Einleitung

Klinische Ethikarbeit und damit verbundene Strukturen Klinischer Ethik (z. B. Klinische Ethikkomitees) haben in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen (Schochow et al. 2014; Fox et al. 2021). Neben der Einzelfallberatung (Klinische Ethikberatung) und der Entwicklung von Ethik-Leitlinien wird die Fortbildung als wesentliche Aufgabe der unterschiedlichen Formen Klinischer Ethikarbeit gesehen (Ho et al. 2016; Bundesärztekammer 2006; Akademie für Ethik in der Medizin 2010; Vollmann 2008). Obwohl Ethik-Fortbildungen für die Klinische Ethikarbeit und deren wirksame Umsetzung eine zentrale Bedeutung haben, ist die Studienlage zu den Gestaltungsmöglichkeiten in diesem Arbeitsfeld überschaubar (Crico et al. 2021). Das erstaunt, sind doch ein effektives Wissensmanagement (Dauwerse et al. 2014; Teichmann 2019) und die gezielte Förderung von Ethik-Kompetenzen unter den Mitarbeitenden zentrale Voraussetzungen für ethisch angemessene Versorgungsqualität (Bottrell et al. 2010).

Hier setzt die vorliegende Arbeit an: Sie bietet eine Übersicht von Formaten und Inhalten, die denjenigen Hilfestellung bieten kann, die in ihrer Einrichtung Fortbildungen zu ethischen Themen konzeptionieren und durchführen wollen. Gleichzeitig soll auch für deren Strukturen und die in ihnen zu gestaltenden Prozesse und je spezifischen Aufgabenstellungen sensibilisiert werden. Insbesondere richtet sich diese Übersicht an Personen, die noch wenig Erfahrung in der Implementierung derartiger Fortbildungsformate haben. Ausgehend von den Erfahrungswerten sechs Klinischer Ethiker*innen wurde eine strukturierte Auseinandersetzung mit dem Arbeitsfeld der Fortbildungen im Rahmen der Klinischen Ethikarbeit vorgenommen. Leitende Fragestellung dabei war, was bei der Konzeption einer Ethik-Fortbildung im Rahmen der Klinischen Ethikarbeit innerhalb einer Einrichtung bezüglich Inhalt, Methode, Setting und Strukturierung zu berücksichtigen ist.

Hintergrund

Fortbildungen Klinischer Ethik müssen zum einen an die individuelle Erfahrungswelt und ethischen Herausforderungen im beruflichen Kontext angepasst sein, zum anderen an das jeweils spezifische theoretische Vorwissen der Zielgruppe anknüpfen (Vaswani 2016; Scher und Kozlowska 2018; Hong et al. 2021). Mit Blick auf das zu erwerbende Wissen bzw. die zu erlangenden Kompetenzen für das Studium von Ärzt*innen und die Ausbildung/das Studium von Pflegefachpersonen wurde z. B. zunehmend die Notwendigkeit erkannt, dass die jeweiligen Curricula ethische Themen mehr in den Blick nehmen müssen: 1989 wurde durch eine Arbeitsgruppe der Akademie für Ethik in der Medizin „Empfehlungen für die Weiterentwicklung des Unterrichtsangebotes zu Fragen der Ethik in der Medizin“ entwickelt (Akademie für Ethik in der Medizin 1989), Konzepte für die Integration in die Pflegeausbildung folgten (Rabe 2006; Lehmeyer und Riedel 2019). Inzwischen liegen umfangreiche Vorschläge für Formate, Lern- und Kompetenzziele und Unterrichtsinhalte sowohl im Medizinstudium (Biller-Andorno et al. 2003; Neitzke 2008; Kühlmeyer et al. 2022; Kuhn et al. 2022) als auch in der Pflegeausbildung/dem Pflegestudium (Riedel et al. 2017, 2022; Riedel und Giese 2019; Monteverde 2022) vor. Zudem wurde im Verlauf mehr und mehr die Relevanz von Interprofessionalität bzw. interprofessionellem Lernen in Ausbildung und Studium hinsichtlich ethischer Fragen betont (Neitzke 2005; Seidlein et al. 2022; Salloch und Seidlein 2022; Seidlein und Salloch 2022).

