Abstract
Die Herausbildung von Theorien der juristischen Argumentation in der Rechtstheorie Mitte des zwanzigsten Jahrhunderts steht in Zusammenhang mit der wachsenden Einsicht in Defizite der klassischen juristischen Methodenlehre, deren Regeln in dieser Zeit zunehmend als theoretisch unzureichend begründet und für die Praxis wenig hilfreich erachtet wurden. An die Stelle der für die juristische Methodenlehre kennzeichnenden Erarbeitung normativer, in ihrer Validität umstrittener und hinsichtlich ihrer entscheidungsbestimmenden Kraft nicht einschätzbarer Vorgaben für Rechtswissenschaft und Rechtspraxis trat zunehmend die Beschäftigung mit realen juristischen Begründungen, die als möglicherweise unterschiedlich interpretierbar, aber prinzipiell einer rationalen Analyse zugänglich betrachtet wurden. Der Schwerpunkt des rechtstheoretischen Interesses verschob sich damit von einer normativen zu einer analytisch-deskriptiven Perspektive. Allerdings blieb nicht nur die juristische Methodenlehre als normative Disziplin weiterhin präsent; auch im Rahmen der Argumentationstheorie selbst wurden normative Modelle entwickelt. Man kann in diesem Sinne zwischen analytischen und normativen Theorien juristischen Argumentierens unterscheiden.