Skip to main content
Log in

Der Drache und das Miezekätzchen

Anmerkungen zu einer Wissenschaftskonzeption, die ein Märchen bleibt oder: Was bringt ein Vergleich zwischen Feyerabend und Holzkamp?

  • Diskussion
  • Published:
Zeitschrift für allgemeine Wissenschaftstheorie Aims and scope Submit manuscript

Zusammenfassung

Als die zwei auch für die Wissenschaftstheorie relevantesten Konversionen der letzten Jahre gelten die von Holzkamp hin zum Marxismus sowie die von Feyerabend hin zum Anarchismus oder Dadaismus. Beide Forscher haben autobiographische Notizen publiziert, die ihre Konversion plausibel machen sollen. Darüberhinaus liegt durch jüngste Publikationen auch bei Feyerabend inzwischen genügend theoretisches Material vor, aufgrund dessen eine erste Bilanz gewagt werden kann. Mit dem Schwerpunkt auf Feyerabend lautet die Hauptfrage, warum er „nur“ zum Anarchismus konvertierte, nicht aber zum Marxismus. Bezogen auf die Auseinandersetzung zwischen emanzipatorischer Anthropologie und nomothetischer Methodologie wird zunächst die Kritik der Forschungspraxis aufgezeigt, wie sie vom frühen (konstruktivistischen) Holzkamp und von Feyerabend geübt wurde. Spätestens bei dem seit den Analysen von Kuhn aktuellem Bruch zwischen Wissenschaftstheorie und -praxis ist Feyerabend im Unterschied zu Holzkamp nicht mehr motiviert, diesen Bruch rational zu rekonstruieren. Vielmehr tut Feyerabend alles dafür, die Autorität der Wissenschaft zu erschüttern. Die Überführung seines durchaus teilbaren Kampfes gegen ein (naiv gehandhabtes) Falsifikationsprinzip in einen Kampf für pluralistische Methodologie ist letztlich ein Zeichen der Hilflosigkeit einer idealistischen und voluntaristischen Philosophie. Seine radikaldemokratische Konzeption der Wissenschaft als Abstimmungsgeschäft etabliert jene ‘Mob‘-Herrschaft, die er in seiner Auseinandersetzung mit Lakatos' Basisurteilen noch ablehnte.

Als Ursache für den Unterschied in der Konversion bei Holzkamp und Feyerabend wird herausgestellt: Das liberalistische Privatindividuum Feyerabend ist im Unterschied zu Holzkamp nie in der Lage, seine Interessen an Wissenschaft von der Praxis her disziplinieren zu lassen und die positiven Ansätze zu einer „kosmologischen“ Analyse in einer umfassenden Reflektion des Zusammenhangs von Wissenschaft und Gesellschaft aufzuheben.

This is a preview of subscription content, log in via an institution to check access.

Access this article

Price excludes VAT (USA)
Tax calculation will be finalised during checkout.

Instant access to the full article PDF.

LiteraturLiteraturverzeichnis

  • Albert, H. (1973): Vom Instrumentalis mus zur Hermeneutik des Gesamtsubjekts. Holzkamps Übergang zum verstehenden Marxismus im Lichte realistischer Kritik. In: Albert, H. und H. Keuth: Kritik der kritschen Psychologie. Hamburg, S. 179–220.

  • Feyerabend, P. K. (1972a): Von der beschränkten Gültigkeit methodologischer Regeln. In: Feyerabend (1978a), S. 205–248.

  • -- (1972b): Die Wissenschaftstheorie — eine bisher unerforschte Form des Irrsinns? In: Feyerabend (1978a), S. 293–331.

  • -- (1976): Wider den Methodenzwang. Skizze einer anarchistischen Erkenntnistheorie. Frankfurt/M.

  • -- (1977a): Nachtrag 1977. In: Feyerabend (1978a), S. 24–33.

  • -- (1977b): Nachtrag 1977. In: Feyerabend (1978a), S. 105–112.

  • -- (1977c): Nachtrag 1977. In: Feyerabend (1978a), S. 331–338.

  • -- (1977d): Nachtrag 1977. In: Feyerabend (1978a), S. 203–204.