Strukturen Klinischer Ethik sollen aber nicht nur das in der jeweiligen Ausbildung bzw. dem Studium erworbene Wissen und die Kompetenzen der größten Berufsgruppen im Gesundheitswesen – Ärzt*innen und Pflegefachpersonen – berücksichtigen, sondern bei der Konzeptionierung von Fortbildungsangeboten auch andere Mitarbeitende ihrer Einrichtung (z. B. Physiotherapeut*innen, Seelsorger*innen)Footnote 1, Patient*innen, Zu- und Angehörige sowie Bürger*innen als Zielgruppen adressieren (Bundesärztekammer 2006). Die Autor*innen sind der Ansicht, dass die ethische Fortbildung von Laien in der Rolle als (potenziellen) Patient*innen und Angehörigen das Empowerment fördern kann. Als Element der Gesundheitskompetenz kann so auch eine Verbesserung der Versorgungsqualität – etwa durch kompetentere Entscheidungsfindungsprozesse und einer breiten Wissensbasis als Grundlage für den Informed Consent – erzielt werden. Zu diesem „Spagat“ der zielgruppenübergreifenden Ausrichtung findet sich in der Literatur allerdings nur vereinzelt Hilfestellung. Beispielsweise sind in der Literatur Schilderungen von Modellprojekten zur Ethikfortbildung von Mitarbeitenden innerhalb eines Krankenhauses (Christ et al. 1997) oder von interdisziplinärem, multiprofessionellem Ethikunterricht anhand realer Fälle in Seminarform (Salomon 2006) zu finden. Wenn sich Publikationen gezielt mit Fragen der berufsbegleitenden ethischen Fortbildung befassen, dann zumeist sehr spezifisch auf ein bestimmtes Tätigkeitsfeld zugeschnitten wie z. B. neonatologische Intensivmedizin (Cummings 2016), Kinder- und Jugendpsychiatrie (Dingle et al. 2016) oder Palliativmedizin (De Panfilis et al. 2020). Auf der anderen Seite werden zunehmend auch berufsbegleitende, klinisch integrierte Ethikzertifikatprogramme entwickelt, bei denen z. B. klinisch tätige Ärzt*innen spezifische Expertise in der Medizinethik erwerben können (Thomas et al. 2021). Diese, in ein strukturiertes Curriculum mit zu erwerbendem Abschluss integrierten Veranstaltungen, fallen nach unserem Verständnis jedoch eher unter den Aspekt der Weiterbildung. Ebenso fallen Fortbildungen, die sich ausschließlich an qualifizierte Ethikberater*innen richten, nicht unter den hier behandelten Schwerpunkt.

