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Zusammenfassung

Ziel des Aufsatzes ist es, den Begriff der Literatur zu bestimmen. Zweifel an der Bestimmbarkeit des Begriffs (Abschnitt I) verkennen, daß die literarische Praxis einer konstanten Regel folgt: Der Gebrauch von Dramen, Gedichten und erzählender Prosa gilt als potentiell unendlich (II). Diese Invarianz garantiert die Definierbarkeit des Literaturbegriffs und dient als Maßstab der Begriffsbildung. Die Explikation ist nur gültig, sofern sie die Regel zu begründen vermag, daß literarische Texte nicht verbraucht werden können. Der vorliegende Versuch einer Begründung setzt beim modernen Sprachkonzept Saussures und Wittgensteins an: Sprache ist eine rekursive, selbstdefinierende Struktur (III). Die literarische Praxis läßt sich als ein Modell dieser Struktur analysieren. Das Schreiben, Lesen, Kommentieren oder Anwenden eines literarischen Textes vollzieht sich in potentiell autonomen und deshalb potentiell unendlichen Rückbezügen (IV). Rekursivität ist weder mit selbstreferentieller Geschlossenheit im Sinne der Formästhetik noch mit Selbst-zweckhaftigkeit im Sinne des l’art pour l’art zu verwechseln. Vielmehr begründen Rekur-sionen, daß literarische Texte sich überhaupt auf etwas anderes beziehen und die Welt in fiktionaler oder bildlicher Form darstellen können (V). Eine Lektüre von Kafkas Parabel „Vor dem Gesetz“ zeigt, wie die Rückbezüge eines Textes als Auslegungsmedium verschiedener Arten von Erfahrung dienen können (VI). Der letzte Abschnitt (VII) verfolgt die Frage nach den kausalen und logischen Einschränkungen literarischer Selbstbestimmtheit.

Abstract

This paper sets out to define the concept of literature. Objections to its definability (section I) fail to recognize that literary practice is governed by an invariant rule: the use of poems, plays and fiction counts as virtually infinite (II). This invariance warrants the defineability of literature and serves as a criterion of adequacy. Any valid explication must account for the rule that literary texts cannot be used up. The modern concept of language, elaborated by Saussure and Wittgenstein, provides the basis for an explication: language is a recursive, self-defining structure (III). Literary practice can be analysed as a model of this structure. To write, read, explain and apply a literary text is to operate in a recursive or even autonomous fashion, which is virtually infinite (IV). Re-cursivity is not be confused with self-referential closure or with the quality of being an end in itself. Recursions provide the very conditions under which literary texts can refer to something else and represent the world in a fictional or imaginative way (V). A reading of Kafka’s parable “Before the Law“ shows how the self-definition of a text can be applied as an interpretive medium to various kinds of experience (VI). The last section addresses the question of causal and logical constraints to literary self-definition (VII).

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Literature

  1. Vgl. John R. Searle, Ausdruck und Bedeutung, 2. Aufl., Frankfurt a.M. 1990, 81.

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  2. Alastair Fowler, Kinds of Literature, Oxford 1997, 1.

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  3. Zur Unterscheidung konstitutiver und regulativer Regeln vgl. John R. Searle, Mind, Language and Society, New York 1999, 123.

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  4. Ludwig Wittgenstein, Philosophische Grammatik, Werkausgabe IV, 4. Aufl., Frankfurt a.M. 1991, 99. Vgl. auch Wittgenstein, Grammatik, 131: „Der Sinn eines Satzes ist nicht pneumatisch (wie der Gedanke es nicht ist), sondern er ist das, was auf die Frage nach der Erklärung des Sinnes zur Antwort kommt. Oder: der eine Sinn unterscheidet sich vom andern, wie die Erklärung des einen von der Erklärung des andern“. Zur Äquivalenz von Sinn und Sinnerklärung siehe auch Untersuchungen § 560.

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  5. Willard V.O. Quine, Quiddities, London 1990, 43–44.

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  6. Die Annahme eines „transzendentalen Signifikats“ im Sinne Derridas (vgl. Jacques Derrida, Grammatologie, Frankfurt a.M. 1983, 85–87), also eines letzten, vermeintlich unersetzbaren Inhalts, der alle anderen Definitionen zusammenfaßt und rechtfertigt, wird mit der Wittgensteinschen Bestimmung des Zeichens von vornherein ausgeschlossen. Das Begriffspaar „Ausdruck/Inhalt“ für „Signifikant/Signifikat“ geht auf Louis Hjelmslev zurück, vgl. Prolegomena zu einer Sprachtheorie, München 1974, 52.

