Psyche 72 (5):342-373 (
2018)
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Abstract
Die jetzt vorliegende ungekürzte Korrespondenz zwischen Sigmund Freud und Karl Abraham in originalem Deutsch erlaubt Einblicke in den wissenschaftlichen Austauschprozess bei der Entwicklung ihrer psychoanalytischen Konzepte. Abrahams einseitig-genetische Vorstellungen über die destruktiv-sadistischen Aspekte der Oralität und über die frühen Objektbeziehungen sind bei Freud auf Widerspruch gestoßen. Freud erweist sich einerseits als geduldiger Lehrer und Supervisor für Abraham. Andererseits ist er auch kritischer Mahner, der Abraham bis in die letzten Briefe daran erinnert, die Grundbedingungen der Neurosenentstehung zu beachten. Die Ergebnisse von Abrahams klinischen Beobachtungen sind für Freud wiederum wertvolle Bestätigungen für seine eigenen Überlegungen zur Pathologie früher Störungen. Der Autor zeichnet die Entwicklung der unterschiedlichen Ansätze am wissenschaftlichen Briefwechsel nach. Der Akzent liegt auf dem ätiologischen Problem der Neurosengenese im kausalen Denken bzw. im Denken vor dem Hintergrund von Nachträglichkeit. Die weitere Entwicklung der Konzeptionen nach Abrahams Tod wird kurz skizziert.