Ein Scharnier zwischen Eugenik und Recht – der „medizinisch-juristische“ Kommentar im „Dritten Reich“

NTM Zeitschrift für Geschichte der Wissenschaften, Technik und Medizin 29 (3):285-318 (2021)
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Abstract

ZusammenfassungAb 1934 traten vermehrt Wissenschaftler unterschiedlicher Disziplinen, insbesondere Mediziner, als Autoren einer vormals rein rechtswissenschaftlichen Fachtextgattung auf, nämlich des juristischen Kommentars. Der folgende Text geht am Beispiel des maßgeblichen, von zwei Ärzten und einem Juristen verfassten Rechtskommentars zum Blutschutz- und Ehegesundheitsgesetz von 1935 der Frage nach, wie sich dadurch die Gesetzeserläuterung veränderte. Hintergrund ist eine ab 1934 in den juristischen Fachzeitschriften geführte Debatte um eine Reform des Genres Gesetzeskommentar, das in seiner herkömmlichen Anlage als inkompatibel mit dem nationalsozialistischen Rechtsdenken galt.Der Aufsatz versucht diesen Prozess in Ausweitung des Theorieansatzes Mitchell G. Ashs als „Verflechtung“ des Rechts mit anderen Wissenschaften zu begreifen, die zu beiderseitigem „Vorteil“ war: Auf der einen Seite konnte sich die Jurisprudenz auf vorgeblich „wissenschaftlich-objektive“ Befunde berufen, die, anders als juristische Abwägungen – so die Suggestion –, als „nicht hinterfragbar“ angesehen wurden. Andererseits verlieh die unmittelbare Rechtsrelevanz bestimmter Befunde aus den betreffenden Wissenschaften diesen Disziplinen insgesamt einen höheren gesellschaftlichen Stellenwert, der wiederum die Erschließung neuer Forschungsfelder ermöglichte.Geprüft wird außerdem ein möglicher Zusammenhang mit einer partiellen Veränderung der Gerichtslandschaft: Mit der verstärkten Gesetzeskommentierung durch Nicht-Juristen erweiterte sich schließlich auch der Adressatenkreis der betreffenden Schriften. Auf Grundlage vieler ab 1933 geschaffener Gesetze wurden neue Gerichte ins Leben gerufen, an denen sogenannte sachkundige Laienrichter mitentschieden – „Fachleute“ aus den Disziplinen, auf die sich die Gesetzgebung nun berief.

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