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Licensed Unlicensed Requires Authentication Published by De Gruyter July 8, 2011

Störer gesellschaftlicher Ordnung

Über inhaltliche Kontinuitäten in Sektenbeschreibungen

  • Claudia Wustmann and Katharina Neef

Zusammenfassung

Religionsgemeinschaften – besonders solche, die innerhalbeiner Gesellschaft eine gewisse Majorität beanspruchen können – sehen sichzumeist gezwungen, sich von anderen, konkurrierenden Gemeinschaften, insbesonderedivergierenden Strömungen der eigenen Tradition, abzugrenzen. In Beschreibungendevianter Gruppierungen, sogenannter Sekten, sind es vor allemsoziale Stigmata, mit denen die „Sektierer“ immer wieder belegt werden: Sektenseien unmoralisch in vielerlei Hinsicht; ihre Anhänger sexuell deviant und seltsamen,nicht den ständischen Gegebenheiten entsprechenden Umgang miteinanderpflegend. Der religiöse Habitus sei ohnehin lediglich Tarnung für Personenoder Gruppen, die nur an das Geld der Einfältigen wollten. Diese und ähnlicheVorwürfe finden sich durch die Jahrhunderte in Häresiographien, Sektenratgebernund letztlich in der öffentlichen Diskussion. Denn ebenso wie diese Topoinicht unbedingt religiöse Bezüge aufweisen, finden sie sich nicht nur in religiösenDiskursen, sondern nehmen auch in der Literatur über dezidiert areligiöse Gruppen,etwa den Deutschen Monistenbund, einen festen Platz ein. Durch dieseKontinuität der Motive sowie sprachlichen Muster eignen sich Sektendebattenbzw. die Literatur über Sekten, um historische Toleranzgrenzen und Konstruktionendes Anderen auszuloten. Damit potentiell raum- und zeitübergreifend amQuellenmaterial deklinierbar, beschränken sich die im Folgenden gewählten Beispieleaus Gründen einer stringenten Argumentationslinie weitgehend auf dieFrühe Neuzeit und Moderne im deutschsprachigen Raum; dadurch platzieren sichdie Belege sowohl in einem kulturellen Kontinuum als auch in einem Rahmengesellschaftlichen Wandels, der die Gleichartigkeit wie auch die Anpassung unddamit scheinbare Veränderung dieser Konstruktionen aufzeigbar macht.

Abstract

Religious communities often tend to distinguish themselves from otherreligious communities – especially from diverging communities rooting in their own tradition. Social stigmata are brought forward to describe these deviant socalledsects: They were immoral, their adherents sexually deviant and havingstrange, improper acquaintances. Calling themselves religion is said to be a trickto fool the simple ones out of their money. These topoi can be found in heresiographies,guidebooks on sects and in public discourse throughout the centuries.They are not even restricted to religious groups, but are part on the polemicalliterature against secularist groups (as the German Monist League).

By this continuity in terms and motives, debates on sects are a superb object toreconstruct borders of tolerance and constructions of “the other” historically.The paper restricts itself to sources from the German Early Modern Period andModernity to strengthen the arguments; but the thesis can be held in general.With this temporal and local focus, we encounter a sphere of cultural continuityas well as cultural change, seeing the structural continuities as well as assimilationsand thus internal developments.

Published Online: 2011-07-08
Published in Print: 2011-07-15

© 2012 Walter de Gruyter GmbH & Co. KG, Berlin/Boston

Downloaded on 31.5.2024 from https://www.degruyter.com/document/doi/10.1515/zfr-2011-0002/html
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