zeitschrift zuerst gründlich nachgegangen zu sein. – Relevant für die Gründungsgeschichte ist aber auch schon Christoph König, »Individualität, Autonomie, Originalität. Zur Rezeption Diltheys in den ersten Jahren der Deutschen Vierteljahrsschrift«, DVjs 67 (1993), 197–220.
Gestützt auf eine sorgfältige Untersuchung der Konzeption der ›hegelianischen Literaturgeschichtsschreibung‹ des 19. Jahrhunderts hat Michael Ansel bereits 1996 bezweifelt, dass es sich bei der geistesgeschichtlichen Literaturwissenschaft um ein neues Paradigma handelt. Siehe Michael Ansel, »Literaturgeschichtsschreibung als Überbietung der Philologie«, Euphorion 90 (1996), 445–462; ders., Prutz, Hettner und Haym. Hegelianische Literaturgeschichtsschreibung zwischen spekulativer Kunstdeutung und philologischer Quellenkritik, Tübingen 2003 (Studien und Texte zur Sozialgeschichte der Literatur 95). – Oskar Walzel hielt schon 1911 in seiner Rezension zu Ungers bahnbrechendem Buch Hamann und die Aufklärung fest: »Die Verknüpfung von Geschichte der Dichtung und Ideengeschichte, der jetzt eine Reihe von Forschern im Sinne Hayms nachstrebt, ist nicht eine allerneueste Mode. Jakob Minor hat vom Anfang seiner Lehrtätigkeit ab R. Hayms literargeschichtliche Leistungen seinen Schülern als bedeutsamstes Muster vorgestellt und im Kolleg wie in seinen Veröffentlichungen Philologie und Weltanschauungsgeschichte jederzeit zu verknüpfen gesucht.« In: Das literarische Echo 14, H. 5 (1.12. 1911), Sp. 312–318, hier: Sp. 313.
Welchen Ehrgeiz Hermann Niemeyer mit der DVjs verband, geht u. a. daraus hervor, dass er nach der Inflation den bekannten Künstler und Buchillustrator Hugo Steiner (Prag) mit Ausstattung und Design der Zeitschrift beauftragte, »die gewissermaßen eine ganz neue Richtung und Abteilung meines Verlages einführte« (Niemeyer an Rothacker, 7.10.1924, ULB Bonn, NL Rothacker).
Zum Begriff siehe Lutz Danneberg, »Epistemische Situationen, kognitive Asymmetrien und kontrafaktische Imaginationen«, in: Lutz Raphael, Heinz-Elmar Tenorth (Hrsg.), Ideen als gesellschaftliche Gestaltungskraft im Europa der Neuzeit. Beiträge für eine erneuerte Geistesgeschichte, München 2006, 193–221.
Siehe dazu neben der einschlägigen Literatur Floris Solleveld, »Conceptual Change in the History of the Humanities«, Studium. Tijdschrift voor Wetenschaps- en Universiteitsgeschiedenis 7 (2014), 223–239 und ders., »How to Make a Revolution: Revolutionary Rhetoric in the European Humanities around 1800«, History of the Humanities 1 (2016), 277–301.
Erich Rothacker formulierte das im Rückblick so: »Der Augenblick, in welchem Paul Kluckhohn und ich die Redaktion der von uns beiden – nicht ohne die Initiative unseres hochverehrten und sachkundigen Verlegers Dr. h. c. Hermann Niemeyer – gegründeten ›Deutschen Vierteljahrsschrift‹ endgültig niederlegen, ist wohl nicht ungeeignet, besinnlich zurückzublicken.« Erich Rothacker, »Rückblick und Besinnung«, DVjs 30 (1956), 145–156, hier: 145.
Siehe dazu neben der Arbeit von Dainat und Kolk (Anm. 1) Joachim W. Storck, Theodore Kisiel, »Martin Heidegger und die Anfänge der Deutschen Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte. Eine Dokumentation«, Dilthey-Jahrbuch 8 (1992/93), 181–232, hier: 181 f.
Siehe Wolfgang Adam, »Einhundert Jahre Euphorion. Wissenschaftsgeschichte im Spiegel einer germanistischen Fachzeitschrift«, Euphorion 88 (1994), 1–72.
Für das Gesamtfach nennt Rainer Kolk die folgenden Zahlen: »Die Deutsche Philologie verbessert ihre Stellenausstattung an Universitäten von 24 Ordinariaten im Jahr 1890 auf 40 im Jahre 1920 und schließlich 48 im Jahr 1931, womit der Höchststand bis in die fünfziger Jahre erreicht ist.« Rainer Kolk, Literarische Gruppenbildung. Am Beispiel des George-Kreises 1890–1945, Tübingen 1998 (Communicatio 17), 316.
In einem Brief an Paul Kluckhohn vom 14. März 1922 meinte Niemeyer: »Ich glaube, ich schrieb Ihnen nun schon früher einmal, dass ich mit Herrn Geheimrat Walzel vor dem Kriege einen Kontrakt über eine Literaturzeitschrift eingegangen bin.« (Deutsches Literaturarchiv Marbach [fortan: DLA], A:DVjs Kluckhohn).
Siehe Dainat, Kolk (Anm. 1), 112. Der Brief, dem der Prospekt beilag, ist auf den 26.7.1914 datiert.
Walzel an Strich, undatiert 1914 (Burgerbibliothek Bern, NL Fritz Strich 15).
Siehe Dokumentenanhang, Nr. 1 und 8. – Auf die langwierigen Auseinandersetzungen um die Formulierungen des Programms und die Auswahl der Mitherausgeber gehe ich hier nicht ein, siehe dazu knapp König (Anm. 1), 207–209.
Siehe Saran an Walzel, 27. Juli 1914 (DLA, A:Walzel): »Es ist sehr erfreulich, daß die Zs. so gut vorwärts geht. Wann kommt denn die öffentliche buchhändlerische Anzeige?«.
Unger schrieb Walzel am 2.8.1914, vermutlich auf dessen Bitte um einen Beitrag für die Zeitschrift hin (DLA, A:Walzel): »Sehr verehrter Herr Geheimrath, die schicksalschwere Entscheidung, auf die wir alle diese Tage warteten, ist nun in einer Weise gefallen, daß mir leider keine Hoffnung bleibt, Ihren freundlichen Wunsch in absehbarer Zeit entsprechen zu können. Ganz in Ungewißheit über mein persönliches Schicksal in der kommenden Zeit, bin ich nicht in der Lage, literarische Arbeiten wie den fraglichen, etwa halbvollendeten Aufsatz weiterzuführen. Doch wird wohl auch Ihre geplante Zeitschrift in solch schwerer Kriegszeit kaum erscheinen. So bleibt uns nur die Hoffnung auf eine lichtere Zukunft. Mit ergebensten Empfehlungen der Ihrige, R. Unger.«.
Hermann Niemeyer an Oskar Walzel, 3.8.1914 (DLA, A:Walzel).
Hermann Niemeyer an Oskar Walzel, 17.3.1919 (DLA, A:Walzel). – Niemeyer formulierte diese Pläne im Zusammenhang mit Überlegungen zur Fortsetzung der vom verstorbenen Wilhelm Creizenach begründeten »Geschichte des deutschen Dramas«.
Niemeyer an Kluckhohn, undatiert (DLA, A:DVjs/Kluckhohn), die erste Seite des Briefs fehlt.
Stern hatte in Berlin, Lausanne und Straßburg Physik, Chemie, Mathematik und Medizin studiert. Nach der Approbation in Straßburg und einer Tätigkeit am Psychologischen Institut bei William Stern in Hamburg wurde er in Gießen promoviert, wo er sich 1920 für Psychologie, Philosophie und Pädagogik habilitierte. Siehe Michael Putzke, Erich Stern. Sein Leben und sein psychosomatisches Denken. Diss. med. Leipzig 1997. Siehe auch https://de.wikipedia.org/wiki/Erich Stern.
Erich Stern an Erich Rothacker, 3.12.1921 (ULB Bonn, NL Rothacker).
Erich Stern, Einführung in die Pädagogik, Halle/Saale 1922.