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  7. Vgl. Ferdinand de Saussure, Grundfragen der allgemeinen Sprachwissenschaft, 2. Aufl., Berlin 1967, 143–144. Auf Seite 144 heißt es: „[…] der Satz, daß in der Sprache alles negativ sei, gilt nur vom Bezeichneten und der Bezeichnung, wenn man diese gesondert betrachtet: sowie man das Zeichen als Ganzes in Betracht zieht, hat man etwas vor sich, das in seiner Art positiv ist. Ein sprachliches System ist eine Reihe von Verschiedenheiten des Lautlichen, die verbunden sind mit einer Reihe von Verschiedenheiten der Vorstellungen […]“.

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  8. Zu Versionen dieser paradoxen Formel vgl. z.B. Jacques Derrida, Dissemination, London 1981, 168; ders. „Living On: Border Lines“, in: Harold Bloom et al. (Hrsg.), Reconstruction and Criticism, New York 1979,128; ders. Randgänge der Philosophie, Wien 1988, 313

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  9. vgl. auch Niklas Luhmann, Ökologische Kommunikation, Opladen 1986, 268.

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  10. Für einen radikalen Differenzbegriff vgl. insbesondere George Spencer Brown, Laws of Form, London 1971. Der Begriff der Unterscheidung („Form“) wird hier so definiert, daß es logisch ausgeschlossen ist, Unterscheidungen zu erkennen oder zu bezeichnen. Was man erkennt oder bezeichnet, ist immer nur die eine oder die andere Seite eines Unterschieds.

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  11. Diese Erläuterung orientiert sich an Wittgensteins Begriff der „successiven“ oder „fortgesetzten“ Anwendung, vgl. Tractatus, Werkausgabe J, 5.2521. Exemplarisch für Rekursionen sind Spiele: Sie konstituieren sich durch die fortgesetzte Anwendung der Spielregeln auf die Ergebnisse ihrer Befolgung, d.h. auf die jeweilige Spielstellung. Wittgensteins Vergleich der Grammatik mit einem Netzwerk oder einem System läßt sich als Umschreibung des Begriffs der rekursiven Struktur auffassen: „Man könnte quasi in der Grammatik der Sprache die ganzen Zusammenhänge auffinden (nachschlagen). Das ganze Netz, in das der Satz gehört, ist da zu sehen“. (Philosophische Grammatik, Werkausgabe IV, Frankfurt a.M. 1991, Grammatik, 149). Die Wortsprache ist aber womöglich nicht der einzige Fall einer rekursiven Zeichenstruktur. Zu denken wäre etwa an die Tonsprache der Musik sowie die Zahlen- und Diagrammsprache der Mathematik. Zeichenstrukturen sind aber nicht die einzigen rekursiven Strukturen. Zum einen ist an sinnhafte, aber außersprachliche (nicht-definitorische) Handlungsstrukturen zu denken, wie z.B. das Schachspiel. Zum anderen könnte es im Zusammenhang mit Theorien der Evolution oder der Autopoiesis sinnvoll sein, von rekursiven Kausalstrukturen zu sprechen. Zum Thema Autopoiesis vgl. Humberto Maturana, Francisco Varela, Erkennen: Die Organisation und Verkörperung von Wirklichkeit, 2. Aufl., Braunschweig 1985.

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  12. Da man, um Erklärungen verstehen zu können, bereits über gewisse Grundkenntnisse der Sprache verfügen muß, kann das Erlernen der Sprache nicht mit Erklärungen beginnen. Deshalb sagt Wittgenstein: „Die Grundlage jeder Erklärung ist die Abrichtung“. (Ludwig Wittgenstein, „Zettel“, Werkausgabe VIII, Frankfurt a.M. 1984, §419) Im Zuge des Spracherwerbs geht die Konditionierung dann in Erklärungen über, so daß Reiz-Reaktionsintervalle von Äquivalenzen überformt werden. Das Zitat wirft auch ein Licht auf die in der Wittgenstein-Exegese umstrittene Frage der Regelbefolgung. Die letzte Erklärung dafür, daß und wie wir einer Regel folgen, liegt in unseren kausal bedingten Verhaltensdispositionen. Allerdings nimmt das Argument dann die schon erwähnte, für Wittgenstein kennzeichnende, dualistische Wendung: Die Erklärung unserer Disposition, eine Regel zu befolgen, erklärt nicht die Regel selbst. (Aus dieser Annahme folgt unter Umständen auch ein Argument gegen die deterministisch begründete Ablehnung der Willensfreiheit.)

