In Ralf Stoecker, Christian Neuhäuser & Marie-Luise Raters (eds.),
Handbuch Angewandte Ethik. Stuttgart: Verlag J.B. Metzler. pp. 783-790 (
2011)
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Abstract
DieMedizinIntensivmedizin Intensivmedizin ist ein wichtiges Arbeitsfeld der biomedizinischen Ethik. In vielen Fällen werden existentielle Fragen des Menschseins berührt, um die Individuen und Gesellschaften immer wieder erneut ringen: Unter welchen Umständen erwarte oder erhoffe ich als Intensivpatient welche Art der Zuwendung? Welche Verpflichtung habe ich als Angehöriger dem Patienten gegenüber, wie kann ich meiner Rolle als Bezugsperson gerecht werden? Welche Verantwortung hat die Gemeinschaft bzw. der Staat gegenüber Schwerkranken und Sterbenden? Was ist ein guter Tod und wer darf darüber befinden? Namen wie „Karen Quinlan“ oder „Nancy Cruzan“, zwei junge Frauen, die sich nach einem Unfall über Jahre hinweg in einem Zustand des apallischen Syndroms (‚Wachkoma‘) befanden, erinnern an die intensiven Debatten, die über die letzten Jahrzehnte zu diesen Fragen geführt wurden. Zudem ist die Intensivmedizin seit ihren Anfangstagen zur Zeit der Polioepidemien und der Entwicklung verschiedener Organersatztherapien (Dialyse, Beatmung) in der Mitte des letzten Jahrhunderts von Allokationsfragen begleitet: Welcher Patient soll die knappe Ressource erhalten und wer soll darüber anhand welcher Kriterien entscheiden dürfen? Die kritischen Diskussionen zum „God Committee“ von Seattle – einem Bürgerkomitee, das Anfang der 1960er Jahre über den Zugang von Patienten zur Dialyse befand – sowie um die Zuteilungskriterien für Organe Verstorbener zum Zwecke der Transplantation illustrieren, dass es sich hierbei im Kern nicht um medizinischtechnische, sondern um Gerechtigkeitsfragen sowie um Fragen der Abwägung individual- und sozialethischer Prinzipien handelt.