Nur selten widmen sich Publikationen allerdings gezielt dem Thema berufsbegleitender ethischer Fortbildung allgemein bzw. aus methodologischer Sicht (vgl. z. B. McCarthy et al. 2017) und für eine Anwendung in der gesamten Organisation. Zumeist finden sich Aufzählungen verschiedener Formate ohne weitere bzw. tiefergehende Beschreibung (Bundesärztekammer 2006), oder es werden Themen mit hohem Fortbildungs- und Informationsbedarf mit einer Kurzbeschreibung von möglichen Formaten genannt (Neitzke 2010). Vereinzelt finden sich Erläuterungen von Formaten und Inhalten von Fortbildungsveranstaltungen (vgl. z. B. Wernstedt und Vollmann 2005; Vollmann 2008; Woellert 2021). Zugleich findet – anders als eingangs für die grundständige Ausbildung dargestellt – bislang insbesondere in Deutschland wenig systematische Auseinandersetzung mit Fragen der Konzeption (z. B. Dauer, Methodik), Umsetzung (Implementierungsprozess) und Evaluation bzw. Wirksamkeit (vgl. z. B. de la Garza et al. 2017; Sulmasy et al. 1994; White und Zaner 1993) von Fortbildungsangeboten, die sich an diejenigen richten, die in den verschiedenen Gesundheitsfachberufen die Patient*innenversorgung gestalten, statt. Es reicht jedoch nicht, nur die Inhalte an die jeweiligen Schulungsbedarfe anzupassen – auch Methode und Setting einer Fortbildungsmaßnahme müssen gleichermaßen berücksichtigt werden (Woellert 2021, S. 64). Die Erkenntnisse aus dem Kontext der Ausbildung(-sforschung) lassen sich aus mehreren Gründen nicht ohne Weiteres auf die Situation in der klinischen Fortbildung übertragen: Klinische Ethikfortbildungen bauen auf dem bereits erworbenen Grundlagenwissen auf, beziehen häufig die klinischen Erfahrungen als Ausgangspunkt der Betrachtungen mit ein und orientieren sich eher an den Prinzipien der Erwachsenenbildung, sodass auch andere didaktische Methoden zum Einsatz kommen. Oftmals ist auch die Heterogenität (Alter, berufliche Vorerfahrung) der Zielgruppe größer als in der Primärqualifikation. Die damit verbundenen, sehr unterschiedlichen Erwartungshaltungen der Teilnehmenden spielen eine große Rolle für den Erfolg bzw. Misserfolg einer Ethikfortbildung. Die zumeist auf Freiwilligkeit beruhende Teilnahme muss nicht nur einen subjektiv überzeugenden, theoretischen und praktischen Mehrwert für die Teilnehmenden erbringen, sondern sie bestenfalls motivieren, auch zukünftig Veranstaltungen der Klinischen Ethik zu besuchen und andere dafür zu begeistern. Klinische Ethikfortbildungen sind zudem in der Regel nicht an festgelegte Bedingungen gebunden (z. B. normative curriculare Strukturen, Lernzielkataloge etc.). Sowohl die Gestaltungsfreiheit als auch der Rahmen für die Implementierung sind folglich anders.

Bei der Gestaltung einer effektiven Schulungsmaßnahme müssen demnach eine Vielzahl von strukturellen und didaktischen Aspekten berücksichtigt werden. Darüber hinaus findet Ethikbildung oftmals auch außerhalb von Fortbildungen statt: So bewirken Ethik-Fallberatungen und die Entwicklung von Ethik-Leitlinien in vielen Fällen einen Zugewinn an ethischer Kompetenz bei den Beteiligten (Riedel 2016; de Snoo-Trimp et al. 2020). In dem Bewusstsein, dass alle Säulen klinischer Ethikarbeit damit das Potenzial zur Generierung von Fortbildungseffekten besitzen und ineinandergreifen (vgl. dazu auch Simon 2021), fokussiert der Aufsatz Formate, deren primäres Ziel die Fortbildung ist.

Methoden

Im Frühjahr 2021 bildete sich eine Arbeitsgruppe aus sechs Personen mit unterschiedlichen disziplinären Hintergründen (Medizin, Philosophie, Pflegewissenschaft), die in ihren jeweiligen Einrichtungen in unterschiedlichen Funktionen in der Klinischen Ethikarbeit tätig sind. In diesem Rahmen haben die Autor*innen umfassende Erfahrung in der inhaltlichen und methodischen Konzeption von Ethik-Fortbildungen gesammelt. Alle Mitglieder sind an universitären Krankenhäusern tätig, alle verfügen über eine mehrjährige praktische Erfahrung in der Klinischen Ethik. Alle Beteiligten haben die Qualifikation zum*r Ethikberater*in gemäß den Standards der AEM durchlaufen; wobei alle Kompetenzstufen (K1–K3) der AEM-Zertifizierung für Ethikberatung im Gesundheitswesen in der Gruppe vertreten sind. Das jeweilige Tätigkeits- und Verantwortungsfeld der Arbeitsgruppenmitglieder in der klinischen Ethik wird durch unterschiedliche Positionen bzw. Stellenbeschreibungen ausgekleidet und erstreckt sich zudem von ehrenamtlicher Berufung bis zu vergüteter Vollzeitbeschäftigung.