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  13. Vgl. hierzu die Schemata Roland Barthes in: Elemente der Sémiologie, 2. Aufl., Frankfurt a.M. 1981, 75–78.

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  14. Zum Zusammenhang von Deklarationen und Funktionszuschreibungen („x zählt als x in z“) vgl. John Searle, Die Konstruktion der sozialen Wirklichkeit, Reinbek b.H. 1997, 64.

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  15. Vgl. dazu Willard V.O. Quine, Word and Object, Cambridge (Mass.) 1985, insbes. Kap. II. Die ersten beiden Bestimmungen lassen sich auch allgemeiner formulieren, so daß sie nicht nur für Zeichenstrukturen und definitorische Begründungen, sondern mögli-cherweise auch für andere sinnhafte Strukturen, etwa für außersprachliche Handlungs-zusammenhänge, gelten könnten: (1) Eine Struktur begründet sich in dem Maße, wie sich ihre Elemente durch einander oder durch sich selbst begründen lassen. (2) Eine Struktur ist genau dann autonom, wenn sie durch sich selbst dichter, weiter, tiefer und reiner begründet werden kann als durch eine andere Struktur. Die dritte Bestimmung und das Rekursionsprinzip sind dagegen nicht allgemein anwendbar. Obwohl z.B. das Schachspiel autonom ist, bezieht es sich auf keinen äußeren Gegenstand. Es repräsentiert nichts. Die Frage liegt nahe, ob man nur bei Zeichenstrukturen von Referenz und Repräsentanz sprechen kann. Mit Blick auf die Taxonomie rekursiver Strukturen könnte es jedenfalls sinnvoll sein, Selbstbegründung als allgemeinen Begriff für semantische Rekursionen, d.h. für Sinn überhaupt, anzusetzen und dann innerhalb dieses Begriffs zwischen definitorischen (Zeichenstrukturen) und nicht-definitorischen Selbstbegründungen (et-wa dem Schachspiel) zu unterscheiden. Selbstbegründungen sind so oder so holistisch, vgl. dazu auch die folgenden Bemerkungen Wittgensteins: „Wenn wir anfangen, etwas zu glauben, so nicht einen einzelnen Satz, sondern ein ganzes System von Sätzen. (Das Licht geht nach und nach über das Ganze auf.)“. Im anschließenden Paragraphen heißt es: „Nicht einzelne Axiome leuchten mir ein, sondern ein System, worin sich Folgen und Prämissen gegenseitig stützen“. (Über Gewißheit, Werkausgabe VIII, Frankfurt a.M. 1984, §§141–2.)

