Toleranz und/oder Paternalismus im engeren sozialen Nahbereich?

Zeitschrift für Praktische Philosophie 4 (2):63-86 (2017)
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Abstract

Ist uns eine Person wichtig, möchten wir häufig zwei Haltungen zugleich an den Tag legen, die sich jedoch in einem Spannungsverhältnis zueinander befinden: einerseits eine tolerante Haltung und andererseits eine paternalistische. Zum einen sind wir üblicherweise der Überzeugung, dass andere und insbesondere uns Nahestehende ein Recht darauf haben, in ihren eigenen Angelegenheiten auch ihre eigenen Entscheidungen zu treffen. Dies gilt selbst dann, wenn uns diese Entscheidungen fragwürdig vorkommen. Wir haben diese dann zu tolerieren. Zum anderen neigen wir häufig erneut gerade bei nahestehenden Personen zugleich zu einer paternalistischen Haltung, wenn wir glauben, dass die Person nicht die für sie beste Entscheidung trifft. Wir wollen eben doch das Beste für diejenigen, die uns etwas bedeuten, und wir halten es in manchen Fällen durchaus für angebracht oder gar geboten, auch gegen den aktuellen Willen der uns Nahestehenden zu ihrem eigenen Wohl einzugreifen oder sie von vornherein in die „richtige“ Richtung zu beeinflussen. In diesem Aufsatz diskutiere ich das konstatierte Spannungsverhältnis und weise zunächst die Auffassung zurück, dass schlicht die eine Haltung zugunsten der anderen aufzugeben ist. Anschließend diskutiere ich einen naheliegenden liberalen Vereinbarkeitsvorschlag, dem zufolge Toleranz im Wesentlichen Priorität genießt und Paternalismus nur in einer sehr eingeschränkten Variante möglich und akzeptabel ist. Demgegenüber argumentiere ich, dass der engere soziale Nahbereich nach einem umfassenderen Einbezug der paternalistischen Haltung und paternalistischer Eingriffsmöglichkeiten verlangt. Ich komme deshalb zu dem Schluss, dass, obwohl die praktische Frage, wie in der jeweiligen Situation zu handeln ist, stets eine der konkreten Abwägung bleibt, die beiden Haltungen sich jedoch letztlich als ein jeweils zu einseitiger Ausdruck einer einzigen, umfassenderen Haltung verstehen lassen, nämlich einer um das Wohl und das selbstbestimmte Gelingen des Lebens der nahestehenden Person besorgten und unterstützenden Haltung.

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Michael Kühler
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