In einem zuerst offenen, kollegialen Austausch wurden zentrale Herausforderungen und Problemlagen im Zusammenhang mit Ethik-Fortbildungen diskutiert. Dabei zeichnete sich ab, dass trotz dieses grundsätzlich gemeinsamen Tätigkeitsfeldes individuell sehr unterschiedliche Umsetzungen erfolgten und dass die Mitglieder der Arbeitsgruppe daher über sehr unterschiedliche Erfahrungen in Bezug auf Ethik-Schulungen verfügten. Die Autor*innen begaben sich daraufhin in einen mehrstufigen Prozess des systematischen Erfahrungsaustauschs (vgl. Tab. 1). Zentrales Ziel dieses Vorgehens war es einerseits, die Vielfalt möglicher Formate und Umsetzungsformen aufzuzeigen, andererseits die Frage danach zu beantworten, welche Aspekte bei der Konzeption von Ethik-Schulungen in klinischen Einrichtungen berücksichtigt werden sollten.

Tab. 1 Methodisches Vorgehen

Der methodische Zugang zur Beantwortung der explorativen Fragestellung gliedert sich in ein mehrstufiges, deskriptives Verfahren. Dabei wurde auch der Reflexionsprozess als Instrument zum Erkenntnisgewinn genutzt: Die einzelnen Schritte des Prozesses umfassen nicht nur eine schrittweise differenziertere Erfassung, Beschreibung und Kategorisierung der durch die einzelnen Autor*innen vorgestellten Fortbildungsformate, sondern auch die Reflexion beispielsweise der jeweiligen Unterschiede, Gemeinsamkeiten und Kontextfaktoren. Während also zwar entsprechend berücksichtigt werden muss, dass die je individuelle Perspektive der einzelnen Autor*innen ins Gewicht fällt, wurde dieser Tatsache zur Minimierung einer Bias-Gefahr durch den Reflexionsprozess in der Gruppe Rechnung getragen. Die Erfassung der Formate erfolgte alternierend in Arbeitssitzungen, an denen alle Autor*innen teilnahmen (Expert*innenrunden) und individueller Arbeit zwischen den Sitzungen.

Ausgehend von der Definition der primären Zielgruppe (Klinikmitarbeitende der Gesundheitsprofessionen/Gesundheitsfachberufe und der psychosozialen Versorgungsstrukturen sowie Personen, die im Rahmen von Studium oder Ausbildung in der Klinik tätig sind (z. B. PJler, Praktikant*innen)) und der Kernfragestellung wurden in einer ersten Gruppendiskussion (Expert*innenrunde 1) standortübergreifende Gemeinsamkeiten und Unterschiede bei der Entwicklung, Durchführung und regulären Implementierung der bestehenden Formate festgehalten. Aus dieser ersten Übersicht wurde – ausgehend von Mayrings Verständnis induktiver Kategorienbildung (Mayring 2000) – ein vorläufiges Kategoriensystem zur Erfassung und umfänglichen Beschreibung der unterschiedlichen Fortbildungsformate entwickelt. Dieses wurde dann in individueller Arbeit für die einzelnen Standorte ausgefüllt. In einer zweiten Gruppendiskussion (Expert*innenrunde 2) wurden anschließend die während der individuellen Bearbeitung aufgefallenen Kritikpunkte am vorläufigen Kategoriensystem diskutiert und in einem nächsten Schritt der Überarbeitung und Redundanzreduktion aufgenommen. Die Inhalte für die überarbeitete Version wurden erneut in individueller Arbeit eingepflegt. In einem letzten Schritt (Expert*innenrunde 3) erfolgte die finale Kategorisierung nach erneuter Re-Evaluation hinsichtlich der Relevanz der Formate für den Ethiktransfer und die Klassifizierung als „Fortbildung“. Mit „Relevanz“ ist in diesem Zusammenhang die Eignung für die praktische Umsetzung und die Dienlichkeit für einen gelingenden Ethiktransfer in den einzelnen Einrichtungen – auf Basis der jeweiligen individuellen Erfahrungen – gemeint.

Aus der initial ungeordneten Aufstellung konnten so anhand der jeweiligen Spezifika eine Reduktion und Zusammenfassung zu Kategorien von Formaten hin zu einer gegliederten Übersicht vorgenommen werden.