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  16. Mit dem Gedanken, daß rekursive Geschlossenheit (unter gewissen Umständen) Offenheit erzeugt, knüpft das vorliegende Konzept direkt an die Systemtheorie Luh-manns an; vgl. dazu etwa Niklas Luhmann, Die Gesellschaft der Gesellschaft I, Frankfurt a.M. 1997, 68. In anderen Punkten ergeben sich aber grundsätzliche Unterschiede. (1) Nach der vorgeschlagenen Theorie bestehen rekursive Strukturen nicht aus Differenzen oder Formen (im Sinne Spencer Browns), sondern aus Äquivalenzen. (2) Die rekursive Struktur gliedert sich nicht von oben (absteigend), durch Teilung eines markierten Raumes, sondern baut sich von unten (aufsteigend) aus einzelnen Äquivalenzen auf. (3) Das Rekursionsprinzip begründet keine konstruktivistische Position. Es ist wichtig, sich klarzumachen, daß die Annahme, Referenz sei allein durch die Sprache selbst festgelegt, keineswegs impliziert, die Existenz von Referenzobjekten und der Wahrheitswert von Aussagen seien ebenfalls allein durch die Sprache festgelegt. Der Konstruktivismus und die verbreitete Kritik an Korrespondenztheorien der Wahrheit verkennen die kategoriale praktische Grenze zwischen Definitionen und Aussagen (Prädikationen) sowie parallel dazu zwischen Berechnungen und Schlußfolgerungen einerseits, Experimenten und Mes-sungen andererseits. (Wittgensteins Philosophie läßt sich als fortlaufende Explikation dieser kategorialen Unterschiede auffassen.) Das Paradigma von Wahrheit wäre die Korrespondenz einer theoretisch abgeleiteten oder errechneten Zahl mit der Zahl eines Meßergebnisses. Konstruktivisten müßten sich dagegen auf den Standpunkt stellen, Messungen seien „im Grunde“ Rechnungen, Aussagen „letztlich“ Definitionen. (4) Schließlich wird in der vorgelegten Theorie das semantische Konzept der Selbstdefinition klar gegen das kausale der biologischen Autopoiesis (Selbsterzeugung) abgegrenzt. Die Sprachstruktur ist selbstdefinierend, aber nicht autopoietisch. Umgekehrt ist eine Zelle oder ein Organismus — falls Humberto Maturana und Francisco Varela Recht haben — autopoie-tisch, aber nicht selbstdefinierend. So wenig die Sprachstruktur aus raumzeitlichen Intervallen besteht und sich als solche kausal erklären läßt, so wenig besteht eine autopoieti-sche Struktur aus Äquivalenzen. Was beide dagegen gemeinsam haben könnten, ist ihre Rekursivität. Die rekursiven Intervalle der Autopoiesis und Evolution einerseits und die rekursiven Äquivalenzen der Selbstbegründung andererseits wären dann — in den metaphysischen Begriffen Spinozas ausgedrückt — zwei wohlunterschiedene Attribute derselben relationalen Substanz: der Rekursivität des Lebens im allgemeinen. Dank ihrem komplexen seelischen Apparat bilden nur Menschen, soweit man bisher weiß, die Schnittstelle beider Attribute.

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  17. Vgl. Roman Jakobson, „Linguistics and Poetics“, Selected Writings III, The Hague 1981, 19–51.

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  18. Karl Philipp Moritz, Werke II, 2. Aufl., hrsg. Horst Günther, Frankfurt a.M. 1993, 580–581.

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  19. Zu Jakobsons Einflüssen vgl. auch Tzvetan Todorov, Symboltheorien, Tübingen 1995, Kap. 10. Todorov geht in einem früheren Kapitel auch ausführlich auf Moritz ein. Während in Kants Ästhetik Autonomie eher als Eigenschaft der ästhetischen Wirkung angesehen wird, betont Moritz vor allem werkbezogene Aspekte. Ähnliche Ideen sind in der Folge weit verbreitet. So faßt Oscar Wilde seine Ästhetik in dem Grundsatz zusammen: „Art never expresses anything but itself. It has an independent life, just as thought has, and develops purely on its own lines“. („The Decay of Lying“, in: Theory, Adams [Hrsg.], 658–670, hier: 670) A.C. Bradley betont die Unersetzlichkeit des literarischen Wortlauts: „[…] in true poetry it is, in strictness, impossible to express the meaning in any but its own words, or to change the words without changing the meaning“. (Poetry for Poetry’s Sake, in: Theory, Adams [Hrsg.],701–710, hier: 706); vgl. auch Bradleys Bemerkung zur „gradual self-definition of meaning“ (708). Damit ist bereits ein wesentlicher Glaubensartikel des New Criticism bezeichnet. Dieser Ansatz wird in Cleanth Brooks’ „The Heresy of Paraphrase“ weiter ausgearbeitet. Dichtung ist für Brooks eine nicht paraphrasierbare Struktur, in der gegensätzliche Einstellungen und Haltungen so vermittelt werden wie die Figurenperspektiven im dramatischen Werk. Da sich die einzelnen Blickwinkel in der literarischen Gesamteinstellung wechselseitig relativieren, hat Literatur, so Brooks, einen strukturell ironischen oder paradoxen Charakter

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  20. vgl. Cleanth Brooks, The Well Wrought Um, New York 1947. Die Idee der Selbstbegründung wird aber auch von Ansätzen anerkannt, die dem Ästhetizismus und dem New Criticism entschieden kritisch gegenüber stehen. So schreibt Terry Eagleton: „[…] every dramatic production fashions a relationship between itself and the text by fashioning a relationship between the text and what it speaks of. The determining basis of that relationship is, naturally, the text’s own self-comprehension; for if that were thrown completely aside, discarded and abolished, there would be no play to produce“.