Das Buch konnte erst 1922 erscheinen, nachdem Kluckhohn auf ein Honorar verzichtet und die Notgemeinschaft der deutschen Wissenschaft einen Druckkostenzuschuss gewährt hatte. Siehe dazu die Korrespondenz Kluckhohns mit seinem Doktorvater Karl Brandi (SUB Göttingen, Cod. Ms. Karl Brandi 2a: Briefe Kluckhohns an Brandi vom 22.8. und 10.10.1919).
Kluckhohn an Herman Nohl, Münster 15.10.1922 (SUB Göttingen, Cod. Ms. H. Nohl 274). Kluckhohn fährt fort: »Zusammen mit dem Heidelberger Kollegen Dr. Rothacker habe ich eine Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte ins Leben gerufen, die innerhalb der Literaturgeschichte die geistesgeschichtliche Richtung Diltheyscher Schule, aber auch die neueren stilanalytischen Methoden vertreten soll, und neben der Literatur auch die anderen Gebiete der Geistesgeschichte. Dass für eine Zeitschrift dieses Programms Ihre Mitarbeit ganz besonders erstrebenswert ist, das brauche ich wohl nicht näher zu begründen.« – Auf Kluckhohns Zeitschriftenplan von 1914 dürfte sich auch Rudolf Unger bezogen haben, als er am 2.7.1922 an Kluckhohn (DLA, A:DVjs/Kluckhohn) schrieb: »Des Planes Ihrer Zeitschrift entsinne ich mich aus unsrer einstigen Münchener Unterredung noch wohl.«.
Niemeyer an Kluckhohn, 14.3.1922 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn).
Zwischen Niemeyer und Walzel scheint es 1919 zu einer Verstimmung gekommen zu sein. Die Briefe Walzels an Niemeyer sind nicht erhalten, aber aus Niemeyers Brief an Walzel vom 5.4.1919 (DLA, A:Walzel) kann entnommen werden, dass Niemeyer über Walzel verärgert war, weil dieser einerseits keine klare Antwort auf die Frage gab, ob er die Redaktion der Zeitschrift übernehmen würde, andererseits aber Niemeyer nötigte, einen verbindlichen Erscheinungstermin für die Zeitschrift zu nennen.
Niemeyer an Kluckhohn, 14.3.1922 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn).
Das Treffen ist angekündigt in Niemeyers Brief an Kluckhohn vom 5.6.1922 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn). Zum Folgenden siehe auch die Darstellung, die Rothacker in einem Brief an Ernst Troeltsch vom 20.6.1922 gab, Ernst Troeltsch, Briefe, Bd. V (1918–1923), hrsg. Friedrich Wilhelm Graf in Zusammenarbeit mit Harald Haury, in: Ders., Kritische Gesamtausgabe, Bd. 22, Berlin 2020, 384–389.
Niemeyer an Kluckhohn, 20.6.1922 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn).
Niemeyer an Kluckhohn, 10.7.1922 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn).
Ebd. – Eine abweichende Version des Vorgangs teilte Rothacker Ernst Troeltsch am 20.6.1922 mit, siehe Troeltsch (Anm. 27), 384 f.: »Zunächst wurde Herr Stern vom Verleger mit süssen Reden hinauskomplimentiert, worein er sich mit Anstand fügte, was ich ihm sehr hoch anrechne. Mir war die Sache scheusslich peinlich, da es gar nicht in meiner Linie liegt, gegen jemand illoyal zu sein, am wenigsten gegen einen Juden. Andererseits war das Gelingen der Sache durch ihn einfach gefährdet.«.
Ebd. – Stern schrieb Rothacker am 19.6.1922 (ULB Bonn, NL Rothacker): »Was die Zeitschrift angeht, so sagte ich Ihnen ja bereits in Halle, daß ich gern zurückstehe. Nachdem ich mich – begreiflicherweise – im ersten Augenblick etwas geärgert hatte, kam ich dann zu der Einsicht, daß in dem jetzt geplanten Sinne die ganze Sache mir nicht liegt. Ich hatte etwas anderes gewollt.«.
Die vorstehenden Zitate aus Niemeyers Brief an Kluckhohn vom 10.7.1922 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn). Niemeyer merkte freilich an, dass er zuvor noch aus dem Kontrakt mit Walzel herauskommen müsse. Am 19.9.1922 konnte er Kluckhohn dann berichten, dass es mithilfe einer Abfindung gelungen sei, den Kontrakt »in beiderseitigem Einvernehmen« zu lösen (Niemeyer an Kluckhohn, 19.9.1922, DLA, A:DVjs/Kluckhohn).
Ein »Verlagskontrakt« zwischen Kluckhohn, Rothacker und Max Niemeyer findet sich erst mit Datum vom 15.11.1922 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn, Kasten 1).
Siehe dazu Rothacker an Troeltsch, 20.6.1922, Troeltsch (Anm. 27), 385: »Das 2. [Projekt] soll eine Zeitschrift oder besser eine freie Folge von Abhandlungen, Büchern [und] Sonderheften entstehen [!], für die wir bisher noch keinen bessern Namen als ›Bausteine zu einer Philosophie des Geistes‹ gefunden haben.« – In einem undatierten Brief vom Oktober 1922 schlug Rothacker Hermann Niemeyer vor, den Dilthey-Yorck-Briefwechsel »als Heft 1 der ›Präludien zur Philosophie des Geistes‹ erscheinen [zu lassen], herausgegeben unter Mitwirkung von Heinrich Maier, Eduard Spranger, Ernst Troeltsch, von Georg Misch und mir«. Am 5.11. und 6.12.1922 schlug er Niemeyer daneben eine weitere Reihe »Neue Abhandlungen zur Geschichte der Philosophie« vor, bevor er ihm dann am 7.12. den Programmentwurf übersandte für die Reihe »Philosophie und Geisteswissenschaften«, in Verbindung mit Heinrich Maier, Georg Misch, Ernst Troeltsch, Eduard Spranger, herausgegeben von Erich Rothacker (alle Angaben: ULB Bonn, NL Rothacker).
In seinem Brief an Kluckhohn vom 2.7.1922 hatte Unger geschrieben: »Auch zu dem von Ihnen gewünschten literarischen Beitrag erkläre ich mich natürlich bereit und würde vielleicht ein prinzipienwissenschaftliches Thema wählen.« Unger an Kluckhohn, 2.7.1922 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn).
Kluckhohn an Unger, 2.8.1922 (SUB Göttingen, Cod. Ms. R Unger 59).
Siehe dazu schon den vermutlich frühesten (undatierten) Brief Niemeyers an Kluckhohn (DLA, A:DVjs/Kluckhohn): »Im Ganzen meine ich, wenn wir die Sache machen wollen, so muss das bald geschehen und sobald ich klar sehe ob es zweckentsprechend ist, die beiden Gedanken zu verquicken oder eine reine Literaturzeitschrift zu schaffen, so würde ich gerne bereit sein, einmal zu Ihnen zu kommen, damit wir Näheres mündlich besprechen können.«. Siehe auch ebd. Niemeyer an Kluckhohn, 24.3.1922: »Wir müssen nun mit der Ztschr. vorankommen, damit wir auch bald mit dem Druck der schönen Beihefte beginnen können.« Ferner ebd. 20.6. 1922: »Ich glaube es würde nichts schaden, wenn Sie jetzt schon mit einigen Herren Fühlung aufnehmen würden, damit wir uns die Mitarbeit sichern.«.
Siehe dazu etwa den Brief Niemeyers an Fritz Strich vom 2.8.1922 (Burgerbibliothek, Bern, NL Fritz Strich 12), der mit den Sätzen beginnt: »Sehr verehrter Herr Professor, Sie werden sich gewundert haben, dass ich Sie so unangemeldet in München aufgesucht habe. Leider musste ich unerwartet herüberfahren, sodass mir eine vorherige Anmeldung nicht möglich war. Ich habe ausserordentlich bedauert, Sie zweimal nicht anzutreffen. U. a. hätte ich gern mit Ihnen über ein neu geplantes – grösseres – Verlagsunternehmen persönlich gesprochen. Es handelt sich um eine ›Zeitschrift für Litteraturwissenschaft u. Geistesgeschichte‹, deren Hauptredaktion Prof. Kluckhohn in Münster u. Dr. Rothacker in Heidelberg übernommen haben. Ich wollte Sie bitten, zugleich im Namen der beiden Herren, sich an der Mitherausgabe zu beteiligen.«.
