Zusammenfassung
Bemüht man sich um eine erste, noch recht grobe Eingrenzung des Zeitraums, innerhalb dessen sich Michel Foucault für die Untersuchung historischer Subjektivierungsformen zu interessieren beginnt, ist es hilfreich, sich jenen beiden Vortragen zuzuwenden, die er vor der Société française de philosophie in Paris hält. Als er 1969 unter dem schlichten Titel Was ist ein Autor? (vgl. Foucault 2001a) das Augenmerk auf die besonderen Voraussetzungen lenkt, denen die Kategorien Autor und Werk ihre Geltung verdanken, wird unweigerlich auch der Begriff des Subjekts auf neue, irritierende Weise in den Blick genommen: Statt das Subjekt noch länger als vorgängige Größe und als verlässliche Erkenntnisgrundlage zu betrachten, müsse es vielmehr -so Foucault — als „variable und komplexe Funktion des Diskurses“ begriffen werden (Foucault 2001a: 1029), die auf historisch je spezifische Weise bestimmt werde. Die Kategorie des Autors, von der kaum behauptet werden könne, dass sie sich als sonderlich stabile und resistente historische Größe erwiesen habe, beschreibe lediglich eine charakteristische Weise, diese Funktion auszufüllen. Ironischerweise war es dann der marxistische Literatursoziologe Lucien Goldmann, der sich in der Diskussion, die sich an den Vortrag anschloss, zum Anwalt des Subjekts erklärte und an Foucault die Frage richtete, ob er dieses damit nicht unzulässigerweise auf den Status einer bloßen Funktion reduziere (vgl. Foucault 2001a: 1038).
“Washed my face in the rivers of Empire...“
Joey Burns
Für die kritische Lektüre des Manuskripts und hilfreiche Rückfragen gilt mein Dank Rita Casale, Karin Priem, Norbert Ricken und Gabriella Schmitz.
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Rieger-Ladich, M. (2004). Unterwerfung und Überschreitung: Michel Foucaults Theorie der Subjektivierung. In: Ricken, N., Rieger-Ladich, M. (eds) Michel Foucault: Pädagogische Lektüren. VS Verlag für Sozialwissenschaften. https://doi.org/10.1007/978-3-322-85159-8_11
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