  • -- (1978a): Der wissenschaftstheoretische Realismus und die Autorität der Wissenschaften. Ausgewählte Schriften, Band 1. Braunschweig.

  • -- (1978b): Kuhns ‘Struktur wissenschaftlicher Revolutionen’. Ein Trostbüchlein für Spezialisten? In: Feyerabend (1978a), S. 153–202.

  • -- (1978c): Die ‘Rationalität’ der Forschung. In: Feyerabend (1978a), S. 339–350.

  • -- (1978d): Die Wissenschaften in einer freien Gesellschaft. In: Feyerabend (1978a), S. 351–367.

  • -- (1979): Erkenntnis für freie Menschen. Frankfurt/M.

  • Holzkamp, K. (1970: Wissenschaftstheoretische Voraussetzungen kritisch-emanzipatorischer Psychologie. In: Holzkamp (1972a), S. 75–146.

  • -- 1972a): Kritische Psychologie. Vorbereitende Arbeiten. Frankfurt/M.

  • -- (1972b): Verborgene anthropologische Voraussetzungen der allgemeinen Psychologie. In: Holzkamp (1972a), S. 35–74.

  • -- (1972c): Die Beziehung zwischen gesellschaftlicher Relevanz und wissenschaftlichem Erkenntnisgehalt psychologischer Forschung (Kritisch-historische Analyse der vorstehenden Aufsätze). In: Holzkamp (1972a), S. 207–288.

  • Jacoby, R. (1975): Soziale Amnesie. Eine Kritik der konformistischen Psychologie von Adler bis Laing. Frankfurt/M. 1978.

  • Keuth, H. (1972): Eine Revolte in der Psychologie. In: Z. f. allg. Wissenschaftstheorie, 3, S. 329–357.

    Article  Google Scholar 

  • Kuhn, Th. S. (1962): Die Struktur wissenschaftlicher Revolutionen. Frankfurt/M. 1973.

  • -- (1978): Die Entstehung des Neuen. Studien zur Struktur der Wissenschaftsgeschichte. Frankfurt/M.

  • Lakatos, I. (1974a): Falsifikation und die Methodologie wissenschaftlicher Forschungsprogramme. In: Lakatos/Musgrave (1974), S. 89–188.

  • -- (1974b): Die Geschichte der Wissenschaften und ihre rationalen Rekonstruktionen. In: Lakatos/Musgrave (1974), S. 271–311.

  • -- (1974c): Popper on Demarcation and Induction. In: Schilpp, P. A. (Hg.): The Philosophy of Karl Popper. Book 1. La Salle.

  • -- und Musgrave, A. (Hg.) (1974): Kritik und Erkenntnisfortschritt. Braunschweig.

  • Niemeyer, Ch. (1979a): Lothar W. — Klaus Holzkamps berühmtester Fall. Kritisch-psychologische Therapie auf psychoanalytischer Grundlage. In: Psyche, 33, S. 306–342.

    Google Scholar 

  • -- (1979b): Zur Theorie und Praxis der kritischen Psychologie. Unv. Diss. Münster.

  • Popper, K. R. (1974): Die Normalwissenschaft und ihre Gefahren. In: Lakatos/Musgrave (1974), S. 51–57

  • Spinner, H. (1979a): „Die Gesellschaft ist kein akademischer Debattierclub“. Kritischer Rationalismus heute. Interview. In: Psychol. heute, 6, H. 7., S. 14–21.

    Google Scholar 

  • —— (1979b): „Wo Wissen Privileg ist, wird Kritik zur Waffe.“ Kritischer Rationalismus heute (II). Interwiew. In: Psychol. heute, 6, H. 8, S. 41–46.

    Google Scholar 

Download references

Author information

Authors and Affiliations

Authors

Rights and permissions

Reprints and permissions

About this article

Cite this article

Niemeyer, C. Der Drache und das Miezekätzchen. Zeitschrift für Allgemeine Wissenschaftstheorie 11, 115–134 (1980). https://doi.org/10.1007/BF01801286

Download citation

  • Published:

  • Issue Date:

  • DOI: https://doi.org/10.1007/BF01801286

Navigation