Hugo Bieber schrieb am 10. September 1922 an Rothacker (ULB Bonn, NL Rothacker): »Die Gründung Ihrer Zeitschrift begrüsse ich mit grosser Freude. Ich selbst stand mit einem Verlag schon in Unterhandlung wegen des gleichen Plans und wäre wahrscheinlich in wenigen Wochen an Sie herangetreten. Das scheint doch für die höhere Zeitgemäßheit der Idee zu sprechen.«.
Die Geisteswissenschaften. Wochenschrift für das gesamte Gebiet der Philosophie, Psychologie, Mathematik, Religionswissenschaft, Geschichtswissenschaft, Sprach- und Literaturwissenschaft, Kunstwissenschaft, Rechts- und Staatswissenschaft, Gesellschaftswissenschaft, Volkswirtschaftslehre und Statistik, Militärwissenschaft, Länder- und Völkerkunde, Pädagogik. Hrsg. von Dr. Otto Buek und Prof. Dr. Paul Herre. Heft 1–39 (Okt. 1913–Juni 1914).
Franz Schultz, Das Schicksal der deutschen Literaturgeschichte. Ein Gespräch, Frankfurt a. M. 1929, 13.
Siehe dazu »Zur Einführung« in Heft 1 (Oktober 1913), 1 und den redaktionellen Hinweis auf die Zeitschrift in der Zeitschrift für den deutschen Unterricht 28 (1914), 74: »Sie setzt sich das bedeutsame Ziel, die Einheit und den Zusammenhang der so stark auseinanderstrebenden Geisteswissenschaften im Bewußtsein der wissenschaftlichen Arbeiter lebendig zu erhalten.«.
Siehe etwa den hochgestochenen Einleitungsartikel von Walter Strich, »Wesen und Bedeutung der Geistesgeschichte«, in: Die Dioskuren. Jahrbuch für Geisteswissenschaften, Bd. 1, München 1922, 1–34.
Im Hinblick auf die Redaktionspolitik der DVjs schrieb Rothacker an Kluckhohn am 21.1.1923 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn): »Völlig unabhängig voneinander haben mir verschiedene Herren hier und in Frankfurt gesagt: nur nicht so ein Sammelsurium wie die Dioskuren.«.
Niemeyer an Kluckhohn, 10.7.1922 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn).
Siehe Kluckhohn an Unger, 2.8.1922: »Die Frankfurter Germanisten hatten den Plan einer eigenen Zeitschrift, den sie nun aufgeben, um bei uns mitzuwirken.« (SUB Göttingen, Cod. Ms. R Unger 59) und Rothacker an Hugo Bieber, 7.9.1922: »Ein Plan der zahlreichen Frankfurter Germanisten eine eigene Zeitschrift zu gründen wurde zu unseren Gunsten aufgegeben was uns mit einem Schlag eine Reihe von Beiträgen verschaffte.« (ULB Bonn, NL Rothacker). – Zum zweiten Projekt siehe Niemeyer an Kluckhohn, 1.9.1922: »Die neue Zeitschrift, welche von der Leyen und Bertram herausgeben wollen, wird hoffentlich nicht so schnell zustande kommen, auch kann ich mir etwa Erspriessliches nicht denken, wenn die Zeitschrift von vornherein durch solche Phantasiehonorare belastet ist.« (DLA, A:DVjs/Kluckhohn).
Rothacker an Kluckhohn, 24.10.1922 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn).
Paul Heyse an Kluckhohn, 1.11.1902 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn).
Die »Autobiographische[n] Aufzeichnungen« (DLA, A:DVjs/Kluckhohn) enthalten Verzeichnisse der 1903 und 1905 gelesenen Bücher und besuchten Theateraufführungen.
»Handschriftliches« (DLA, A:DVjs Kluckhohn).
Weimar 1910 (Quellen und Studien zur Verfassungsgeschichte des Deutschen Reiches in Mittelalter und Neuzeit. 4,1).
Lebenslauf Kluckhohns, Universitätsarchiv Münster, Bestand 10, Nr. 201. – »Nach seiner Entlassung widmete er sich ausschließlich seinen Studien und zwar in Posen bei Professor Brecht, Göttingen und München«, heißt es im Brief des Dekans in Münster an den Minister der geistlichen und Unterrichtsangelegenheiten in Berlin vom 10. November 1913 (ebd.).
Nach Münster hatte ihn vermutlich Edward Schröder empfohlen. Über die Schwierigkeiten, die Kluckhohn aufgrund der Rivalität der beiden Münsteraner Germanisten (Jostes u. Schwering) in den Weg gelegt wurden, berichtet detailliert Andreas Pilger, Germanistik an der Universität Münster. Von den Anfängen um 1800 bis in die Zeit der frühen Bundesrepublik, Heidelberg 2004 (Studien zur Wissenschafts- und Universitätsgeschichte 3), 97–110.
Aus dem in Anm. 52 zitierten Brief des Dekans der Universität Münster.
»Meine Studien galten vornehmlich der Geschichte und der deutschen Philologie, der mittellateinischen Philologie und der Kunstgeschichte« schrieb Kluckhohn im Lebenslauf zu seiner Promotion: Die Ministerialität vom zehnten bis zum Ende des dreizehnten Jahrhunderts. Kapitel I: Die Anfänge des Standes bis zum Ende des elften Jahrhunderts. Diss. phil. Göttingen, Weimar 1909.
Dazu zählen: »Ministerialität und Ritterdichtung«, Zeitschrift für deutsches Altertum und deutsche Literatur 52 (1910), 135–168; »Der Minnesang als Standesdichtung«, Archiv für Kulturgeschichte 11 (1914), 391–410.– Siehe dazu Hans Fromm (Hrsg.), Der deutsche Minnesang. Aufsätze zu seiner Erforschung, Darmstadt 1972 (Wege der Forschung XV), hier den »Nachtrag« Fromms zum Wiederabdruck des Aufsatzes »Der Minnesang als Standesdichtung« (darin 81–84).
Dazu zählen: Schillers sämtliche Werke, Bd. 10: Geschichte des Abfalls der Vereinigten Niederlande. Bd. 11: Geschichte des Dreißigjährigen Krieges, hrsg. Paul Kluckhohn, Leipzig 1911 und 1912.– »Zur Textgeschichte von Schillers historischen Schriften. Aus den Vorstudien zu einer Ausgabe«, Euphorion 18 (1911), 692–707 und die Fortsetzung in Euphorion 19 (1912), 136–148.
Paul Kluckhohn, »Penthesilea«, Germanisch-Romanische Monatsschrift 6 (1914), 276–288.
Paul Kluckhohn, »Französische Einflüsse in Friedrich Schlegels ›Lucinde‹«, Euphorion 20 (1913), 87–92. – Pilger ([Anm. 53], 104–109) schildert, dass Kluckhohn dieser Aufsatz nur aufgrund eines Streits der beiden Münsteraner Germanisten aufgenötigt wurde.
Dort heißt es: »Die neueren noch nicht veröffentlichten Arbeiten z. B. seine Habilitationsschrift übergehen wir, da der Verfasser sie noch erweitern und ergänzen möchte.« UA Münster (Anm. 52).
Im Vorwort zu seiner 1922 erschienenen Arbeit schrieb Kluckhohn: »Es war mir nicht vergönnt, meine Arbeit in einem Zuge durchzuführen. Ein größerer Teil ist schon 1912 geschrieben worden. Die Unterbrechung, die der Beginn einer akademischen Lehrtätigkeit verursachte, wurde durch den Krieg, an dem ich zwei Jahre an der Front, dann nach schwerer Verwundung in der Heimat vollbeschäftigt teilnahm, auf sechs Jahre ausgedehnt. Die Unsicherheit über die Veröffentlichungsmöglichkeiten und die Notwendigkeit, auch wirtschaftlich ertragreichere Arbeit zu leisten, haben mich danach nur mühsam dies Buch fortsetzen lassen.« Paul Kluckhohn, Die Auffassung der Liebe in der Literatur des 18. Jahrhunderts und in der deutschen Romantik, Halle/Saale 1922, V. – Zu Kluckhohns wirtschaftlichen Schwierigkeiten siehe die zahlreichen von der Universität befürworteten Stipendienanträge in der Personalakte im UA Münster (Anm. 52).
