Abstract
Hannah Arendts Kant-Lektüre findet ihren Abschluß in einer Interpretation der „Urteilskraft“. Im „Urteilen“ entdeckt sie einerseits das zentrale Vermögen des politischen Handelns, andererseits die eigentliche Tätigkeit eines notwendig sich von allem Handeln zurückziehenden die Geschichte betrachtenden Denkens. Daraus entsteht der Anschein, die Denkerin habe ihre Politische Philosophie zuletzt durch einen Widerspruch ruiniert. Auf der Basis des von Seyla Benhabib in die Diskussion gebrachten Begriffs des „narrativen Handelns“ läßt sich jedoch zeigen, daß dieser Widerspruch nur ein Scheinproblem darstellt. Arendts Philosophieren findet in der Auslegung der „Urteilskraft“ die Möglichkeit, ihrer Hermeneutik der „totalen Herrschaft“ ein ethisches Fundament zu verschaffen. Das durch einen tiefgreifenden „Traditionsbruch“ gestörte „Verstehen“ der politischen Sphäre findet in der „moralischen Urteilskraft“ einen Anhaltspunkt, sich den Gefahren einer durch den Totalitarismus bedrohten Moderne zu stellen. So wird es möglich, die wichtigste Intention von Arendts Denken als eine „politische Ethik“ zu charakterisieren