Abstract
Für die Gestaltung zwischenmenschlicher Beziehungen im Zeitalter des Digitalen ist eine vergleichsweise junge Subdisziplin der Informatik-Forschung besonders zentral: Affective bzw. Emotion Computing. Dazu werden Techniken gezählt, die es erlauben, Emotionen, Affekte oder verwandte menschliche Zustände zu erfassen, gezielt auszulösen, zu simulieren und/oder auf sie sinnvoll zu reagieren. Emotion Computing steht an einer Schnittstelle zwischen Informatik, Ingenieurwissenschaft und Theorien der Gefühle, wie es sie traditionell vor allem in der Psychologie und Philosophie gibt (aber auch in der Soziologie und weiteren Geistes- und Sozialwissenschaften). Besonders fortgeschritten sind Technik und Anwendungen mit der ersten Funktion: die des Erfassens von Gefühlen, insbesondere ausgehend von der menschlichen Mimik. In diesem Beitrag werden die Grundlagen dieses spezifischen Verfahrens kritisch untersucht, um eine ethische Analyse vorzubereiten. Dazu gehört zum einen eine Klärung der theoretischen Basis der Technik: Was für ein Emotionsverständnis und welche epistemologischen Prämissen sind zentral? Zum anderen ist zu fragen, was mit dem Einsatz der Technik genau erreicht werden soll und welche Leistungen die Systeme dafür genau erbringen müssten. Nach einer kurzen Skizze des Stands der Technik wird bisher geäußerte Kritik aus kulturwissenschaftlicher und psychologischer Perspektive an den Grundlagen der digitalen Gefühlserfassung rekonstruiert und kritisch diskutiert. Abschließend werden Perspektiven für wichtige philosophische und interdisziplinäre Forschung in diesem Feld aufgezeigt.