Schreiben des Kultusministers Haenisch an den Dekan der Philosophischen Fakultät in Münster vom 13.8.1919 (UA Münster [Anm. 52]).
Er sollte dort den ins Kultusministerium beurlaubten Ordinarius Werner Richter vertreten. Siehe Schreiben des Kultusministers an den Dekan der Philosophischen Fakultät in Münster vom 9.5.1920 (UA Münster [Anm. 52]).
Kluckhohn (Anm. 55), 1.
Kluckhohn (Anm. 61), 1.
Eines der signifikanten Kennzeichen der geistesgeschichtlichen Programmatik, die Polemik gegen den Positivismus, fehlt in Kluckhohns Arbeiten ganz. – Zur wissenschaftsgeschichtlichen Einordnung der Arbeit siehe auch Pilger (Anm. 53), 99 sowie die Charakterisierung Siegmund von Lempickis, der meinte, dass Kluckhohns Arbeit »schon an die Kulturgeschichte streife« (Lempicki, Art. »Literaturwissenschaft«, in: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte, Bd. 2, Berlin 1928–29, 280–290, hier: 289). – Übungen und Vorlesungen zur Kulturgeschichte gehörten zwischen 1918 und 1924 in Münster zum Standardrepertoire Kluckhohns, siehe die Vorlesungsverzeichnisse http://sammlungen.ulb.uni-muenster.de/nav/classification/1643213.
Siehe Rudolf Unger [Rez.], »Paul Kluckhohn: Die Auffassung der Liebe in der Litteratur des 18. Jahrhunderts und in der deutschen Romantik«, Anzeiger für deutsches Altertum und deutsche Literatur 61 (1924), 75–82.
Siehe Paul Kluckhohn, »Geistesgeschichte«, in: Reallexikon der deutschen Literaturgeschichte. Neu bearbeitet […] von Klaus Kanzog […], Bd. 1, Berlin 1958, 537–540, hier: 539.
Siehe Unger (Anm. 67). – Unger kritisierte neben Einzelheiten vor allem die Disproportioniertheit der einzelnen Werkteile (79), rechnete Kluckhohns Darstellung aber zu der von ihm selbst propagierten »problemhistorischen betrachtungsweise« (78).
Zitat aus dem etwa gleichzeitig entstandenen Konvolut »Aufsätze über deutsches Wesen und deutsche Kultur« (DLA, A:DVjs Kluckhohn).
Paul Kluckhohn, »Wege und Ziele deutscher Kultur«, Die Arbeit. Monatsschrift für deutsche Kulturgemeinschaft 1, Heft 2 (Juni 1920), 97–110.
Siehe dazu die Untersuchung von Franziska Bomski, »Überindividuelle Mächte und die Idee des Menschen. Zu Paul Kluckhohns Romantikkonzeption«, in: Matthias Löwe, Gregor Streim (Hrsg.), Humanismus in der Krise. Debatten und Diskurse zwischen Weimarer Republik und geteiltem Deutschland, Berlin [u. a.] 2017, 57–77.– Dass die DVjs auch ein internationales Profil pflegte, beschreibt Holger Dainat, »›Durch die Eigenkultur des Volkes hindurch der Menschheit dienen‹. Die Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwissenschaft und Geistesgeschichte und ihre internationalen Beiträge(rInnen) von 1923 bis 1945«, in: »Zwischenvölkische Aussprache«. Internationaler Austausch in wissenschaftlichen Zeitschriften 1933–1945, hrsg. Andrea Albrecht, Lutz Danneberg, Ralf Klausnitzer u. Kristina Mateescu, Berlin, Boston 2020, 181–212.
Zu Rothackers Biographie siehe Ralph Stöwer, Erich Rothacker. Sein Leben und seine Wissenschaft vom Menschen, Bonn 2012 (Bonner Schriften zur Universitäts- und Wissenschaftsgeschichte. 2) und Guillaume Plas, L’historiste face à l’histoire. La politique intellectuelle d’Erich Rothacker de la République de Weimar à l’après-guerre. Thèse Université Paris-Sorbonne 2011. Die (in deutschen Bibliotheken leider nicht erhältliche) Dissertation bietet – neben ihrer scharfen Kritik an Rothackers Arbeiten und der DVjs in der Weimarer Republik – so viele Hinweise auf dokumentarisches Material im Rothacker-Nachlass, dass eine ausführliche Auseinandersetzung mit ihr wünschenswert wäre.– Zu Rothackers Tätigkeit im Dritten Reich siehe neben Plas auch Christian Tilitzki, Die deutsche Universitätsphilosophie in der Weimarer Republik und im Dritten Reich, Teil 1, Berlin 2002, 263–269 und Michael Grüttner, »Das Scheitern der Vordenker. Deutsche Hochschullehrer und der Nationalsozialismus«, in: Grüttner u. a. (Hrsg.), Geschichte und Emanzipation. Festschrift für Reinhard Rürup, Frankfurt a. M. 1999, 458–481, hier: 464–467.
Diss. phil. Tübingen, Leipzig 1912.
Erich Rothacker, Einleitung in die Geisteswissenschaften, Tübingen 1920. – Vielleicht ist es für den Zustand der einschlägigen Wissenschaften charakteristisch, dass die treffendste Rezension nicht in einer wissenschaftlichen Zeitschrift, sondern in der Frankfurter Zeitung erschien, siehe Hermann Michel, »Zur Geschichte der Geisteswissenschaften. [Rez.:] Erich Rothacker: Einleitung in die Geisteswissenschaften. Tübingen 1920«, Literaturblatt. Beilage zur Frankfurter Zeitung 9 (28.4.1922).
Erich Rothacker, Heitere Erinnerungen, Frankfurt a. M. [u. a.] 1963, 47.– Meyer war sehr erfreut, weil ihm am Rande des Internationalen Kongresses für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft »ein junger Dr. Rothacker sagte […]: er habe wiederholt die Erfahrung gemacht, wo die Andern aufhörten, da gebe es immer noch einen interessanten Aufsatz von mir«. Richard M. Meyer: Hauschronik (1889–1914), Eintrag vom 12.10.1913, Bl. 134v, DLA Marbach, D: Meyer; Transkription Myriam Richter.
Siehe dazu Myriam Richter, »Meyer – Mauthner – Übermensch«, in: Dieter Möhn u. a. (Hrsg.), Mediensprache und Medienlinguistik, Festschrift für Jörg Hennig, Frankfurt a. M. 2001, 355–370.
Rothacker (Anm. 76), 48–50.
Siehe Rothackers ausführliche Würdigung, ebd., 48–50.
Siegbert Elkuss, Zur Beurteilung der Romantik und zur Kritik ihrer Erforschung, hrsg. Franz Schultz, München, Berlin 1918 (Historische Bibliothek. 39). Über Rezeption und Bedeutung dieser Arbeit wäre eine eigene Untersuchung wünschenswert.
Siehe Franz Schultz, »Nachwort«, in: Werner Mahrholz, Literargeschichte und Literarwissenschaft, Zweite, erweiterte Auflage. Durchgesehen und mit einem Nachwort von Franz Schultz, Leipzig 1931, 213. – Gemeint ist Bieber, Der Kampf um die Tradition. Die deutsche Dichtung im europäischen Geistesleben 1830–1880, Stuttgart 1928 (Epochen der deutschen Literatur, V). An Bieber erinnert immerhin ein eigener Eintrag im Internationalen Germanisten Lexikon (Bd. 1, 178 f.).
Das – zum größeren Teil unpublizierte – Werk Sigrids von der Schulenburg verdient eine eigene Untersuchung; gelegentliche Erwähnungen an den verschiedensten Stellen der Fachliteratur geben keine Vorstellungen von ihren Arbeiten.
In äußerster Verknappung hat Rothacker dieses Programm in einem 12 Seiten langen Brief an seinen Freund Albert Dietrich vom 18.6.1922 (ULB Bonn, NL Rothacker) dargelegt; auf diesen Brief weist auch Plas (Anm. 73), 64 hin.