Ergebnisse

Als zentrales Ergebnis des Gruppenprozesses konnten sieben übergeordnete Fortbildungsformate, die an den fünf deutschen Universitätsklinika implementiert sind, differenziert werden:

  1. 1.

    Symposium/Ethik-Tag

  2. 2.

    Didaktische Falldiskussion

  3. 3.

    Fortbildungen „on demand“

  4. 4.

    Ethik-Café

  5. 5.

    Mediennutzung und Diskussion

  6. 6.

    Bereitstellung von Expert*innenwissen

  7. 7.

    Netzwerktreffen

Diese Differenzierung diente im Weiteren als Grundlage für die Diskussion der Anschlussfragen zu den Kernmerkmalen von Implementierungs- und Transferprozessen. Hierzu konnten acht direkt strukturierende Merkmale (Zielgruppe, Fortbildungsziel, Häufigkeit/Rhythmus, Dauer, Veranstaltungsgröße und -struktur, Setting, didaktische Methoden) von Fortbildungsformaten herausgearbeitet werden. Zielgruppe und Fortbildungsziel (Wissensvermittlung, Kompetenzentwicklung, Haltungsentwicklung, Reflexion der Handlungspraxis) können zwei richtungsgebende Ansatzpunkte sein, um für die Auswahl hinsichtlich der weiteren direkt strukturierenden Merkmale Schwerpunkte zu setzen. Sowohl Zielgruppen als auch Fortbildungsziele können allerdings mehrere einzelne Aspekte umfassen (Wissens- und Kompetenzvermittlung, Mitarbeitende und externes Fachpersonal).

Weiterhin spielen auch solche Merkmale eine Rolle, die rahmengebend die Gestaltungs- und Umsetzungsspielräume für die jeweiligen Fortbildungsformate definieren und sich demnach indirekt in der Konzeption und Umsetzung der Formate widerspiegeln. Diese werden im Folgenden als indirekt strukturierende Merkmale von Fortbildungsformaten bezeichnet. Bei den vier indirekt strukturierenden Merkmalen rahmengebender Eigenschaften handelt es sich um

  • die Qualifikation der ausführenden Personen. Diese umfasst unserem Verständnis nach sowohl inhaltliche Ethik-Expertise als auch praktische Expertise im klinischen Feld sowie methodische, pädagogische und didaktische ExpertiseFootnote 2

  • bestehende Kooperationen mit anderen Arbeitsbereichen bzw. Einbezug selbiger zur Verwirklichung von Fortbildungsformaten (z. B. Medizinische Psychologie, Unternehmenskommunikation).

  • (finanzielle) Möglichkeiten, um z. B. externe Expert*innen als Refernt*innen einladen zu können.

  • die Stellung klinischer Ethik in der Organisation (Stellenbesetzung im Klinischen Ethikkomitee bzw. Stellenumfang des*der Klinischen Ethiker*in; hierarchische Ansiedlung innerhalb des Organigramms).

Das Zusammenspiel bzw. die Wechselwirkung zwischen den Dimensionen der direkt strukturierenden Merkmale und rahmengebenden Faktoren für die Umsetzung der Formate stellt wesentliche hemmende oder förderliche Faktoren dar, die somit über den Erfolg oder Misserfolg einer Ethikfortbildung entscheiden können.

Abb. 1 liefert einen Überblick über die acht Dimensionen direkt strukturierender Merkmale von Fortbildungsveranstaltungen und Varianten für deren Ausprägung. Tab. 2 zeigt, welche Kombinationen von direkt strukturierenden Merkmalen sich – basierend auf den Erfahrungswerten der Autor*innen – in bestimmten Fortbildungsformaten als sinnvoll erwiesen haben. Die sinnvolle Zusammenstellung von Formaten und den dazu passenden, direkt strukturierenden Merkmalen wird u. a. durch die didaktischen Methoden eingegrenzt, die zum Einsatz kommen, um das jeweilige Fortbildungsziel zu erreichen. Daraus ergeben sich Voraussetzungen für das Interaktionsniveau und die benötigte Zeit.

