Abstract
Wollte man die neuzeitlichen, modernen und poststrukturalistischen Subjektkonzeptionen der Philosophie, der politischen Theorie und Sozialtheorie auf einem Spektrum anordnen, das seinen Bogen von einem apriorisch-transzendentalen Subjekt zu einer Konzeption von Subjekt als ‚Produkt‘ sozialer Praktiken und Diskurse oder als Teil der Selbstbewegung der Welt aufspannt, nähme die neumaterialistische Subjektkonzeption von Karen Barad, Quantenphysikerin und Professorin für Feminist Studies, Philosophy, and History of Consciousness, eine Extremposition ein. Das Subjekt wird im Rahmen ihrer materialistischen Metaphysik als Moment des Werdens der Welt, als instabiles Produkt der Praktiken (‚Intra-Aktion‘) der Materie vorgestellt. Indem das Subjekt nicht mehr und nicht weniger als ein Moment des Werdens der Welt konzipiert ist, stellt Barad die Denkfigur des autonomen Subjekts und die diskursiven und philosophischen Grundlagen des Subjektbegriffs selbst zur Disposition. Ohne die materialistische Metaphysik und Ethik von Barad einkaufen zu müssen, kann – so der hier eingenommene methodologische Ansatz – die materialistische Programmatik insofern gewinnbringend für eine Analyse des modernen Subjektbegriffs herangezogen werden, als dass sie den Fokus auf begriffsstrukturelle und philosophische Implikationen des Subjektbegriffs lenkt und damit in ihrer Variabilität auf besonders radikale Weise zu bedenken gibt.