Siehe dazu etwa seine heute noch lesenswerte Rezension zu Wölfflins »Kunstgeschichtlichen Grundbegriffen«, Repertorium für Kunstwissenschaft 41 (1919), 168–186.
Siehe Erich Rothacker, »Savigny, Grimm, Ranke. Ein Beitrag zur Frage nach dem Zusammenhang der Historischen Schule«, Historische Zeitschrift 128 (1923), 415–445.
Siehe Erich Rothacker, Logik und Systematik der Geisteswissenschaften, München, Berlin 1926 (Handbuch der Philosophie).
Niemeyer an Kluckhohn, 10.7.1922 (DLA, A:DVjs Kluckhohn).
Rothacker an Troeltsch, 20.6.1922, in: Troeltsch (Anm. 27), 384–389, hier: 384 f.
Siehe dazu das in Anm. 76 nachgewiesene Zitat aus Rothackers Heiteren Erinnerungen.
Siehe dazu etwa Rothacker an Burdach, 8.6.1922 (Archiv der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften [fortan: ABBAW], NL Burdach): »Ich glaube Ihnen dem Namen nach durch meine verehrte Freundin die Gräfin von der Schulenburg bekannt zu sein u würde mir sehr gern erlauben Sie in den wenigen Stunden, die ich mich morgen und übermorgen in Berlin aufhalte aufzusuchen.«.
In einem undatierten Brief von Ende 1921 oder Anfang 1922 teilte die Gräfin, die Burdach als »Hilfsarbeiterin« in seinen Arbeiten unterstützte, Rothacker mit, dass Burdach sie für Vorarbeiten zu einer Edition seiner »Kleinen Schriften« engagiert habe. Siehe dazu auch Rothacker an Sigrid von der Schulenburg, 24.8.1922 (ULB Bonn, NL Rothacker): »Burdach’s kleine Schriften für unsere Sammlung zu erhalten bin ich sehr vergnügt und danke auch Dir für die freundliche Mithilfe.«.
Am 15.8.1921 teilte Sigrid von der Schulenburg Rothacker mit, »daß Graf York, Sohn des Diltheyfreundes, mich auf eine freundliche Empfehlung des Prof. [Paul] Ritter nach Klein-Oels zur Durchsicht des Briefwechsels Dilthey – York eingeladen hat« (ULB Bonn, NL Rothacker). Kurz darauf wurde sie mit der Edition des Briefwechsels beauftragt, bei der Rothacker sie beriet.
Briefwechsel zwischen Wilhelm Dilthey und dem Grafen Paul Yorck v. Wartenburg 1877–1897, Halle/Saale 1923 (Philosophie und Geisteswissenschaften. In Verbindung mit Heinrich Maier, Georg Misch, Eduard Spranger, Emil Wolff hrsg. von Erich Rothacker. Buchreihe. 1). – Weshalb die Gräfin auf dem Titelblatt nicht als Herausgeberin des Briefwechsels genannt ist, obwohl § 2 des Herausgebervertrags (BBAW, NL Paul Ritter, Bd. 1) und auch Rothacker selbst sie in seiner Korrespondenz mehrfach als solche bezeichnete, ist unklar. Als der Briefwechsel 1938 (DVjs 16, 102) von Rothacker in einem Dilthey-Forschungsbericht wiederum unter der o. a. Titelangabe angezeigt wurde, beschwerte sich die Gräfin in einem an Hermann Niemeyer und Rothacker gerichteten Schreiben vom 7.9.1938 darüber, dass sie als Herausgeberin nicht genannt sei. In einem Schreiben vom 12.9.1938 an die Gräfin (ABBAW, NL Ritter, Nr. 22, Bd. III) entschuldigte sich Hermann Niemeyer für das nicht von ihm verursachte Versehen und ließ im selben Jahrgang (578) eine Berichtigung einrücken.
Burdach hatte den Kontakt zwischen Sigrid von der Schulenburg und Scherers Witwe Marie Scherer hergestellt, siehe von der Schulenburg an Rothacker, 13.7.1921, ULB Bonn, NL Rothacker. Am 24.9.1921 (ebd.) machte die Gräfin Rothacker auf die Briefe Diltheys an Hermann Usener aufmerksam, den die Usener-Erben angeblich verkaufen wollten.
Siehe dazu Niemeyer an Kluckhohn, 20.6.1922 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn): »Ich glaube es würde nichts schaden, wenn Sie jetzt schon mit einigen Herren Fühlung aufnehmen würden, damit wir uns die Mitarbeit sichern. Rothacker hatte Bedenken mit Burdach zu verhandeln, weil dies auch in Ihr Gebiet schlägt. Aber wir müssen doch Hand in Hand gehen und so habe ich ihm zugeredet, die günstige Gelegenheit des persönlichen Zusammentreffens mit Burdach zu benutzen.«.
Rothacker an Burdach, 18.7.1922 (ABBAW, NL Burdach).
Rothacker an Kluckhohn, 26.6.1922 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn); er fügte hinzu: »wie ich denn bestimmt glaube, daß Burdachs Editionen noch lange der Forschung dienen werden, wenn mancher klangvolle Name der heutigen schöngeistigen Wissenschaft längst verklungen sein wird.«.
Burdach an Rothacker, 15.8.1922 (ULB Bonn, NL Rothacker).
Auswahl, Kalkulation, Druck und Korrektur der Kleinen Schriften Burdachs erwiesen sich als kompliziert und langwierig; die Hauptlast der editorischen Arbeiten lag bei Kluckhohn.
Burdach an Rothacker, 15.8.1922 (ULB Bonn, NL Rothacker).
Rothacker an Kluckhohn, 28.8.1922 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn).
Kluckhohn versicherte Burdach am 8.7.1922, »dass in meinen Vorlesungen und Übungen kein Name eines heute lebenden Gelehrten mit solcher Ehrfurcht und solchem Nachdruck genannt wird wie der Ihre« (ABBAW NL Burdach, Nr. 679). Die Wertschätzung beruhte auf Gegenseitigkeit. Siehe ebd. auch Kluckhohns Brief an Burdach vom 4.11.1923.
Rudolf Unger, »Zur Entwicklung des Problems der historischen Objektivität bis Hegel. Eine prinzipiengeschichtliche Skizze«, DVjs 1 (1923), 104–138.
Rothacker an Kluckhohn, 4.11.1922 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn).
Niemeyer an Kluckhohn, 14.11.1922 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn).
Burdach reichte im Frühjahr 1926 seinen Aufsatz über »Die deutsche Kulturbewegung Böhmens und Schlesiens an der Schwelle der Renaissance« ein. Kluckhohn wollte den Aufsatz »sehr gerne bringen«, konnte aber das von Burdach gewünschte schnelle Erscheinen nicht gewährleisten, da die Hefte 3 und 4 des Jahrgangs 1926 für den 50. Geburtstag von Rudolf Unger und Walther Brecht reserviert waren (Kluckhohn an Burdach, 3.5.1926, DLA, ABBAW, NL Burdach). Daraufhin zog Burdach seinen Aufsatz zurück und veröffentlichte ihn im Euphorion (27 [1926], 493–521). Kluckhohn ließ er wissen: »Huldigungsschriften zum 50. Geburtstag sind meines Erachtens ein neuzeitlichster Unfug, den ich nicht mitmache.« (Burdach an Kluckhohn, 3.8.1926, ABBAW, NL Burdach, Nr. 679). Burdach zog auch die angekündigte Mitarbeit am Renaissanceheft der DVjs zurück und publizierte dort erst 1933 wieder.
Siehe dazu z. B. Rothacker an Burdach, 9.12.1922, 14.11.1925 (ABBAW, NL Burdach). Am 9.10.1925 schrieb Rothacker: »Und nun zum Schluß ein Wort über die Vierteljahrsschrift. Bitte bleiben Sie ihr treu! Wir wollen Sie gewiss nicht bedrängen aber stellen Sie uns doch bitte einmal wieder einen Beitrag, wenn auch in ferne Aussicht.«.
Unger war ihm aus den Münchner Semestern bekannt, siehe Rothacker (Anm. 76), 27: »Ich hörte bei Hermann Paul, Friedrich von der Leyen und besonders Rudolf Unger, in dessen Seminar ich kräftig einhakte.«.