Abb. 1
figure 1

Übersicht über die acht Dimensionen direkt strukturierender Merkmale und Beispiele für deren Ausprägung. Die Darstellung beschränkt sich auf Formate, die in den Universitätsklinika Anwendung finden und ist folglich nicht erschöpfend. Diese kommen innerhalb verschiedener Fortbildungsformate (vgl. Tab. 2) zum Tragen

Tab. 2 Zusammenstellung von Formaten mit positiven Erfahrungswerten

Die Vielfalt spiegelt nicht nur bereits aus der einschlägigen Literatur bekannte Formate wider (z. B. Ethik-Café), sondern zeigt auf, dass Fortbildungen auch in weniger explizit als Fortbildungsformaten bekannten Settings stattfinden. So wird Expert*innenwissen zu medizin- und pflegeethischen Fragestellungen auch niedrigschwelliger und informeller durch die – einmalige, regelmäßige (in festen Abständen) und/oder auf Anfrage stattfindende – Teilnahme an mono- und interprofessionellen Stationssitzungen/Teamsitzungen sowie in Form von Einzelgesprächen bzw. -beratungen transportiert. Ethik-Fortbildungen finden zudem häufig nicht nur isoliert, sondern auch als in anderen Querschnittsbereichen integrierter Bestandteil statt. So bemühen sich die klinischen Ethiker*innen z. B. auch bei Blockveranstaltungen zur Einarbeitung neuer Mitarbeiter*innen und Fortbildungstagen bestimmter Fachbereiche wie bspw. Onkologie, Perinatologie, mit assoziierten ethischen Frage- und Problemstellungen präsent zu sein. Besonders hervorzuheben sind „on demand“-Formate, bei denen die klinischen Ethiker*innen methodisch unterschiedlich gestaltete Veranstaltungen zu wiederkehrend relevanten Themen vorhalten (z. B. Vorsorgedokumente) und auf Wunsch ad-hoc anbieten können. Sie ermöglichen es damit, den akuten Bedarfen der Teams flexibel zu begegnen.

Ein Großteil der Angebote wird proaktiv durch das KEK bzw. die klinischen Ethiker*innen entwickelt und aktiv in die jeweiligen Kliniken eingebracht. Der Auftrag zur Entwicklung und Implementierung der einzelnen Formate basiert somit zumeist auf dem in der jeweiligen Geschäftsordnung des KEK bzw. in der Stellenbeschreibung des*der Klinischen Ethiker*in formulierten Zuständigkeit für Fortbildungen. In wenigen Fällen wird der Wunsch zur Entwicklung und Implementierung eines spezifischen Formats – zumeist gekoppelt an ein aktuell relevantes Thema – aus anderen Arbeitsbereichen an die Zuständigen herangetragen. Der Auftrag basiert dann auf einem ausdrücklichen Bedürfnis der Kliniker*innen. Die Bedarfsfeststellung erfolgt dabei entweder mit Hilfe informeller (z. B. Gespräche mit Kolleg*innen) oder formeller Abfragen (z. B. systematische Fragebogenerhebung, Teilnahme an Stationsbesprechungen).

Die praktische Organisation und konkrete Umsetzung obliegt zumeist dem KEK bzw. bestimmten Arbeitsgruppen innerhalb der KEKs. Die Mehrheit der Fortbildungsformate richtet sich an interprofessionell bzw. interdisziplinär zusammengesetzte Gruppen aus Teilnehmenden des Klinikpersonals. Zwischen den einzelnen Formaten ist die Varianz der Veranstaltungsdauer hoch (30 min. bis zu 8 h), ebenso wie der Veranstaltungsrhythmus (einmalig, wiederkehrend regelmäßig oder unregelmäßig und on-demand). Die Entscheidung, welchen Umfang eine Veranstaltung hat, wird von den zeitlichen Ressourcen der Zielgruppe ausgehend getroffen und das Thema dementsprechend aufbereitet. Ein Großteil der Formate wird von den klinischen Ethiker*innen und ggf. dem Team des klinischen Ethikkomitees selbst bestritten; zu Symposien, Filmvorführungen und Netzwerktreffen werden jedoch zumeist auch ausgewiesene Expert*innen des jeweils fokussierten Themas eingeladen. Inwieweit dies jeweils möglich ist, hängt auch von den indirekt strukturierenden Merkmalen wie etwa individuellen Ressourcen, Wissensbeständen und personellen Kapazitäten ab.

