Zusammenfassung
Für unseren Begriff der Gegenstände der Biologie ist es charakteristisch, daß diese Gegenstände eine Geschichte haben. Das unterscheidet sie von den Grundgegenständen der Physik, die wir so definieren, daß sie als Elemente in geschichtliche Abläufe zwar eingehen, ohne dabei indes selbst historischen Wandlungen unterworfen zu sein. Deswegen ist es im Rahmen biologischer Forschungen üblich, Erklärungen einmal für Veränderungen und einmal für Entstehungen eines Lebewesens (einer Art) anzustreben.
Es wird zu zeigen versucht, daß die bekannten Einwände gegenüber teleologischen Erklärungen innerhalb der Biologie sich präzisieren und verschärfen lassen, wenn man jene Unterscheidung zwischen Veränderungs- und Entstehungserklärungen berücksichtigt. Darüber hinaus wird zu zeigen versucht, daß gewisse Erklärungen innerhalb der Biologie dadurch gekennzeichnet sind, daß sie, im Gewand einer Veränderungserklärung, den Entstehungszusammenhang des Schemas der Lebensäußerung, dessen Aktualisierung eigentlich zur Debatte steht, mitzureflektieren versuchen. Das Resultat einer solchen Mischung sind die quasi-teleologischen oder teleonomischen Erklärungen. Deren heuristischer Wert liegt darin, daß sie im Bezug auf das Einzelne die Entstehung des Allgemeinen, dessen Instanz jenes ist, mitaufzudecken versuchen. Ihre Problematik liegt darin, daß sie zwei verschiedene Explanandumtypen auf eine nicht unmittelbar erkennbare Weise überlappen lassen.
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Ausarbeitung eines Vortrags, der im Sommersemester 1980 in einem vom Institut für Biogenetik und vom Philosophischen Seminar der Universität Saarbrücken veranstalteten interdisziplinären Seminar gehalten wurde. Für Anregungen und Kritik danke ich allen Teilnehmern des Seminars, insbesondere Herrn Professor Heinrich Kröger und Herrn Professor Kuno Lorenz.
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Ros, A. „Kausale, teleologische und teleonomische Erklärungen“. Zeitschrift für Allgemeine Wissenschaftstheorie 13, 320–335 (1982). https://doi.org/10.1007/BF01801561
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