Obwohl er an »Cysarz’ glänzender Begabung« kaum zweifelte (Rothacker an Kluckhohn, 11.11.1922, DLA, A:DVjs/Kluckhohn), blieb Rothacker Cysarz gegenüber von Beginn an skeptisch. Nach einer persönlichen Begegnung mit Cysarz schrieb er am 8.6.1923 an Kluckhohn (DLA, A:DVjs/Kluckhohn): »Cysarz war hier hat mir aber nicht sehr gefallen, ein hübscher Wiener Junge aus der Biedermeierzeit, hat aber etwas merkwürdig Flatterndes, von allem was er sagt bleibt auch gar nichts Festes hängen.«.
Burdach an Kluckhohn, 3.8.1926 (ABBAW, NL Burdach).
Siehe Burdach an Rothacker, 26.9.1925 (ULB Bonn, NL Rothacker): »Aber mit ihm [Rickert] wie mit dem mir sonst ganz fernen Hermann Cohen ist mir gemeinsam, daß ich gleich jenen nach Erkenntnis der Wahrheit strebe. Die Georgiasten aber sind Gnostiker und Mythologen, bestenfalls Künstler und Dichter. Sie hassen die Wissenschaft und suchen sie zu erdrosseln, indem sie ihre dichtende Halbphilosophie auf die Lehrstühle der deutschen Universitäten und neuerdings sogar in die deutschen Schulen bringen wollen.«.
Siehe grundsätzlich Konrad Burdach, »Moderner Geschichtssubjektivismus und die Berliner Geschichtswissenschaft. Eine Warnung vor der Mainlinie des deutschen Geistes«, Euphorion 26 (1925), 321–341. – Siehe dazu auch schon den Aufsatz des – mit Burdach verbundenen – Georg Stefansky, »Die Macht des historischen Subjektivismus«, Euphorion 25 (1924), 153–168, der eine Kritik der Arbeiten von Strich, Gundolf und Cysarz enthält.– Rothackers expliziteste Kritik an der Geschichtsauffassung des George-Kreises findet sich in einem Brief an Burdach vom 9.10.1925 (ABBAW, NL Burdach). Hier schreibt er, dass ihn das »Moment der idealen Zielsetzung« des George-Kreises »gehaltlich nicht zu überzeugen« vermag; im Hinblick auf Burdachs Geschichtssubjektivismus-Aufsatz meint er: »Insofern stehe ich ganz auf Ihre Seite«.
Rothacker stellte den Kontakt Gundolfs zur DVjs her, die Bewunderung für seine Person findet an vielen Stellen seines Briefwechsels mit Kluckhohn Ausdruck. Siehe auch noch Rothacker (Anm. 76), 61.
An Bieber schrieb Rothacker am 7.9.1922 (ULB Bonn, NL Rothacker): »Sie wissen wie ich Ihre Arbeiten bewerte und besonders würde ich es begrüssen in denselben heute doch recht seltene Beiträge von wirklich geistesgeschichtlicher Fundierung zu erhalten. Ich kann mir nicht helfen, aber so sehr ich Gundolf persönlich schätze und ganz abgesehen von prinzipiellen Bedenken: nach der Lektüre seiner Schriften, aber nicht minder auch nach der von so ganz andersartigen Arbeiten wie etwa Strichs neuem Buch [»Klassik und Romantik«], aber auch Cyssarz’‹ [sic] Erfahrung und Idee (sicher ist das ein hochbegabter Mensch) frage ich mich meist mit negativem Erfolg was ich eigentlich gelernt habe. Meist ist es weniger als nach der Lektüre eines kleinen Artikels von Ihnen.«.
Siehe Storck, Kisiel (Anm. 7).
Siehe Holger Dainat, »Benjamin, Rothacker und die DVjs«, Mitteilungen, Marbacher Arbeitskreis für Geschichte der Germanistik 1991, Heft 2, 23–27.
Siehe dazu auch Stöwer (Anm. 73), 83.
Rothacker an Spranger, 20.7.1922 (ULB Bonn, NL Rothacker, Durchschlag, unvollst.).
Kluckhohn teilte er am 12.8.1922 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn) mit, dass Spranger »organisationsunwillig« sei: »Wer nun der richtige Mann eigentlich sein wird, ist mir noch höchst unklar: ich werde wohl einmal an Misch schreiben, der hoffentlich nicht erfährt, dass ich erst bei Spranger war […].«.
Siehe dazu Rothacker an Kluckhohn, 12.8.1922 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn): »Nun noch eine grundsätzliche Frage: Sie schreiben mir, wen Sie bereits zur Mitarbeit aufforderten und wen Sie noch aufzufordern gedenken. Ich habe bisher nichts derartiges getan, weil wir noch keine Verabredung darüber getroffen haben.« Am 31.10.1922 (ebd.) schrieb er ihm: »Ihre Vorschläge für die ersten drei Hefte und die Verteilung der Beiträge finde ich ganz vortrefflich.«.
Siehe Dokumentenanhang, Nr. 5.
Siehe Anm. 118. – Der unvollständige Brief ist in Anlage 3 abgedruckt; Rothacker hatte ihn auch einem Schreiben (21.7.1922, ULB Bonn, NL Rothacker) an Niemeyer beigelegt.– Auf die Bedeutung dieses Memorandums wies schon Plas (Anm. 73), 97 hin.
Rothacker an Kluckhohn, 22.12.1922 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn).
Niemeyer an Kluckhohn, 22.12.1922 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn). Er fügte ebd. hinzu: »Ich habe offen gestanden bei den Überlegungen nicht hinreichend berücksichtigt, dass eventuell die neue Rothackersche Zeitschrift mit der Vierteljahrsschrift ernstlich in Konkurrenz treten könnte.«.
Siehe ebd.: »Nach dem Rothackerschen Plan scheint mir vielmehr die neue Zeitschrift ein gewisses ergänzendes Parallelunternehmen zur Vierteljahrsschrift, denn ich glaube wir müssen in der Vierteljahrsschrift, wie es ja auch wohl die ursprüngliche Absicht war, in erster Linie die Literaturwissenschaft betonen und die anderen geisteswissenschaftlichen Disziplinen möglichst nur da zur Sprache bringen, wo die unmittelbaren Beziehungen zur Literaturwissenschaft gegeben sind. Ich glaube, dass wir auf diese Weise einen festeren Stamm von regelmäßigen Abnehmern erhalten werden.
Eine allzugrosse Zersplitterung ist im Hinblick auf die Abonnenten, die nicht gerne etwas kaufen was sie nicht direkt interessiert, gefährlich. Immerhin liegt es mir gänzlich fern, auf irgendwelche Vorschläge jetzt einzugehen, welche Ihre Missbilligung fänden. […] Mir liegt natürlich in allererster Linie jetzt das Gelingen der Vierteljahrsschrift am Herzen.« Siehe dazu auch Niemeyer an Kluckhohn, 3.1.1923 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn).
Ebd.
Siehe Dokumentenanhang, Nr. 9.
Nach der Unterredung mit Niemeyer teilte Rothacker Kluckhohn am 27.1.1923 (DLA, A:DVjs/Kluckhohn) mit: »Wir geben inzwischen den Dilthey-Yorckbriefwechsel als ›Philosophie und Geisteswissenschaften, Buchreihe I‹ heraus, stellen von der eigentlichen Zeitschrift vorerst nur einen hektographierten Prospekt her mit dessen Hilfe sie dann langsam vorbereitet werden kann.«.
Siehe dazu Rothacker (Anm. 6).
Siehe dazu Niemeyer an Kluckhohn, 9.11.1922 (DLA, A: DVjs/Kluckhohn) im Hinblick auf die Teilung des Herausgeber-Honorars: »Sie haben doch die weit grössere Last« und vom 26.4.1923: »Die 50.000 Mk Herausgeberhonorar pro Heft habe ich nur für Sie gedacht. Rothacker hat wohl nicht annähernd die gleiche Arbeit bei der V.J.schrift«.