Diskussion

Der Beitrag zeigt einen Auszug aus der Palette klinisch-ethischer Fortbildungen an Universitätsklinika in Deutschland. Die Darstellung ist keineswegs repräsentativ, sondern beschränkt sich auf Formate, mit denen die Autor*innen persönlich Erfahrungen gesammelt haben. Sie kann und soll somit nicht erschöpfend sein, sondern vielmehr eine praxisorientierte Übersicht liefern. Einsteiger*innen in das Feld kann sie dadurch Orientierung bieten und bereits erfahrenen Kolleg*innen neue Impulse liefern und dazu anregen, etablierte Formate am eigenen Haus neu zu kombinieren und anders geartete „Mischungen“ auszuprobieren.

Während des mehrstufigen Arbeitsprozesses der klinischen Ethiker*innen ist deutlich geworden, dass eine wesentliche Schwachstelle in dem fehlenden systematischen Erfahrungsaustausch bzgl. der Konzeption und Umsetzung zwischen den Häusern besteht und damit wichtige Synergien und Ressourcen ungenutzt bleiben. Bereits fest etablierte Rahmen, wie bspw. das durch die AEM organisierte Online-Treffen klinischer Ethiker*innen, könnten hierzu stärker genutzt werden. Dadurch können bekannte Fallstricke gezielt vermieden sowie Erfahrungen mit ähnlichen Formaten an den verschiedenen Standorten ausgetauscht werden.

Zum anderen wurde deutlich, dass die angebotene Vielfalt an klinisch-ethischen Fortbildungen bislang nicht immer konsequent hinsichtlich ihrer Effekte evaluiert wird. Bisher verwendete Evaluationsansätze basieren vor allem auf dem Inanspruchnahme-Verhalten (Anzahl der Teilnehmer*innen) und informellen Feedbackgesprächen, die kaum systematisch erfasst werden. Um die Entscheidungsfindung in ethisch relevanten Situationen und moralischen Problemlagen in der klinischen Praxis zu unterstützen und zu verbessern, wurden zahlreiche Fortbildungsmaßnahmen und klinisch-ethische Unterstützungsangebote entwickelt; die Forschung zur Bewertung der Wirksamkeit dieser Maßnahmen ist jedoch nach wie vor begrenzt (Ignatowicz et al. 2022). So gibt es auch international bislang nur wenige Belege für die Wirksamkeit von Fortbildungsformaten in der klinischen Ethik, was nicht zuletzt auch in den zahlreichen forschungsmethodischen Herausforderungen begründet liegt (u. a. Studiendesign, Assessmentinstrumente). Ein zweiseitiger Fokus mit Blick einerseits auf die Wirksamkeit als ein Erfüllen der Bedarfe der Zielgruppe, sowie das Erreichen der ausgewählten Fortbildungsziele andererseits, könnte als Ansatzpunkt für eine Operationalisierung dienen. Während es in den vergangenen Jahren Bestrebungen gab, um die Effekte/das Outcome und die Qualität von klinischer Ethikberatung zu erfassen (vgl. z. B. Schildmann et al. 2019), kann dies nicht in gleichem Maße in der Klinischen Ethikfortbildung beobachtet werden. Da es sich bei klinisch-ethischen Fortbildungen – ähnlich wie in der klinischen Ethikberatung – um komplexe Interventionen handelt, bei denen der Einfluss der Einzelkomponenten durch das im Alltag untrennbare Zusammenspiel häufig unklar ist, stellen sich den klinischen Ethiker*innen im Rahmen der Evaluation weitreichende forschungspraktische, methodologische und Ressourcen betreffende Probleme. Die Frage nach dem Ziel der jeweiligen Fortbildungsmaßnahme – kognitiv, affektiv, handlungspraktisch (Schnell und Seidlein 2016) – ist zentral für die Auswahl des Formats und der darin angewendeten didaktischen Methoden und wird damit noch einmal drängender. Diese Überlegungen verstärkt explizit zu machen, kann die Bemühungen, die tatsächlichen Effekte der Fortbildungen in der klinischen Handlungspraxis entsprechend der adressierten Lernziele zu messen (resp. die Qualität von ethischen Entscheidungsfindungsprozessen (vgl. Carpenter et al. 2004)), unterstützen, auch wenn es sich dabei jeweils nur um Einzelkomponenten handelt. Zugleich liegt der Fokus des Beitrags auf einer Systematisierung der verschiedenen Formate, sodass diese Problemstellung hier nicht tiefergehend betrachtet werden konnte.