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  21. (Terry Eagleton, Criticism and Ideology, London 1995, 68.) Auch der Dekonstruktivismus verweist auf das Prinzip der Selbstbegründung. Es bildet den Angelpunkt in Derridas Polemik gegen die psychoanalytische Deutung von Poes The Purloined Letter durch Jacques Lacan: „[…] what occurs in the psychoanalytical deciphering of a text when the deciphered (text), already explains itself? When it reveals a great deal more (a debt acknowledged more than once by Freud)? And above all when it also inscribes in itself the scene of deciphering?“

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  22. Jacques Derrida, „The Purveyor of Truth“, in: Yale French Studies 52 (1975), 31–113, hier: 32.

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  23. Vgl. Erwin Panofsky, Aufsätze zu Grundfragen der Kunstwissenschaft, Berlin 1992, 175.

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  24. Zu einer Diskussion möglicher Kriterien des Dramas vgl. Manfred Pfister, Das Drama, München 1977, Kap. 1.

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  25. Raymond Chandler, Later Novels and Other Writings, New York 1995, 980.

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  26. Der entscheidende Schritt in diesem Argument besteht darin, nicht vom beschriebenen fiktiven Gegenstand, z.B. Sherlock Holmes, sondern von fiktionalen Erwähnungen, also z.B. von Holmes-Erwähnungen auszugehen. Mit dem Ausdruck „Holmes-Erwäh- nung“ wird nicht vorausgesetzt, daß es etwas gebe, wovon „Holmes“ der Name sei. Nelson Goodman hat dies zum Prinzip seiner Analyse von Fiktionalität gemacht, auf der die folgenden Überlegungen teilweise aufbauen; vgl. dazu die zusammenfassende Darstellung in Nelson Goodman, Vom Denken und anderen Dingen, Frankfurt a.M. 1987, 177–181.

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  27. Vgl. Oliver St. John Gogarty, As I Was Going Down Sackville Street, Gifkendorf 1996.

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  28. Percy Bysshe Shelley, Poetical Works, London 1967, 621.

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  29. Franz Kafka, Romane und Erzählungen, Frankfurt a.M. 2004. Die im Text in Klammern angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf diese Ausgabe.

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  30. Hartmut Binder, „Vor dem Gesetz“, Stuttgart 1993, 224.

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  31. Jacques Derrida, „Before the Law“, in: ders., Acts of Literature, hrsg. Derek Attridge, New York 1992, 181–220.

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  32. Taehwan Kim, Vom Aktantenmodell zur Semiotik der Leidenschaften, Tübingen 2002.

  33. Robert B. Pippin, Modernism as a Philosophical Problem, 2. Aufl., Oxford 1999, sowie ders., Idealism as Modernism, Cambridge 1997. Grundlegend für die Diskussion ist auch Jürgen Habermas, Der philosophische Diskurs der Moderne, Frankfurt a.M. 1985.

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  34. Zum Begriff der Wertrationalität vgl. Max Weber, Wirtschaft und Gesellschaft, Tübingen 1980, 12. Der Glaube an den „unbedingten Eigenwert eines bestimmten Sichverhaltens rein als solchen“ (ebd.) kann sich nur in einer tautologischen Erklärung ausdrükken, etwa folgendermaßen: „Es ist sinnvoll und wichtig, dies zu tun, weil dieses Tun sinnvoll und wichtig ist“, genauer: „weil dieses Tun überhaupt erst definiert, was es heißt, (in einer bestimmten Situation) etwas Sinnvolles und Wichtiges zu tun“. Es besteht hier eine gewisse Analogie zum „Wiederholungszwang“ indexikalischer und deklarativer Äußerungen. In diesem Zusammenhang ist ferner bemerkenswert, daß Weber soziales Handeln allgemein durch Rekursivität kennzeichnet: Es orientiert sich definitionsgemäß „am vergangenen, gegenwärtigen oder für künftig erwarteten Verhalten anderer“ (ebd., 11). Wertrationalität ließe sich demnach als das „Übermaß“ sozialen Handelns betrachten: „Ich handle so, damit und weil andere auch so handeln.“

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  35. Vgl. etwa mit Blick auf die Ausdifferenzierung der Kunst und Literatur Pierre Bour- dieu, Die Regeln der Kunst, Frankfurt a.M. 2001, sowie Niklas Luhmann, Die Kunst der Gesellschaft, Frankfurt a.M. 1995.

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Mussil, S. Der Begriff der Literatur. Dtsch Vierteljahrsschr Literaturwiss Geistesgesch 80, 317–352 (2006). https://doi.org/10.1007/BF03374633

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