Der Germanist Werner Richter war 1925 vom Ministerialrat zum Ministerialdirektor des Preußischen Ministeriums für Wissenschaft, Kunst und Volksbildung befördert worden. Rothacker interessierte sich für Richters frühere Stelle als Leiter des Personalreferats der Hochschulabteilung. Seine inszenierten »Konfessionen« hatten zum Ziel, von dem aus Akademiekreisen gut informierten Burdach etwas über die Nachfolge Richters zu erfahren. Zum Zusammenhang siehe auch Stöwer (Anm. 73), 96.
Rothacker an Burdach, 9.10.1925 (ABBAW, NL Burdach).
Siehe dazu Rothackers ambitionierten Einsatz für geisteswissenschaftliche Forschungsinstitute, in: Forschungsinstitute. Ihre Geschichte, Organisation und Ziele. Unter Mitwirkung zahlreicher Gelehrter, hrsg. Ludolph Brauer u. a., Erster Band, Hamburg 1930, 93–103.
Zu diesem Projekt siehe knapp und konzis: Ernst Müller, Falko Schmieder, Begriffsgeschichte und historische Semantik. Ein kritisches Kompendium, Berlin 2016, Kap. 1.11: »Erich Rothackers Projekt eines kulturphilosophischen Wörterbuchs«; Margarita Kranz, »Geistige Kontinuität? Rothackers Projekt eines begriffsgeschichtlichen Wörterbuchs von 1927 und dessen Wiederaufnahme 1949«, Forum Interdisziplinäre Begriffsgeschichte 1 (2012), 45–48. Ausführlicher Margarita Kranz, »Begriffsgeschichte institutionell –Teil II. Die Kommission für Philosophie der Akademie der Wissenschaften und der Literatur Mainz unter den Vorsitzenden Erich Rothacker und Hans Blumenberg (1949–1974)«, Archiv für Begriffsgeschichte 54 (2012), 119–194.
Eduard Spranger, »Was heißt Geistesgeschichte?«, Die Erziehung 12 (1937), 289–302, hier: 290. – Siehe dazu die Unterscheidung einer »Bewegung« von einer »Schule« oder »Richtung« bei Klaus Christian Köhnke, Entstehung und Aufstieg des Neukantianismus. Die deutsche Universitätsphilosophie zwischen Idealismus und Positivismus, Frankfurt a. M. 1993, 330.
Dass freilich die nicht (unmittelbar) zweckgerichtete Materialsammlung eine konstitutive, in gewissem Sinne aber auch notwendige Folge der Philologisierung von Wissensbeständen war, gilt (spätestens) seit der Frühen Neuzeit, siehe dazu etwa Denis Thouard, »Die Folgen der Philologisierung«, in: Thouard u. a. (Hrsg.), Philologie als Wissensmodell/La philologie comme modèle de savoir, Berlin u. a. 2010 (= Pluralisierung und Autorität 20), 1–19, hier: 7.
Berlin 1892. – Hugo Falkenheim war ein Lehrer Rudolf Ungers, siehe Verf., »Rudolf Unger und die geistesgeschichtliche Revolution in München«, scientia poetica 25 (2021), 237–249.
Siehe etwa Eduard Spranger, Wandlungen im Wesen der Universität seit 100 Jahren, Leipzig 1913, 35: »So ist also die Überwindung des bloßen Positivismus und der Fortschritt zu einer Totalweltanschauung die eigentliche Gesamtleistung der Universität.«.
Eine Auseinandersetzung mit Hermann Pauls Begriffsbestimmung und Methodenlehre der Germanischen Philologie (in Grundriss der germanischen Philologie. Erster Band, Strassburg 1891) hätte sich hier ebenso angeboten wie die mit Josef Nadlers unterschätzter »Wissenschaftslehre der Literaturgeschichte«, Euphorion 21 (1914), 1–63.
Erich Rothacker, Einleitung in die Geisteswissenschaften, Tübingen 21930, Kapitel V, das Zitat 225.
Über ihren Einfluss auf die Literaturwissenschaft siehe Hans-Harald Müller, Myriam Isabell Richter, »Poetik, Ästhetik und Literaturwissenschaft zwischen 1890 und 1920«, in: Jörn Brüggemann u. a. (Hrsg.), Literarizität. Herausforderungen für Literaturdidaktik und Literaturwissenschaft, Baltmannsweiler 2016, 15–27.
Johannes Richter, Die Entwicklung des kunsterzieherischen Gedankens. Als Kulturproblem der Gegenwart nach Hauptgesichtspunkten dargestellt, Leipzig 1909 (Diss. phil. Leipzig), 45.
Siehe zu ihr die ausgezeichnete Übersicht von Wolfhart Henckmann, »Probleme der allgemeinen Kunstwissenschaft«, in: Lorenz Dittmann (Hrsg.), Kategorien und Methoden der deutschen Kunstgeschichte 1900–1930, Stuttgart 1985, 273–324 und Bernadette Collenberg-Plotnikov, »Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft«, Zeitschrift für Ästhetik und Allgemeine Kunstwissenschaft 61 (2016), 189–203.
Siehe dazu Hans-Harald Müller, Tom Kindt, »Was war eigentlich der Biographismus – und was ist aus ihm geworden? Eine Untersuchung«, in: Heinrich Detering (Hrsg.), Autorschaft. Positionen und Revisionen, Stuttgart, Weimar 2001 (= Germanistische Symposien XVI), 355–375.
Max Dessoir, »Systematik und Geschichte der Künste«, Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 9 (1914), 1–15, bes. 2.
Siehe Moritz Geiger, »Phänomenologische Ästhetik«, Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 19 (1925), 29–42, hier: 33: »Die phänomenologische Ästhetik steht hier ganz auf dem Boden jenes Objektivismus, den Dessoir vor einem Jahrzehnt programmatisch für die Ästhetik hervorgehoben […] hat.« Zum Zusammenhang siehe Jørgen Sneis, Phänomenologie und Textinterpretation. Studien zur Theoriegeschichte und Methodik der Literaturwissenschaft, Berlin 2018 (Historia Hermeneutica. Series Studia 17).
Werner Ziegenfuß, Die phänomenologische Ästhetik nach Grundsätzen und bisherigen Ergebnissen kritisch dargestellt, Berna-Leipzig 1927 (Diss. phil., Berlin 1927), 57.
August Herrmann Kober, »Wesen und Methode der Literaturwissenschaft«, Germanisch-Romanische Monatsschrift 7 (1915–1919), 109–118.
Siehe zu ihr Lutz Danneberg, »Zur Theorie der werkimmanenten Interpretation«, in: Wilfried Barner, Christoph König (Hrsg.), Zeitenwechsel. Germanistische Literaturwissenschaft vor und nach 1945, Frankfurt a. M. 1996, 313–342; Hans-Harald Müller, »Zur Genealogie der werkimmanenten Interpretation«, in: Sandra Pott, Oliver Huck (Hrsg.), Konzert und Konkurrenz. Die Künste und ihre Wissenschaften im 19. Jahrhundert, Göttingen 2010, 269–282.
Kober (Anm. 148), 115.
Ebd., 118; vgl. auch August H. Kober, »Der Begriff der Literaturgeschichte«, Zeitschrift für Ästhetik und allgemeine Kunstwissenschaft 10 (1915), 191–206.
Zu den Problemen, die sich allein für die Bestimmung des literarischen Werk-Begriffs – von Kunst einmal ganz abgesehen – akkumuliert haben, siehe Lutz Danneberg u. a. (Hrsg.), Das Werk. Zum Verschwinden und Fortwirken eines Grundbegriffs, Berlin 2019 (Revisionen 5).
Rudolf Unger, »Moderne Strömungen in der deutschen Literaturwissenschaft«. V: »Von den philologischen Grundlagen der Literaturgeschichte«, Die Literatur 26 (1923/24), 321–324, hier: 324.
Siehe dazu etwa Werner Mahrholz, »Literatur, Dichtung und ihre Geschichte«, Zeitschrift für den deutschen Unterricht 33 (1919), 369–382 und Josef Körner, »Literaturgeschichte und Literaturwissenschaft«, Neue Jahrbücher für klassisches Altertum, Geschichte und deutsche Literatur und für Pädagogik 25, H. 1 (1922), 166–181.
