Abstract
Historiker haben den weitreichenden Einfluß eines schottischen Common-Sense-Realismus auf die amerikanische Theologie häufig festgestellt. Und mit Sicherheit konnte man diesen Einfluß kaum irgendwo eher mit Händen greifen als am Old-Princeton-Seminary: Kontinentale Theologie und Bibelkritik geriet mit Princetons realistischem Ansatz und einer der Tradition verhafteten calvinistischen Theologie in Konflikt. Das trat insbesondere 1893 im Zuge des kirchlichen Untersuchungsverfahrens gegen Charles August Briggs zu Tage: Die Ereignisse und Diskussionen regten in Princeton dazu an, noch hinter die iro-schottischen Wurzeln zurückzugreifen und sich um eine Fundierung einer von konfessionellem Bewußtsein geprägten calvinistischen Theologie zu bemühen. Ein Ergebnis war, daß Geerhardus Vos erster professor biblicus der Fakultät wurde.
Vos war von der Neo-Calvinistischen Bewegung Abraham Kuypers in den Niederlanden geprägt, die wiederum selbst wesentliche Elemente dem Romantizismus verdankte. Der vorliegende Beitrag berücksichtigt gerade diese besonderen, auf der niederländischen Prägung beruhenden Charakteristika der Vosschen Methode, insbesondere bezogen auf seine Epistemologie, sein Wissenschaftsverständnis, das Geschichtsbild und seinen Organizismus; sie lassen manche Anfrage an seine Föderaltheologie zu. Freilich kopierte Vos Kuyper nicht einfach, sondern erkannte die besonderen Anforderungen, die die Situation in Amerika an ihn stellte. Darum berücksichtigt der vorliegende Beitrag auch, in welcher Weise Vos die in den Niederlanden gewonnenen Erkenntnisse in seine Lehre in Princeton integrierte. Während Kuyper die Biblische Theologie etwa gleichgültig blieb, eröffnete der Lehrstuhl in Princeton Vos die Möglichkeit, diese sich zunehmend etablierende Disziplin weiterzuentwickeln. So wurde Vos' Position zu einem tertium zwischen den Calvinisten in Princeton einerseits und denen in Amsterdam auf der anderen Seite.
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