Abstract
ZusammenfassungDer vorliegende Artikel widmet sich der Frage, wie Spiele und spielen zur Big-Data-basierten Wissensproduktion in der Hochenergiephysik beitragen. Als Beispiel dienen Detektorkollaborationen am Large Hadron Collider (LHC) der Europäischen Organisation für Kernforschung (CERN), in denen die Autorin seit 2014 kulturanthropologische Feldforschung unternommen hat. Der ludische Aspekt der Wissensproduktion wird hier in drei verschiedenen Dimensionen analysiert: der symbolischen, der ontologischen und der epistemischen. Erstere verweist auf das CERN als Ort, an dem ein kosmologisches Wahrscheinlichkeitsspiel mithilfe von Monte-Carlo-Simulationen durchgeführt wird. Die Zweite wird durch kompetitive Infrastrukturen in der Arbeitspraxis verschiedener Kollaborationsgruppen sichtbar. Die dritte Dimension entfaltet sich durch ludische Plattformen, wie etwa Online Challenges und Citizen Science Games, die zur Entwicklung von machine learning algorithmen beitragen, deren Funktion notwendig ist, um die ungeheuren Mengen an Big Data verarbeiten zu können, die durch die Experimente gesammelt werden. Das CERN wird als Ort des Deep Play beschrieben, einem von Clifford Geertz entwickeltem Konzept, das dazu beiträgt, größere soziale und kulturelle Ordnungen durch die Analyse ludischer Kollektivphänomene zu begreifen. Der Artikel setzt sich darüber hinaus mit Peter Galisons Idee der Trading Zone auseinander und schlägt vor, diese in Zeiten von Big Data als Playground (Spielplatz) zu begreifen. Die Autorin hofft damit zu einer breiteren sozio-historiografischen Diskussion in den Science and Technology Studies (STS, Wissenschafts- und Technikforschung) und nicht zuletzt der Kulturanthropologie beizutragen, indem das Ludische in den Wissenschaften als zentrales Element für das Verständnis kollaborativer Wissensproduktion begriffen wird.