In seiner Abhandlung über »Literaturgeschichte als Wissenschaft« (Heidelberg 1914, unpaginiertes Vorwort) schrieb Julius Petersen schon 1914: »Wenn diese Schrift eine Tendenz hat, so richtet sie sich gegen die selbstmörderische Verblendung, mit der unsere Wissenschaft zur Zeit sachliche Gegensätze als Vorwand für persönliche Abneigungen und Interessen gelten läßt.« Ähnliche Klagen finden sich in der Disziplin bis zum Ende der 1920er Jahre zuhauf.
Josef Körner, [Rez.] »Oskar Walzel: Die künstlerische Form des Dichtwerks; Ricarda Huch: Ein Wort über die Kunst des Erzählens; Wechselseitige Erhellung der Künste«, Literaturblatt für germanische und romanische Philologie 1918, Sp. 17–26, hier: Sp. 17.
Siehe dazu Tom Kindt und Verf., »Dilthey gegen Scherer. Geistesgeschichte contra Positivismus. Zur Revision eines wissenschaftshistorischen Stereotyps«, DVjs 74 (2000), 685–709.
So schon in Diltheys Basler Antrittsvorlesung: »Die dichterische und philosophische Bewegung in Deutschland 1770–1800« (Antrittsvorlesung in Basel 1867), in: Dilthey, Gesammelte Schriften V, Stuttgart, Göttingen7 1982, 12–27, hier: 27.
Rudolf Unger, »Moderne Strömungen in der deutschen Literaturwissenschaft«, [I.] Die Literatur 26 (1923/24), 65–73, hier: 66.
Rudolf Unger, »Moderne Strömungen in der deutschen Literaturwissenschaft, [IV.] Wilhelm Diltheys Gesammelte Schriften«, Die Literatur 26 (1923/24), 129–131, hier: 130.
Freilich gab es auch eine angemessenere Dilthey-Rezeption, die allerdings nicht aufgearbeitet ist; siehe immerhin Rothacker (Anm. 75), 139 f. und Georg Stefansky, »Wilhelm Diltheys Gesammelte Schriften«, Euphorion 26 (1925), 109–130. Noch deutlicher ders. in seiner Rezension des Briefwechsels Dilthey – Yorck v. Wartenburg, Euphorion 25 (1924), 287–295, hier: 292: »Diltheys Philosophie hat sich in den Geisteswissenschaften, auch in der Literaturgeschichte, noch nicht ausgewirkt. Die Versuche, das monumentale Gebäude in seiner äußeren Architektur nachzuahmen, führen zu Kartenhäusern. Von innen heraus wird die künftige Umgestaltung erfolgen.«.
Ich verweise hier, stellvertretend für zahlreiche Monographien und Einzelstudien des Zeitraums nur auf die Arbeiten von Hans-Ulrich Lessing, Die Idee einer Kritik der historischen Vernunft. Wilhelm Diltheys erkenntnistheoretisch-logisch-methodologische Grundlegung der Geisteswissenschaften, Freiburg 1984; Frederick C. Beiser, The German Historicist Tradition, Oxford U.P. 2011, Kap. 8 und vor allem auf Christian Damböck, Deutscher Empirismus. Studien zur Philosophie im deutschsprachigen Raum 1830–1930, Basel 2017 (Veröffentlichung des Instituts Wiener Kreis 24).
Siehe etwa das schiefe Dilthey-Bild in Andreas Mahler, Martin Mulsow (Hrsg.), Texte zur Theorie der Ideengeschichte, Stuttgart 2014, Einleitung 13.
Siehe Kurt Müller-Vollmer, Towards a Phenomenological Theory of Literature. A Study of Wilhelm Dilthey’s Poetik, The Hague 1963 (= SSGS Stanford Studies in Germanics and Slavics Vol. I).
Für Bollnow ist Dilthey »der eigentliche Begründer der Geistesgeschichte«, der »die Literaturgeschichte seiner Zeit, besonders in den zwanziger Jahren, entscheidend bestimmt.« Otto Friedrich Bollnow, »Wilhelm Diltheys Stellung in der deutschen Philosophie. Zur Geschichte der Dilthey-Edition und Dilthey-Rezeption«, in: Ders., Studien zur Hermeneutik. Band I: Zur Philosophie der Geisteswissenschaften, Freiburg 1982, 178–203, hier: 185.
Rudolf Unger (Anm. 159), 66.
Siehe zu ihr: Daniela Gretz, Die deutsche Bewegung. Der Mythos von der ästhetischen Erfindung der Nation, München 2007; Gretz’ umfassende Darstellung folgt noch der Dilthey-Rezeption aus der Mitte des 20. Jahrhunderts.
Herman Nohl, »Die deutsche Bewegung und die idealistischen Systeme«, Logos 2 (1911/12), 350–359.
Siehe dazu Herman Nohl, Die Deutsche Bewegung. Vorlesungen und Aufsätze zur Geistesgeschichte von 1770–1830, hrsg. Otto Friedrich Bollnow, Frithjof Rodi, Göttingen 1970.
Otto Dann stellte bereits 1987 in einem größeren Kontext unmissverständlich fest, dass Dilthey die Bezeichnung »Deutsche Bewegung« in seiner Vorlesung nicht verwendet hatte und dass Diltheys Charakterisierung der Bewegung keine Kritik an der Aufklärung beinhaltete. Otto Dann, »Herder und die Deutsche Bewegung«, in: Gerhard Sauder (Hrsg.), Johann Gottfried Herder 1744–1803, Hamburg 1987 (Studien zum 18. Jahrhundert 9), 312–340, hier: 312.– Entsprechend wurde der Begriff in den 1920er Jahren mitunter auch gar nicht auf Dilthey, sondern auf Nohl zurückgeführt, siehe Heinz Kindermann, »Die Anfänge der Deutschen Bewegung«, Zeitschrift für deutsche Bildung 3 (1927), 645–666; hier: 652, wo Kindermann die Deutsche Bewegung mit dem Nebensatz expliziert: »so nennen wir seit Nohls Vorgang die irrationale Entfaltung des deutschen Geistes vom Pietismus zur Romantik«. – Siehe auch Kluckhohns Rückführung des Begriffs auf »Nohl und seine Schule« in der Rezension von Julius Petersens »Wesensbestimmung der deutschen Romantik« (Deutsche Literaturzeitung 1927, Sp. 352–357, hier: Sp. 356).
Siehe Dilthey (Anm. 158), 13.
So charakterisiert von Gerhard Kaiser, Grenzverwirrungen. Literaturwissenschaft im Nationalsozialismus, Berlin 2008, 468–470. Siehe auch schon Ralf Klausnitzer, Blaue Blume unterm Hakenkreuz. Die Rezeption der deutschen literarischen Romantik im Dritten Reich, Paderborn u. a. 1999, 48.
Siehe dazu etwa Paul Kluckhohn, »Die Fortentwicklung der deutschen Romantik in der Kultur des 19. und 20. Jahrhunderts«, Zeitschrift für deutsche Bildung 4 (1928), 57–69 und ders., »Die konservative Revolution in der Dichtung der Gegenwart«, Zeitschrift für deutsche Bildung 9 (1933), 177–190.
Zahlreiche detaillierte Nachweise bei Kaiser (Anm. 172), 469.
Paul Kluckhohn, Die Idee des Volkes im Schrifttum der deutschen Bewegung von Möser und Herder bis Grimm, Berlin 1934, Nachwort 221–224, hier: 223. Dasselbe in Kluckhohn, »Die Ideen Volk und Staat in der deutschen Romantik«, Die Pause. Kultur, Kunst, Bildung, Leben 1940, Heft 5, 12–15.
Siehe Otto Koischwitz, Die Revolution in der deutschen Literaturwissenschaft, Berlin, New York 1926.
Siehe Rudolf Unger, »Moderne Strömungen in der deutschen Literaturwissenschaft«, Die Literatur 26 (1923/24), 65–73, hier: 71.
Siehe Rudolf Unger, »Schriften zur Geistesgeschichte«, Die Literatur 31 (1928/29), 210–212, hier: 211.
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Müller, HH. Zwischen »Bewegung« und Wissenschaft. Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 97, 559–588 (2023). https://doi.org/10.1007/s41245-023-00208-7
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