Auffallend war, dass interprofessionelle Formate bevorzugt gewählt werden, um den Perspektivwechsel einzuüben und die Haltungsentwicklung und -artikulation zu fördern. Dies steht im Einklang mit der Annahme, dass interprofessionelles Lernen eine Voraussetzung für die gelingende klinische Zusammenarbeit zugunsten einer Verbesserung der Patient*innenzentrierung und Versorgungsqualität ist. Einige Formate hingegen, die gemeinsam für alle Gesundheitsfachpersonen und interessierte Laien angeboten werden, schöpfen ihr Potenzial noch nicht in Gänze aus. So steht es bislang diesen beiden Gruppen vor allem lediglich offen, die Veranstaltung zu besuchen. Die unterschiedlichen Sichtweisen, Erfahrungen und Expertisen werden jedoch noch nicht explizit als Ressource für gezielte Begegnungen genutzt. Es stellt sich deshalb die zukünftig noch zu klärende Frage, ob und inwiefern innerhalb dieser Formate nicht nur nebeneinander, sondern auch gezielt von- und miteinander gelernt werden kann.

Die Auseinandersetzung mit Fragen der Evaluation bedarf einer separaten Aufarbeitung und konnte hier nicht mitberücksichtigt werden. Auch die Tatsache, dass innerhalb der Formate jeweils sehr unterschiedliche didaktische Methoden zum Einsatz kommen können bzw. könnten und wo die Grenzen des sinnvollen Einsatzes spezifischer Methoden innerhalb der Formate liegen (z. B. Kurzfilm anstelle eines Impulsreferats innerhalb des Formates Ethik-Café) konnte hier nicht tiefergehend beleuchtet werden.

Die Frage, ob und in welchen Formen die hier dargestellten Formate auch online, hybrid oder als Blended-Learning-Formate umsetzbar sind, ist nach den teils steilen Lernkurven von Lehrenden seit Beginn der Pandemie unbedingt zu stellen. Die Möglichkeit zur Online-Teilnahme an Fortbildungsveranstaltungen stellt eine wichtige Ressource im Hinblick auf barrierefreie Lehre dar, die Bereitstellung von Videos durchgeführter Veranstaltungen erleichtert den niederschwelligen Zugang für einen deutlich breiteren Kreis an Interessent*innen, beides wirft konkret aber mitunter auch Fragen zum Datenschutz auf – etwa, wenn es sich um Fallretrospektiven handelt. Diskussionslastige Veranstaltungen wie das Ethikcafé oder kleinere Formate, für die eine vertrauensvolle Atmosphäre entscheidend ist, dürften eher von Präsenzformaten profitieren. Dennoch gilt es auch diese Hypothese zukünftig zu prüfen. Wie mit den anderen vorgestellten Bausteinen zur Gestaltung verschiedener „Formatmischungen“ gilt es auch mit diesem Baustein kontextangepasst zu experimentieren.

Ethik-Fortbildungen in der Klinik sind ein dynamisches Feld, das die darin Handelnden vor zahlreiche – die Konzeption, Umsetzung und Evaluation betreffende – Herausforderungen stellt. Eine Systematisierung des vorhandenen Erfahrungswissens und das Generieren empirischer Evidenz zur Effektivität und Nachhaltigkeit sind Forschungsdesiderate. Hierzu liefert dieser Beitrag eine erste Diskussionsgrundlage.